Im Interview

Deep Purple – Roger Glover & Steve Morse

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(Bild: Ben Wolf)

Vom neuen Deep Purple-Album ‚Whoosh‘ kann man nur begeistert sein. Es ist ein kleines Meisterwerk, das seinen besonderen Charme aus tausenden winzigen Details, griffigen Hooks, wunderbaren Arrangements und intelligenten Texten speist. Darüber hinaus ist es nahezu perfekt produziert, mit einem beeindruckend geschmackvollen warmen und ausgesprochen musikalischen Sound, der zudem Deep Purple als das ausweist, was diese Band ist: Ein einzigartiges Phänomen mit eigener, unverwechselbarer Identität, die man keinem festen Genre zuordnen kann.

Wie es zu dieser tadellosen Produktion gekommen ist und welche Rolle in diesem Zusammenhang Produ­zent Bob Ezrin (u.a. Pink Floyd, Peter Gabriel) spielt, haben uns Bassist Roger Glover und Gitarrist Steve Morse in zwei aufschlussreichen Interviews erzählt. Wobei man speziell bei Steves Antworten deutlich heraushört, dass er auch so manchen künstlerischen Disput mit Ezrin austragen musste. Aber lest selbst!

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INTERVIEW

(Bild: Matthias Mineur)

ROGER GLOVER

Laut einer deiner früheren Aussagen folgt bei Deep Purple nach einem starken Album fast immer ein etwas schwächeres, und umgekehrt. Angesichts des fabelhaften ‚Whoosh‘ muss der 2017er-Vorgänger ‚Infinite‘ also ein schwächeres Werk gewesen sein.

Eine interessante Theorie. (lacht) Aber das, was ich dir bei einem unserer früheren Interviews gesagt habe, bezog sich nur auf die ersten zehn Alben von Deep Purple. Früher war es tatsächlich so, dass nach einem tollen Album immer ein etwas zahnloseres Werk entstand. Für die Gegenwart sehe ich das jedoch anders. Ich finde, dass die drei letzten Deep-Purple-Scheiben allesamt auf einem sehr hohen Niveau waren. Und weißt du, woran ich das unter anderem festmache? Daran, dass alle drei Scheiben vergleichsweise einfach zu produzieren waren. Unbeschwertheit ist bekanntlich fast immer der Schlüssel zu großen Leistungen.

Woraus entsteht die derzeitige Leichtigkeit bei Deep Purple?

Wir haben in der Band ein ausgesprochen gutes Personal, und wir müssen nicht mehr mühsam nach einem geeigneten Produzenten suchen oder ein Album sogar in Eigenregie produzieren. Denn immer dann, wenn ich mich auf den Produzentensessel setzen musste, weil wir niemand Geeignetes gefunden hatten, war ich in der Zwickmühle. Einerseits verlor ich selbst den gesunden Abstand zu den Songs, andererseits ist man als Bassist einer Band niemals eine so unbestrittene Autorität, wie man es als Außenstehender wäre.

Ist dieser interne Frieden die aus deiner Sicht größte Errungen­schaft bei Deep Purple?

Na ja, eine Band verändert sich ja sowieso permanent. Wir alle sind Individuen, gehen durch unterschiedliche Phasen unseres Lebens, und damit verändert sich immer auch die Chemie innerhalb einer Gruppe. Manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten.

Als Ritchie Blackmore die Band verließ und sich auch Joe Satriani nur als Über­gangslösung herausstellte, fanden wir Steve Morse und mussten uns verän­dern, um uns nicht selbst zu kopie­ren. Ich erinnere mich, dass Steve mich gleich zu Beginn fragte: „Was erwartet ihr eigentlich von mir?“ Meine Antwort lautete: „Dass du ausschließlich du selbst bist.“ Man kann Ritchie nicht ersetzen, man kann auch Jon Lord nicht ersetzen.

Was man machen kann und was wir machen mussten: darauf achten, dass wir weiterhin eine Gitarren-dominierte Band bleiben. Darüber hinaus gibt es bei uns keinerlei Vorgaben.

Klingt nach entspannter Atmosphäre.

Wir alle werden älter und damit reifer. Das Leben ändert sich, die Sichtweisen ändern sich. In den 70ern handelten unsere Texte von schnellen Autos und Sex. Über solche Themen singen wir heute natürlich nicht mehr, auch unsere Texte sind reifer und entspre­chend unseres tatsächlichen Alters gesetzter.

