Gipfeltreffen der Session-Legenden

Interview: Leeland “Lee” Sklar, Danny Kortchmar & Waddy Wachtel

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(Bild: Rob Shanahan)

Als Studiomusiker haben sie die Musik einer ganzen Ära geprägt, schrieben hunderte Hits für andere Künstler und begleiteten sie als Sidemen auf unzähligen Touren. Bei The Immediate Family sind die drei Veteranen nun vereint in eigener Sache unterwegs.

Sie seien die einzige Coverband, die Originale spielt, witzeln sie im Gespräch. Wie wahr. Bei ihrem Band-Projekt The Immediate Family covern die Ausnahmemusiker die Hits ihrer eigenen Diskografien. Die Titelliste besitzt locker Telefonbuchstärke und ist gespickt mit „Big Names“ wie Jackson Browne, James Taylor, Ringo Starr, Stevie Nicks, Keith Richards, The Eagles, Toto, Bob Dylan, Neil Young, David Crosby und Hunderte andere. Eine schier unfassbare Liste, Resultat von fast 50 Karrierejahren. Zusammen mit zwei weiteren Studiolegenden – Schlagzeuger Russ Kunkel sowie Gitarrist und Sänger Steve Postell – sind sie seit Ende vergangenen Jahres mit der EP ‚Slippin‘ And Slidin’‘ am Start. Im Interview geben sie uns Auskunft über Songwriting, Studioarbeit und ihr Equipment. Den Anfang machen die beiden Gitarristen.

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The Immediate Family – Slippin‘ And Slidin‘

Die Titelliste besitzt locker Telefonbuchstärke und ist gespickt mit „Big Names“ wie Jackson Browne, James Taylor, Ringo Starr, Stevie Nicks, Keith Richards, The Eagles, Toto, Bob Dylan, Neil Young, David Crosby und Hunderte andere. Eine schier unfassbare Liste, Resultat von fast 50 Karrierejahren. Zusammen mit zwei weiteren Studiolegenden – Schlagzeuger Russ Kunkel sowie Gitarrist und Sänger Steve Postell – sind sie seit Ende vergangenen Jahres mit der EP ‚Slippin‘ And Slidin’‘ am Start. Im Interview geben sie uns Auskunft über Songwriting, Studioarbeit und ihr Equipment. Den Anfang machen die beiden Gitarristen.

DANNY KORTCHMAR & WADDY WACHTEL

Danny Kortchmar
Waddy Wachtel

Euer Erfolgsrezept: Wie schreibt man einen Hit?

WW: Durch Zufall! (lacht) Als ich mit Warren Zevon ‚Werewolves Of London‘ geschrieben hatte, war ich regelrecht geschockt, als das die Single-Auskopplung werden sollte. Aber die Leute der Plattenfirma lagen richtig. Es wurde ein Hit. Ich lag falsch. Andersherum war es, als ich ‚Bette Davis Eyes‘ für Kim Carnes eingespielt hatte. Ich kam aus meiner Studiokabine und sagte zu Produzent Val Garay: „Das wird ein Hit!“

DK: Ich folge beim Schreiben einfach meinem Gefühl. Wenn ich eine Idee habe, drehe ich sie so lange auf links bis sie mir gefällt. Manchmal arbeite ich drei Tage an einem Song und verwerfe ihn letztlich. Manchmal dauert ein Hit aber auch nur zehn Minuten.

Musikalität, Technik, Ton, Professionalität: Was macht einen Studiogitarristen aus?

DK: Das Wichtigste ist es, alles zu geben, was du drauf hast. Und ein Lächeln obendrauf. Die Leute müssen gerne mit dir arbeiten. Außerdem musst du dein Ego zurückstellen können. Es geht nicht um dich, sondern um ihre Idee und was du dazu beitragen kannst, um sie strahlen zu lassen. Und: Das Wort „nein“ solltest du aus deinem Vokabular streichen.

WW: Als Sideman musst du die Fähigkeit haben, dich unter Druck in eine Aufnahmesituation zu begeben und die Musikalität zu besitzen, etwas Sinnvolles zu einer Session beisteuern zu können. Ansonsten kann ich Danny nur beipflichten: Das Wort „nein“ musst du als Dienstleister aus deinem Wortschatz streichen. Auf der anderen Seite wirst du aber genau dieses Wort oft hören, wenn du etwas Musikalisches anbietest. Damit musst du umgehen können.

Was glaubt ihr: Wegen welcher Qualitäten hat man euch vornehmlich engagiert?

