Im Jahre 2005 übernahm der damals 37-jährige Paul Turner die freigewordene Stelle in der Acid-Jazz-Band Jamiroquai. Neuer Bassist, neue Ära, cooler Sound! Die Liste namhafter Musiker, mit denen er bis dahin gespielt hatte, war lang – mehr als 70, sagt das Internet, darunter Annie Lennox, Tina Turner, George Michael, Gary Barlow und noch viele mehr!
Interview
Paul, bevor du bei Jamiroquai eingestiegen bist, hast du bei The Dark Sinatras gespielt, einer progressiven Rockband. Hast du also mehrere musikalische Identitäten?
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Ich habe natürlich neben Jamiroquai einige andere Projekte, die mir Spaß machen. Ich bin zwar für Funk bekannter, aber die progressive Richtung hat mir auch Spaß gemacht! Es war genau so ehrlich und mit Herz, wie alles, was ich sonst spiele. Ich höre auch in meiner Freizeit unterschiedliche Genres, es muss kein Funk sein, um mich zu berühren. Trotzdem würde ich sagen, dass Jamiroquai meinen persönlichen Musikgeschmack am besten trifft.
Du hast im Laufe deiner Kariere schon mit vielen verschiedenen Künstlern zusammengearbeitet. Hattest du dabei immer die Chance, deinen eigenen Touch beizusteuern oder musstest du dich öfter mal anpassen und zurücknehmen?
Das variiert. Ich lasse mich eh nicht oft auf Projekte ein, bei denen es nach einer klaren Linie geht. Stattdessen tendiere ich zu Aufnahmen, bei denen meine Ideen sowie meine Spielweise gefragt sind. Aber das Spektrum variiert natürlich immer. Das ist für mich aber kein Problem, ich bin einfach glücklich, wenn ich spielen kann. Oft muss man musikalisch auf das Geschehen reagieren. Das war bei Annie Lennox und manch anderen Songwriter-Artists so und seitdem wird das häufig von mir erwartet, wenn mich jemand engagiert.
Also kommt es nicht so häufig vor, dass du einen Haufen Noten vor die Nase gesetzt bekommst?
Das passiert echt selten. Manchmal mache ich mir Notizen, wenn ich mit einem Drummer, Keyboarder oder Gitarristen zusammenspiele. Gerade bei spontaneren Sachen ist das cool. Dann haben alle einen groben Überblick. Aber von außen bekomme ich nur selten ein vorgegebenes Notenblatt. Es ist eher so, dass wir darüber sprechen und sie mir ihre Ideen zeigen und ich ihnen meine. So kommt man überein.
Hast du noch Spaß daran, im Musikbusiness zu sein oder ist es mittlerweile einfach nur noch ein Job?
Nein, es macht mir immer noch Spaß, aber es gibt so ein paar Sachen, die sich verändert haben. Eigentlich will ich nie so negativ klingen, denn es könnten ja auch junge Musiker lesen und sich entmutigen lassen. Aber wenn man den Job wirklich machen will, dann macht man ihn so oder so und das wird zum Erfolg führen. Also, lasst euch vom Folgenden nicht runterziehen! Oft habe ich das Gefühl, dass das Business jetzt im Vordergrund steht und die Musik an zweiter Stelle kommt. Für junge Musiker ist es schwieriger geworden, sich mit anderen Musikern zusammenzutun. Das sieht man häufig an den YouTube-Phänomenen. Viele Musiker oder sogar Bands sieht man in einer anderen Kulisse als früher. Alle sind in ihren Räumen und nicht auf Tour oder auf einer Bühne. Aber YouTube ist mittlerweile auch ein Sprungbrett zum Erfolg geworden und dann kommen irgendwann auch Gigs und Touren. Die Reihenfolge ist jetzt anders. Das oftmals hinderliche ist, dass Manager wissen, dass die Künstler eher auf ihre Kunst und nicht auf das Geld fokussiert sind.
Schwer wird es dann, wenn bei dem Künstler nicht genug zum Überleben ankommt. Ich kenne viele talentierte Musiker, die von dem, was sie tun, nicht leben können und das Überleben dann in den Vordergrund rückt. Besonders gut kann man das in London und anderen größeren Städten beobachten. Dazu kommt, dass viele Menschen vergessen haben, was es heißt, für Musik zu bezahlen. Früher war es ein absolutes Highlight, ein Foto von der Lieblingsband zu entdecken, heute gibt es alles im Überfluss. Informationen, Aufnahmen und Interviews waren rar. Heute will man einfach alles hören, lesen und das möglichst umsonst. Ich will jetzt aber nicht wie ein alter Mann klingen und junge Musiker negativ beeinflussen! Jeder soll seine eigenen Erfahrungen machen und seinen eigenen Blick auf die Dinge entwickeln, das bringt Vielseitigkeit in alles Künstlerische.
Was würdest du jungen Musikern denn raten?
Geh deiner Leidenschaft nach und mach bitte das, was dir dein Herz sagt!
Hast du eigentlich Musik studiert?
