Hello Seventies!

Interview: Goodbye June

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(Bild: Jason Myers)

Nicht nur in optischer Hinsicht findet man bei Goodbye June einige signifikante Ähnlichkeiten zur Frühphase von Lynyrd Skynyrd: Leadgitarrist Tyler Baker sieht aus wie der junge Gary Rossington, sein Cousin, Rhythmusgitarrist Brandon Qualkenbush, wie damals der großartige Allen Collins. In der Mitte der Bühne steht mit Landon Milbourne ein mittelgroßer, eher stämmiger Mann, dessen Charisma dem des unvergessenen Ronnie Van Zant nahekommt, und der mit seinem rauen Stimmorgan den Songs Ausdruck und Inhalt verleiht.

Auch die stilistischen Zutaten beider Formationen sind durchaus vergleichbar: Wie die Südstaaten-Rock-Legende mischt die aus Nashville, Tennessee stammende Band Zutaten aus Rock, Blues, Country und Bluegrass zu einem höchst eigenständigen Gebräu, das textlich kein Blatt vor den Mund nimmt. Fans von ZZ Top oder Greta Van Fleet haben Goodbye June bereits diverse Male im Vorprogramm ihrer Idole bewundern können. Kurz vor Pandemie-Beginn war die Gruppe auf eigener Headliner-Clubtour, um ihr Album ‚Community Inn‘ vorzustellen. Der Eindruck: überragendes Talent, beeindruckende Performance, grandiose Songs. Wir stellen mit Tyler Baker (TB) und Brandon Qualkenbush (BQ) die beiden wichtigsten Instrumentalisten der Gruppe vor.

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Rhythmusgitarrist Brandon Qualkenbush und seine Thinline-Telecaster mit Lollar-Humbucker (Bild: Matthias Mineur)

INTERVIEW

Brandon und Tyler, habe ich es richtig verstanden: Der Kern von Goodbye June besteht aus drei Cousins einer überaus musikalischen Familie?

BQ: Das stimmt. Meine Großeltern mütterlicherseits reisten durch die gesamten USA, predigten und machten Musik. Sie nahmen sogar Schallplatten auf, die sie auf ihren Reisen verkauften. Das hat mich natürlich nachhaltig beeinflusst. Mein erstes Instrument war das Schlagzeug, deswegen habe ich ein gut ausgebildetes Rhythmusgefühl.

Bereits mit acht Jahren trommelte ich in kleineren Kirchenbands, mit zwölf wechselte ich zur Gitarre. Mein Vater zeigte mir die ersten einfachen Griffe. Damit fing alles an. Ich wollte unbedingt Gitarre spielen, weil alle coolen Jungs das machen. Ich nahm eine Unterrichtsstunde, brachte mir von da an aber alles selbst bei. Meine erste eigene Gitarre war eine holzfarbene Peavey T15. Gespielt habe ich sie über einen Peavey-Bassamp. Irgendwann wechselte ich dann zur Telecaster, die nun schon seit vielen Jahren mein Hauptinstrument ist.

Lead-Gitarrist Tyler Baker mit 2018er Gibson ES-335 (Bild: Matthias Mineur)

Tyler, deine Geschichte dürfte ganz ähnlich sein, oder?

TB: Richtig. Da Brandon, Landon und ich Cousins sind, haben wir natürlich einen ähnlichen familiären Background. Mein älterer Bruder besaß eine Fender Squier und einen kleinen Combo. Wenn er von der Schule nach Hause kam, übte er Songs von Metallica und Nirvana. Häufig saß ich daneben, schaute ihm zu und, wenn er es erlaubte, versuchte ich es selbst. Zunächst klang das natürlich fürchterlich, doch mein Bruder nahm sich die Zeit und zeigte mir ‚Enter Sandman‘ und ‚Come As You Are‘. Meine Mutter hatte eine Guild-John-Denver12-String, und als ich einigermaßen spielen konnte, brachte sie mir ‚House Of The Rising Sun‘ bei. Mein Vater stand total auf ZZ Top und Creedence Clearwater Revival, ich liebte diese Musik.

Erinnert ihr euch noch an euer erstes professionelles Equipment?

TB: Als Jugendlicher mähte ich regelmäßig den Rasen eines Friedhofs und als ich damit genügend Geld verdient hatte, kaufte ich mir eine Paul Reed Smith Custom 22.

Oha, dafür musstest du vermutlich ziemlich lange den Rasen mähen.

TB: Ich verrate dir etwas: Die Gitarre war gebraucht und kostete mich 1600 Dollar, unter dem Ladentisch. Die PRS war über viele Jahre mein Hauptinstrument, bis ich mir irgendwann meine erste Gibson ES-335 zulegte.

