Das mexikanische Duo Rodrigo Sanchez und Gabriela Quintero spielt nicht einfach nur akustische Instrumental-Musik, es sieht darin auch den Schlüssel zu einer anderen Bewusstseinsebene und einer besseren Welt. Nachzuhören auf ,Mettavolution‘, dem mittlerweile sechsten Album der beiden Mittvierziger.
Das wartet mit einer Reihe von Neuerungen in der fast 20-jährigen Geschichte des einstigen Liebespaars aus Mexico City auf. So war ,Mettavolution‘ das erste Mal, dass Rod und Gab – wie sie sich selbst nennen – mit einem traditionellen Rock-Produzenten (Dave Sardy) gearbeitet haben, auch mal auf elektrifizierte Gitarren und dezente Vocal-Elemente zurückgreifen, ein Stück von Pink Floyd covern und sich betont minimalistisch geben. Ein regelrechter Quantensprung in ihrer Karriere, die Anfang der 2000er auf den Straßen von Dublin begann und sie seitdem in die größten Arenen der westlichen Hemisphäre geführt hat – mit anderthalb Millionen verkauften Alben, zahlreichen Auszeichnungen und Preisen sowie außergewöhnlichen Signature-Gitarren. Grund genug, Rodrigo Sanchez zu einem ausführlichen Gespräch zu bitten.
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Interview
Rodrigo, ,Mettavolution‘ ist euer erstes Album seit fünf Jahren. Warum die lange Auszeit? Habt ihr eine Pause gebraucht oder war es Zeit für eine Neuorientierung?
Wir haben vielleicht nicht bewusst eine Pause eingelegt. Aber unbewusst war es vielleicht genau das – wir hatten die Tour zum letzten Album so weit ausgedehnt wie eben möglich. Und jedes Mal, wenn wir angefangen haben, neues Material zu schreiben, hatten wir das Gefühl, dass wir einen Richtungs- oder Kurswechsel bräuchten. Dass wir nicht einfach mit einem Album aufwarten könnten, das eine reine Fortsetzung seiner Vorgänger ist, sondern etwas mit frischen, neuen Ideen.
Was bei eurem stilistischen Ansatz, der ja klar definiert ist, nicht ganz leicht sein dürfte…
Korrekt.
Hattet ihr das Gefühl, auf eine unsichtbare Mauer zu treffen?
Ja, und zu merken, dass man an seine kreativen Grenzen stößt, ist eine fürchterliche Sache. Zumindest für mich. Ich meine, ich schreibe ja auch Musik für andere Sachen als Rod & Gab. Etwa zu meinem eigenen Vergnügen. Und manchmal ist das alles, was ich will. Nur: Was Rob & Gab betrifft, muss ich mich ständig selbst daran erinnern, wer wir sind. Und dass wir vorsichtig sein müssen, wenn wir neue Elemente hinzufügen. In dem Sinne, dass das Fundament von Rod & Gab halt zwei akustische Gitarren sind – auch, wenn wir noch so kreativ sind. Diesmal haben wir ein paar Elemente hinzugefügt, die einen großen Unterschied ausmachen. Aber nicht nur das: Die Art, wie wir das Album geschrieben haben, war ebenfalls anders. Und in unseren Köpfen stellt das eine riesige Evolution zu dem dar, was wir vorher gemacht haben.
Daran habt ihr scheinbar lange geschliffen und gefeilt. Insofern wäre es interessant zu hören, wie die sieben Songs des Albums ursprünglich geklungen haben.
Die Sache ist die: Wir haben wahnsinnig viele Stücke geschrieben. Und diejenigen, die man auf dem Album hört, waren im Grunde die letzten, die uns eingefallen sind. Was wir mit dem übrigen Material machen, wissen wir noch nicht. Aber heutzutage – mit Outlets wie Spotify – muss man solche Sachen ja nicht zwangsläufig auf einem Album zusammenfassen. Wenn man will, kann man jede Woche eine Single veröffentlichen oder etwas Ähnliches machen. Und wir werden bestimmt etwas damit anstellen. Nur: Bei den ersten Songs, die wir geschrieben haben, hatten wir halt das Gefühl, dass da kein großer Unterschied zu dem besteht, was wir die letzten zehn Jahre gemacht haben. Ich meine, ich weiß nicht, ob wir die Sachen wirklich noch mal hervorholen, aber uns war klar: Wir müssen die Art verändern, wie wir schreiben. Normalerweise ist es so, dass ich für die Melodien zuständig bin und Gab den Rhythmus übernimmt. Aber statt eine Melodie für reine Instrumental-Musik zu schreiben, habe ich diesmal richtige Songs mit Gesang komponiert. Damit bin ich dann zu Gab und habe gesagt: „Lass sie uns zusammen ausarbeiten und eine Instrumental-Version davon erstellen.“ Das ist der Grund, warum die meisten Melodien so simpel sind – sie waren ursprünglich für Gesangspassagen konzipiert.
