(Bild: Masha Shereghy)
Nach dem Ausstieg von Sänger/Gitarrist und Hauptsongwriter Gustaf Norén schienen Mando Diao am Ende. Doch die Schweden, die in den 2000ern das Herz der deutschen Indie-Rock-Fans im Sturm erobert hatten, konnten sich noch einmal fangen: Mit neuen Bandmitgliedern, einer Rückbesinnung auf einen gitarrenlastigen Sound und einem Album namens ‚Bang‘, das wieder richtig gute Riffs und eine rotzig-trotzige Attitüde aufweist. Der schwedische Patient scheint auf dem Weg der Besserung.
Genau dieser Eindruck erhärtet sich beim Gitarre-&-Bass-Termin im Maritim Hotel am Düsseldorfer Flughafen. Es ist gerade mal 9 Uhr morgens, doch Gitarrist/Sänger Björn Dixgard wirkt ausgeruht, frisch und motiviert. Dabei hat er in der vergangenen Nacht beim Zeltfestival in Hattingen gespielt – bei subtropischen Temperaturen. Vor einigen Jahren wäre er um diese Zeit noch gar nicht ansprechbar, sondern hochgradig verkatert gewesen. Doch die Band aus Borlänge, die sich mit Drummer Patrik Heikinpieti und Gitarrist Jens Siverstedt verstärkt hat, scheint erwachsener, reifer und geläuterter zu sein.
Vielleicht eine Folge von Familie und Kindern, vielleicht aber auch ein radikales Umdenken seit dem Ausstieg von Gustaf Norén im Juni 2015 – und dem damit verbundenen Beinahe-Ende. Ein Erlebnis, das eine tiefe Zäsur in ihrer Karriere darstellt und sich auch auf das neue, neunte Album ‚Bang‘ auswirkt. Das ist so rockig und kantig, wie schon lange nicht mehr. Aus gutem Grund, wie Björn verrät…
Interview
Hand aufs Herz: Bist du noch zufrieden mit eurem letzten Album ‚Good Times‘? Oder war es im Nachhinein eher orientierungslos?
Na ja, es war schon ein wichtiges Album für uns – einfach, weil es das erste nach dem Ausstieg von Gustaf war. Es ging darum, die Gruppe mit anderen Leuten fortzuführen und einen neuen Weg zu finden. Eine neue Ära zu starten. Ob uns das gelungen ist, weiß ich nicht. Aber: Es war auch eine gute Medizin für die Band – einfach, indem wir weitergemacht haben. Und in dem Sinne brauchten wir ‚Good Times‘, selbst wenn es vielleicht etwas besser hätte sein können. Ich halte es jedenfalls nicht für unser bestes Album, aber das ist mir aus heutiger Sicht auch egal. Es hat seinen Zweck erfüllt. Das ist das einzige, was zählt.
Das Überraschende an der Trennung war der Zeitpunkt: Nach dem erfolgreichen Album in schwedischer Sprache und dem elektronischen ‚Aelita‘. Also auf dem kommerziellen Zenit.
Das stimmt – und ich weiß bis heute nicht, wie ich das erklären soll. Ich meine, da ist einfach so viel zwischen uns schiefgelaufen, dass es nicht mehr ging. Und deshalb wäre die Liste auch verdammt lang, wenn ich hier alles aufzählen müsste. Außerdem waren einige Sachen sehr privat. Aber das Entscheidende war eben, dass unsere Kommunikation nicht mehr stimmte. Dass es da unüberbrückbare Differenzen gab und wir über Jahre hinweg völlig unterschiedliche Vorstellungen hatten. Also solche, die wirklich komplett auseinandergingen. Wo es gar keine gemeinsame Basis mehr gab. Wir wollten wirklich zwei verschiedene Bands. Und am Ende meinte er zu mir: „Ich habe genug – es reicht.“
Was soll man jemandem sagen, der die Lust an dem verloren hat, was man sich über Jahre hinweg mühsam erarbeitet hat? Ich habe jedenfalls gar nicht erst versucht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Ich war einfach sprachlos. Er hatte genug vom Musikgeschäft, was auf gewisse Weise verständlich ist, wenn man, wie er, fünf Kinder hat und mehr Privatleben möchte. Nur: Als Band haben wir eben auch eine Menge aus dieser Situation gelernt. Und das ist, dankbar zu sein, dass wir Mando Diao haben und diese Krise meistern konnten.
(Bild: Gustaf Elias)
Wie hat sich die Band seitdem verändert?
Ich würde sagen, wir sind heute demokratischer. Und die Chemie ist besser. Früher lag der Fokus nur auf Gustaf und mir. Was einfach zu viel war – aber das hatte natürlich auch mit meinem Ego zu tun. Ich habe das zu einem gewissen Grad genossen und auch so gewollt. Also, da mache ich ihm keine Vorwürfe. Aber: Ich bin mittlerweile erwachsener geworden und halte es für wichtiger, eine richtige Band zu sein.
Die sich zudem wieder ihrer Wurzeln und ihres ursprünglichen Sounds besinnt – also wieder die Gitarren herausholt?
Für dieses Album hatten wir eine ebenso simple wie ergreifende Idee. Es fing damit an, dass Jens und ich eines Abends in einem Hotelzimmer saßen und uns alle möglichen AC/DC- und Rolling-Stones-Songs anhörten. Eben Sachen mit wirklich tollen Riffs. Da hatten wir beide das Gefühl, dass es ein Kommunikationsmittel ist, das wir schon lange nicht mehr benutzt hatten. Und dass wir dazu und auch zu einer gewissen Simplizität zurückkehren sollten. Einfach, weil wir richtig Lust auf diese Art von Steinzeit-Rock´n´Roll hatten. Das ist die Idee des Albums, und auch der Grund, warum wir diesen simplen Titel gewählt haben. Er steht für unsere ureigene Version von Hedonismus, etwas ganz Simples.
