Lindenberg, Westernhagen, Maffay. Auch internationale Acts wie Robert Palmer, Joe Cocker oder Jimmy Barnes baten ihn auf die Bühne oder ins Studio. Aktuell ist der freundliche Friese in eigener Sache unterwegs. Mit seinen Songdogs zieht er ein Fazit mit einem Blick zurück.
Zeit für eine Retrospektive. Carl Carlton, seit Jahrzehnten als verlässlicher Gitarrist, Sänger und Sideman für andere Künstler unterwegs, blickt mit einer Werkschau auf seine Zeit als Solokünstler und Bandleader zurück. Seinen „Songdogs“, einem losen Musikerkollektiv, gehören aktuell Schlagzeuger Bertram Engel, Keyboarder Pascal Kravetz, Gitarrist Gary „Moses Mo“ Moore und Bassist Jerry „Wyzard“ Saey von Mother’s Finest an. Ziemlich amtlich feiert „C.C.“, alias Karl Walter Ahlerich Buskohl den Blick in den Rückspiegel mit einer umfassenden Vinyl- und CD-Box sowie der „Revolution Avenue Reunion“-Tour mit 23 Shows. Wir waren vorab bei den Proben in den Berliner Black Box Music Studios dabei.
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Interview
Carl, dieser Tage erscheint deine Retrospektive ‚Lifelong Guarantee – The Best Of Carl Carlton & The Songdogs’. Welche Gedanken kommen dir beim Blick zurück?
Ich denke an die Gerüche der Südstaaten und die Straßen von New Orleans, wo wir mit Sonny Landreth aufgenommen haben. Als Teenager habe ich Mark Twain geliebt und wurde ein Fan der Südstaaten mit ihren Raddampfern, ihrer speziellen Architektur, der lokalen Küche und natürlich der Musik. In den Südstaaten haben sich die unterschiedlichsten Musikstile entwickelt wie Blues, Zydeco, Cajun, Country und später Swing Jazz und Rock’n’Roll. Außerdem denke ich an meine Recordings in Woodstock mit Levon Helm (Drummer und Sänger von The Band), der für mich ein guter Freund und Mentor wurde. Wenn ich nach Woodstock fahre, wohne ich bei meinem guten Freund Bob Clearmountain (Produzent und Tontechniker, u. a. für Bruce Springsteen, Willy DeVille, Rolling Stones) im Gästehaus. Dort bin ich gerne, wenn ich schreibe. Die Südstaaten und Woodstock – beides kommt mir bei den Songdogs immer in den Sinn.
Wenn du dich selbst betrachtest: Was macht einen guten Sideman, und was einen guten Bandleader aus?
Verantwortung zu übernehmen war immer meine Sache. Ich war schon in der Schule Klassensprecher oder bei Stars wie Robert Palmer Produzent. In meiner Band bin ich auch noch Tour-Manager und Mädchen für alles. (lacht) Dafür brauche ich im Umgang mit den Jungs kein Boss zu sein. Da besitzt jeder Eigenverantwortung genug, alle sind motiviert. Ich muss nur für gute Laune sorgen. Und Sideman zu sein? Nun, ich kenne viele Kollegen, von Waddy Wachtel über Benmont Tench und Steve Jordan bis Lee Sklar. Dennoch bist du selbst auf diesem Niveau jederzeit auswechselbar. Eine wichtige Komponente ist deshalb Menschlichkeit. Bist du ein Typ, den man gerne um sich hat? Ich hatte das große Glück, dass man mich mochte, neben dem, was ich musikalisch eingebracht habe. Aber egal, ob du ein sensationeller Player bist: Wenn du schlechte Stimmung verbreitest, wirst du den Job nicht lange haben.
Du bist mit Mitte 20 nach N.Y. gezogen, hast dir in der Szene schnell einen guten Ruf erspielt und später von „Fügungen und Zufällen“ gesprochen. Wie hast du es geschafft, dir als Nobody ein internationales Netzwerk aufzubauen?