Welchen Anteil an dieser entspannten Atmosphäre, die offenbar auch im Studio herrschte, hat euer Produzent Bob Ezrin?

Einen wesentlichen. Er ist zu 50% der Grund, weshalb wir zurzeit im Studio so kreativ sind. Bob ist bei kontroversen Diskussionen immer die letzte Instanz, weshalb sich 80% aller inter­nen Streitigkeiten sofort erledigt haben. Bob moti­viert uns, er mag uns, wir mögen ihn, er arbei­tet schnell und präzise, und er schafft es, den vitalen Funken dieser Band einzufan­gen. Wir nehmen niemals mehr als nur ein oder zwei Takes pro Song auf, um die Frische nicht zu verlieren. Ihm wie uns ist Spontaneität sehr wichtig, denn Bob weiß: Wenn man eine Sache zu oft wiederholt, verliert man das richtige Feeling, die Intuition. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass Jon Lord irgendwann einmal zu mir sagte: „Man darf ein Solo immer nur ein, maximal zweimal spielen, denn sonst fängt man an, darüber nachzudenken und verliert diese besondere Magie des Spontanen.“

Komponiert eigentlich jeder für sich alleine, bevor dann die Ergebnisse zusammengetragen werden? Oder ist Songwriting bei euch auch ein kollektiver Prozess?

Wir leben und arbeiten als fünfköpfige Band, und zwar in jeder Situation. Anders würde es in dieser Konstellation nicht funktionie­ren. Das war schon 1969 so, und daran hat sich auch 2020 nichts geändert. Wenn jemand einen komplett arrangierten Song anschleppen würde, würden sich alle anderen Bandmitglieder ausgeschlossen fühlen. Deshalb entsteht bei uns alles in Jam-Sessions. Natürlich hat immer irgendjemand die erste Idee, eine Hook, ein Riff, eine Melodie, eine Textzeile, aber davon ausgehend wird alles gemeinschaftlich erarbeitet. Daraus entwickeln sich dann immer wieder die überraschendsten Dinge, sodass am Ende ein Song herauskommt, mit dem in dieser Form niemand gerech­net hätte. Bei uns funktioniert so etwas, weil wir uns gegenseitig respektieren. Natürlich kämpft jeder für seine Ideen, dennoch ist das Ergebnis fast immer unerwartet. Wenn wir die Arbeiten an einem neuen Album beginnen, gibt es keinen Schlachtplan und keine festgeleg­te Richtung. Und niemand wundert sich über das finale Ergebnis mehr als wir selbst.

Und wird dann auch auf die gleiche Weise auf­genommen, also im Kollektiv?

Absolut. Alles wird quasi live im gleichen Raum eingespielt. Wir sind gute und erfahrene Musiker, mit denen so etwas funktioniert.

Vigier Excess RG Special Signature in Deep Burgundy
Vigier in Amber-Finish
Vigier Excess Signature Natural Alder Mat mit Rosewood-Fingerboard
Glovers schwarzer Rickenbacker

Mit welchen Instrumenten hast du ‚Whoosh‘ eingespielt?

Natürlich gibt es da immer meine Vigier-Bässe, mit denen ich schon seit 27 Jahren spiele. Aber darüber hinaus habe ich einen wunderbar alten Precision-Bass entdeckt, den ich schon auf ‚Now What?!‘ gespielt habe. Als Bob ihn mir gab, waren uralte, völlig abgespielte Saiten drauf. Ich sagte zu Bob: „Ich ziehe morgen mal neue Saiten auf, damit der Preci wieder vernünftig klingt.“ Aber Bob antwortete: „Nein, bitte tue das auf keinen Fall. Weißt du, wer schon alles mit diesen Saiten aufgenommen hat? Tony Levin für Peter Gabriel, Pink Floyd, viele wichtige Scheiben sind mit diesen Saiten entstanden.“ Also ließ ich die alten Strings drauf und musste feststellen, dass wirklich eine besondere Magie von diesem Precision ausgeht. Die Saiten scheinen zwar mausetot zu sein, aber der Bass klingt trotzdem wundervoll.

