Das neue Unbehagen

Interview: Greg Mackintosh

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(Bild: Greg Mackintosh)

Greg Mackintosh hat gerade erst seine Band Vallenfyre sprichwörtlich zu Grabe getragen, da steht auch schon das nächste Projekt in den Startlöchern. Und dies kann sich durchaus hören lassen: Mit Strigoi wird konsequent weiterentwickelt, was vor 10 Jahren mit Vallenfyre begann. Was es mit der neuen Band auf sich hat, erzählt der überaus freundliche Brite im Interview. Ach ja, von Paradise Lost gibt es übrigens auch etwas Neues zu erwarten.

Was 2009 als eine Art Therapie-Band nach dem Tod seines Vaters zur Trauerbewältigung entstand, erreichte ungeahnten und vor allem völlig ungeplanten Erfolg. Nach ihrem ersten Album ‚The Fragile King‘ war Vallenfyre auf einmal der neue Stern am Metal-Himmel. Das hemmungslose Geknüppel war ein furioser Mix aus Death Metal, Hardcore und Crust-Punk, kombiniert mit dem gnadenlosen Boss-HM-2-Gitarrensound von Bands wie Dismember oder Entombed. Was zunächst nur als Nebenprojekt zu Paradise Lost bestehen sollte, wurde schnell eine eigenständige und durchaus erfolgreiche Band und so brachte es die Gruppe tatsächlich auf drei Alben.

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2018 dann die Ankündigung, dass das dritte gleichzeitig auch das letzte Album von Vallenfyre sein würde. Im September des gleichen Jahres erfolgte dann die endgültig letzte Show. Nur wenige Wochen später dann die große Überraschung: eine neue Formation namens Strigoi war bereits geplant und setzt da an, wo Vallenfyre aufgehört habt. Auf ‚Abandon All Faith‘ wird bedingungslose Härte mit den für Mackintosh typischen Melodien kombiniert; dieses Mal jedoch auf eine deutlich dissonantere und morbidere Art. Aber lassen wir den Meister doch am besten selbst erklären, was es damit auf sich hat.

Interview

Greg, erst mal herzlichen Glückwunsch zu ‚Abandon All Faith‘. Nun dauert es ja nicht mehr lange bis zum Release.

Ja, das stimmt und ich bin auch wirklich total zufrieden. Die Entwicklung der Band war ziemlich langsam. Als wir anfingen das Ganze zu planen, hatten wir gar keine Idee, was wir machen wollten oder wie wir die Band präsentieren sollen. Alles kam so nach und nach – ein bisschen altmodisch irgendwie.

Bevor wir uns mit Strigoi beschäftigen, lass uns doch noch mal einen Schritt zurückgehen. Wie hat es sich angefühlt, Vallenfyre zu beenden?

Na ja, Vallenfyre war ja, so wie es gelaufen ist, gar nicht geplant. Aber trotzdem war diese Band für mich ziemlich emotional – ich hab das ja schon oft erzählt, warum ich die Band überhaupt gegründet habe. Im Grunde hat mich Vallenfyre dahin zurückgebracht, wo ich begonnen habe. Kleine Shows, in kleinen Clubs, alles mit einem Van ohne großen Aufwand. Wir haben in dieser Szene angefangen, in der es nur darum geht, Spass an der Musik zu haben und einander zu helfen.

Mir hat das total geholfen, weil ich wieder gemerkt habe, warum ich überhaupt angefangen habe Musik zu machen. Dass wir Vallenfyre so lange gemacht haben, war überhaupt nicht geplant. Wir wollten eigentlich nur das eine Album herausbringen, aber die Resonanz war großartig. Dann haben wir das zweite aufgenommen und sind auf einmal in den USA getourt. Das hat richtig Spass gemacht. Nach der dritten Platte hatte ich das Gefühl, dass wir musikalisch alles erreicht haben, was es zu erreichen gab. Man soll ja aufhören, wenn es am schönsten ist. Daher knüpfe ich auch ausschließlich positive Erinnerungen an Vallenfyre, obwohl einige echt schräge Sachen passiert sind. Am Ende fühlte es sich dann alles irgendwie richtig an. Ich habe die Band kurz nach dem Tod meines Vaters gegründet und nur ein paar Tage vor der letzten Show ist meine Mutter gestorben. Da hat sich für mich ein Kreis geschlossen.

(Bild: Greg Mackintosh)

Hattest du zu diesem Zeitpunkt schon Strigoi geplant?

Das muss irgendwann in dieser Zeit gewesen sein, so um die letzte Vallenfyre-Show herum, ja. Ich hatte so viel Spaß mit Vallenfyre, aber wollte etwas ohne die sentimentale Verbundenheit. Einen frischen Start sozusagen, mit einem etwas anderen Konzept.

Der Unterschied zu Vallenfyre ist ja schon recht deutlich.

