Juan García-Herreros, auch bekannt unter seinem indigenen Namen Snow Owl, hat in der Bass-Community vor allem durch sein Engagement bei den Livebands der Filmmusik-Legende Hans Zimmer für Aufsehen gesorgt. Am 3. März ist das Album ‚Hans Zimmer Live‘ erschienen. Aber der 46-jährige Kolumbianer, der seit 17 Jahren in Wien lebt, hat auch einige Solo-CDs veröffentlicht – sein Album ‚Normas‘, ein Meisterwerk des Latin Jazz, wurde 2014 für den Grammy in der Kategorie „Best Latin Jazz Album“ nominiert. Juan besticht durch unwiderstehliche Grooves und ist ein sensationeller Solist auf allerhöchstem musikalischen wie technischen Niveau.
INTERVIEW
Juan, du bist ein großartiger Musiker mit einer aufregenden Lebensgeschichte. 1984 musste deine Familie aus Kolumbien fliehen, weil dein Onkel an der Verhaftung des Drogenbosses Pablo Escobar beteiligt war.
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Das ist richtig. Von einem Tag auf den anderen mussten wir das Land verlassen, das war ein Alptraum.
Ihr seid dann mit der ganzen Familie nach New York emigriert?
Ja genau, wir sind dann in Queens gelandet, im Ortsteil Flushing.
Du wolltest ursprünglich eigentlich Pianist werden. Aber dein Bruder spielte Schlagzeug und sagte dir, er bräuchte einen Bassisten.
Ja, er ist schuldig! Er war ein Bully und hat mir gesagt, ich sollte Bass spielen und mit ihm üben.
Was war der erste Song, den du jemals auf dem Bass gespielt hast?
Das war ‚Smells Like Teen Spirit‘ von Nirvana. Ich hatte damals einen Harmony-Bass, die Dinger sieht man nicht oft. Das war ein uraltes Teil aus Südamerika.
Hast du den Song wie im Original mit Pick gespielt?
Ich habe beides ausprobiert, Fingerstyle und Plektrum. Und auch heute noch benutze ich beide Techniken.
Wie Anthony Jackson?
Genau. Für manche Klangfarben ist das Plektrum super. David Ellefsen, der Bassist von Megadeth, hat mich in Sachen Plektrumspiel stark beeinflusst.
Du hattest als Kind eine Begegnung mit Jaco Pastorius.
Ja, da war ich sieben oder acht Jahre alt. Ich habe ihn gesehen, als er im Union Square Park in New York Straßenmusik gemacht hat. Aber ich habe erst später herausgefunden, wer er war. Ich war Solist der Jaco Pastorius Bigband und hatte vorher zur Vorbereitung über sein Leben recherchiert.
Was hat Jaco damals gespielt?
Sein Bass lag auf dem Boden! Er hatte einen Ghetto-Blaster, spielte Kassetten und hat dazu geschrien, dass er diese Musik eingespielt hätte, und dass er der beste Bassist der Welt sei. Traurig, und als ich später herausfand, wen ich damals als Kind gesehen hatte, hat mir das das Herz gebrochen.
Du hast ja dann bald dein musikalisches Spektrum erweitert und dich auch für Jazz interessiert? Wie hast du gelernt?
Autodidaktisch! In dieser Zeit hatten wir als Flüchtlinge in Amerika kein Geld, das war sehr schwierig. Meine Musik-Lehrerin in der High School in Florida sah, wie viel Interesse und Leidenschaft ich für die Musik hatte, und sie gab mir gottseidank die Schlüssel zu den Musikschulräumen. Ich hätte nicht einmal Geld gehabt, mir ein Instrument zu mieten. So habe ich immer von abends bis drei oder vier Uhr morgens geübt.
Du hast ja dann irgendwann die Musik von Jaco entdeckt.