Wären also in Zukunft auch vokale Stücke möglich?
Wer weiß? Erstmal hoffe ich, dass dieses Album viele Menschen erreicht. Wobei wir die Musik aber weiter in erster Linie für uns selbst machen. Ich meine, ich habe erlebt, wie sich Musiker in diesem Personality-Ding verlieren und ein Monster-Ego entwickeln. Wir hingegen haben uns über die Jahre stark verändert und weiterentwickelt. Dafür sind wir extrem dankbar. Eben weil wir tun, was wir lieben. Gleichzeitig geht damit auch eine Verantwortung einher. Sprich: Wir müssen da rausgehen und versuchen, die Menschen durch unsere Musik zu inspirieren.
Auf dem Album kommt zum ersten Mal eine elektrische Gitarre zum Einsatz. Wieso dieser Bruch mit euren bisherigen Parametern?
Wir haben das Album in zwei verschiedenen Studios aufgenommen. Das erste war das Sunset Sound, wo wir quasi den Kern der meisten Stücke aufgenommen haben. Gab und ich saßen da einfach zusammen und haben gespielt – fertig aus. Dann sind wir in das Studio von Dave Sardy gewechselt. Er ist ein Typ, der ausgefallenes Equipment liebt und jede Menge Gitarren bzw. Effekte besitzt. Die Demos, die wir mit Pro Tools angefertigt hatten, wiesen zwar auch ein paar Effekte auf, aber er meinte nur: „Ich kenne mich mit den Sachen, die ihr da verwendet, nicht aus. Also lasst uns das noch einmal analog einspielen. Mit Leslies, E-Gitarren und all solchen Sachen.“ Auf den Demos waren sämtliche Gitarren akustisch, aber zum Teil auch so durch den Computer verfremdet, dass sie elektrisch klangen. Aber als wir das Album aufgenommen haben, haben wir darauf dann komplett verzichtet und richtige elektrische Gitarren nebst Synthesizern verwendet. Trotzdem ist es immer noch minimalistisch. Aber: Es hat dem Album einen anderen Touch gegeben.
Warum habt ihr überhaupt einen Rock-Produzenten wie Dave Sardy engagiert, wenn ihr eure Musik – wie in der Vergangenheit – auch problemlos selbst produzieren könnt? Stimmt es, dass ihr eine Art neutralen Schiedsrichter zwischen euch braucht – zwischen Gab und dir?
(lacht) Durchaus. Wir haben oft unterschiedliche Ansichten, was viele Dinge betrifft. Das ist auch gut so. Und wenn wir uns nicht einigen können, ist da immer noch unser Management. Oder in diesem Fall Dave. Obwohl: Als wir zu ihm ins Studio gegangen sind, war uns beiden schon klar, was wir wollten. Trotzdem kam es vor, dass Gab und ich uns wegen irgendwelcher Kleinigkeiten gestritten haben. Und da war es wichtig, Dave zu haben, um eine weitere Meinung einzufangen und zu einer schnellen Schlichtung zu kommen.
Zwischen Gabriela und dir – wie entscheidet ihr, wer was spielt? Ist sie immer nur für den Rhythmus verantwortlich?
Genau. Es ist, als ob sie das Schlagzeug spielt und ich Bass oder Gitarre. So ist das bei uns. (lacht) Zumindest daran hat sich nie etwas geändert. Was auch gut ist. Denn ansonsten würden wir ja miteinander konkurrieren. Und das tun wir nicht. Sie spielt ihre Parts, die ich nicht hinkriegen würde. Und ich spiele Parts, die sie nicht spielen könnte.
Live habt ihr über die Jahre etliche Cover-Versionen gemacht. Könntet ihr euch vorstellen, mal ein ganzes Album mit Interpretationen anderer Künstler aufzunehmen?
Vielleicht wäre das zu offensichtlich. Und wir denken auch nie groß darüber nach, wenn wir ein Cover bringen. Wir machen es einfach. Bei ,Echoes‘ von Pink Floyd hatten wir einfach das Gefühl, dass es richtig ist. Insofern haben wir es nicht hinterfragt. Und genauso ist es bei jedem Cover, das wir spielen – wir spielen es, weil wir es mögen. Und deswegen könnte es durchaus passieren, dass wir mal ein Cover-Album machen. Aber ich habe noch nie darüber nachgedacht.
Aber Metallicas ,Orion‘ mit Robert Trujillo am Bass zu spielen, muss doch ein Highlight eurer Karriere gewesen sein?