Ja, weißt du, für mich ist da auch ein großer Unterschied. Vallenfyre hatte so ein Street-Feeling, sehr „crusty“ und einfach hart. Mit Strigoi wollten wir ein etwas theatralischeres Album machen, was sich mysteriöser, düsterer und unbehaglicher anfühlt. Vallenfyre war einfach nur brutal und bei unseren Konzerten wusste immer keiner so genau, was passieren würde. War dann auch oft ganz schön chaotisch. (lacht)

Wie seid ihr denn auf den Namen Strigoi gekommen? Der Begriff beschreibt ja ein vampirartiges Wesen aus der rumänischen Folklore, welches aus seinem Grabe auferstehen und die Gestalt anderer Menschen annehmen kann.

Das hatte eine ganze Reihe von Gründen. Erstmal ging es darum, dass wir einen Namen wollten, der nicht so typisch nach Death Metal klingt. Strigoi könnte zum Beispiel genau so gut der Name einer Gothic Band sein. Als ich den Namen vorgeschlagen habe, hat Chris (Casket, Bass) die Geschichte eines Serienmörders aus Bukarest gefunden, den sie den „Vampir Bukarests“ nannten. Der Typ hieß Ion Rîmaru und hat Anfang der 70er-Jahre vier oder fünf Frauen ermordet und brutal verstümmelt. Als man ihn gefasst hatte, wurde er zum Tode verurteilt. Als man sich danach einige ältere Fälle mit ähnlichem Tathergang anschaute, wurde klar, dass nicht nur Ion, sondern schon sein Vater ein Serienmörder war. Diese morbide Geschichte hat das Album durchaus beeinflusst.

Greg Mackintosh mit Strigoi-Bassist Chris Casket (Bild: Greg Mackintosh)

Magst du uns einen Einblick in die Entstehung von ‚Abandon All Faith‘ geben?

Als wir anfingen, war der Plan, eine Doom-Band zu machen. Also so richtig langsam. Der erste Song, den ich geschrieben habe, war ‚Carved Into The Skin‘, der schon ziemlich langsam ist. Weil ich mich aber ziemlich schnell langweile, wollte ich nach diesem Song etwas völlig anderes schreiben, was dann ein wenig in die Black-Metal-Richtung ging. Das Schwierigste am Songwriting war dann, einen roten Faden zu finden, sodass nicht jeder Song nach einer neuen Band klingt. Uns war wichtig, dass die Platte ein gewisses Grund-Feeling hat, was sich durch alle Stücke zieht. Dieses Gefühl des Unbehagens und der Dissonanz sollte das ganze Album dominieren. Das wollten wir schon im Intro ‚The Rising Horde‘ verdeutlichen, welches dieses Unbehagen langsam aufbaut und den Rahmen absteckt.

Das klingt jetzt alles ein bisschen aufgeblasen und idiotisch, aber wenn ich Musik höre, habe ich fast immer eine Art Film in meinem Kopf. Das gleiche versuche ich dann zu erzeugen, wenn ich Musik schreibe.

Hast du alle Songs ganz alleine geschrieben?

Ja, ich habe die Songs geschrieben und Chris alle Texte. Bei Vallenfyre habe ich fast alles alleine gemacht und bin froh, dass ich dieses mal keine Texte schreiben musste. Um ehrlich zu sein, macht mir das keinen großen Spaß. Klar, ich kann das durchaus, aber für mich fühlte sich das immer ein wenig zu persönlich an. Ich denke dann einfach zu viel. Chris kann das viel besser. Wir haben dann bei jedem Song darüber gesprochen, was für eine Stimmung wir erzeugen wollen und worum es in dem Song gehen soll.

Wo habt ihr ‚Abandon All Faith‘ aufgenommen?

Ich habe in den letzten Jahren mein eigenes Studio gebaut, das einen tollen Live-Raum hat. Wir nennen es „The Black Planet“ und dort konnten wir super arbeiten. Ich lebe ja in Nordengland und Chris etwas weiter südlich. Er ist also zu mir raufgefahren und wir haben dann hier ein paar Wochen zusammen die Songs geschrieben und aufgenommen. Als wir dann fertig waren, haben wir alles zu Kurt Ballou geschickt und er hat dann in seinem GodCity Studio den Mix gemacht.

Gregs Studio namens „The Black Planet“ (Bild: Greg Mackintosh)

Mit seiner Arbeit bei den Vallenfyre-Alben war ich immer absolut zufrieden. Von ihm habe ich gelernt, dass es gar nicht darum geht, alles perfekt aufzunehmen, sondern darum, einen gewissen Moment einzufangen. Kurt war total zufrieden mit dem Material, das ich ihm geliefert hatte. Das Mastering hat dann auch wieder Brad Broadright übernommen, der ja ebenfalls die letzten zwei Vallenfyre-Alben gemastert hat. Kurt und Brad sind ein so gutes Team, dass es gar keine Frage war, wer den Job machen würde. Für diese Musik kann ich mir niemanden besseres vorstellen.

Hast du alle Gitarren alleine eingespielt und aufgenommen?

Ja, fast. Das meiste habe ich ganz alleine eingespielt, aber bei ein paar Songs hat mir mein alter Freund Martin, den ich noch aus meinen frühen Crust-Punk-Tagen kenne, geholfen. Er ist ein ziemlich guter Gitarrist und während er ein paar Parts eingespielt hat, konnte ich mich eher auf das Aufnehmen konzentrieren, was ja manchmal ziemlich viel Zeit frisst.

