Die Eine fürs Leben

Interview: Adriano BaTolba

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(Bild: Ape Media)

Viele Leser dürften das Phänomen von sich selbst kennen: Im Laufe eines langen Musikerlebens kommen und gehen die Gitarren. Doch so mancher hat die Eine, die man ihm einst mit ins Grab legen soll, schon gefunden. So auch Adriano BaTolba, allseits geschätzter Experte für Rock-&-Roll- und Rockabilly-Produktionen.

Ob als Produzent und Gitarrist von Dick Brave and the Back­beats, für The Baseballs oder auch bei seinem eigenen Pro­jekt, dem Adriano BaTolba Trio, die „eine“ Gitarre begleite­te ihn immer – seine Gretsch 6120 von 1959. Bereits seit 1988 war das gute Stück bei allen, wie er sagt, „Höhen und Tiefen“ seiner Karriere dabei. Zuletzt allerdings litt die Bespielbarkeit doch sehr unter einem alten Halsschaden. Was tun? Rente kommt bei der Lieblingsgitarre nicht in Frage, und so scheute BaTolba zur Rettung seiner Lebensgefährtin & Gespielin keine Kosten und Mühen. Im Interview schildert er ihre bewegte Geschichte.

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INTERVIEW

Adriano, wann und wo hast du die Gitarre gekauft? Und wie viel hat sie damals gekostet?

Das war 1988 in London bei Charing Cross Music. Ich war 15 Jahre alt und verbrachte den Sommer in London. Bei einem Streifzug entdeckte ich die Gitarre im Schaufenster. Ich bin rein, testete sie an und habe mich sofort verliebt. Leider war da auch ein recht hef­tiges Preisschild dran: 750 Pfund, weshalb ich die Gitarre gleich wieder zurück in den Ständer stellte. Damals entsprach das etwa 2500 Mark. Doch mein Vater streckte mir das Geld vor. Ich erinnere mich noch daran, dass ich auf der Fähre die ganze Zeit auf den Koffer gestarrt habe und es nicht glauben konnte, dass ich wirklich diese Gitarre mit nach Hause bringe.

Um welche Gretsch han­delt es sich genau?

Es ist eine Gretsch 6120, mit 2,75 Zoll Korpusdicke, wie sie 1958/59 gebaut wurden. Schon als ich sie gekauft habe, hatte der Body einige „Kampfspu­ren“. Das Bigsby-Tremolo ist original, aber die Bridge und vermutlich auch Teile der Hardware waren es nicht. Und der Hals hatte anstelle des Horseshoe-Logos die „Chet Atkins Nashville“-Platte, die erst ab 1965 auftauchte. Somit wurde er irgendwann getauscht, was sich  auch bei der Restauration bestätigt hat. Die Verkäufer bei Charing Cross haben seinerzeit natürlich nichts dazu gesagt, aber 750 Pfund waren schon damals für eine alte 6120 eher am unteren Ende des Werts, was wohl auch mit dem nicht origi­nalen Hals zu tun hatte.

Erzähl uns, wo deine Vintage-Gretsch eingesetzt wurde.

Zuerst in meiner damaligen Rockabi­lly-Band Catless. Bis zu meinem Dip­lom an der Amsterdamer Kunst­hochschule spielte ich hauptsäch­lich Jazz auf ihr. Von 1998 bis 2002 kam sie recht selten zum Einsatz, weil ich als Sideman bei Sasha und anderen meist auf meine 1966er-Telecaster oder meine Strat zurückgriff. Erst mit der Gründung von Dick Brave and the Backbeats habe ich die Gretsch wieder mit auf Tour genommen und das komplette erste Album auf ihr einge­spielt. Sie kam beim Album ,Bop Around The Pop‘ von Boppin’ B zum Einsatz, genauso wie bei den Dick-Brave-Auftritten bei Rock am Ring und Rock im Park, sowie bei weiteren Festivals in ganz Europa – unter anderem mit P!nk, was dazu führte, dass wir 2006 bei ihrer Hochzeit in Costa Rica auftraten.

Feinstes Rockabilly-Besteck

In den folgenden Jahren konnte ich – dank eines Endorsements von Gretsch – der alten Lady den Tourstress ersparen, sie aber immer wieder bei Studio­produktionen einsetzen. Als ich 2010 meine eigene Rockabilly-Big­Band, das Adriano BaTolba Orchestra gründete, wurden die Auf­nahmen natürlich auf meiner „No.1“ Gretsch gespielt. Auch als wir bei Harald Schmidt auftraten, war sie dabei.