WW: Nun, in den Siebzigern bist du ins Studio gefahren, hast ein Notenblatt bekommen und gespielt, was man von dir verlangt hat. Ich habe aber immer noch weitere Sachen gehört und alternative Licks angeboten. Dann wurde mir oft gesagt: „Was zum Teufel machst du da?“ Aber auch: „Hey, das ist großartig!“ Und mit den Jahren hat man mich immer öfter ins Studio geholt, um zu hören, was ich anzubieten habe.

Danny, du bietest über www.charitybuzz.com gerade eine Online Guitar Lesson für einen wohltätigen Zweck an. Worauf legst du als Dozent wert?

DK: Um ehrlich zu sein, fühle ich mich zwar geehrt, aber gar nicht kompetent genug, um Gitarrenstunden zu geben. Denn wie auch als Studiogitarrist kann ich nur anbieten, was ich selbst kann. Ich denke, ich werde zunächst herausfinden, was dem Gewinner wichtig ist, welche Stile er mag und welchen Geschmack er hat. Daran würde ich dann mit ihm arbeiten. Grundsätzlich wichtig finde ich Akkorde und Skalen drauf zu haben, zu wissen wie sie miteinander verbunden sind, um mich auf meinem Instrument souverän bewegen zu können. Außerdem geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern darum, sehr sauber, akkurat und konstant zuspielen. Auch das müssen die Hände erst lernen.

Womit beschäftigst du dich gerade musikalisch?

DK: Ich spiele Akkordfolgen und finde dann immer etwas Neues. Die Gitarre sagt mir schon, was sie mag! (lacht) Mich interessieren keine alternativen Stimmungen, Chicken Pickings oder Tappings. Mich interessieren Songs! Ich bin mit Soul Music aufgewachsen, mit Otis Redding und Jackie Wilson. Die Phrasierungen ihrer Vocals versuche ich auf der Gitarre umzusetzen. Sowas interessiert mich.

Waddy, du bist u. a. Musical Director der Stevie Nicks Band. Es heißt du wärst sehr streng.

WW: Nun, du musst eine Show draufhaben, live kannst du nichts faken. Ich bin dafür verantwortlich, dass sich Stevie darauf verlassen kann, dass ihre Produktion läuft und sie sich keine Gedanken über irgendetwas machen muss. Das hat im Laufe der Jahre mein Gehör ganz gut trainiert. Ich kann ziemlich schnell differenzieren, wenn bei den Proben etwas nicht so klingt, wie es sein soll. Ich kenne jede Sekunde des Sets. Aber der Job als Musical Director hängt immer von der Band ab.

Als ich zum Beispiel mit Keith Richards und den X-Pensive Winos arbeitete, probten wir ‚Too Rude‘, eine sehr einfache Reggae-Nummer. Da konnte ich sagen: „Leute, macht euch mal locker. Das sind nur drei Akkorde. Wie verloren könnt ihr mir da gehen? Probt den mal heute Nachmittag!“ (lacht)

Da wir gerade bei einfachen Dingen sind. Wie genial prägend Sechzehntelnoten sein können, zeigt ‚Edge Of Seventeen‘, das du für Stevie Nicks geschrieben hast. Das ist live bestimmt eine Herausforderung.

WW: (lacht) Zum Glück ist der Song heute nur noch halb so lang! Es gab Zeiten, da habe ich das Intro alleine fünf Minuten gespielt bis Stevie überhaupt auf die Bühne kam. Glaub mir, den Song konstant durchzuhalten ist eine körperliche Herausforderung! Das muss ich vor einer Tour eine Weile üben. Und am Ende der Tour kann ich mit der rechten Hand Walnüsse knacken!

Gibt es Hits, die ihr rückblickend anders spielen würdet?

DK: Ja, alle! (lacht) Im Rückspiegel betrachtet, gibt es immer Dinge, die du anders spielen würdest. Oder die du damals vielleicht schon anders angeboten hast, der Produzent aber abgelehnt hat.

WW: Ich denke gerade an ‚Eileen‘ für Keith Richards. Ich habe immer mal wieder darüber nachgedacht, weil mich mein Solo nicht in Ruhe ließ. Vergangenes Jahr habe ich dann den Part gefunden, den ich hätte spielen sollen! Ich habe dann ein Homerecording gemacht und es Steve Jordan geschickt: Steve, das ist das verdammte Solo, das ich damals hätte spielen sollen! (lacht)

Danny, du hast im Kultfilm ‚This Is Spinal Tap‘ mitgespielt (‚Gimme Some Money‘). Was war eigentlich das Peinlichste, was bei einer deiner Sessions schief ging?

