Interview

Arch Enemy: Neues vom Metal-Erzfeind

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(Bild: Arch Enemy)

Wenn ab Ende März 2025 das neue Studioalbum ‚Blood Dynasty‘ der international besetzten Melodic-Death-Metal-Band Arch Enemy in die Läden kommt, wird nicht nur die neue Signature-Gitarre von Bandgründer Michael Amott in den Fokus rücken, sondern vor allem die Zusammenarbeit mit dem neuen Saitenvirtuosen, dem Amerikaner Joey Concepcion, der als Nachfolger für den im Dezember 2023 ausgestiegenen Jeff Loomis gekommen ist.

Wir haben Amott (MA) und Concepcion (JC) im Rahmen einer Show in der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg getroffen und mit beiden die aktuelle Situation erörtert. Natürlich kam am Ende des Interviews das Gespräch auch auf Amotts neues Dean-Wraith-Signature-Modell.

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Michael, die erste Frage an dich. Rückblickend: Welchen Einfluss hatte Jeff Loomis auf die Band, inwieweit hat er Arch Enemy verändert?

MA: In diesem Zusammenhang muss man zunächst meinen Bruder Chris Amott erwähnen, der die Band zusammen mit mir gegründet hat. Chris hat all die Freiräume bespielt, die ich gelassen habe, zum Beispiel die gesamten Clean-Pickings, einige Shred-Gitarren und all das Whammy-Bar-Zeugs. Bei Arch Enemy gibt es eine große Bandbreite an Stilen, von Death-, Thrash- und Heavy Metal bis Hard Rock. Chris hat tiefe Fußspuren hinterlassen, die anschließend von Fredrik Åkesson, der heute zu Opeth gehört, oder auch Gus G. gefüllt wurden. Mit Jeff Loomis hatten wir dann eine neun Jahre andauernde Stabilität in der Band, was natürlich sehr hilfreich war. Das Grundgerüst unserer Songs ist dennoch immer gleichgeblieben, allerdings brachte Jeff einige zusätzliche Farben in unseren Sound. Er ist ein starker Musiker, ein toller Live-Performer und großartiger Freund. Jeff schlägt die Saiten sehr hart und aggressiv an, für ihn zählt jede einzelne Note.

Amotts Dean Tyrant Tin Man, Baujahr 2021
Seine zweite Dean Tyrant US Custom Splatter

Hast du nach seinem Weggang einen spielerisch vergleichbaren Nachfolger gesucht?

MA: Nein. Wir kannten Joey bereits seit 2018, als er bei zwei Shows auf dem Summer Breeze und dem Reload Festival ausgeholfen hat. Wir wussten also, dass er der Sache gewachsen sein würde. Arch Enemy ist mittlerweile eine extrem schnell agierende und komplexe Maschinerie geworden, so dass es auch darum ging, jemanden zu verpflichten, dessen Fähigkeiten wir bereits kennen und der menschlich in die Band passt. Joey steht seit jungen Jahren auf Arch Enemy, das machte es für ihn und uns natürlich deutlich einfacher. Außerdem hat er, als Chris in die USA zog, mit meinem Bruder studiert. Joey hatte daher einen direkten Zugang zur Arch-Enemy-Musik. Er kennt meinen Spielstil, mein Vibrato, er kennt die Riffs und Hooks, und er hat Chris‘ Spiel sogar hautnah erlebt. Chris und ich haben ähnliche Vorstellungen, wir sind eine musikalische Einheit mit eigenem Gesetzbuch (lacht), das mit einem Fuß im klassischen Hardrock und dem anderen im melodischen Death Metal steht. Als Chris vor zehn Jahren in Amerika eine neue Band gründete, war Joey daran beteiligt. Insofern kannte ich ihn schon seit langem, er spielt zwar einen eigenen Stil, der jedoch viele Ähnlichkeiten zum Spiel meines Bruders aufweist.

Joey, kannst du dich an den Moment erinnern, als du zum ersten Mal Arch Enemy gehört hast?

JC: Oh ja, daran kann ich mich sogar noch sehr gut erinnern. Damals gab es im Fernsehen noch die Musiksendung Headbangers Ball mit Jamey Jasta von Hatebreed als Moderator. Eines Tages stellte Jamey das Arch-Enemy-Video ‚We Will Rise‘ vor. Ich war kurz zuvor zwölf geworden und wurde von diesem Clip förmlich weggeblasen.

Hast du seinerzeit schon Gitarre gespielt?