Mit CJ Fogelklou habt ihr einen Bassisten in euren Reihen, der als bekannter Gear/Equipment-Sammler gilt – wie steht es mit dir?
Ich bin längst nicht so exzessiv wie er. Wenn du mich fragst, ist er verrückt. Zumal er mittlerweile nicht nur Bässe, sondern auch Vintage-Keyboards sammelt. Also Kram, der wahnsinnig viel Platz einnimmt und ein Vermögen kostet. Aber das ist halt sein Ding. Ich selbst habe nur einige wenige Gitarren, die aber sehr gut sind. Ich spiele größtenteils Gibson SGs, weil das meiner Meinung nach die beste Gitarre ist, die man spielen kann. Und weil die Humbucker wie für mich geschaffen sind. Ganz abgesehen davon, ist die SG einfach eine nette, leichte Gitarre, genau wie die ES-335. Allerdings sind es keine Vintage-Teile, sondern meine ES-335 ist von 2015 und die SG von 2011. Sie sind also nicht wirklich alt, dafür aber richtig gut.
(Bild: Masha Shereghy)
Wie steht es mit deinen Vorbildern und Helden in Sachen Gitarren?
Das sind im Grunde noch dieselben. Leute wie Big Mama Thornton, die mich schon als Kind geprägt haben, tun das immer noch. Die Art, wie diese korpulente Dame so eine simple, ergreifende Gitarre spielen konnte, ist einfach Wahnsinn. Dazu kommen Jimi Hendrix und natürlich Neil Young. Das sind meine drei Ikonen – die besten Gitarristen aller Zeiten. Wobei es, das muss ich neidlos anerkennen, so viele gute Gitarristen gibt – auch im Country-Bereich. Wie James Burton, der mit Elvis gespielt hat, oder Chris Stapleton, der Songwriter. Ich halte ihn für großartig.
Und da gibt es noch viel mehr, die auf unterschiedliche Weise toll sind. Mir geht es dabei auch nicht so um die Technik. Ich meine, das ist ebenfalls nett, aber viel wichtiger ist das richtige Feeling – wie es zum Beispiel Mark Knopfler hat. Der ist unglaublich intensiv.
Also geht es dir in erster Linie um das Gefühl, das ein Gitarrist transportiert?
Ganz genau. Wobei es aber auch tolle Techniker gibt, die viel Gefühl rüberbringen. Wie etwa Paul Simon, den ich ebenfalls sehr schätze. Er hat einen geschmackvollen Sound. Und in seinem Fall ist die Technik ein großartiges Werkzeug, um die Gefühle noch zu verstärken, um da noch mehr herauszuholen.
Was verwendest du im Hinblick auf Verstärker und Effekte?
Als Amp habe ich einen Bluesbreaker, der vor allem auf der Bühne zum Einsatz kommt. Im Studio ist es dagegen unterschiedlicher Kram – manchmal alte Vintage-Amps wie der Fender Princeton von Jens. Ein umwerfender Verstärker. An Effekten habe ich nur ein Reverb- und ein Distortion-Pedal. Einfach, weil ich nicht mehr brauche. Das Distortion-Pedal ist ein Tube Screamer, der wirklich sehr rau klingt. Ansonsten drehe ich den Verstärker einfach so laut auf, wie ich nur kann. (lacht)
Was erwartet uns bei eurer kommenden Herbst-Tournee? Wie proportioniert ihr die neuen Stücke im Verhältnis zu den alten?
Das diskutieren wir gerade. Und die Proben beginnen Ende September. Wir werden definitiv eine Menge alter Sachen bringen, auch wenn der Schwerpunkt ganz klar auf dem Material von ‚Bang‘ liegt. Wir sind schließlich heiß auf diese Songs – gerade weil sie so live-tauglich sind. Sie sind allesamt live im Studio entstanden. Ganz im Gegensatz zu vielen unserer früheren Sachen. Insofern sind sie wie für die Bühne gemacht.
Werdet ihr noch einmal einen zweiten Anlauf in Amerika wagen oder ist das Kapitel US-Karriere endgültig passé?
Ich denke, das ist heute noch schwieriger als je zuvor. Eben im Hinblick auf Visa und diese ganzen Formalitäten. Ich muss zugeben, dass ich darauf auch nicht wirklich scharf bin. Wir haben erst einmal genug Arbeit in Europa vor uns. Insbesondere in Deutschland. Als wir noch jünger waren, haben wir gerne von England und den USA geträumt – von den vermeintlichen Zentren der Rock- und Popmusik. Aber mittlerweile hat das ziemlich an Reiz verloren. Ich bin sogar der Meinung, dass Deutschland viel relevanter in Sachen Musik ist als Großbritannien. Einfach, weil es dort viel mehr Auftrittsmöglichkeiten gibt.
Diskografie
- Bring ´em In (EMI, 2002)
- Hurricane Bar (EMI, 2004)
- Ode To Ochrasy (EMI 2006)
- Never Seen The Light Of Day (EMI, 2007)
- Give Me Fire! (Universal, 2009)
- Infruset (Universal, 2012)
- Aelita (Universal, 2014)
- Good Times (BMG 2017)
- Bang (Cargo, 2019)
(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)