War es Zufall oder eine bewusste Entscheidung, dass ihr bei Goodbye June ganz unterschiedliche Gitarrenmodelle spielt? Tyler bevorzugt Semi-Acoustics, Brandon dagegen Telecaster. Klingt nach einer geschickten Aufteilung.

BQ: Am Anfang war es wohl eher Zufall und allein der Tatsache geschuldet, dass wir auf unterschiedliche Sounds stehen. Doch dann erwies sich dies als großer Vorteil. Tyler ist auf diesem Gebiet ein absoluter Fachmann, also setzten wir uns zusammen und überlegten, welche Kombination die beste für Goodbye June sein könnte. ES-335 und Telecaster ergänzen sich prächtig. Ich fand heraus, dass die Telecaster mit ihrem kräftigen, fleischigen Ton perfekt für die Rhythmusparts ist, während die Soli von Tyler mit einer ES-335 den perfekten Gegenpol bilden.

2006er Gibson ES-335 mit Burstbucker-PUs
Fender Deluxe Reverb

Welches sind für euch die entscheidenden Kriterien für eine gute Gitarre?

TB: Meine ES-335 war Liebe auf den ersten Blick. Ich nahm sie in die Hand und war sofort in den wunderbaren Hals verschossen. Ich mag es, wenn der Hals dicker ist und einen 50erStyle hat. Ich spiele vornehmlich .011erSaitensätze und liebe es, mit der Gitarre zu kämpfen. Natürlich kann ich mit .009ern weitaus schneller spielen, aber ich möchte lieber kämpfen. Zumal der Sound mit den dickeren Saiten deutlich griffiger ist.

BQ: Für mich gilt das Gleiche, wobei ich sogar .012er-Sätze spiele. Zudem bin ich von Gibson abgerückt, weil ich relativ große Hände habe und ausreichend Platz auf dem Griffbrett brauche. Mit einer Tele komme ich einfach besser zurecht.

Ist bei Goodbye June die gesamte Band am Songwriting beteiligt?

BQ: Ja. Ein Riff von Tyler, eine Akkordfolge von mir, eine Textidee von Landon, so fängt es bei uns immer an. Manchmal beginnen wir aber auch bei Null, jammen ein wenig und entwickeln einen Song aus dem Nichts heraus. Es gibt bei uns ganz verschiedene Arbeitsformen, deshalb klingen unsere Songs immer so abwechslungsreich.

TB: Um mal ein paar Beispiele zu nennen: Brandon kam mit dem nahezu kompletten Song ‚Live In The Now‘ zu Landon und mir. Ich hatte das Riff zu ‚Secrets In The Sunset‘ und wir schrieben den Rest der Nummer gemeinsam. Von Landon stammte die komplette Idee zu ‚Darlin‘ von unserem Debütalbum. Er hatte Strophe und Refrain, sodass Brandon und ich nur noch das Intro und das Ende beisteuern mussten.

Wo wird zumeist an den Ideen gearbeitet? Existiert ein regulärer Proberaum?

BQ: Bei uns zuhause gibt es ein kleines Zimmer, in dem wir uns zum Arbeiten treffen. Dort steht Recording-Equipment, aber auch ein kleines Drumkit, ein paar Amps und ein Bass, sodass wir unsere Ideen immer sofort aufnehmen können. Früher haben wir häufiger gejammt, heute findet die Arbeit überwiegend am Computer statt.

Ist das eine der Konsequenzen aus dem Verlust eures Major-Deals? Nach ‚Magic Valley‘ wurde der Vertrag von Interscope nicht verlängert, sodass ihr nun bei einem kleineren Label seid.

BQ: Wir hatten bei einem Pop-Label unterzeichnet, und leider zeigten Interscope wenig Motivation, diese Band aufzubauen. Die Firma mag das ja vielleicht anders sehen, aber wir landeten mit unserer Single ‚Oh No‘ immerhin auf Platz 28 der Billboard Charts. Doch scheinbar hatten Interscope mindestens mit Rang drei bis fünf gerechnet. Doch Rock‘n‘Roll funktioniert so nun einmal nicht. Im Rockbereich braucht man einen langen Atem und den hatte man bei Interscope nicht. Unsere neue Company Earache ist deutlich engagierter. Oder hast du einen anderen Eindruck, Tyler?

TB: Nein, ich stimme dir zu. Interscope wussten nicht zu schätzen, was sie da in den Händen hielten, während Earache, obwohl sie ein kleines Independent-Label sind, genau wissen, wie Rock‘n‘Roll funktioniert. Als wir uns mit den Verantwortlichen des Labels trafen, äußerten sie konkrete Vorschläge, was zu tun sei, und diese decken sich zu 100 Prozent mit unseren Vorstellungen.

