Charakteristisches Markenzeichen aller Modelle: Das Multiscale-System, das die bei anderen Bässen häufig schwammige H-Saite auf das klangliche Niveau der übrigen Saiten bringt. Wir haben uns mit dem 59-jährigen Firmeninhaber auf dem Guitar Summit getroffen und viel Interessantes über seine Instrumente, seine Philosophie, aber auch über wichtige Erprobungsphasen erfahren.
Dingwall gehört dieser Tage zweifellos zu den populären Herstellern im Bass-Hochpreis-Segment. Das in Saskatoon beheimatete Unternehmen von Firmengründer Sheldon Dingwall stellt seit mehr als 25 Jahren ungewöhnlich hochwertige und durchgehend markant klingende Bässe her.
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Sheldon, bist du eigentlich selbst Bassist?
Nein, ich komme vom Klavier. Wobei: Mein allererstes Instrument waren Töpfe und Pfannen. Ich krabbelte bereits auf dem Boden herum und trommelte auf alles ein, was mir in die Finger kam, bevor ich überhaupt laufen konnte. Insofern: Meine erste Liebe galt dem Schlagzeug, mein erstes Instrument war das Klavier. Das überrascht die Leute immer wieder, denn als in den 90ern andere Hersteller anfingen, die üblichen Probleme eines fünfsaitigen Basses aus Sicht von Musikern und Herstellern zu lösen, kam mein Ansatz eher von Gitarre und Piano und lautete: Multiscale.
Wann genau war das?
Anfang 1993. Wobei ich natürlich nicht der Erfinder der Multiscale bin, denn die gibt es schon seit mehr als 3000 Jahren, nur eben auf anderen Instrumenten wie etwa Harfe oder Klavier. Ich war auch nicht der erste, der es auf einer Gitarre verwendete, sondern das war Ralph Nowak, der sich das Prinzip 1989 patentieren ließ. Als typischer Bass-Hersteller wäre ich vielleicht gar nicht auf das Multiscale-Konzept gekommen, sondern hätte eher mit verschiedenen Hölzern und Pickups experimentiert, um zwischen den einzelnen Seiten und Bünden einen gleichmäßigeren Ton zu bekommen. Durch unseren neuen Ansatz waren wir gefordert, alle Bauteile eines Basses auf den Prüfstand zu stellen. Deshalb stellen wir auch eigene Hardware her, eigene Pickups und eigene Saiten, die D’Addario für uns produziert. Auf diese Weise haben wir volle Kontrolle über alle Komponenten unserer Instrumente.
Dingwall D-Roc Hellboy Rob van der Loo Signature Limited Edition mit Custom Darkglass/ Dingwall-Onboard-Distortion
Bild: Matthias Mineur
Dingwall D-Roc Hellboy Rob van der Loo Signature Limited Edition mit Custom Darkglass/ Dingwall-Onboard-Distortion
Dingwall D-Roc Standard in Matte Metallic Black mit Korpus aus Khaya Mahagoni, Ahorn-Hals und Griffbrett aus Pau Ferro
Bild: Matthias Mineur
Dingwall D-Roc Standard in Matte Metallic Black mit Korpus aus Khaya Mahagoni, Ahorn-Hals und Griffbrett aus Pau Ferro
Wie groß ist dein Mitarbeiterstamm?
Wir haben 14 Festangestellte, plus externe Mitarbeiter für die Künstlerbetreuung und die Sozialen Medien, sowie das Personal einer chinesischen Manufaktur, mit der wir kooperieren. Insgesamt kommen wir auf etwa 60 Mitarbeiter. Wir versuchen zurzeit, auch Leute in Indonesien zu rekrutieren.
Kannst du dich noch an deinen allerersten Bass erinnern, mit all den Schwierigkeiten, die mit der Herstellung vermutlich zusammenhingen?
Und ob! Ich weiß sogar noch den Tag, an dem ich die Saiten aufgezogen habe. Es war der 14. Januar 1993, der Abend bevor ich zur NAMM Show geflogen bin. Ich arbeitete die ganze Nacht durch, um meinen ersten Bass fertigzustellen, packte frühmorgens die Koffer und flog los. Ein großer Moment!
Ich hatte damals nur ein Ziel: Ich wollte das Problem der B-Saite lösen. Damals hatten B-Saiten immer schwankende Intonationen und nicht den gleichen vollen Ton wie die anderen Saiten. Bei meinem ersten Prototyp, damals 1993, war ich von der generellen Qualität überzeugt und dennoch überrascht, wie gut auch E- und A-Saite klangen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wir sind vor allem für unsere Fünfsaiter bekannt, und die Leute sind überrascht, wenn unsere Viersaiter genauso gut klingen. In meinen Ohren klingen sie sogar besser, weil der kleinere, leichtere Korpus besser schwingt.
