Am 22. März wurde der legendäre Sänger und Jazzgitarrist George Benson 76 Jahre alt. Kurz nach seinem Geburtstag hatten wir die Gelegenheit, mit dem zehnfachen Grammy-Gewinner über seine unglaubliche Karriere, sein Equipment und seine Begegnungen mit anderen großen Musikern zu sprechen…
(Bild: Austin Hargrave)
George selbst beschrieb den Verlauf seiner musikalischen Entwicklung in seiner 2014 erschienen Autobiographie „Benson – The Autobiography“ in prägnanten Worten: „… von Blues-Cat zu Blues-Jazz-Cat … von Blues-Jazz-Cat zu Jazz-Cat … von Jazz-Cat zu Soul-Jazz-Cat … und von Soul-Jazz-Cat bis R&B-Jazz-Cat!“, was ihn dazu brachte, auf seinem brandneuen Album ‚Walking To New Orleans‘, Hits von Chuck Berry und Fats Domino zu covern, und vieles mehr erzählt uns der begnadete Sänger und Großmeister der BeBop-Gitarre bestens gelaunt und auch entwaffnend ehrlich.
Interview
Hi George, zuerst einmal nachträglich alles Gute zum Geburtstag.
Danke, ich persönlich feiere jetzt nicht mehr wirklich, aber aus der ganzen Welt riefen Leute an, um mir zu gratulieren, was mich natürlich sehr gefreut hat.
Lass uns gleich über dein neues Album sprechen. Auf ‚Walking To New Orleans‘ kehrst du zurück zu der Musik, die angesagt war, als du noch ein Teenager warst. Warum hast du dich entschieden, ein Tribute-Album mit Songs von Chuck Berry und Fats Domino aufzunehmen?
Nun, tatsächlich war das eine Entscheidung der Plattenfirma. Sie kamen mit diesem Konzept auf mich zu und ich fand diese Idee zunächst recht seltsam, dann aber konnte ich dem Ganzen doch etwas abgewinnen. Die beiden waren ganz herausragende Musikerpersönlichkeiten ihrer Epoche. Ihr Stil war komplett einzigartig, sie waren Ikonen. Und ich fragte mich: Was kann ich spielen, das eine Bedeutung hat, im Lichte ihrer Leistungen in der Musikindustrie und ihrer so starken Identität. Das wurde die Herausforderung, und ich bin vor schwierigen Aufgaben noch nie davongelaufen, bevor ich nicht wusste, wo genau das Problem liegt. Dann sagte ich zu!
Hast du die zehn Songs ausgesucht, die auf dem Album zu hören sind?
Die Plattenfirma gab mir eine Menge Songs zur Auswahl, aber die endgültige Entscheidung überließen sie mir.
(Bild: Provogue Records)
Der älteste der Songs ist ‚Rockin Chair‘. Als Fats Domino ihn 1951 veröffentlichte, warst du gerade einmal sieben Jahre alt. Kannst du dich daran erinnern, wann du den Song zum ersten Mal gehört hast?
Ich erinnere mich, ihn gehört zu haben, aber wann das war, kann ich nicht mehr sagen. Die meisten Fats-Domino-Songs hörte ich in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre. 1951 trat ich in Night-Clubs auf und wusste noch nicht, wer er war.
Ich habe aus einem Fender-Video erfahren, dass du 1951 zum ersten Mal in einem Haus mit Elektrizität gelebt hast.
Das stimmt. Mein Stiefvater lernte meine Mutter kennen, als ich gerade sieben Jahre alt war. Er war Gitarrist, aber ich war noch zu jung für die Gitarre, meine Hände waren noch zu klein. Mein Stiefvater fand in einem Mülleimer eine Ukulele. Die war komplett auseinandergebrochen und er leimte sie wieder zusammen, lackierte sie neu und zog Saiten auf. Dann zeigte er mir meine ersten Akkorde. Und ich entdeckte, dass ich mit den vier Akkorden eine Menge der Songs begleiten konnte, die ich schon singen konnte. Ich singe schon solange ich denken kann, aber als ich anfing mich mit der Ukulele selbst zu begleiten, wurde ich schnell als „Little Georgie Benson“ bekannt.