DK: Zunächst mal: Spinal Tap war der Höhepunkt meiner Karriere! (lacht) Ansonsten gab es in meiner Studiokarriere keine Katastrophen. Die meisten Erfahrungen waren wundervoll. Okay, als ich jung war, wurde ich mal für eine Session von A&M Records gebucht, auf die ich mich intensiv vorbereitet hatte. Als ich ins Studio kam, winkte der Produzent ab: „Danke Danny, du kannst wieder abschwirren, ich brauch dich nicht!“ Damals war ich in meiner Eitelkeit verletzt. Heute würde ich denken: Prima, dann werde ich halt fürs Nichtstun bezahlt.

Waddy, du sagst, ein Tag an dem du nichts Neues gelernt hast, sei kein guter Tag. Was hast du zuletzt gelernt?

WW: Lass mich nachdenken. Ich spiele ‚Last Time‘ von den Rolling Stones seit meiner Kindheit, so wie ich den Song im Radio gehört hatte. Und zwar falsch! (lacht) Neulich sah ich zum ersten Mal ein Video, wie die Stones den Song in der Ed Sullivan Show spielten und dachte: Was macht Brian Jones denn da am siebten Bund? Ich habe die Nummer 40 Jahre falsch gespielt!

Kommen wir zum Equipment. Danny, du spielst eine G&L Custom Doheny. Welche Features sind dir wichtig?

DK: Klang und Spielkomfort. Ron Moreno von G&L kam eines Tages in Steve Postells Studio und brachte ihm seine neue Gitarre. Ich war zufällig da, probierte sie aus und sie gefiel mir. Seitdem spiele ich ein Custom-Modell, das perfekt ins Sound-Gefüge dieser Band passt.

Dannys Equipment: Fender Telecaster, G&L Doheny, Fender Princeton Chris Stapleton, Boss DD-200, Fulltone OCD Overdrive (Bild: Kortchmar)

Auf alten Fotos sieht man dich mit Stratocaster, Telecaster und Les Paul. Was hast du an Vintage-Schätzchen zu Hause?

DK: Ich besitze kaum noch alte Instrumente. Ich habe viele verkauft, weil ich mich einfach nicht wohlfühle, wenn eine Gitarre nicht gespielt wird. In Spitzenzeiten besaß ich ungefähr 50 bis 60 Gitarren. Heute habe ich kaum 20. Ich bin kein Sammler, das ist nicht mein Ding. Was ich behalten habe, ist meine Gibson ES-330 aus den 50ern und meine 1968er Fender Thinline Telecaster, die ich bei unzähligen Sessions gespielt habe. Und eine alte Gibson-Everly-Brothers-Acoustic.

Waddy, dein Markenzeichen ist eine 1960er Les Paul Burst die du 1968 von Stephen Stills gekauft hast – aus heutiger Sicht für geradezu lächerliche 350 US-Dollar. Ist sie so etwas wie der „heilige Gral“ für dich?

WW: Das würde ich bejahen. Es ist eine außergewöhnlich gute Gitarre. Als 1960er hat sie einen dünneren, flacheren Hals als die 1959er Modelle. Das macht für mich den Unterschied. Ich mag keine Baseballschläger-Hälse. Und der Ton dieser Gitarre ist geradezu makellos clean! Okay, ich spiele sie zwar oft verzerrt, aber das ist eine andere Geschichte. Als Session-Musiker hab ich sie oft direkt ins Pult gestöpselt. Ich brauchte nicht mal einen Amp! Ihr Sound ist so clean wie der einer Pedal-Steel-Gitarre.

Diese Gitarre war Vorbild für Gibsons Collector‘s Choice Modell #14. Inwiefern unterscheiden sich Original und Kopie?

WW: Die Jungs vom Custom Shop haben einen tollen Job gemacht. Sie sind dem Original unfassbar nahegekommen. Ich kann beim Hals keinerlei Unterschied fühlen. Auch das Bigsby sitzt exakt an der richtigen Stelle, im korrekten Winkel und der richtigen Höhe. Die Gitarre spielt sich traumhaft. Der einzige Unterschied liegt darin, dass die neuen Pickups doch eine Winzigkeit Distortion entwickeln. Sie klingen nicht so makellos clean wie die des Originals. Selbst nach all den Jahren ist die Kombination von Holz und Tonabnehmer der 1960er Burst unerreicht.