Besitzt du den allerersten Prototyp noch?
Nein, leider ist er 1996 bei einem großen Brand verlorengegangen. Wir waren kurz zuvor in eine größere Halle umgezogen. Am Neujahrsmorgen brannte die Halle ab und vernichtete unseren gesamten Bestand.
Warst du versichert?
Ja, allerdings nicht ausreichend. Ich hatte die Firma auf einem Küchentisch gestartet und musste sie nach dem Feuer wieder auf einem Küchentisch aufbauen.
Gibt es einen roten Faden zwischen deinem allerersten Bass-Prototypen und deinen aktuellen Modellen?
Eine wirklich sehr interessante Frage! Zunächst: Die Mensurlänge ist gleich geblieben. Damals haben wir einfach mit einer B-Saite und einer Fender-Kopfplatte nach der optimalen Mensur gesucht. Wir kamen schließlich auf 37 Zoll, weil bei diesem Maß die tiefe B-Saite genauso gut klingt wie die E-Saite. Damit fing alles an. Dann überlegten wir, welche Maße ein Bass überhaupt haben darf, damit er in ein reguläres Case passt. Mit dem Case standen die Proportionen des Basses fest. Dann versuchten wir einen Bass zu bauen, der zwar an der B-Saite 3-inch länger ist, aber dennoch die Gesamtmaße eines Standard-Fender-Basses nicht übersteigt. Deshalb ist unsere Kopfplatte ja so klein, was in Verbindung mit der Brücke wiederum einen positiven Effekt auf die Gesamtbalance des Basses hat.
Deshalb: Die Mensurlänge ist gleich geblieben, alles andere hat sich verändert: die Preamps, die Pickups, das Holz. Der erste Prototyp und die erste Serie bestanden aus sommergrünem Paulownia-Holz − ein großartiges Holz, das aus China stammt, aber auch in Nordamerika wächst und unter günstigen klimatischen Bedingungen pro Jahr einen Meter zulegt. Aber leider war es zu weich. Zusätzlich hatten wir auch Sassafras-Holz, das ich von einem Typen kaufte, der persönlich mit Elvis befreundet war. Er und Elvis spielten Football in einem Team, das sich ‚The Memphis Mafia‘ nannte. Später wurde er Holzhändler, von ihm kaufte ich das Sassafras-Holz, das, wenn man es bearbeitet, ein wenig nach Fruchtsaft riecht. Heute dagegen verwenden wir traditionelle Hölzer wie Erle, Sumpfesche und mitunter Mahagoni.
Damals wollte ich diese regulären Hölzer nicht, sondern suchte nach etwas Ungewöhnlichem, womit man experimentieren kann. Aber es gibt halt gute Gründe, weshalb diese traditionellen Hölzer so beliebt sind, zumal unser Gehör auf diese Hölzer geeicht ist. Und wenn etwas anders klingt, sagt uns unser Unterbewusstsein, dass hier etwas nicht stimmen kann. Es gibt viele toll klingende Hölzer, aber wir verwenden sie nicht, weil sie unseren Kunden nicht gefallen. Man lernt, dass dies ein wichtiges Kriterium im Instrumentengeschäft ist…
Wie viele verschiedene Modelle habt ihr zurzeit im Angebot?
Es gibt 13 verschiedene Serien, inklusive einiger Untermodelle. Wir versuchen, für jede 1000-Dollar-Grenze ein weiteres Modell anzubieten, außerdem gibt es eine Import-Serie, die in China gefertigt und dann nach Kanada importiert wird, wo sich dann unsere Leute drei bis vier Stunden lang um die Bünde, das Finetuning etc. kümmern. Hinzu kommt unsere Custom-Shop-Serie, die komplett in Kanada gefertigt wird.
Bild: Matthias Mineur
Dingwall NG3 in Laguna Seca Blue Swirl mit Darkglass Tone Capsule Preamp
Bild: Matthias Mineur
Dingwall NG3 in Laguna Seca Blue mit Erlekorpus, Ahornhals und –griffbrett
Bild: Matthias Mineur
Dingwall Combustion in Natural Finish mit EMG 3-Band-Preamp und Korpus aus Sumpfesche
Bild: Matthias Mineur
Dingwall Darkglass 10th Anniversary NG3 mit Matte Silver Finish und FD3n-Pickups
Ihr unterscheidet eure Modellserien also nicht nach Musikstilen?
Nein, unsere Bässe sind generell für alle Musikrichtungen geeignet. Natürlich sind wir zurzeit vor allem im Heavy Metal angesagt, was wohl damit zu erklären ist, dass wir für Metalheads ein perfektes Angebot haben. Doch das war keine bewusste Marketingstrategie, sondern eher Zufall. Denn auch die ungewöhnlichen Farben unserer Bässe sind seit langem Tradition. Unsere Bässe sind denen von Fender klanglich sehr ähnlich, und Fender passt ja auch zu sämtlichen Musikstilen. Wir zielen auf keine bestimmte Käuferschicht, wir versuchen einfach nur die bestmöglichen Instrumente zu bauen.