Ein Song, der mir auf der neuen CD auffiel, ist ‚Havana Moon‘, den Chuck Berry 1957 veröffentlichte, da warst du 14. Das ist kein typischer Rock-&-Roll-Song, er besteht eigentlich nur aus einem Akkord.
Diesen Song hatte ich zuvor noch nie gehört! Aber jeder, der den Song kannte, liebte ihn. Und ich fragte mich: Warum stehen die Leute auf dieses Lied? Für mich ist das ein „crazy tune“, so ungewöhnlich und komplett anders als alles, was man sonst von Chuck kennt. Als ich den Song ein paar Mal in der Version angehört hatte, die meine Studio-Band spielte – Chucks Original war ja fast eine Solo-Nummer, nur instrumentiert mit Stimme, Gitarre und Kontrabass – dachte ich mir: „Geben wir dem Song eine Chance!“. Die Geschichte, die der Song erzählt, war wunderbar. Das Ganze erinnerte mich an jamaikanische Songs, in der Art, wie Harry Belafonte sie sang. Also versuchten wir’s und wirklich jeder liebte den Song.
In deiner Version hören wir, anders als im Original, auch Schlagzeug, Streicher und Backing Vocals. Kam hier der Produzent ins Spiel, oder war das deine Idee?
Der Produzent Kevin Shirley begann, seine eigenen Ideen zu entwickeln, nachdem er die Basic Tracks gehört hatte. Die haben wir komplett live mit der Band eingespielt. Darauf setzte er dann seine Sahnehäubchen, was ich für eine gute Idee hielt. Mir gefallen die Stimmen der Girls und die anderen Instrumente, die dazukamen. Um im Radio gespielt zu werden, brauchst du etwas mehr als nur Gitarre und Stimme. Eine großzügigere Instrumentierung macht hier das Leben leichter.
Du hast erst zum zweiten Mal in deinem Leben in Nashville aufgenommen und das hat dir richtig gut gefallen. Was ist das Besondere an dieser Stadt?
Nashville hat eine ganz eigene Energie und Persönlichkeit. Die Menschen dort sind sehr entspannt. Die Country-Musik prägt dort den Lifestyle ganz entscheidend und die Atmosphäre ist sehr harmonisch. Außerdem leben da einige der besten Musiker Amerikas, und fast jeder spielt dort Gitarre! Vor vielen Jahren hing ich öfter mit dem Gitarristen Chet Atkins ab, damals die Nummer 1 in der Country-Szene. Wir waren sehr gut befreundet und schließlich nahmen wir bei ihm zu Hause in seinem Studio eine Platte auf. ‚Stay Tuned‘ erschien 1985, auf dem Album sind eine Menge Studio-Cracks aus L.A. zu hören. Ich schrieb zusammen mit Randy Goodrum den ersten Track ‚Sunrise‘.
Deine Band im Studio bestand aus vier Musikern, wie hast du die gefunden?
Kevin Shirley stellte für mich diese großartige Combo zusammen. Die können alles spielen und sie machten einen großartigen Job. Sie hatten nicht die geringste Mühe, diese Songs zu spielen. Dabei war es hilfreich, dass sie alle Chuck-Berry-Fans sind und auch großen Respekt vor Fats Dominos Musik haben. So machten die Aufnahmen allen einen Riesenspaß, und nach vier Tagen war alles im Kasten. Mit dem Ergebnis bin ich wirklich zufrieden.
Ihr habt alle Songs mit Click-Track eingespielt.
Mit Click-Track? Nein!
Ich habe alle Songs gecheckt, die sind komplett in the grid!
Jedenfalls habe ich von einem Click-Track nichts mitbekommen. Aber der Schlagzeuger war der musikalische Direktor bei den Aufnahmen, vielleicht hat er mit Click-Track gespielt. Aber ich habe davon nicht das Geringste bemerkt. Wir sprechen hier von Country-Musikern, und deren Gefühl für Tempo ist phantastisch.
Ich habe mir alle Originale angehört und habe festgestellt, dass die verschiedenen Bands von Chuck Berry und Fats Domino auch ziemlich tight waren.
Oh ja! Aber wenn ich Musik mache, denke ich über solche Fragen gar nicht nach. Musik muss gut klingen und sich gut anfühlen, und dieses Ziel kann man auf ganz verschiedene Arten erreichen.
Lass uns über deine Gitarren sprechen. Wann entstand dein Ibanez-Signature-Modell?