Mit welchen Verstärkern hast du ‚Whoosh‘ aufgenommen?

Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Das hat Bob entschieden. Ich habe meine Parts über meine TC-Electronic-Anlage eingespielt und er hat den Sound dann später ge-reampt.

Und Effekte?

Kaum, nur ein klein wenig Kompression. Ich mag einen klaren, leicht rauen Sound. Bei mir muss der Bass vor allem Tiefe haben, auch dann, wenn die Frequenzen möglicherweise mit den tiefen Lagen der Hammond-Orgel konkurrieren. Dies in Einklang zu bringen ist nicht ganz einfach, aber ich mag nun einmal keinen dünnen, höhenlastigen Bass-Sound.

TC-Electronic-Blacksmith-Amps
Morley-A/B-Schalter, TC Electronic Dark Matter Distortion, TC Electronic Polytune

Haben sich diesbezüglich dein Spiel und dein Geschmack in den letzten Jahren verändert?

Deep Purple waren immer schon eine Band mit großartigen Musikern, zwischen denen ich mich in früheren Jahren ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen fühlte. Für mich war mein Bass-Spiel nicht so wichtig, ich war eher auf ein gutes Songwriting fokussiert. Dann kam Steve Morse zu Deep Purple, ein magischer Moment, nachdem wir zehn Jahre lang nur gestritten hatten. Mal war Ian Gillan in der Band, mal war er draußen.

Mit Steve kehrte plötzlich Ruhe ein, gleichzeitig brachte er ein spielerisches Niveau mit, bei dem ich mich zunächst völlig überfordert fühlte. Steve spielte irgendein fantastisches Riff und bat mich, es zu doppeln, aber ich musste bekennen: „Sorry, das kann ich nicht spielen.“ Er aber antwortete: „Doch, kannst du, ich zeige dir, wie du es spielen musst.“ Er zeigte mir neue Techniken, kleine Kniffs, und machte aus mir einen besseren Bassisten. ‚Purpendicular‘ war das erste Deep-Purple-Album, bei dem ich mich als vollwertiger Bassist fühlte.

Hatte dies auch Einfluss auf deine musikalische Sichtweise, weil du möglicherweise stärker auf andere Bassisten geachtet hast?

Ich höre Musik sowieso wie ein Fan, das war immer schon so. Mir geht es bei Songs nie um Technik, sondern immer um das Gefühl. Privat höre ich nur sehr wenig Hard Rock, auch sehr wenig Pop, sondern immer nur dann, wenn meine Kinder auf dem Rücksitz meines Autos sitzen und etwas in dieser Richtung hören wollen. Ich bevorzuge Jazz, Klassik und Singer/Songwriter. Ich mag gute Texte, weshalb ich auch für Bob Dylan schwärme. Früher interessierte mich bei einem Deep-Purple-Song nur, ob man damit Erfolg haben kann. Heute ist mir das egal, heute möchte ich nur ein gutes Gefühl haben, wenn ich einen unserer Songs höre, das alleine genügt mir schon.

So etwas könnte sich theoretisch ja auch aufs Songwriting auswirken.

Deep Purple gehören sowieso keinem bestimmten Genre an. Wir sind nicht Heavy Metal, wir sind nicht Folk, der einzige Begriff, den ich gelten lassen würde, ist Hard Rock.

Aus diesem Grund bedarf es ja auch keines konkreten Plans, wie es bei Deep Purple weitergehen soll, oder?

Bei uns gab es eh noch nie einen Plan. Ich hasse Pläne. Sie sind gut, wenn man irgendwo hinfliegen möchte und vorher ein Ticket kaufen muss. Aber die schönsten Dinge im Leben lassen sich nicht planen. Sie passieren einfach und man reagiert darauf. Das ist auch der Grund, weshalb ich dir nichts über die Zukunft von Deep Purple sagen kann. London, New York, Tokio, überall gibt es Hallen, in denen wir noch nicht waren. Sollten wir da unbedingt spielen? Ich weiß es nicht, ich weiß ja nicht einmal, was wir als nächstes machen. Ich kann nur sagen: Ich kündige nichts mehr an, ich gebe Dinge erst dann bekannt, wenn sie tatsächlich stattgefunden haben. Man muss ja unser Alter bedenken, oder wie mein Freund Matt Johnson von The The so treffend sagte: „Du kannst eine Sache sowieso nicht stoppen, wenn sie erst einmal angelaufen ist.“

STEVE MORSE

(Bild: Mineur)

Hallo Steve, wie ist es dir in Zeiten des globalen Shutdowns ergangen?