Waddys Gibson Collector’s Choice Les Paul mit Bisgby
Waddys custom made J-45, die dem Original von Buddy Holly nachempfunden wurde.
Waddys Gibson J-200

Deine Tourgitarre ist heute eine 1973er Les Paul Goldtop, die der Vorbesitzer weiß gesprayed hat. Die ist nicht gerade ein Hingucker und vermutlich recht schwer.

WW: Alle meine Les Pauls sind schwer! Dass muss auch so sein! Ich hatte neulich eine neue in der Hand, die wog fast nichts. Ich dachte: Was ist das denn? Eine nette Geschichte zu meiner Whitetop ist, dass mich ein Typ anschrieb, dies sei mal seine Gitarre gewesen, als er früher mit seiner Band in L. A. gespielt habe. Ich dachte: Okay, erzähl mal. Aber er beschrieb eine Reparatur auf dem Griffbrett, wo ein umgekipptes Becken eine Kerbe hinterlassen hatte. Und tatsächlich: Das war sein Gitarre!

Ihr habt in eurer Studiokarriere unzählige Amps gespielt. Was benutzt ihr derzeit?

DK: Ich spiele einen Roland Blues Cube Artist, den Jeff „Skunk“ Baxter mitentwickelt hat. Ein nach Röhre klingender Verstärker, der wohl so ziemlich jeden Blindfold-Test bestehen würde, so gut ist der! Mein neuester Amp ist ein Fender 62 Princeton Chris Stapleton. Ich besaß mal einen Princeton, als ich anfing, der war viele Jahre mein Studio-Amp. Der neue Princeton besitzt tatsächlich diese Qualität und ist laut genug um Live zu bestehen. Ich mag diesen Amp, denn ich will einen Amp mit einem prägnanten Ton. Ich brauche keinen Amp der zehn verschiedene Sounds kann, sondern einen, der meinen Ton rüberbringt, den Ton, den ich in den Händen habe und der zeigt, wer ich bin.


EQUIPMENT

Danny Kortchmar

    • Gitarren: G&L Doheny, Gibson ES-330, Fender Telecaster
    • Amps & Boxen: Roland Blues Cube Artist, Fender Princeton Chris Stapleton
    • Effekte: Boss Delay, Fulltone OCD Overdrive
    • Kabel: Cordial-Kabel

Waddy Wachtel

    • Gitarren: Gibson Les Paul, Fender Stratocaster und Telecaster, Fender Precision Bass, Danelectro Baritone Guitar, Gibson J-200, Gibson Jackson Browne Signature, Gibson J-45
    • Amps & Boxen: Magnatone Twilighter Stereo 2×12, Magnatone Super Fifty-Nine Mk2, Blackstar Artist 30, Steve Dikun Hand Wired
    • Effekte: keine
    • Kabel: Cordial
    • Software, Mikrofone & Recording-Tools: MOTU Digital Performer, Røde Microphones, Shure SM57, Universal Audio Mic Pre / 1176

Und du Waddy?

WW: Wenn du Les-Paul-Player bist, lernst du schnell, dass ein Fender Twin Reverb nicht der richtige Amp ist. Sehr wohl aber ein Fender Super Reverb! Ich habe lange Zeit Combos mit 10″-Speaker gespielt. Danach folgte ein Music Man 210-HD, der das perfekte Maß an Distortion brachte. Die richtige Wahl in Kombination mit einer Les Paul, ob clean oder verzerrt. Den spielte ich, bis ich Blackstar Amps entdeckte. Ab da gab ich meine Vorliebe für Combos mit 10″-Speaker auf und bin mit dem Blackstar Artist 30 glücklich. Inzwischen ist noch ein Magnatone Twilighter Stereo 2×12 dazugekommen.

Einer von Waddys Amps: Magnatone Super Fifty-Nine Mk2 (Bild: Wachtel)

Effektgeräte verweigerst du jedoch konsequent.

WW: Richtig. Eine Les Paul, ein Amp und der Lautstärkeregler der Gitarre reichen. Ich mag einfach keine Effektgeräte im Signalweg. Es stört meine Ohren. Am liebsten hätte ich nicht einmal ein Stimmgerät!

Letzte Frage: Ihr kennt euch seit fast 50 Jahren. Worin liegt euer Geheimnis noch immer befreundet zu sein?

