(Bild: Oskar Szramka)
Das letzte Behemoth-Album ist kaum älter als ein Jahr, da legt deren kreativer Kopf Nergal mit dem zweiten Album seines Nebenprojekts nach: Ende März erschien mit ,New Man, New Songs, Same Shit, Vol.1‘ das zweite Album von Me And That Man, das die Nerven der Metal-Szene-Polizei mal wieder über Gebühr strapazieren dürfte.
Das gemeinsam mit dem Singer/Songwriter John Porter gegründete Projekt ist gerade mal drei Jahre alt und doch hat sich auf dem zweiten Album schon einiges verändert. Nicht nur die Anzahl und Qualität der Gastmusiker ist beeindruckend – auch die musikalische Ausrichtung ist vielseitiger geworden. Von Blues und Country über Americana bis hin zu Goth-Rock gibt es hier einiges zu hören. Wie sich die Dinge entwickelt haben, erklärt uns ein enorm gesprächiger und gut gelaunter Nergal – mit bürgerlichem Namen Adam Darski – im Interview.
INTERVIEW
Schön, dass es mit dem Interview geklappt hat. Wie geht es dir?
Ach, danke. Mir geht es super. Ich nutze hier gerade ein wenig meine freie Zeit, um ein paar Sachen zu Hause zu regeln. Ich bin in Warschau und versuche im Moment maximal zwei Interviews pro Tag zu geben. Ich will mich ja nicht zu Tode labern und die Gespräche für mich selber interessant halten.
Bevor wir über das neue Album sprechen, würde mich interessieren, wie sich deine Solo-Band in den letzten Monaten verändert hat. Am Anfang waren es ja nur du und John Porter, oder?
Ja, aber nach der Tour hat er sich sehr rar gemacht und die Band verlassen. Um ehrlich zu sein, war das für mich eine große Erleichterung. John und ich hatten kein ganz einfaches Verhältnis. Ich meine, künstlerisch haben wir uns gut ergänzt, aber ich war froh, als klar war, dass ich das Projekt einfach so nach meinen Wünschen neu erfinden konnte. Mir war sofort klar, dass ich nicht einen neuen Partner suchen wollte, um dann das Gleiche wie mit John noch einmal zu durchleben.
Außerdem würden die Leute anfangen, den Neuen mit John zu vergleichen, was ich auf keinen Fall wollte. Der Gedanke war daher, das Ganze auf ein völlig neues Level zu heben. Wir haben viele neue Leute an Bord, die an dem Album mitgewirkt haben. Dadurch wird das ganze Projekt viel bunter und lebendiger.
(Bild: Napalm Records)
War es denn von Anfang an geplant, so viele Gäste auf der Platte zu haben?
Ja, absolut. Wir hatten ganz schnell so viel Material, dass es viel zu viel für ein Album gewesen wäre. Es ist ja auch kein Geheimnis, wenn ich dir erzähle, dass die Fortsetzung dieser Platte bereits in Arbeit ist. Ich kann natürlich noch nicht sagen, wann genau alles fertig sein wird und will da auch nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ich wollte auf alle Fälle eine Menge großartiger Künstler auf diesem Album zusammenbringen. Sicher, die meisten kommen irgendwo aus dem Metal-Genre, aber die Bandbreite ist wirklich groß. Da sind ein paar richtige Oldschooler dabei, und auf der anderen Seite hast du Leute, die eher aus dem Mainstream-Metal kommen.
War es denn schwierig die ganzen Gastmusiker zu koordinieren?
Zuallererst muss ich sagen, dass wirklich jeder einen absolut großartigen Job gemacht hat. Keinem ging es dabei ums Geld, alle hatten einfach Lust auf die Musik. Ich musste niemanden bitten, jeder war sofort begeistert. Die meisten haben sogar ihre Aufnahmen selber organisiert. Rob Caggiano hat beispielsweise seine Parts hinten im Bus aufgenommen, während er mit Volbeat auf Tour war. Corey Taylor von Slipknot ist einfach in ein Studio bei sich in der Nähe marschiert, um seine Vocal-Parts aufzunehmen.
Danach war er sich ein wenig unsicher, ob ich mit seiner Performance zufrieden sein würde. Ich bin total ausgeflippt, als ich seine Aufnahmen das erste Mal gehört habe. Seine Performance ist einfach wahnsinnig gut. Es ist unglaublich, wie freundlich, zuvorkommend und Down-To-Earth dieser Typ ist.
Dabei hast du dir wirklich ein ziemlich internationales Line-Up zusammengestellt.
Auf jeden Fall, da hast du recht. Ich werde im Moment häufig gefragt, warum ich überhaupt diesen Aufwand betrieben habe, all diese Musiker an Bord zu holen. Kannst du dich noch an Dave Grohls Probot-Album erinnern?