Das war genau in dieser Zeit, da war ich so um die 14 Jahre alt. Ein anderer Bassist an der High-School gab mir Jacos erstes Solo-Album als CD. Das erste Stück was ich gehört habe, war ‚Portrait Of Tracy‘, und da wurde mir klar: So kann es gehen! (lacht) So schön kann die Musik sein. Vielen Dank an die Heroes, die den Bass als Lead-Instrument und als kontrapunktisches Instrument gehört haben. Da verschwand dann auch mein Wunsch, Klavier zu spielen, weil ich erkannte, dass ich auf dem Bass wie ein Pianist spielen kann. Ich habe dann ein Stipendium für das Berklee College in Boston gewonnen. Und ich war dort etwa zwei Monate, als ich Anthony Jackson mit dem Michel Camilo Trio live gesehen habe. Ich habe mich sofort in die Kontrabassgitarre verliebt.
Interessant, dass du den Sechs-Saiter genauso nennst wie Anthony. Er hat ja die Kontrabassgitarre erfunden. Er hat mir in einem Interview 1993 erzählt, wie er mit seiner Idee zu dem Bassbauer Carl Thompson ging, wie ihn alle für verrückt erklärten, weil es ja keine Pickups, keine Brücken und eigentlich gar nichts gab, um so ein Instrument zu bauen.
Ja, und der erste Bass, der für ihn gebaut wurde, war ein Alptraum. Da stimmte noch gar nichts. Aber Anthony ließ sich nicht beirren!
Wann bist du dann auf die Kontrabassgitarre umgestiegen?
Gleich nach dem Konzert, da war ich 17, habe ich einen Hohner-Bass gefunden, das war der einzige Sechssaiter, den es damals in Boston gab. Später dann hat mir Andreas Neubauer hier in Wien mein Custom-Modell gebaut. Dieses Instrument spiele ich fast ausschließlich, auch bei Hans Zimmer live. Hans liebt diesen Bass.
Der hat 28 Bünde, oder?
Ja, genau wie die Bässe von Anthony Jackson. Auch die Mensur ist gleich.
Habe ich das richtig gesehen, dass da eine Ramp eingebaut ist?
Ja, genau! Die Pickups sind von Harry Häussel, die sind nicht rechtwinklig zu den Saiten eingebaut, sondern diagonal, so wie ich auch anschlage. Die Ramp lässt sich mit Inbusschrauben in ihrer Höhe verstellen. Und der Hals ist aufgeschraubt, auch ein Novum für die Kontrabassgitarre.
Bist du über Gary Willis auf die Ramp gekommen?
Nein, dafür muss ich mich bei Matthew Garrison bedanken. Ich habe auf der NAMM-Show Matthew und auch Hadrien Feraud gesehen, die haben da miteinander gejammt. Ich habe gesehen, dass Matthew eine große schwarze Ramp auf seinem Fodera-Bass hatte, und fragte ihn, für was die gut ist. Sie unterstützt seine Vier-Finger-Anschlagstechnik. Dann habe ich seinen Bass angespielt, und das fühlte sich so gut an, dass ich Andreas Neubauer gebeten habe, diese in meinen Bass zu integrieren.
Dann hast du deine Saitenlage sehr flach eingestellt?
Ja, ich spiele Superalloy-Saiten von Thomastik für die 36-Zoll-Mensur.
In Videos kann man dich mit Aguilar-Amps sehen.
Ich war lange Endorser der Firma, die aber von Korg übernommen wurde. Und seither haben ich und viele andere Künstler nicht mehr das Gefühl, den persönlichen Support zu bekommen. Ich kenne die früheren Chefs Dave Avenius und Dave Boonshoft aus meiner Zeit in New York. Jetzt konzentriert sich die Firma nur auf Influencer, die nichts geschafft haben. So haben viele Aguilar-Endorser sich andere Marken gesucht, die sie ernster nehmen. Ich spiele jetzt Amps und Boxen der finnischen Firma Darkglass.
Über Hans Zimmer Live und mehr auf Seite 2 …
Du bist Mitglied von Hans Zimmer Live. Wie bist du an den Gig gekommen?
