(Bild: Petia Chtarkova)
32 Jahre lang war Philip Anthony Campbell der Gitarrist der britischen Rock-Institution Motörhead. Deren Geschichte endete am 28. Dezember 2015 mit dem Tod von Sänger und Bassist Lemmy Kilmister. Mit den Bastard Sons – tatsächlich spielt Campbell hier mit seinen Söhnen zusammen – macht der gebürtige Waliser Musik, die sich in der harten Tradition seiner alten Band bewegt, aber auch eigene Akzente setzt. Während der letzten Tour ergab sich eine gute Gelegenheit zu einem Gespräch über Rock‘n‘Roll und Gitarren.
Vorab ein Blick zurück: 2016 spielten Phil Campbell und seine Söhne Todd (g), Dane (dr) und Tyla (b) plus Neil Starr (voc) erste Auftritte beim Wacken Open Air und dem britischen Bloodstock Open Air. Die selbstbetitelte Debüt-EP erschien Ende des Jahres.
Es folgten weitere Festival-Auftritte und die zweite EP ,Live In Solothurn‘. Schließlich veröffentlichte das 4/5-Familienunternehmen 2018 ,The Age Of Absurdity‘. Ein starkes Album, auf dem stramme Nummern wie ,Gypsy Kiss‘ und ,Ringleader‘ am ehesten an Motörhead erinnern. ,Welcome To Hell‘ hingegen atmet den Geist der 90er und in ,Dark Days‘ shuffelt die Band mit einem bluesigen Riff und scharfer Harmonica in Richtung Seventies.
Auch ,Into The Dark‘ gehört mit seiner melodischen Gitarre und dem treibenden Beat zu den klassischen Stücken dieses Albums, das mit einem Hidden-Track endet, einer knackigen Version des Hawkwind-Hits ,Silver Machine‘.
„Wir haben in den Rockfield Studios aufgenommen, einem berühmten Studio in Wales, in dem schon Queens ,Bohemian Rhapsody‘ entstanden ist“, erzählte Todd Campbell zu den Aufnahmen. Wir trafen Phil und Todd Campbell vor ihrem Auftritt in Köln geradezu standesgemäß im „Rock Pit“. In dem kultigen Restaurant gibt’s deftige Hamburger und Steaks, an der Wand hängen großformatige Fotos von meist Heavy-Bands und -Musikern, an der Bar wird neben Hochprozentigem auch das Motörhead Röad Crew Pale Ale ausgeschenkt.
Apropos: Stummer Zuschauer des Interviews war die eigens herangeschaffte Statue von Lemmy Kilmister, die auch schon auf dem Wacken-Festival zu sehen war.
Interview
Phil, wie kam die Idee zustande, mit deinen Söhnen eine Band zu gründen?
Phil: Wir kamen einmal bei Todds Geburtstagsparty zusammen und spielten ein paar Stücke mit dem Equipment einer anderen Band. Es klang sehr gut und von dort aus machten wir weiter.
Hast du deine Söhne dazu inspiriert Instrumente zu lernen?
Phil: Ich denke, ein wenig. Mit drei, vier oder fünf Jahren schienen sie interessiert zu sein und ich zeigte ihnen ein paar Akkorde auf der Gitarre oder etwas auf dem Schlagzeug.
Todd: Als wir jung waren, sind wir oft auf Motörhead-Konzerte gegangen. Und wenn du jung bist und du siehst die Bühne und bekommst alles mit, dann ist das sehr inspirierend.
Todd, was sind deine Einflüsse als Gitarrist?
Todd: Joe Satriani hat mich früh umgehauen. Heute bin ich Fan von Frank Zappa und David Gilmour. Als ich anfing, waren Bands wie Silverchair und Pearl Jam populär, neben den beiden habe ich auch Offspring gehört. Und von dort bin ich dann bei Classic Rock gelandet.
Wie arbeitet ihr an euren Gitarren-Parts?
Phil: Nicht bis zum Äußersten. Wir kennen das Spiel des anderen genau und spielen ziemlich gut zusammen. Manchmal tauschen wir auch unsere Parts.
Todd: Ich möchte nicht die Show anfangen und gleich drei Soli spielen. Manchmal sage ich: „Phil, spiel du heute mal das Solo.“ Und wenn wir einen großen Motörhead-Hit spielen, dann möchte ich nicht seine Teile übernehmen …
Phil: Ich will auch nicht die ganze Zeit Solo spielen.
Todd: Er lässt mich alle schwierigen Soli spielen. (lacht)
Phil: Oder die, in denen die Tonart wechselt. (lacht)
Wie geht ihr das Thema Gitarren-Sound an?
Todd: Auf der Bühne hat Phil im Moment mehr einen High-Gain-Sound und ich habe eher die Rhythmus-Sounds. Phil spielt den Joe Satriani JVM Marshall, ich einen Marshall JCM 900. Weiterhin spiele ich u. a. eine neue Framus Mayfield, eine Semiacoustic mit F-Löchern, die einen dicken Rhythmus- und auch Lead-Sound produziert. Sie haben für mich dieses Modell extra mit F-Löchern ausgestattet. Eine schöne Gitarre.
Phil, was ist so besonders an deiner Framus Signature?