Ja, klar!
Dieses Album war absolut großartig mit all den Gastmusikern. Dann war da noch das Soloalbum von Toni Iommi, auf dem ebenfalls eine unglaubliche Auswahl an Musikern vertreten war. Da waren Henry Rollins, Billy Idol, Phil Anselmo und noch zahllose andere Musiker vertreten. So etwas wollte ich machen. Einfach ein Album, auf dem großartige Künstler miteinander arbeiten.
(Bild: Napalm Records)
Wie würdest du denn die Veränderung vom ersten zum zweiten Album beschreiben?
Na ja, auf dem ersten Album war ich gesanglich einfach noch sehr unsicher, weil ich da zum ersten Mal so richtig gesungen habe. Das ist auf der neuen Platte anders. Ich traue mich mittlerweile mehr. Ich werde dieses Jahr 43 und habe eine Karriere hinter mir, mit der ich persönlich sehr zufrieden bin. Trotzdem habe ich immer noch das Bedürfnis, mich musikalisch herauszufordern.
Es geht nicht darum, etwas zu machen, was sich gut verkauft. Das wäre einfach. Ich will etwas machen, das mich selber herausfordert. Wenn es sich gut verkauft, schön. Wenn nicht, auch okay. Wenn ich morgen sterbe, dann kann ich wenigstens auf etwas zurückblicken, auf das ich aus tiefstem Herzen stolz bin.
Ich finde, dass vor allem der Song ,Mestwo‘ heraussticht, den du ja auf Polnisch singst.
Ja, findest du? Ich erzähle dir mal die Geschichte hinter der Nummer. Mein Schlagzeuger hat eine Band namens Mulk. Ich hatte die – um ehrlich zu sein – gar nicht so richtig auf dem Schirm, bis plötzlich ein Video von ihnen veröffentlicht wurde. Ich wurde komplett umgehauen von dem Song. Dann kam ein paar Wochen später eine zweite Single raus, die sogar noch besser war. Dann habe ich zum Telefon gegriffen, meinen Drummer angerufen und ihm gesagt: „Junge, wenn du noch so einen Hammer-Song veröffentlichst, schmeiße ich dich raus. Das nächste Mal, will ich, dass du so einen Song mir gibst!“
Das war natürlich ein Spaß, aber der Kerl ist wirklich unheimlich talentiert. Ein paar Wochen später bekam ich ein vollkommen fertig ausgearbeitetes Demo von ‚Mestwo‘ auf dem der Sänger von Mulk sogar schon die Vocals eingesungen hatte. Ich musste da also nur noch drüber singen und fertig war das Ganze. Das war auch ganz knapp bevor wir das Master abgeben mussten. Ich war mir völlig unsicher, ob ich das hinbekommen würde mit dem Gesang. Am Ende war ich dann aber doch zufrieden.
Lass uns doch mal über die Produktion reden. Wie habt ihr das Album aufgenommen?
Das war ganz einfach. Wir haben alles innerhalb von zwei oder drei Tagen live eingespielt. Das war mir wichtig. Bei Behemoth ist immer alles sehr aufwendig und groß. Daher habe ich ja Me And That Man gegründet, um einen Ausgleich zu Behemoth zu haben. Hier kann ich alles etwas lockerer angehen. Wenn etwas mal nicht zu hundert Prozent perfekt ist, kann ich damit leben, solange der Vibe stimmt. Bei Behemoth muss ich immer hundert Prozent konzentriert sein. Da gibt es keinerlei Platz für Fehler und schon gar nicht für Humor. Klar, abseits der Bühne kann ich der Idiot sein, der ich bin. Aber auf der Bühne geht das bei Behemoth nicht.
Was für Gitarren hast du bei den Aufnahmen verwendet?
Ich habe fast alles mit meiner Gretsch gespielt. Sascha, unser anderer Gitarrist, hat ebenfalls Gretsch und seine Gibsons benutzt. Ich liebe diese großen Gitarren einfach. Für Behemoth wäre das natürlich nichts, aber für diesen Blues-Sound sind die genau richtig.
Wie sah es bei den Verstärkern aus?
Ich hatte einen Combo von Peavey, aber frag mich nicht, welches Modell. Ich kann mir sowas nicht merken. Das Teil sieht aus, wie diese alten Fender-Amps. Dazu hatte ich noch einen Booster und ein Reverb-Pedal für ein paar Stellen, das war’s. Es sollte alles sehr authentisch und natürlich klingen. Wir überlegen im Moment, das nächste Album in Berlin in den Hansa Studios aufzunehmen. Das ist ein legendäres Studio mit einem unglaublichen Vibe.
Nergal, vielen Dank für das Gespräch.
Ich habe zu danken, alles Gute!
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)