Von seinen YouTube-Jüngern wird Rabea Massaad schon lange als einer der besten zeitgenössischen Gitarristen gefeiert. In seinem kleinen Dachgeschoss-Homestudio präsentiert der 32-jährige Brite regelmäßig neue Songs und neues Equipment, er verrät der digitalen Öffentlichkeit Tipps und Tricks zu Sounds und Spielweisen, und erfreut sich damit wachsender Beliebtheit.
Allein sein YouTube-Special „Sound Like Eddie Van Halen Without Busting The Bank“, das er in Zusammenarbeit mit dem englischen Instrumentenhändler Anderton‘s Music im April 2019 ins Netz gestellt hat, zählt bis heute weltweit nahezu 400.000 Aufrufe. Kein Wunder also, dass sich innovative Instrumentenhersteller wie Chapman Guitars oder Victory Amplification rechtzeitig seine Dienste gesichert haben.
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Darüber hinaus spielt Massaad bei den Charts-notierten Progressive/Djent-Formationen Dorje und Toska und hat vor wenigen Monaten einen eigenen Bare-Knuckles- Signature-Pickup entwickelt, der zukünftig auch in seiner Chapman ML-3-Bea-Signature verbaut werden soll. Alles in allem also ein höchst interessanter junger Musiker, den wir gerne vorstellen und zu seiner bisherigen Laufbahn befragen.
Rabea, stimmt es, dass du beinahe Schlagzeuger geworden wärst?
Ja, das stimmt. Mit sieben oder acht fing ich an, auf alles einzutrommeln, was mir die Gelegenheit bot. Für kleine Jungs sind Drums natürlich ungemein spannend. Doch mit 16 verletzte ich mich beim Skateboarden so schwer am Bein, dass ich operiert werden musste und nicht mehr Schlagzeug spielen konnte. Mein Vater ist Gitarrist, in unserem Haus gab es immer eine Stratocaster und irgendeine Jackson.
Also nahm ich nach meinem Unfall eine dieser Gitarren in die Hand und merkte, dass ich durch mein jahrelanges Drumming ein gutes Rhythmusgefühl habe und sehr gleichmäßig anschlage. Ich hatte von Beginn an riesigen Spaß, deshalb machte ich schnell Fortschritte und war wild entschlossen, sämtliche Songs von Metallicas ‚Master Of Puppets‘ nachspielen zu können. Ich war süchtig, geradezu besessen davon, die Parts möglichst perfekt wiederzugeben, vergleichbar mit einem Videogame, bei dem man unbedingt das nächsthöhere Level erreichen will.
Mit welcher eigenen Gitarre hat es bei dir angefangen?
Ich bekam mit 16 zu Weihnachten eine Washburn X-50, die ich immer noch besitze. Sie war meine erste richtige Gitarre.
Und der erste Amp?
Auch den bekam ich am selben Heiligabend, es war ein Marshall MG-DFX als 2x12er-Combo.
Wow, dickes Weihnachtsgeschenk!
Ja, meine Tante schenkte mir die Gitarre, und von meinen Eltern bekam ich den Verstärker. (lacht) Man muss sich das mal vorstellen: Am gleichen Weihnachtsabend wurde ich stolzer Besitzer einer eigenen Gitarre und eines eigenen Amps. Wahnsinn! Ich war völlig aus dem Häuschen und spielte jahrelang wie ein Besessener.
Du stehst also schon immer auf Stratocaster-Modelle und nicht so sehr auf Les Pauls?
Immer Strats und Teles! Dies hängt sicherlich auch mit meinen ersten Gitarren zusammen, mit der Strat meines Vaters und meiner eigenen ersten Washburn. Ich war es einfach gewohnt, mit doppelten Cutaways zu spielen. Ich habe viele Jahre gesucht, bis ich endlich eine Les Paul fand, die mir wirklich gefiel.
Und zwar?
Es ist eine Gibson Les Paul Custom von 1971 mit einem völlig anderen Spielgefühl als sämtliche Les Pauls, die ich im Laufe der Jahre getestet habe.
Inwiefern?