Phil: Sie haben über die Jahre viele Gitarren für mich gebaut. Als ich die Fabrik einmal besuchte, haben sie mich mit diesem goldenen V-artigen Modell überrascht. Es ist sehr cool und sehr verlässlich. Darüber hinaus haben sie mir auch eine goldene Panthera II gebaut, mit dem Motörhead-Emblem, und eine mit dem walisischen Drachen drauf. Die möchte ich nicht so gerne auf Tour mitnehmen, damit sie nicht gestohlen wird. Es gibt noch ein Modell mit grünen LEDs als Griffbretteinlagen. Framus gehört definitiv zu den Pionieren der Gitarrenhersteller. Das ist Topqualität.
In welchen Tunings spielt ihr?
Phil: Bei Motörhead haben wir alle Saiten um einen Halbton tiefer gestimmt und jetzt um einen Ganzton. Manche Songs sind sogar noch einen Halbton tiefer, sodass die tiefste Saite ein C# ist. Das hilft unserem Sänger Neil, wenn wir länger auf Tour sind. Und der Sound ist so kräftiger. Ich kann gar nicht in Normalstimmung spielen, weil ich es gewohnt bin, mindestens einen Halbton tiefer zu spielen.
Dann spielt ihr auch entsprechend dickere Saiten?
Todd: Wir benutzen Dunlop-Hybrid-Saiten, wobei die tiefen Saiten runter bis .052 gehen. Wir brauchten eine Weile, bis wir die richtigen Saiten gefunden hatten. Jetzt fühlt es sich beim Spielen viel stabiler an als vorher.
Phil, war es, nach einer großen Band wie Motörhead, schwierig für dich, mit den Bastard Sons fast von vorne anzufangen?
Phil: Es machte überhaupt keine Mühe, vielmehr war es aufregend. Eine gute Show ist eine gute Show, egal ob in einem Stadion oder in einem schwitzigen Club. Ich genieße es sehr und habe einen Mordsspaß. Die Dressing Rooms sind nicht das, was ich gewohnt bin, also lerne ich jetzt, mich umzustellen. (lacht)
Was ist eigentlich aus deinem Soloalbum geworden, das du nach dem Ende von Motörhead angekündigt hast?
Phil: Das ist zu 3/4 fertig. Ich arbeite mit Todd daran, er produziert es. Vielleicht ist es im Sommer fertig.
Todd: Einige Mixe sind letzte Woche fertig geworden.
Es heißt, dass viele Gäste mitspielen, darunter Rob Halford, Joe Satriani und Slipknot-Percussionist Chris Fehn.
Phil: Ja, außerdem spielen auch die Bastard Sons einige Sachen. Und mit dabei sind auch Dee Snider, Phil Crane, Ray Luzier von Korn und Benji Webbe von Skindred. Es gibt noch mehr Künstler in der Pipeline. Es wird sehr harte Nummern geben, aber auch einige Überraschungen. Ich bin ziemlich aufgeregt deswegen.
Vor drei Jahren starb Lemmy. Wann hast du ihn das letzte Mal gesprochen?
Phil: In Berlin, nach dem letzten Gig. Es war das Ende der Tour, wir umarmten uns und sagten: „Das war eine großartige Tour, wir sehen uns demnächst.“
Bist du in Kontakt mit Motörhead-Drummer Mikkey Dee?
Phil: Ja, wir telefonieren alle vier Wochen. Vor einigen Monaten habe ich beim Barcelona-Rocks-Festival mit den Scorpions ,Overkill‘ gespielt. Das war nett von ihnen, das sind gute Jungs. Mikkey hat eine gute Zeit bei den Scorpions (Dee ersetzte 2016 den erkrankten James Kottak).
Hattet ihr überlegt Motörhead weiterzuführen?
Phil: Nein, das war niemals eine Option. Ich wollte auch nicht darauf zurückkommen. Wir haben einige großartige Sachen gemacht, großartige Arbeit, und das lassen wir so stehen. Das war etwas Besonderes.
2017 erschien das letzte Motörhead-Album ,Under Cöver‘ mit einigen überraschenden Nummern. Viele Leute mochten die großartige Version von David Bowies ,Heroes‘. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, den Song zu spielen?
Phil: Triple X, der Wrestler, wollte, dass wir einen Song aufnehmen, der mit Wrestling zu tun hat. Auf der Liste standen u. a. ,Sympathy For The Devil‘ von den Stones und auch ,Heroes‘. Ich sagte zu Lemmy: „Los, lass uns ,Heroes‘ machen, ich mag den Song.“ Und Lemmy sagte: „%$&/Ahrrrggg§!%$, der verdammte David Bowie!“ Ich sagte: „Komm Lemmy, lass es uns versuchen.“ Wir probierten es und ich weiß, dass er sehr stolz darauf war, als wir damit fertig waren. Und es gab posthum ein schönes Video mit dem Song, mit Ausschnitten vom Wacken-Festival. Wenn wir dazu in der Stimmung sind, spielen wir gelegentlich mit den Bastard Sons unsere eigene kleine Version von ,Heroes‘.
Wie sieht es mit Motörhead-Songs diesbezüglich aus?
Phil: Wir spielen ,Ace Of Spades‘, das möchte jeder hören.
Todd: Wir versuchen das auf jeder Tour zu ändern.
Phil: Ja, sodass es Überraschungen gibt, wie einige obskure Motörhead-Songs.
Todd: Viele Motörhead-Fans kamen zu unseren Shows und waren enttäuscht, dass wir gar nichts von Motörhead auf der Setlist hatten. Inzwischen spielen wir gerne Songs, die Motörhead nicht so oft live gespielt haben und die die Fans lange nicht mehr gehört haben.
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)