Nicht im herkömmlichen Sinne. Meine Uni war die Bühne, denn auf der stand ich schon mit 14. Ich habe mich irgendwann daran gewöhnt, immer Konzerte zu spielen und unterwegs zu sein. Dass es für mich nur das Leben als Musiker geben konnte, war da schon klar. Ich habe von anderen Bassisten gelernt, habe mir Tipps und Kniffe abgeguckt. Ich habe versucht, so ziemlich alle möglichen Genres zu spielen, damit ich von allem lernen konnte. Es ist für junge Musiker übrigens auch wichtig, vielseitig interessiert zu sein. Alle großen Musiker haben so gelernt. Verschiedene Einflüsse kreieren neue Persönlichkeiten und bringen Bands zusammen.
Haben sich deine Einflüsse von damals zu denen von heute verändert?
Ich war immer begeistert von Musik, die zu oder für etwas steht. Ich stand mal total auf Punk, bin ja auch in den 70ern aufgewachsen. Damals konnte ich mich aber auch schon für Jazz begeistern. Ich habe alles gehört: Von Weather Report oder Yellowjackets über The Clash bis hin zum krassesten Punk. Ich bin also einfach schon immer ein Typ gewesen, der sich von allem, das anders, neu und ehrlich ist, hat beeinflussen lassen.
Hast oder hattest du je eine tägliche Übungsroutine?
Nein, nicht wirklich und das bereue ich heute manchmal. Ich bin damit aufgewachsen, mir Songs anzuhören und zu lernen. Wenn ich gefragt wurde, ob ich einen Gig spiele, habe ich die Songs vorher geübt, aber eine wirkliche Routine gab es da nie. Jetzt ist das alles ein bisschen anders, man hat Familie, Verpflichtungen und Internet! (Lacht) Diese Informationsüberflutung ist einfach nicht da gewesen und natürlich profitieren wir jetzt alle davon. Aber oft genieße ich mein Leben einfach ohne irgendwelchen Stress und ohne Bass. Das Leben bringt Erfahrungen, die einem dabei helfen, in allen Bereichen im Leben weiterzukommen. Leute treffen, Lesen, Schreiben, Musikmachen!
Bild: Marie Haacks
Pauls Stenback 5-Saiter – Made in Finland
Bild: Marie Haacks
Sechs Schrauben halten den Hals in der Halstasche; der E-Fach-Deckel wird von Magneten gehalten.
Bild: Marie Haacks
Die Pickups folgen exakt dem Griffbrettradius.
Du spielst immer traditionelle Jazz oder Precision-Bässe als Vier- und Fünfsaiter, aber du klingst trotzdem immer sehr modern. Siehst du dich eher als traditionellen oder modernen Bassisten?
Ich glaube eher traditionell, weil ich mich gerne als Teil der Rhythmus-Sektion und nicht als Solist sehe. Ich gebe den anderen gerne ein Fundament. Aber manchmal sehe ich modernere Bassisten mit ihren Loopstations die coolsten Soli spielen und frage mich dann, ob ich auch so klingen könnte. Dann fange ich an darüber nachzudenken, aber das wäre für mich komisch…
Wir sind bei unserem letzten Album moderner geworden, aber ich würde es trotzdem noch als traditionell einstufen. ‚Summer Girl‘ und ‚We Can Do It‘ sind da in puncto Tradition die Vorzeige- Songs. Meistens spiele ich alte Fender, wie meinen 71er-Mustang. Ich liebe aber ebenfalls meinen 66er-Höfner-Club-Bass und stehe total auf passive Bässe und meine Fünfsaiter.
Ich spiele schon länger einen Stenback und der ist inzwischen mein Bass für Alles. Er spielt sich wie ein richtig guter alter Fender, kommt aber von einer Ein-Mann-Firma in Finnland. Tom Stenback hat ein gutes Auge für Details und perfektioniert den Bass bis in die kleinste Ecke. Das sieht man schon daran, wie er die Pickups positioniert. Sie sind an das Griffbrett angepasst, sodass die Saiten alle gleich laut sind. Ich finde, viele neue Instrumente klingen zu hart – die Stenback-Bässe haben einen vollen und angenehmen Klang. Seine Instrumente sind für mich der perfekte Mix aus modern und vintage. Oftmals gefallen mir Fünfsaiter nicht so gut, weil die fünfte Saite wie ein Fremdkörper klingt. Aber hier ist alles so, wie es sein muss!
Hast du Amps, die dir dabei helfen, deinen favorisierten Sound richtig hinzubekomen?
Ich habe einen alten Ampeg B15 von 1966, den ich für Aufnahmen mit meinem Precision nutze. Bei fast allen Recording Sessions der letzten drei Jahre habe ich meinen Monique Preamp von Jule gespielt. Das Modell heißt Birdcage und ist so groß wie eine kleine Tasche. Er klingt wie ein alter Amp, ist aber sehr handlich und passt in jedes Studio. Auf der Bühne nutze ich Aguilar Amps. Die klingen einerseits traditionell, aber mit mehr Hifi-Sound.
Ich wechsle auch nicht so gerne mein Equipment, das lenkt mich vom Musikmachen ab. Man gewöhnt sich sehr an einen Bass oder an einen Amp und fängt an, sich richtig gut auszukennen. Warum sollte man dann ständig Änderungen vornehmen? Du gibst einen Teil deiner Persönlichkeit an dein Instrument ab.