DK: (lacht) Wir sind sehr verschiedene Charaktere, wie auch unsere Gitarrenstile sehr unterschiedlich sind. Aber gemeinsam klingen wir einfach ziemlich gut! Und wir sind der gleichen Meinung, was gute Musik und echter Rock’n’Roll ist.

WW: Als ich Danny kennenlernte, mochte ich ihn sofort. Wir haben den gleichen Sarkasmus, das hilft oft. Wir beide lieben Gitarren. Und wir leben für die Musik.


LELAND „LEE“ SKLAR

In Sachen Verstärkung und Boxen setzt Lee auf die Marke Euphonic Audio.

Wenn Lee Sklar nicht gerade für irgendwelche Superstars im Studio oder auf Tour ist, liebt er Hunde und Autos, schweißt Skulpturen aus Altmetall und sammelt Stinkefingerfotos. Klar, dass der die echte Frohnatur und der beliebteste Bartträger des Bassspiels eine Menge zu erzählen hat. Ach ja, T-Shirts hat er gerade designt, für seinen Webshop: Schwarz, mit weißem Bart vorne drauf. Auch seinen Fotobildband mit 6000 der Stinkefinger-Motive kann man dort ordern. Und da der Lockdown gerade ungewollte Freizeit schafft, rief der Bass-Veteran einen YouTube-Kanal ins Leben, wo er öffentlich übt und den geneigten Fans seine Bassparts zur Schau stellt. Fragen wir also mal nach.

Lee, wegen welcher Qualitäten bucht man Lee Sklar?

Ein Teil hängt damit zusammen, dass die Leute wissen, was sie von mir als Bassist bekommen: Verlässlichkeit, Verantwortung, Ton und Kreativität. Und viele Leute, für die ich gearbeitet habe, kennen meine Diskografie besser als ich. Einfach, weil ich auf einigen ihrer Lieblingsplatten mitgespielt habe. Eine Studiosituation ist wie der Mikrokosmos einer Familie, und mehr als nur ein paar Roboter, die ihr Notenblatt runterspielen. Studiomusiker werden über ihr Instrument hinaus bewertet und gemocht. So sollte das auch sein.

Einer deiner Spitznamen ist „Father Time“. Wie lotest du die Zusammenarbeit mit einem Schlagzeuger aus?

Um Studioarbeit zu machen, musst du ein Chamäleon sein. Denn jeder Schlagzeuger ist anders. Wenn ich nicht flexibel wäre, könnte ich nicht an einem Tag mit Vinnie Colaiuta und am nächsten mit Jim Keltner arbeiten. Beide sind großartig, aber beide sind auch total verschieden. Mein Weg, mich darauf einzustellen, lautet Zuhören. Dann folgt die Feinjustierung während der Session. Wirkliche Schwierigkeiten hatte ich nie. Selbst wenn ich jemanden treffe, mit dem ich noch nie gearbeitet habe, weiß ich nach wenigen Minuten, wo die Bassdrum liegt und ich den Backbeat setzen muss. Ich versuche immer einen Dialog hinzubekommen. Wir machen schließlich etwas gemeinsam, um dem Song weiterzuhelfen.

Was ist aus deiner Sicht das Geheimnis eines guten Grooves?

Es gibt keine Methode, kein Erfolgsrezept! Wenn ich in eine Session gehe, versuche ich nicht, mich zu inszenieren oder mir den Song anzueignen, sondern mit dem Schlagzeuger herauszufinden, was der Song braucht. Das kann eine entspannte Half-Time sein oder ein komplexer Part. Es hängt vom Song ab. Wenn du also ins Studio gerufen wirst, fang nicht gleich an zu spielen. Hör erst mal zu, was man dir vorspielt. Verstehe, was das Wesen des Songs ist. Und dann überlege, was du dazu beitragen kannst.

Was übt jemand wie du? Womit beschäftigst du dich?

Ich übe jeden Tag und versuche, neue harmonische Wendungen zu finden, aber auch körperliche Übungen, um fit zu bleiben. Natürlich gibt es Sachen, die ich nie spielen könnte! Nimm Hendrik Linder von Dirty Loops: Heilige Scheiße! Seine Skills sind der Wahnsinn! Ich bewundere solche Virtuosen. Und trotzdem will ich niemand anderes sein. Auch wenn mir das vor Augen führt, dass ich im Grunde noch nicht viel auf meinem Instrument erreicht habe. Es gibt so viel zu lernen.