Gibt es für Dingwall-Bassisten den aus deiner Sicht perfekten Bassverstärker?
Ich habe noch keine spezifische Bass-Amp-Kombination gefunden, die deutlich besser ist als andere. Wir arbeiten mit drei oder vier Herstellern zusammen, die auf unterschiedliche Weise sehr gut zu unseren Bässen passen. Einer von ihnen ist Darkglass, zwei andere sind Eich und Bergantino, aber es gibt zahlreiche weitere Anbieter, die wir bislang noch nicht testen konnten. Phil Jones und Glockenklang zum Beispiel − allesamt exzellente Amps. Um deine Frage zu beantworten: Es gibt nicht nur den einen Top-Amp. Die Zeiten für Verstärker sind im Vergleich zu den 70ern heute generell großartig. Damals gab es nur zwei Möglichkeiten − wenn man Glück hatte. Heute kann man 1000-Watt-Modelle mit zwei Fingern tragen. Es gibt kaum noch schlechte Amps.
Gibt es auch Einsteigermodelle für den schmalen Geldbeutel?
Unser günstigstes Modell kostet 1.600 Dollar, also kein billiger Bass. Ich selbst habe früher nie ein Instrument besessen, das so viel gekostet hat. Ich verstehe also, wenn sich einige Musiker unsere Bässe nicht leisten können.
Was kostet euer teuerster Bass?
Etwa 15.000 Dollar. Im Vergleich zu Orchesterinstrumenten ist das verhältnismäßig günstig, im Vergleich zu anderen elektrischen Instrumenten wahnsinnig teuer. Aber für uns steht fest, dass – egal ob es ein Modell für 1.600 oder 15.000 Dollar ist – ein Dingwall-Bass immer das teuerste Instrument in einer Sammlung ist, das sich der betreffende Kunde leisten kann. Meine Philosophie lautet, und sie stammt aus meiner Erfahrung als Musiker: Billige Instrumente enttäuschen nur, denn wenn du mit einer Band in eine Stadt kommst, geht dein Instrument nie an einem Wochentag kaputt, sondern immer am Wochenende, wenn du keinen Ersatz beschaffen kannst.
Natürlich lässt sich bei einfachen Instrumenten viel Geld bei der Herstellung einsparen, bei einem Multiscale-Bass ist das nicht möglich. Ich möchte keinen Kompromiss eingehen bei den Buchsen, der Verdrahtung, bei der Elektrik, den Mechaniken, denn wenn man mit Musik seinen Lebensunterhalt verdient, muss das Instrument auf Topniveau sein. Und dieses Niveau kostet halt Geld. Deswegen bauen wir lieber wenige hochwertige Instrumente für ausgewählte Kunden als viele billige Instrumente für jedermann.
Einem Instrumentenbauer soll- te sein Produkt nicht nur den Magen füllen, sondern auch die Seele füttern, und diese Philosophie wird in westlichen Gesellschaften mitunter vergessen. Unsere Instrumente sollen halt beides: unsere Mägen füllen und unsere Seele füttern. Wir verkaufen nur Bässe, an die wir zu 100% glauben und auf die wir restlos stolz sind. Es gibt auch andere Hersteller, die hochwertige Instrumente bauen, aber ich finde, dass niemand so gute Bässe herstellt wie wir, weil wir bis ins kleinste Detail auf höchste Qualität achten. Und das ist gut für unsere Kunden.
Denkst du, dass Dingwall irgendwann eine weitere revolutionäre Bass-Technik entdecken wird, mit der du heute selbst noch nicht rechnest?
Hm, eine weitere wirklich sehr gute Frage! Ja, ich glaube, dass wir das Limit noch lange nicht erreicht haben. Erinnerst du dich noch an die 80er, als Yamaha mit dem DX-7-Synthesizer auf den Markt kam? Wie sehr dies die Musik verändert hat? Plötzlich wurde die Musik progressiver, die Songs wurden länger und komplizierter, eine völlig neue Musikergeneration entstand. Ein einziges Instrument veränderte die gesamte Musik. Um heute noch einmal so etwas zu wiederholen, bedarf es auf dem Instrumentensektor einer weiteren Innovation. Wenn man sich hier auf dem Guitar Summit umschaut, entdeckt man so viele kreative Menschen mit tollen Ideen, da kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis eine weitere große Innovation die Musik verändern wird. Ich glaube, dass alle zehn Jahre etwas Bahnbrechendes passiert. Und auch bei uns entsteht alle sechs Monate eine neue Idee.