JC: Ja, seit ungefähr einem Jahr. Ich hörte damals sehr viel Death Metal. Die Art, in der Michael und Chris spielten, die Mischung aus Blues-basiertem Hardrock und Shredding-Metal-Gitarren sprach mich total an.

Concepions Hauptgitarre, die Jackson Dinky Reverse Made in Japan mit Gotoh-Vibrato, Baujahr 2022
Gleiches Modell, anderes Finish: seine Jackson-Dinky-Reverse-Ersatzgitarre

Wusstest du, dass dein Spielstil zu Arch Enemy passt, als du 2018 gefragt wurdest, ob du aushelfen kannst? Konntest du die Songs bereits spielen?

JC: Ich hörte damals eine Menge klassischen Heavy Metal mit Metallica, Judas Priest und natürlich Iron Maiden, entdeckte aber auch Yngwie Malmsteen und über ihn weitere Gitarristen. Arch Enemy aber war für mich immer präsent, denn natürlich spielt man vor allem die Musik, die einem am besten gefällt.

Wie viel Zeit hast du 2018 benötigt, um das gesamte Set zu lernen?

JC: Ich wusste schon ein paar Monate vorher, dass ich Arch Enemy auf zwei Festivals aushelfen soll, insofern war ausreichend Zeit da.

MA: Ich sah Joey in einem Video auf YouTube, wie er einen Arch-Enemy-Track spielte. Ich dachte: Wer zum Kuckuck ist denn dieser amerikanische Bursche, der unsere Songs so gut spielen kann? (lacht) Damals war Joey sehr jung und rockte noch in der Wiege. (beide lachen laut los)

Hattest du bereits 2018 das Gefühl, dass die zwei Arch-Enemy-Gigs der Beginn deiner musikalischen Karriere werden könnten?

JC: Nein, nicht unbedingt. Ich wollte einfach nur mein Bestes geben und so gut wie möglich mit der Band performen, kümmerte mich dann anschließend aber zunächst um andere Dinge. Ich veröffentlichte ein Soloalbum, anstatt auf ein weiteres Engagement bei Arch Enemy zu warten. Dann nahm alles seinen natürlichen Gang und verlief auf organische Weise.

Wie würdest du dich selbst als Gitarristen beschreiben?

JC: Ich besitze ein kleines Homestudio und habe dort jahrelang extrem viel geübt, jeden Tag bis zu zehn Stunden, und das über fast zehn Jahre. Mittlerweile ist die Situation eine andere, da ich derzeit sehr beschäftigt bin und mich zusätzlich auch um Equipment und Recording kümmere. Ich mache zwar immer noch regelmäßig Fingerübungen, aber es geht mir nicht mehr um olympische Höchstleistungen. Ich würde meinen Stil mit dem meiner Lieblingsgitarristen vergleichen, vor allem mit Yngwie, Paul Gilbert und Steve Vai. Wie schon gesagt: Alles fing mit Metallica und ihren exzessiven Gitarrensoli an. Ich mochte immer schon die Gitarristen der Achtziger, also Yngwie, George Lynch, Eddie Van Halen, aus dieser Vorliebe entwickelte sich mein eigener Stil. Früher hat mich Death Metal nicht sonderlich interessiert, da dort zumeist die virtuosen Gitarrensoli fehlen. Arch Enemy sind da die Ausnahme, bei ihnen findet man neben starken Riffs auch exzessive Soloparts. Ich mag diese Kombination und die daraus resultierenden Herausforderungen für einen Musiker.

Michael, gab es ein konkretes Profil für den Nachfolger von Jeff Loomis?

MA: Um ehrlich zu sein: In solchen Momenten spielen auch organisatorische Kriterien eine wichtige Rolle. Die Mitglieder von Arch Enemy leben mittlerweile über die halbe Welt verstreut, es gibt kein Hauptquartier in Schweden, ich habe nicht einmal mehr einen Proberaum. Insofern hat sich für uns die Situation von Grund auf geändert. Wir treffen uns in Deutschland, es gibt in der Nähe von Düsseldorf einen Raum, in dem wir uns auf Tourneen vorbereiten können und unser Equipment eingelagert ist. Unsere Crew ist deutsch, unsere Trucks sind aus Deutschland. Früher war der Treffpunkt in Frankfurt, aber seit einigen Monaten spielt sich vieles in Düsseldorf ab. Die Zeitabläufe sind eng gesteckt, daher braucht man jemanden, den man kennt, mit dem man im besten Fall bereits befreundet ist und von dem man weiß, dass er den Job erledigen kann. Insofern war Joey für uns die erste und einzige Option. Wir hatten eine Asientour vor der Brust, konnten dafür aber nicht mehr proben, insofern war es ein Segen, dass Joey zur Verfügung stand.