Natürlich! Wir haben uns die Bühne schon mit etlichen unserer Helden geteilt. Und jedes Mal, wenn wir das tun, ist das eine Art Rückversicherung, dass wir das Richtige machen, dass unser Duo genug Qualität besitzt. Wobei das aber auch eine persönliche Sache ist. Eben nicht: Wir brauchen ihre Zustimmung, sondern: Es ist toll, Musik mit Leuten zu teilen, die man liebt. Wie Al Di Meola, Robert Trujillo oder Santana. Denn wir sind Musiker und wir machen alle dasselbe.
Was Gitarren betrifft, so konzentriert ihr euch zwar auf rein akustische Modelle, ihr habt aber auch da zwei verschiedene Setups: Zum einen die Yamahas, die ihr im Studio spielt. Zum anderen ziemlich komplizierte Maßanfertigungen, die ihr auf der Bühne verwendet.
Ich würde das wahnsinnig gerne erklären, aber es ist so komplex, dass ich es nicht kann. Nur so viel: Im Korpus befindet sich ein kleiner Computer.
Weil akustische Gitarren auf großen Bühnen zu wenig Durchschlagskraft besitzen?
Wahrscheinlich würden wir das irgendwie hinbekommen. Aber selbst die neue Yamaha-Signature-Gitarre die jetzt kommt, deutet das System, das wir verwenden, an. Dabei ist das nichts, was man wirklich braucht – es sei denn, man tourt wie wir und spielt in diesen großen Hallen. Ich meine, als wir vor zwölf Jahren dieses Level erreicht haben, gab es das System, das wir jetzt verwenden, noch gar nicht. Es gab Transducer und kleine Pickups, aber alles andere musste Yamaha erst erfinden. Denn es war so: Jedes Mal, wenn wir in größeren Venues gespielt haben und Gab ihre perkussiven Parts auf dem Korpus gebracht hat, ist das nicht vernünftig rübergekommen. Insofern musste die Gitarre auch an anderen Stellen des Korpus gleich laut sein – und wir mussten das Signal trennen. Deshalb haben Yamaha an den Piezo-Pickups gearbeitet. Eben um sicherzustellen, dass die Frequenzen richtig sind. Vor allem die für die perkussiven Elemente. Ich meine, man kann jede Menge verschiedene Piezos einbauen, aber diese Elektronik braucht auch eine Bandbreite für den Ton, damit er dahin geht, wo man ihn haben möchte. Um ganz ehrlich zu sein: Ich verstehe selbst nicht genau, was da alles passiert – ich verwende es einfach. Um den Rest kümmert sich der Mischer. Bei unserer Zusammenarbeit mit Yamaha ging es ursprünglich ja mehr um die reine Gitarre. Die Elektronik kam auf Anregung unseres Technikers hinzu. Denn das ist es, wohin der Sound geht. Und er ist es, der damit klarkommen muss.
Dafür habt ihr jeweils sieben Piezo-Pickups, die über den Korpus verteilt sind – damit der Fokus auf unterschiedliche Bereiche und Spielweisen gelegt werden kann?
Das könnte man so sagen – darum geht es. Wobei, wenn wir ehrlich sind: Eigentlich brauchen die Signature-Gitarren das nicht wirklich. Ich meine, wenn jemand Stadien spielt, kann er Yamaha anrufen und sich das entsprechend anfertigen lassen. Aber die meisten Leute brauchen das halt nicht. Wenn man in einer kleinen Bar, in einer kleinen Halle oder einfach zu Hause spielt, braucht man höchsten drei Piezos.
Was habt ihr an euren Signature-Modellen sonst noch verändert? Inwiefern habt ihr sie modifiziert?
Mein Hals ist super-dünn und das bieten sie nur über ihren Custom-Shop an – aber eben nicht als Massenproduktion. Das ist eine Sache, die auf Handarbeit beruht. Und das erledigen sie für mich. Ansonsten gibt es noch einige kleinere Unterschiede, aber es sind einfach sehr gute Gitarren. Wir haben ein paar von denen ausprobiert, die jetzt mit dem neuen System aufwarten, also den neuen Piezos, die viel leichter sind als früher. Sie sind so dünn wie ein Blatt Papier und wurden in den neuen Signature-Gitarren verbaut. Aber halt in begrenzter Auflage und mit einem vereinfachten, kleinen Computer. Außerdem verwenden wir beide „very low action“. Und das beachten die Gitarrenbauer von Yamaha ebenfalls.
Wenn es um Gear geht: Würdest du dich selbst als Sammler bezeichnen? Und wie nerdy bist du da?
Ich bin kein großer Sammler. Ich habe zwar jede Menge Gitarren, aber nicht, weil ich sie horte, sondern sie stapeln sich ganz einfach bei mir. (lacht) Und manchmal spende ich ein paar für Benefizaktionen.