1977 nahm Ibanez Kontakt mit mir auf, und 1978 kam die Gitarre auf den Markt.
Ich habe mal in den aktuellen Ibanez-Katalog geschaut, da gibt es vier verschiedene Modelle. Du musst doch unzählige Gitarren zu Hause haben, oder? Welche magst du am liebsten?
In der Tat gibt es sehr viele verschiedene Ausführungen. Aber die ersten Modelle, die GB10 und die GB20, sind meine Originale, die ich bei mir daheim zusammen mit einem Ibanez-Vertreter und einem Gitarrenbauer entworfen habe. Dann dauerte es etwa ein Jahr, bis der erste Prototyp fertig war. Den zeigten sie mir, als ich gerade in Japan unterwegs war. Sie brachten mich in ein Hotel mitten in Tokio, und in einem Saal vor Publikum wurde mir auf der Bühne das Instrument überreicht. Das war einer der schönsten Momente meines ganzen Lebens.
Weißt du noch, welche Gitarre du bei den Nashville-Sessions für dein neues Album gespielt hast?
Da kamen meine GB10 und eine D’Angelico zum Einsatz.
Du bist Endorser für Fender-Amps. Es gibt zwei Signature-Modelle, den Hot Rod Deluxe und den Twin Reverb. Welchen Amp hast du gespielt?
Oh, ganz sicher weiß ich das gar nicht, aber ich glaube, der Twin Reverb kam zum Einsatz. Ich komme aber mit allem gut zurecht, weil das Signal der Gitarre auch direkt aufgenommen wurde. So konnten wir den Sound nach unseren Wünschen durch Reamping nachträglich ändern. Kevin Shirley weiß genau, was er will, und wie er zum Ziel kommt. Als ich erkannte, wie gut er ist, überließ ich ihm das Feld, und das Resultat ist großartig. Mit ihm zusammen zu arbeiten, machte mir riesig Spaß. Mir liegt diese schnelle Arbeitsweise, und meine größten Erfolge sind ebenfalls in sehr kurzer Zeit entstanden. ‚On Broadway‘ (vom Album ‚Weekend in L.A,‘, Anm. d. Verf.) wurde bei der zweiten Show in einer Freitagnacht 1977 mitgeschnitten. Und an diesem Abend nahm Ibanez zum ersten Mal Kontakt mit mir auf. Von ‚Breezin‘ nahmen wir nur zwei Versionen auf, und ‚This Masquerade‘ war sogar ein First Take!
(Bild: Austin Hargrave)
Du hast einmal von deiner ersten Begnung mit Pat Martino in New York erzählt. Du hörtest ihn spielen, und das hat dich wohl sehr beeindruckt.
Ich dachte mir damals, ich gehe besser wieder zurück nach Pittsburgh! Das war New York, da sitzt ein Junge mit gerade einmal 17 Jahren auf der Bühne und haut mich komplett um. So einen guten Gitarristen hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört. Ich war 19 und dachte damals, ich wäre schon ein Star. Aber während ich noch mitten in meiner musikalischen Entwicklung steckte, war dieses Kind schon ein kompletter Musiker. Wir sind im Laufe der Jahre sehr gute Freunde geworden. Ich habe sehr viel von ihm gelernt, er brachte mir Selbstbewusstsein bei. Wenn du nicht an dich selbst glaubst, kannst du niemals jemand anderen von dir überzeugen.
Aber später kam Pat auf dich zu und fragte dich: George, wie machst du das bloß?
Da ging es um eine meiner neuen Ideen. Ich habe im Laufe der Jahre an vielen Dingen gearbeitet, und manches davon wurde bekannt durch meine Platten. Da gab es diese ein Phrase, die Pat liebte, und er sagte: „George, ich versuche dahinter zu kommen, wie du das spielst“. Und ich dachte mir: Pat Martino will was von mir wissen, „Mr. Technique himself“, das kann doch nicht wahr sein! Der Grund lag darin, dass Pat fast jede Note anschlägt, und ich spielte diese Phrase mit Sweeping, wo man mit einer Pick-Bewegung mehrere Noten schnell hintereinander anschlägt. Pat spielt nie so! Pat wollte also jede Note dieser Phrase einzeln anschlagen, und ich sagte ihm: Das ist unmöglich, du musst sweepen (lacht)!
(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)