Das basierte auf meiner Zeit in Holland, durch die Arbeit mit Vitesse, Herman Brood und vor allem mit Long Tall Ernie & The Shakers. Deren Rock’n’Roll war eigentlich nicht so mein Ding. Doch in der Nachbetrachtung war es die beste Schule, die ich durchlaufen konnte, weil ich da all die alten Standards penibel gelernt habe. Ich musste wie Chuck Berry oder Buddy Holly klingen. Ich dagegen wollte lieber Humble-Pie- oder Led-Zeppelin-Songs spielen! (lacht) Dadurch lernte ich auf Festivals andere Künstler kennen und wenn du für Acts wie Willy DeVille, Manfred Mann‘s Earth Band und Joe Cocker gespielt hast, geht es dann einfach so weiter, bis du einige Kerben im Revolvergriff hast. (lacht)
Du bist auch Musical Director bei Amnesty International. Zu deren 50. Geburtstag hast du mit Larry Campbell (Bob Dylan) ‚Toast To Freedom‘ geschrieben und den Song mit einer All-Star-Band eingespielt (u. a. mit Levon Helm, Carly Simon, Donald Fagen, Marianne Faithfull, Warren Haynes, Eric Burdon, Taj Mahal). Ein cooles Projekt!
Ich bin wirklich glücklich all diese großartigen Menschen und Musiker zu kennen und mit vielen befreundet zu sein. Das ist ein enormer Reichtum! Für die „Human Rights Concerts“ durfte ich die jeweiligen Bands zusammenstellen. Da sind auch tolle Geschichten und Freundschaften entstanden.
Du bist so lange Profi, woran arbeitest du an deinem Spiel?
Ich bin kein Notist, eher Autist! (lacht) Ich spiele ziemlich unorthodox. Ich bin zu faul um zum Beispiel ein Solo von Eric Clapton nachzuspielen. Da mach ich lieber etwas Eigenes draus. Warum waren John Lee Hooker, B.B. King oder Alvin Lee so großartig? Weil sie – im positiven Sinne – nur ihr eigenes Ding gemacht haben. Ich bin im Grunde so authentisch wie John Lee Hooker, der auf alles einen Haufen schiss und zeitlebens einfach nur er selber war.
Nimm ‚Toast To Freedom‘: Ich hab ein nettes Intro in Open E geschrieben, ganz einfach für mich, doch für Außenstehende total kompliziert zu lernen!
Ich musste Dean Parks (US-Session-Legende, Anm. d. Verf.) das Intro beibringen, stell dir vor! Dean sagte, er wäre ja nicht völlig talentfrei, „but how the fuck did you play this?“ (lacht) Ich hab’s dafür nicht so mit vielen und schnellen Noten, wie Steve Vai oder so. Das hat natürlich seine Berechtigung, aber ich halte es lieber wie Miles Davis, der sagte, die Noten die du nicht spielst, seien die wichtigsten.
Was ist denn dein Ding?
Open Tunings. Damit beschäftige ich mich. Das ist eine andere Welt, wenn man merkt, dass man sein Griffbrett weiter oben doch nicht so gut kennt. Und noch etwas: Wenn ich zu Hause bin, mache ich mir morgens Kaffee, suche mir eine Vinylscheibe raus, leg die auf, hör sie mir an und nehme mir die Zeit einen Song davon nachzuspielen. Ich lerne dadurch und es inspiriert mich vielleicht dazu, einen eigenen Song zu schreiben. So lerne ich jeden Morgen einen Song, so wie andere Gymnastik machen. Ich hab inzwischen ein echt dickes Songbook.
Du hast im Laufe der Jahre bestimmt auch eine Menge Instrumente zu Hause angesammelt. Erzähl mal.
Als Teenager wollte ich so aussehen wie Steve Marriott mit seiner Gretsch White Falcon. So sah für mich der perfekte Rockstar aus. Nur ist Steve Marriott halb so groß wie ich! Ein echt kleiner Brite halt. Da ich so groß bin, sieht zum Beispiel eine Les Paul bei mir aus wie ein Banjo! (lacht) Deswegen bin ich zur Gretsch Country Gentleman und der Gibson ES-335 gekommen. Dann habe ich gemerkt, dass ich ohne eine Tele nicht auskommen würde, also hab ich mir eingeredet, dass die groß genug sei! (lacht) Ich habe heute eine 1964er-Tele in Daphne Blue mit einem Bigsby, eine 1963er-Stratocaster in Olympic White und eine Sammlung alter Gibson Acoustics. Aber die spiele ich nur im Studio. Auf Tour nehm ich lieber moderne Gitarren mit. Alte Instrumente sind halt oft nicht „praktisch“, brauchen viel Pflege und Zuwendung. Deswegen spiele ich auf Touren meine Duesenbergs.