Um ehrlich zu sein: Nachdem die Leute herausgefunden hatten, dass ich zuhause bin, stand das Telefon nicht still. Jeder wollte etwas von mir: „Steve, kannst du mir da bitte ein Solo drauf spielen?“ Oder: „Hi Steve, ich brauche hier ein paar Leads und dort ein Riff!“ Ich war ganz schön im Stress.

Und dann zwischendurch auch noch die Arbeiten am neuen Deep-Purple-Album.

Ja, aber das ist für mich ja fast schon eine Art Routine, vor allem, seitdem wir mit Bob Ezrin zusammenarbeiten. Er ist ein echtes Schätzchen, der für sich zwar immer das letzte Wort in Anspruch nimmt, uns aber super motiviert. Bob sagte: „Jungs, denkt daran, dieses könnte die letzte Deep-Purple-Scheibe sein! Ihr werdet im Radio sowieso nicht gespielt, ein Hit ist auch nicht zu erwarten, also könnt ihr die Scheibe genauso machen, wie ihr sie haben wollt. Folgt einfach eurem Instinkt und macht es ausschließlich für euch selbst!“ Ich liebe diese freie Arbeitsweise.

Welches war die wichtigste Aufgabe von Ezrin?

Bob muss dafür sorgen, dass Ian Gillan sich wohlfühlt und inspiriert ist, gute Texte zu schreiben. Wenn Ian sich von einem Song, einer Melodie angesprochen fühlt, kommt die Sache ins Rollen. Bob ist derjenige, der dieses Arbeitsklima im Auge behalten muss. Auf der anderen Seite ist er derjenige, der die finalen Entscheidungen fällt. Wenn ich sage: „Lass uns bei diesem Solo oder jenem Part mal etwas Neues probieren. Lass uns etwas machen, was niemand von Deep Purple erwarten würde“, höre ich von ihm meistens: „Klingt gut, Steve, aber spar es dir bitte für dein Soloalbum auf.“ (lacht)

Klingt ziemlich restriktiv.

Ist es teilweise auch, an anderer Stelle aber nicht. Bob gibt einem schon die Freiheit, etwas Besonderes auszuprobieren, wenn er an die Idee glaubt. Nimm nur einmal den Song ‚And The Adress‘, bei dem er uns ermuntert hat, den Vibe der Sechziger aufzugreifen, und dafür gesorgt hat, dass ich ein ziemlich verrücktes Solo mit wildem Vibrato-Einsatz spiele. Oder bei ‚The Power And The Moon‘, bei dem ich so lange improvisiert habe, bis sich eine starke Melodie herauskristallisierte, die er sofort verwendet hat. Bob hat ein geradezu fotografisches Gedächtnis, er kann sich jedes Detail merken. Gleichzeitig ist er gnadenlos, wenn ihm etwas nicht zusagt. „Nein, gefällt mir nicht“, heißt es dann kurz und bündig, und damit ist die Idee sofort gestorben. Er hat etwas von einem Armeegeneral, der seinen Leuten einen gewissen Drill beibringt.

Ist er auch ins Songwriting involviert?

Wenn wir als Band anfangen, konkret an den Songs zu arbeiten, gibt es meistens etwa 20 Ideen, die zur Diskussion gestellt werden. Bob sortiert sie und legt fest, an welchen wir weiterarbeiten. Wenn die Idee ausgearbeitet ist, wird sie aufgenommen. Bob bündelt dann die Kräfte, motiviert Ian für einen leidenschaftlichen Gesangsprozess und holt wirklich das Beste aus ihm heraus.

Music Man Steve Morse Signature Prototyp

Und was sagt er beispielsweise über das Equipment, das du mit ins Studio bringst? Findet es Gnade in seinen Augen?