Meine Les Paul ist refretted und fühlt sich wunderbar geschmeidig an, außerdem ist der Hals nicht übermäßig dick, aber eben auch nicht zu dünn. Der Hals war früher mal gebrochen, wurde aber repariert. Ich fand die Gitarre bei Norman’s Rare Guitars in Los Angeles.
Kostenpunkt?
Ich hatte vorher auf ‚Reverb‘ und ‚Ebay‘ lange recherchiert und wusste, dass 71er-Custom-Modelle durchaus 9000 Dollar kosten können. Meine Les Paul hat umgerechnet 2000 englische Pfund gekostet, ein absoluter Glücksgriff.
Ist der Hals das für dich ausschlaggebende Kriterium einer guten Gitarre?
Der Hals und die Brücke. Wenn man ein Floyd-Rose-System spielt, fühlt es sich völlig anders an als eine Fender-Bridge oder ein Gibson-Stoptail-Two-Piece. Nicht jede Brücke passt zu meinen großen Händen. Die Brücke meiner Chapman ML3 passt perfekt, ebenso wie Fender-Bridges. Ich habe mich zwar im Laufe der Zeit auch an ein Stoptail-Two-Piece gewöhnt, aber ideal für meine Hände ist es nicht. Ich checke immer erst einmal ab, wie es sich mit einer Gitarre abgedämpft spielen lässt. Erst dann weiß ich, ob mir die Brücke gefällt.
Hattest du mal Gitarrenunterricht? Wodurch hast du dich als Musiker so rasant entwickelt?
In jüngeren Jahren war ich total auf Songs anderer Künstler fokussiert, speziell auf die Alben von Extreme mit Nuno Bettencourt, dazu ‚The Extremist‘ von Joe Satriani oder ein wenig von Steve Vais ‚Passion & Warfare‘, aber auch The Darkness und Rage Against The Machine. Ich spielte alles nach, was mir gefiel.
Jahrelang hatte ich diese Songs nur gehört, dann wollte ich unbedingt wissen, wie man sie spielt. Anschließend entdeckte ich Incubus und stellte fest: All das Shredding, all die Technik bedeuten gar nichts, wenn man nicht gleichzeitig auch gute Songs hat. Von da an wollte ich wissen, wie man richtig komponiert, um nicht nur ein guter Gitarrist und Musiker, sondern auch ein guter Songschreiber zu werden. Ich fing an in Bands zu spielen, Stücke zu komponieren, meine Technik aber auch für schnelle Soli zu nutzen.
Dann traf ich Rob Chapman und begann mich stärker auch für melodische Ambient-Parts á la Joey Landreth zu interessieren, also für sanftere und atmosphärischere Musik, als ich sie bislang gehört hatte. Ich spiele immer noch sehr gern schnell, aber vor allem faszinieren mich schöne Harmoniewechsel und ineinander verschachtelte Akkorde, wie man sie beispielsweise in Filmsoundtracks findet.
Wie kam die Zusammenarbeit mit Rob Chapman zustande?
Ich lernte Rob 2011 bei Anderton’s Music kennen. Wir freundeten uns an und gründeten zusammen eine Band. Irgendwann sagte er: „Ich finde, dass Chapman Guitars dir ein eigenes Instrument bauen sollten.“ Natürlich war ich total begeistert, so entstand zunächst die ML1 Bea, die von Nuno Bettencourts Washburn N4 inspiriert ist.
Danach meine neue Chapman ML3 Bea, die alles das hat, was ich mir bei einer Gitarre wünsche. Also einen Hals aus Padauk-Holz, ein Griffbrett aus indischem Ebenholz, einen Korpus aus Erle und eine Decke aus geflammtem Ahorn. Mit dieser Kombination huldige ich zwar der Washburn N4, aber sie hat dennoch mehr meine eigenen Spezifikationen und die Form einer Telecaster.