Bild: Stefan Woldach
Blonde Duesenberg- “Diego“-Telecaster mit Singlecoil und Humbucker
Sunburst-
Duesenberg-“Diego"-Telecaster mit 2 Singlecoils
Die Jungs von Duesenberg haben dir das C.C.-Signature-Modell gebaut. Welche Features waren dir wichtig?
Ich wollte eine Halbresonanzgitarre mit großem Korpus, mit einem Singlecoil und einem Humbucker, halt eine Gitarre die vielseitig einsetzbar ist. Das haben sie bei Duesenberg echt gut hingekriegt. Dazu die ganzen Details! Allein wie genial ihr Deluxe-Tremola-System ist! Ich nehme mehrere meiner C.C.-Modelle mit auf Tour, weil jedes einen ganz eigenen Klangcharakter hat.
Bei Acoustics setzt du auf Larson-Bros.-Instrumente.
Mich faszinierte die Geschichte der Larson-Brüder, die wie auch C.F. Martin einst in die USA emigriert sind. Die neuen Larsons hab ich dann über den deutschen Vertrieb kennengelernt. Ich besitze eine Taylor und eine Guild, aber dann nahm ich diese Larson (sein Prairie State OM) in die Hand und war hin und weg. Obwohl ich auch gerade die Guild wiederentdeckt habe, die ich auch diesmal live spielen werde. Ich bin ein ziemlicher Fremdgänger, das muss ich gestehen! (lacht) Ich bin halt neugierig!
Bild: Stefan Woldach
Larson Bros. Prairie State OM Style 2
Bild: Stefan Woldach
Guild D-140E Dreadnought Antique Sunburst
Bild: Stefan Woldach
Dommenget Custom Singlecut mit PAFs und viel Abalone-Inlays
Bild: Stefan Woldach
T-Type-Eigenbau mit Fender-Bigsby-Vibrato
Du hast lange Vox AC30 gespielt, dann einen 50-Watt-Marshall und schließlich einen THC Sunset. Auf dieser Tour hast du einen Captain Buddy dabei.
Richtig. Als ich mit den Songdogs anfing und mich mit Tom Petty & The Heartbreakers beschäftigte, verlangten Songs wie ‚Days Of Magic‘ diesen Vox-Sound. Aber wir alle kennen halt auch die Probleme mit diesen Amps auf Tour. Da kam Thomas Eich ins Spiel. Er hatte den THC Sunset entwickelt, im Grunde ein Vox-Amp, nur nicht so anfällig. Aber dann bin ich mal wieder untreu geworden und habe die Captain Guitar Lounge kennengelernt. Ein fantastischer Laden! Mit denen philosophierte ich lange über Amps, zum Beispiel, dass ich bei zweikanaligen Amps nie wirklich zufrieden war, weil die Kanäle oft zu unterschiedlich klangen, der eine zu clean, der andere zu weich. Der Captain erzählte mir vom Buddy-Amp, den er gerade gebaut hätte, der eine Kanal an einen Fender angelehnt, der andere an einen Marshall. Und beim Buddy funktioniert das Umschalten zwischen Kanälen bei gleicher Lautstärke wunderbar. Diesen Amp spiele ich jetzt und bin total süchtig!
Benutzt du bei den Songdogs Effekte?
Bei den Songdogs kann ich nicht groß den Tanzbär machen, weil ich Singen, Gitarre spielen und die Leute unterhalten muss. Da hab ich nicht viel dabei. Diese Songs verlangen es auch nicht. Im Buddy sind ein richtig gutes Tremolo und ein Federhall verbaut, die benutze ich beide. Dann hab ich auf meinem Board noch ein Delay, einen Phaser und etwas Distortion. Und wenn ich Slide spiele, brauche ich etwas Kompression. Das meiste mache ich mit dem Volume-Regler meiner Gitarre.
Du hast mal gesagt: „Gitarrespielen wird dein Leben verändern, Freundschaften schließen und Liebe garantieren, Wunden heilen, Menschen tanzen lassen, deine Lebensphilosophie werden!“ Wie wahr.
Ja, und das unterschreibe ich bis heute. Dafür bin ich durch all die Höhen und Tiefen gegangen und bin noch immer hier. Geld ist nicht wichtig. Glücklich sein und zu versuchen authentisch zu bleiben ist viel wichtiger!