Arch Enemys Gitarrentechniker Dirk Breenkötter (Bild: Matthias Mineur)

Joey ist in Südkorea also ohne eine Probe mit euch auf die Bühne gegangen?

MA: Ja, und bedenke: Die Songs von Arch Enemy sind kein Kinderspiel. Ständig ändern sich Passagen, die Tonarten, die Arrangements der Stücke sind außerordentlich komplex. Zum Glück kannte Joey die Stücke in- und auswendig, außerdem ist er ein großartiger Musiker, daher hat es funktioniert. Ich war in keiner Weise beunruhigt, ich wusste, dass er der Sache gewachsen sein würde. Kaum eine Band mit dem Bekanntheitsgrad von Arch Enemy sucht einen neuen Musiker per öffentlicher Ausschreibung. Man würde garantiert unzählige Kandidaten finden, die den Job erledigen könnten, aber es geht ja auch um die menschliche Seite und ob jemand in die Band passt. Diesbezüglich wussten wir, dass Joey der richtige Mann für uns ist.

Joey, hast du einen großen Erwartungsdruck der Fans gespürt? Immerhin bist du in riesige Fußstapfen getreten. Hast du kurz gezögert, als Michael dir den Job angeboten hat?

JC: Nein, meine spontane Reaktion war: Yes, that‘s it! (lacht) Natürlich spüre ich ein wenig Druck auf meinen Schultern, aber nicht von der Öffentlichkeit, sondern weil ich der Band und dem, was Michael und Jeff geschaffen haben, unbedingt gerecht werden möchte. Ich fühle mich geehrt und möchte dies jeden Abend auf der Bühne zeigen. Es geht darum, den Songs, den Soli gerecht zu werden.

Michael, ist denn Joeys Rolle exakt die gleiche wie zuvor die von Jeff Loomis?

MA: Man kann es nicht direkt vergleichen, denn Joey ist erst seit neun Monaten in der Band, bei Jeff dagegen waren es neun Jahre. Bestimmte Dinge müssen sich über die Jahre entwickeln, etwa die kleinen Intros und Zwischenparts, die Jeff gespielt hat und die sich im Laufe der Zeit etabliert haben. Die Stellenbeschreibung für Joey ist aber die gleiche. Allerdings spielt Joey eher in der Art wie Chris es getan hat. Vor allem klanglich hatte Jeff einen etwas anderen Ansatz, brachte eine andere Färbung in die Arch-Enemy-Songs. Man könnte sagen: Der Geschmack ist ein anderer, aber das Gericht ist das gleiche. Deine Soli ähneln allerdings denen von Jeff, oder Joey? (schaut Concepcion fragend an)

JC: Jeff und Chris sind zwei meiner Lieblingsgitarristen, also versuche ich beiden gerecht zu werden. Zumal die Fans es meines Erachtens auch genauso hören wollen.

Hast du dein Equipment geändert, als du bei Arch Enemy eingestiegen bist?

JC: Nur ein klein wenig. Ich spiele weiterhin dieselben Jackson-Gitarren und Marshall-Amps wie schon seit Jahren.

Traditionell Röhre: Die Marshall-Tops plus Boxenwand
Traditionell Röhre: Die Marshall-Tops plus Boxenwand

Bei euch findet man noch echte Röhren-Amps und Boxenwände auf der Bühne. Kein Kemper, keine Modelling-Amps, keine digitalen Plugins?

MA: Lediglich einen antiquarischen Digitech-Preamp, den Joey und ich mittlerweile beide spielen. Ansonsten all das früher übliche Zeugs. Für mich bekommt man mit rein digitalen Geräten nur 95% dessen, was mit echten Amps und echten Speakern möglich ist.

Amotts Effektrack mit den Digitech GSP1101
Ibanez TS808 & Mooer D7 X2 Delay

Wichtig ist ja auch, womit man sich auf der Bühne wohlfühlt.