Er weiß, dass ich auf jeden Fall wie üblich meine blaue Music Man mit den vier Pickups dabei habe. Auf der fühle ich mich wohl und kann mit ihr genauso improvisatorisch arbeiten, wie Bob und Deep Purple es von mir wünschen. Im Gegensatz zu den Flying Colors, für die ich von zuhause aus arbeite und bei allen Parts mein eigener Herr bin, wird hier alles mit allen besprochen. Dadurch wurde auf ‚Whoosh‘ nahezu jedes Solo anders als ich es erwartet hatte.

Andererseits entstehen dadurch auch Dinge, die ich selbst nicht für möglich gehalten hätte. In ‚Man Alive‘ und ‚Dancing In My Sleep‘ habe ich die Soli beispielsweise mit einer super dicken Baritone-Gitarre gespielt, mit Saiten so dick wie Zaundraht. Ich nenne die Gitarre immer Baritone-Bass, weil sie so super heavy ist und ultradicke Strings hat. Ich musste eine für mich ungewöhnliche Spieltechnik anwenden und darüber hinaus den verzerrtesten Sound an meinem Amp wählen, damit es den gewünschten Effekt hatte.

Und in ‚Nothing At All‘ gibt es eine kleine jazzige, klassisch anmutende Linie als Gegenpart zum Gesang, für die ich ein leichteres Nylon-Plektrum wählte, weil es mit dem festeren Plektrum zu hart und zu hell klang. Der Sound brauchte mehr Raum, deshalb wechselten wir die Mikrofone und ich spielte die Passage über den Hals-Pickup mit Nylon-Plektrum. Außerdem durfte ich an anderer Stelle des Albums ein paar funky Sachen spielen, was mir sehr viel Spaß gemacht hat.

Das Rack mit zwei ENGL Steve Morse Signature 100
Rack-Einschub mit zwei TC Electronic Flashbacks, Digitech Whammy und TC Electronic Hall Of Fame
Das Pedalboard u.a. mit drei Ernie Ball VP JR, Keeley Compressor und ENGL-Schaltleiste

Gibt es darüber hinaus spezielle Dinge, die du als Gitarrist von der ‚Whoosh‘-Produktion lernen konntest?

Es gibt tatsächlich ein paar Dinge, wie etwa in den Soli so melodisch und konkret wie möglich zu spielen, ohne dass es konzipiert klingt. Die Parts sollen ja nicht wie von Robotern gespielt wirken, sondern ein organisches, natürliches Feeling haben. Das ist nicht immer einfach, zumal Bob mitunter etwas anderes von mir hören wollte. Er sagte: „Passt irgendwie nicht zum Song. Versuche es doch mal so oder so.“ Das machte ich, doch es klang steif und unnatürlich. Also komponierte ich ein Solo, das aber nicht wie ein Solo klang, sondern wie ein zusätzlicher Part, was wiederum Bob missfiel. Am Ende machte ich es so, dass ich mir einen Loop der Passage mit in mein Zimmer nahm, den Part abends übte und am nächsten Tag frei darüber improvisierte. Damit war dann auch Bob glücklich.

Und wie geht es jetzt weiter? Vor ein paar Monaten hast du mir im Rahmen eines Flying-Colors-Interviews erzählt, dass du Deep Purple abgeraten hättest, auch weiterhin auf Tour zu gehen, weil du aufgrund eures fortscheitenden Alters um die großartige Reputation der Band fürchtest.

Dieser Meinung bin ich im Grunde genommen auch heute noch. Allerdings muss ich zugeben, dass die Jungs ausgesprochen gut drauf sind. Außerdem habe ich herausgefunden, dass Deep Purple nicht aus Menschen, sondern aus Aliens besteht, bei denen kein wirklicher Alterungsprozess einsetzt. (lacht)

Jetzt im Ernst: Wir sind eine unglaublich erfahrene Band, auch im Verhältnis untereinander. Das kann man auf ‚Whoosh!‘ sehr genau hören. Wir haben alle künstlerischen Freiheiten, es gibt kein bestimmtes Genre, an das wir gebunden sind, wir haben einfach unseren Spaß und probieren neue Dinge aus. Solange dies funktioniert, kann man weitermachen. Auch wenn das für mich bedeutet, dass ich jeden Tag, wirklich jeden einzelnen Tag die Gitarre in die Hand nehme und intensiv übe, um den Standard zu halten und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Nur so kann ich mein spielerisches Niveau halten.

Danke Steve, für das spannende und sehr ehrliche Interview! 

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2020)

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