Ich würde niemals sagen, das ist ein Gig, sondern eine Ehre! (lacht) Jedes einzelne Konzert ist ein Event. Ich muss mich bei Sandra Tomek bedanken, die die Filmmusik-Gala „Hollywood in Vienna“ organisiert, bei der weltbekannte Filmmusik-Komponisten mit dem Max-Steiner-Preis geehrt wurden. Dann sollte Hans Zimmer den Preis bekommen, und Sandra hat mich seinem Team empfohlen. Das hat Hans gefallen, und plötzlich war ich dabei bei The World Of Hans Zimmer, einem Ensemble, das dessen Musik in symphonischem Gewand live präsentiert. Dann kam ein Anruf, ob ich auch bei Hans Zimmer live mitspielen wollte. Da habe ich sofort zugesagt.
Bist du gleichzeitig mit Guthrie Govan bei HZL eingestiegen?
Guthrie war schon vor mir in der Band. Ich habe mein erstes Konzert dann in München gespielt und war sehr aufgeregt. Alle beteiligten Musiker sind echte Genies. Ich kam zur Probe und habe das ganze Repertoire auswendig gelernt. Die Musiker haben das sehr geschätzt. Guthrie und ich haben eine ganz besondere Verbindung zueinander. Bei jedem Konzert sprechen wir mit unseren Instrumenten zueinander und spielen nie das Gleiche, jede Nacht ist anders.
Als Bassist musst du ja elementar wichtige Bestandteile der Kompositionen schon werktreu spielen. Wieviel Freiheit bleibt dir da noch?
Ich bin ein bisschen wie ein Neuner auf dem Fußballfeld. Ich spiele ja auch den Ibanez-UB-804-MOB-Arco-Bass. Es gibt noch einen Bassisten in der Band, Andy Pask, der meistens Kontrabass spielt. Ich muss mich immer entscheiden, welche Rolle ich unterstütze. Ich wechsle ständig zwischen Bass-Stimmen, Cello-Stimmen und Gitarren-Stimmen mit Guthrie hin- und her. An manchen Stellen will Hans natürlich den Bass hören, an anderen Stellen aber gibt er mir die volle Freiheit, und das ist fantastisch.
Michael League, der Bandleader von Snarky Puppy, hat mir gesagt, dass alle seine Musiker auch Arrangeure sind und ihre Mitverantwortung für den Bandsound wahrnehmen. Das ist dann bei dir auch so?
Richtig. Ich habe in Orchestern gespielt, seit ich 17 war, ich bin selbst Komponist und Musikproduzent, und mit diesem Hintergrund kann ich die Magie von Hans Zimmers Musik noch verstärken. Das Publikum ist verliebt in die Filme, und mein Ziel ist Abend für Abend, dass wir noch besser klingen als die Filme.
Hast du einen Lieblingsfilm, den Hans vertont hat?
Das ist schwer zu entscheiden. Ich bin aufgewachsen mit so vielen Filmen, für die er die Musik geschrieben hat. Und ich bin nicht objektiv, weil ich ‚Dune‘ mit ihm gemacht habe. Ich bin sehr stolz, dass wir zusammen den Oskar gewonnen haben für eine Arbeit, die weitgehend von den Bedingungen des Lockdowns während der Corona-Pandemie diktiert war. Wir sind schon am nächsten Projekt dran, und ich glaube, die Leute werden sich wahnsinnig freuen.
Guthrie hat die CD ‚Hans Zimmer Live‘ noch gar nicht gehört.
Ich auch nicht! Die Musik ist jeden Abend anders. Ich bin mittendrin, und wir spielen die Musik jetzt nochmal drei Monate lang. Ich möchte mich nicht beeinflussen lassen und offen sein für ein neues Publikum, neue Energie.
Du spielst mit In-Ear-Monitoring?
Klar, das geht nicht anders. Aber ich habe trotzdem einen Amp auf der Bühne, das Darkglass-AlphaOmega-900-Top mit zwei Boxen, die mit je zwei 12-Zoll-Lautsprechern bestückt sind.
EQUIPMENT
Contrabass Guitar Snow Owl Signature-Modell by Neubauer Guitars