MA: Exakt, genau darum geht es. Ich bin mit echter Backline aufgewachsen, ich höre den Unterschied, wenn etwas nur simuliert wird. Die heutige Musikergeneration wächst vor dem Computer auf, mit Plugins und Pro Tools. Ich dagegen bin in Proberäumen großgeworden, musste mir in den Ferien das Geld für meine erste Gitarre, für meinen ersten Amp verdienen. Ich träumte von einer richtigen Band in einem richtigen Proberaum und bin den Sound einer richtigen Lautsprecherbox gewohnt, ich weiß genau, wie direkt sie auf meine Gitarre reagiert. Mit Modelling Amps dagegen kenne ich mich nicht allzu gut aus, sondern nutze sie nur für Demos. Zudem bekomme ich von unserem Drummer, der unsere Demos produziert, immer die neuesten Plugins empfohlen. Vielleicht bilde ich mir es ja auch nur ein, aber ich habe den Eindruck, dass ich den Unterschied höre.

Joey, du bist die junge Genration, von der Michael gerade sprach.

JC: Das stimmt, trotzdem bin ich auch mit Röhren-Amps aufgewachsen. Mein erster Verstärker war ein Peavey 5150, zwischenzeitlich habe ich aus organisatorischen Gründen auf Modelling-Amps gesetzt, freue mich aber, bei Arch Enemy jetzt wieder über echte Röhrenverstärker zu spielen. Ich finde, dass man den Unterschied tatsächlich hört.

MA: Es kommt ja immer darauf an, was man machen möchte. Nimm nur mal Polyphia, scheinbar die Meister der Modelling-Amps, ähnlich wie Animals As Leaders. Diese Bands nutzen die Vorteile der neuen Technologie auf eine sehr coole Weise. Ich dagegen habe meinen eigenen Sound schon vor vielen Jahren gefunden, meine Vorbilder sind bestimmte Live-Scheiben aus den frühen Achtzigern. Wenn ich Gary Moore und Yngwie, Michael Schenker, Uli Jon Roth oder auch John Norum in dieser Phase höre, denke ich sofort: Das ist der beste Solosound überhaupt! Dieser Gitarrensound war immer mein Ziel. Junge Musiker haben halt andere Vorbilder, das eine ist objektiv betrachtet weder besser noch schlechter als das andere.

Michael, zum Schluss bitte noch ein paar Informationen zu deiner nagelneuen Signature-Gitarre!

MA: Gerne! Ich bin bereits seit 2008 Endorser bei Dean Guitars, gemeinsam haben wir diese spezielle Korpusform entwickelt, nun war es an der Zeit, mal wieder etwas Neues zu veröffentlichen. Die ersten Gespräche für die neue Wraith fanden bereits vor einigen Jahren statt, aber den ersten Prototypen bekam ich erst vor sechs Monaten. Der Prototyp hat ein rotes Finish, es gibt unterschiedliche Headstocks und ein Floyd Rose, was für mich eher ungewöhnlich ist. Im Studio mache ich häufig mit einem Floyd Rose Divebombs und andere Soundeffekte, auf der Bühne hat diesen Part sonst immer Jeff übernommen. Die Gitarre hat 22 Medium-Jumbo-Frets und einen Ahornhals mit Ebenholz-Griffbrett. Die Grundidee stammt von der ML, die wiederum auf einer Gitarre basiert, die Dean in den späten Siebzigern gebaut hat, eine Kombination aus Flying V und Explorer. Heutzutage ist es schwierig, eine neue Gitarrenform zu erfinden, die nicht wie ein Alien wirkt. Ich wollte ein klassisches Profil, das betont nach Metal aussieht! Die Pickup-Kombination ist von Dean und orientiert sich an der Time Capsule, sehr vintage, sehr warm klingend, vielleicht ähnlich wie der 59er von Seymour Duncan, den ich früher gespielt habe. Für den zweiten Pickup wollte ich unbedingt große Pole Pieces. Der PU wurde zusammen mit Dean entwickelt und sieht ein wenig aus wie der DiMarzio Invader, wir nennen ihn den Tyrant-Pickup.

Die nagelneue Dean Michael Amott Wraith US Custom Signature (Bild: Matthias Mineur)

Was wird die Wraith später im Laden kosten?

MA: Das steht noch nicht endgültig fest, aber ich tippe zwischen 1000 und 1200 Euro. Vielleicht machen wir es auch so wie in der Vergangenheit, mit einer edlen US-Custom-Shop-Version für 5000 Euro, die dann vermutlich überwiegend an Sammler geht, dazu ein mittelpreisiges Modell für ca. 1000 Euro, das über Thomann und andere Anbieter vertrieben wird, sowie eine in Indonesien gefertigte Ausgabe für etwa 300 Euro, die sich an Anfänger oder Hobbymusiker richtet. Aber auch diese Version hat eine erstaunlich hohe Fertigungsqualität, dank CNC-Fräsen und modernster Produktion.


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2025)

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