Wie wurden die Gitarren aufgenommen? Mit regulären Amps? Kamen auch Plug-Ins zum Einsatz?

BQ: Keine Plug-Ins, alles traditionelle Verstärker. In meinem Fall übrigens vor allem ein Marshall-Plexi und ein Matchless-Amp, dazu meine beiden Nashguitars-Telecaster, die holzfarbene und die schwarze, plus eine relativ neue Gibson Les Paul.

Nashguitars 72er Tele Deluxe
Marshall Bluesbreaker

TB: Ich habe die meisten Parts über einen 1970er Fender Champ eingespielt, hinzu kam ein Bad Cat Black Cat, also quasi ein AC30, und einige wenige Parts über einen Fender Deluxe Reverb. Was Gitarren angeht, kam vornehmlich meine 2006er Gibson ES-335 zum Einsatz, plus eine etwas ältere Gibson SG, die allerdings dem Studio gehört.

Effekte?

TB: Nicht allzu viele. Brandon besitzt ein paar T-Rex-Pedale, und ich bevorzuge Pedale von Analogman, unter anderem den King Of Tone, aber im Grunde kamen nicht einmal die zum Einsatz. Das Reverb, das man hört, wurde einfach durch unterschiedlich im Raum verteilte Mikrofone erzeugt. Beim Mischen hat unser Produzent Bobby Huff noch das eine oder andere Delay oder Reverb hinzugefügt, viel mehr war da nicht. Die wenigen Effekte, die du in ‚Secrets In The Sunset‘ hörst, wurden schon beim Einspielen aufgenommen.

Bakers Pedalboard u.a. mit Boss RV-6, Stone Deaf PDF 2, Analogman Sunlion und King Of Tone, Red Witch Empress Chorus und TC Electronic Polytune
Brandons Pedalboard mit Boss TU-3 Tuner, Electro Harmonix Micro POG, T-Rex Mudhoney II, Custom Fuzz und Boss Digital Delay (v.r.n.l.)

BQ: So arbeiten wir am liebsten. Wir wollen es immer so lebendig wie möglich haben. Natürlich gibt es ein paar Overdubs, aber das Fundament ist fast immer live, sprich: alle Mann im gleichen Raum. Das klingt zwar vielleicht ein wenig unmodern, aber es funktioniert bei uns bestens.

Dies gilt offenbar auch für die Trio-Konstellation, die nur auf Tour mit Schlagzeuger und Bassist ergänzt wird.

TB: Wir arbeiten schon so lange als Trio, dass wir daran nichts ändern wollen. Landon, Brandon und ich schreiben alle Songs, und wenn es dann ins Studio geht, engagieren wir einfach unseren liebsten Session-Drummer Nathan Sexton, der quasi zur Familie gehört …

… dann aber nicht mit auf Tournee kommt?

TB: Nein, er ist reiner Studio-Drummer. Unser Tour-Schlagzeuger ist seit Jahren Kevin Smith.

Der Bass auf ‚Community Inn‘ stammt von Brandon?

BQ: Richtig. Auf ‚Magic Valley‘ hat noch Blake Hubbard den Bass übernommen, auf der aktuellen Tour ist Jacob Thomas Jr. dabei. Aber bei den Aufnahmen zu ‚Community Inn‘ merkten wir, dass ich selbst das beste Gefühl für die Songs habe und es mir riesigen Spaß macht, neben Rhythmusgitarre auch Bass zu übernehmen.

Danke für das interessante Gespräch, und alles Gute für eure Zukunft!

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Bei dem Songtitel „Daisy“ dachte ich zunächst,daß es sich hierbei um die markante Stimme von Rod Stewart handelt,aber weit gefehlt.Der Song ist live richtig schön treibend,erinnert dabei an die kultigen „Talking Heads“.Interessante Band,die zukünftig hoffentlich noch weitere gute Songtitel veröffentlichen wird.In der Zeit der miesen Corona Pandemie stagniert ja leider seit über einem Jahr die globale Live Event Music-Scene,was uns allesamt total fertig macht!
    Die Live Auftritte fehlen uns spürbar,wie das notwendige Salz in der Suppe!
    Geht es jetzt immer so weiter,stirbt die weltweite Musik Branche,und somit auch das Lebensgefühl,die Kreativität und der Spaß an der Musik.Ich hoffe,wir kehren schnellstmöglich wieder zur „Normalität“ zurück.

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