EQUIPMENT

Lee Sklar

    • Bässe: Dingwall Signature 5-String, Warwick Star Bass, Warwick SklarBass
    • Amps & Boxen: Euponic Audio iAmp Classic, iAmp Pro, iAmp 800, dazu NL410 und Wizzy-12-Box
    • Effekte: Keine
    • Kabel: Cordial

Du spielst einen Dingwall-Signature-5-String-Bass mit Fanned Frets. Wie kamst du dazu?

Ich traf Sheldon Dingwall vor vielen Jahren bei einer NAMM Show in Los Angeles. Er hatte einen Bass im Gepäck und fragte mich, ob ich den ausprobieren will. Normalerweise bin ich eher zurückhaltend, denn ich habe alles, was ich für meinen Job brauche. Aber als er den Bass herausholte und ich den Hals sah, weckte das mein Interesse.

Die Idee der Fanned Frets hatte er von einem kalifornischen Gitarrenbauer namens Ralph Novak. Das Konzept dahinter ist vergleichbar mit einem Klavier. Die hohen Saiten sind kürzer, als die tiefen. Auf den Bass übertragen sorgt diese Art der Bundierung für eine exaktere Intonation des Instruments. Das ist eigentlich nur Mathematik! (lacht) Diese Art der Bundierung hilft besonders, wenn ich Synth-Bässe ersetzen soll, die meist tiefe Register spielen. Beim Dingwall-Fünfsaiter sind die tiefen Saiten so exakt in Stimmung, dass ich sofort wusste: Das ist der richtige Bass für mich. Also haben wir uns für ein Signature-Modell zusammengesetzt. Und der ist seit langer Zeit mein Tour-Bass.

Du spielst auch einen Warwick SklarBass.

Ja! Ich erinnere mich noch, wie ich bei der NAMM Show einen Warwick Fretless Star Bass probierte und sofort angetan war. Als ich auf Tour mit Lyle Lovett durch die USA war, traf ich unterwegs meinen guten Freund Steve Bailey, der ebenfalls Warwick spielt und erzählte ihm davon. Wenig später trafen wir uns wieder und er gab mir einen Star Bass und sagte: „Firmenchef Hans-Peter Wilfer meint, du solltest den hier mal ausprobieren!“ Und das hat mich wirklich umgehauen! Ich schrieb Wilfer, bedankte mich und sagte ihm, wie sehr mich das berührt habe. Bei der nächsten NAMM Show trafen wir uns dann. Seither spielte ich bei vielen Sessions einen Star Bass – bundiert und fretless.

Du benutzt dazu Amps und Boxen von Euphonic Audio. Ist das noch aktuell?

Ja. Ich arbeite seit vielen Jahren mit den Jungs aus New Jersey zusammen. Auch sie lernte ich bei einer NAMM Show kennen. Sie hatten damals keinen Stand, sondern ihr Equipment in einem kleinen Hotelzimmer. Ich unterhielt mich mit den Jungs und so begann eine tolle Zusammenarbeit. Im Studio spiele ich ihren iAmp 800 als Combo mit einem 12″-Speaker und zwar mit Rollen und Griff. Dieser Combo wird leider nicht mehr gebaut, dabei ist er total komfortabel zu transportieren, wenn ich bei einer Session mal wieder weiter weg parken muss. Bei Live-Produktionen für Phil Collins, Toto oder Carol King spiele ich den iAmp 800 Head mit einem 4×10″-Cabinet plus einem 1×12″-Cabinet. Inzwischen habe ich auch noch einen iAmp Classic und einen Pro Series Head.

Vergangenen Oktober hast du das Buch ‚Everybody Loves Me‘ herausgebracht. Was erfahren wir darin über Lee Sklar, was wir bisher nicht wussten?

Nun, es ist eher ein Fotobildband, als eine Autobiografie. Ich habe darin 6000 Portraits von Musikern und Freunden, die mir den Stinkefinger zeigen! (lacht) Darunter Jeff Beck, Charlie Watts, Edward Van Halen, James Taylor, Phil Collins, Billy Gibbons, um nur einige zu nennen. Insgesamt habe ich fast 12000 „Finger“-Fotos. Was für ein Spaß! Gerade während der Pandemie fand ich es eine nette Idee, den Menschen mal ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.

Und: werden wir je ein Soloalbum von dir hören?

Niemals! (lacht) Ich habe einfach kein Interesse daran. Ich liebe es, Teil von Projekten zu sein. Das ist mein Leben. Solokünstler zu sein, macht mich einfach nicht an.

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2021)

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