Bei den Pickups handelt es sich um Prototypen meiner nagelneuen 18-Ohm-Bare-Knuckle-Pickups, die im Oktober auf den Markt gekommen sind. Sie klingen super dynamisch, sodass ich mit den Potis der Gitarre stark in den Sound eingreifen kann, von atmosphärisch-sanft bis richtig laut und wütend. Bislang hatte ich Seymour-Duncan-Pearlyn-Gates-Tonabnehmer verbaut, habe sie aber gegen meine neuen Bare Knuckles eingetauscht.
Ist die ML3 Bea auch für Heavy Metal geeignet?
Ja, aber nicht nur. Ich sehe mich selbst nicht als reinen Metal-Gitarristen. Ich spiele zwar in Metal-Bands und höre Heavy Metal, aber ich liebe viele verschiedene Arten von Musik. Deshalb muss meine Gitarre auch zu unterschiedlichen Genres passen. Man kann über den Coil-Switch einen bluesigen Strat-Sound erzeugen, oder man steuert den Bridge-PU an und bekommt einen harten, verzerrten Ton, wenn man möchte. Sie passt einfach zu jeder Art von Musik.
Die ML3 Bea sieht zwar modern aus, im Grunde bin ich aber Traditionalist und bevorzuge ein klassisches Spielgefühl. Ich stehe auf Röhren-Amps, mag aber auch Transistoren, liebe sowohl aktive als auch passive Pickups, ich bin also absolut flexibel.
Seit einiger Zeit kooperierst du mit Victory-Amps, nicht wahr?
Ich habe gemeinsam mit Victory den The Kraken entwickelt. Er ist zwar nicht mein Signature-Amp, aber ich habe bei der Entwicklung geholfen. Der Amp hat genügend Distortion, sodass man für verzerrte Sounds kein zusätzliches Pedal benötigt. Übrigens auch keinen Booster, denn der neue Super Kraken hat einen internen Boost.
Ich mag keine externen Tubescreamer, ich finde sie verändern das Spielgefühl. Ich besitze ein paar Fuzz-Pedale, unter anderem ein Germanium von Buffalo Effects und ein Mister Black Thunderclaw. Bei Delays und Reverbs setze ich schwerpunktmäßig auf Strymon, speziell auf den Big Sky, den Timeline und den Mobius. Hinzu kommen ein Electro Harmonix POG zum Oktavieren und seit kurzem einen Walrus Audio EB-10 als Equalizer, plus ein Gig-Rig-Switcher.
Kommen diese Pedale nur live zum Einsatz oder auch im Studio?
Sowohl als auch. Die Geräte von Strymon sind absolut studiotauglich. Durch meinen YouTube-Kanal habe ich schon so viele Effektpedale kennengelernt und getestet, dass ich sehr genau weiß, was im Studio brauchbar ist. Das ist natürlich ein echter Vorteil.
Wie sind deine Pläne hinsichtlich deines YouTube-Kanals? Siehst du hier generell deine berufliche Zukunft?
Meinen YouTube-Kanal gibt es schon seit 2011, so richtig intensiv wurde es allerdings erst in den zurückliegenden drei, vier Jahren. YouTube als Kunstform ist für Musiker wie mich und für Menschen, die in diesem Business arbeiten, unglaublich wichtig. Ich spiele zwar auch in Bands, aber über YouTube kann ich nicht nur meine Bands, sondern auch Firmen und spezielle Geräte promoten. Ich bin mit Menschen, die sich für meine Meinung und meine Musik interessieren, in der ganzen Welt verbunden. Das ist für mich sehr wichtig, und solange ich etwas mitzuteilen habe, werde ich den Kanal dafür nutzen. Es macht Spaß, hilft mir und ist in heutigen Zeiten ein wichtiges Werkzeug für Musiker.
Du lernst also auch selbst eine Menge durch YouTube?
Oh ja, absolut, und zwar permanent, weil ich natürlich auch selbst andere Kanäle anschaue. Ich habe zum Beispiel wichtige Lektionen über das Mischen von Studioaufnahmen bekommen, die mir bei meinen eigenen Songs sehr helfen. Man lernt die nächste Generation von Studio-Equipment kennen und erhält Kaufempfehlungen, also genau das, was andere Musiker auch auf meinem Kanal finden können.
Top, gerne wieder.