Aber alle Melodien und Lead-Passagen habe ich eingespielt. Live wird das aber anders sein: Wir sind gerade dabei, ein Lineup für die Shows zusammenzustellen und ich werde nur singen. Das hat bei Vallenfyre super funktioniert und mit Strigoi wollen wir uns noch etwas mehr auf eine theatralische Show konzentrieren.

Lass uns doch ein wenig über dein Equipment sprechen. In den letzten Jahren ist ja der Boss-HM-2-Sound wieder recht populär geworden – nicht zuletzt auch wegen Vallenfyre. Benutzt du das Pedal immer noch?

Tatsächlich war dieses Mal kein HM-2-Pedal im Spiel. Wir haben echt viel herumprobiert und ich habe ein paar Pedale von Minotaur Pedals aus Griechenland bekommen, die fantastisch klingen und die wir viel benutzt haben. Außerdem habe ich viele Verstärker getestet und einen Orange gefunden, der mir gefiel und den wir benutzt haben. Das müsste wohl ein Thunderverb gewesen sein, die Kiste hatte 200 Watt. Ein Freund von mir hatte mir einen Haufen Amps geliehen und dieser gefiel mir richtig gut.

Krank Rev Jr. Pro, Orange-Terror-Topteil, Marshall JCM 800 & Peavey 3120 (Bild: Greg Mackintosh)

Was ich mich kaum zu erzählen traue, ist, dass ich wirklich viel mit einem Positiv Grid Bias Amp 2 eingespielt habe. Wir haben ein paar Pedale davor geschaltet, dann das Signal durch den Bias Amp 2 und eine Two-Notes-Cab-Simulation geschickt. Ich habe damit fast noch einen besseren Sound hinbekommen, als mit den mikrofonierten Lautsprechern. Ich habe diesbezüglich meine Einstellung über das letzte Jahr auch ziemlich verändert. Früher war ich gar kein Freund dieser Simulationen.

Wobei man ja sagen muss, dass sich gerade in den letzten Jahren im Bereich der Verstärker-Simulation und vor allem der Impulsantworten noch mal einiges getan hat.

Ja, völlig richtig. Was richtig witzig war, war, dass ich alle Gitarrenspuren Kurt Ballou geschickt und ihn gefragt habe, welche er am besten findet. Seine Wahl war eindeutig: er fand die Bias-Amp-2-Spur am besten. Und ich meine, der Mann weiß wirklich, was er tut! Wir haben dann ein bisschen darüber gesprochen und selbst Kurt ist mittlerweile ein Fan der Möglichkeiten, die man da hat. Für uns war dieser Positiv-Grid-Sound sozusagen das Rückgrat des Gitarrensounds auf dem Album. Ich weiß, dass das mit der digitalen Amp-Simulation ziemlich blasphemisch ist, aber mittlerweile klingen diese Dinger einfach richtig gut.

Das Strigoi-Album wurde hauptsächlich mit Positiv Grid Bias Amp 2 aufgenommen. Kemper Profiler und Two Notes Torpedo Reload runden das Digital-Setup ab. (Bild: Greg Mackintosh)

Habt ihr den Bass mit dem gleichen Setup aufgenommen?

Nein, hier sind wir den ganz klassischen Weg gegangen: ein alter Ampeg-Stack und ein Big Muff davor. Ein zweites Signal haben wir dann abgezweigt, um es durch einen alten Marshall mit einem Marshall-Jackhammer-Pedal davor zu schicken. Für das ganze tiefe Low End haben wir noch ein DI-Signal dazu gemischt, das hat super funktioniert.

Welche Gitarren hast du beim Einspielen benutzt?

Ich habe dieses fantastische Hoffmann-Modell von Framus, das ich nun schon eine Weile benutze. Das ist eine Siebensaiter mit einem Floyd Rose und Lace-Humbuckern.

Wolf Hoffmann Signature mit sieben Saiten, Floyd Rose und Lace-Humbuckern (Bild: Greg Mackintosh)

Wir stimmen die Gitarren alle einen ganzen Ton nach unten, sodass wir eine tiefe A-Saite haben. Aber ich sage nicht, dass man das unbedingt machen muss, um einen massiven Sound zu erreichen. Es ist sogar so, dass, wenn man zu tief stimmt, der Sound ironischerweise manchmal sogar dünner wird.

Greg, eine letzte Frage muss ich stellen: Was gibt es Neues von Paradise Lost?

Ich bin gerade damit fertig geworden, das neue Album zu schreiben und kann sagen, dass wir am 31.10., also an Halloween, anfangen werden, die Platte aufzunehmen. Wir werden wieder mit Jaime Gomez Arellano arbeiten, der ja schon auf dem letzten Album einen fantastischen Job gemacht hat. Ein bisschen Feinarbeit ist noch zu tun, aber ich kann sagen, dass es eine ziemlich vielseitige Platte wird. Ein paar Songs werden in die Richtung unseres letzten Albums gehen aber einige Songs sind dann wieder völlig anders und klingen eher nach 80er-Jahre-Gothic-Musik.

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)

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