Wie kam es zu dem Halstausch?

Leider stieß ich bei einem Dick-Brave-Konzert 2004 in der Großen Freiheit in Hamburg mit dem Bassisten zusammen – der Hals brach halb aus dem Korpus. Zufällig war ein Mitarbeiter eines loka­len Gitarrengeschäfts im Publikum, bei dem die Gitarre über Nacht repariert wurde. Ich habe in dieser Situation nicht daran gedacht, zu fragen, mit welchem Leim der Hals befestigt wurde. Das soll­te später zu einem Problem werden, da sich der Kle­ber nicht rausdampfen ließ und der Hals deshalb herausgesägt werden musste.

Tiefer Eingriff auf dem OP-Tisch

Als die Gitarre immer stimmungsinstabiler und die Bespielbarkeit immer schwieriger wur­de, kam sie seltener zum Einsatz, obwohl ihr Sound immer noch super war. Ich habe mit diversen Gitarren­bauern erfolglos nach einer Lösung gesucht. Da kein Ersatzhals aufzu­treiben war, stand die alte Lady schließlich kurz vor der Rente. Es hat mich aber immer gefuchst, die Gitarre, die mich den Großteil meiner musikalischen Laufbahn begleitet hat, nur noch als „Möbel­stück“ betrachten zu können. Trotz des Supports von Gretsch hat mich keine Gitarre klanglich so sehr begeistert wie meine alte 6120. Wenn eine Gitarre da ist, die toll klingt, aber leider nicht ganz bundrein und somit für die Auf­nahmen auch nicht verwendbar ist, dann ist das schon eine sehr unbefriedigende Situation.

Wie hast du dann den Ersatzhals gefunden?

Natürlich habe ich auch bei Gretsch nach einem Austauschhals gefragt, aber niemand hatte einen oder wusste, wo einer zu bekommen war. Eines Morgens wachte ich auf und dachte mir: Es kann doch nicht sein, dass auf dieser ganzen großen Welt kein ein­ziger Hals für eine Gretsch 6120 zu finden ist. Wenige Stunden spä­ter fand ich dann bei einem Gitarrenladen in Australien einen 1962er-Hals! Dieser war das letzte Überbleibsel einer 6120, die res­tauriert werden sollte, aber „ausgeschlachtet“ worden war. Ich nahm sofort mit dem Händler Kontakt auf, doch wurde aus der Hoffnung gleich wieder Enttäuschung, da der Hals zwar nicht ver­kauft worden war, aber auch nicht mehr auffindbar schien.

Der 1962er-Hals mit Horseshoe-Logo aus Australien ermöglichte die Restauration.
Der 1962er-Hals mit Horseshoe-Logo aus Australien ermöglichte die Restauration.
Der 1962er-Hals mit Horseshoe-Logo aus Australien ermöglichte die Restauration.

Einige Monate später fand man ihn wieder, und wir wurden uns schnell einig. Zunächst traute sich aber niemand zu, den alten Hals vom Korpus zu trennen, da ja nicht klar war, womit dieser vor 15 Jahren eingeleimt worden war. Schließlich wurde mir Stefan Zirnbauer von der Munich Guitar Company empfohlen. Trotz meiner Beden­ken wegen des hohen ideellen Werts der Gitarre traute er sich die Reparatur zu. Als ich 2019 im Rahmen der Peter-Kraus-Tour wieder nach München kam, konnte ich pünktlich zur Show die Gitarre bei ihm abholen und am Abend live spielen.

Ging es dir bei der Umarbeitung auch um Verbesserungen?

Ja. Erstens sollte sich die Bespielbarkeit verbessern und zweitens die Gitarre wieder bundrein sein. Hinzu kamen noch kleinere Nebenarbeiten, zum Beispiel der Tausch der Bridge und des Schlagbretts gegen die historisch korrekten Bauteile. Der 62er-Hals brauchte eine Neubundierung, und fehlende Binding-Stücke und Side-Dots mussten ersetzt werden. Das einzige Bauteil, das nicht original ist, sind die Locking-Tuner von Sperzel, da diese sich auch bei meinen anderen 6120 bewährt haben, was die Stimmstabilität im Zusammenhang mit dem Bigsby-Vibrato angeht. Weiter musste der Halsfuß verlängert sowie ein passendes Heelcap erstellt wer­den. Natürlich wurde alles zum Abschluss im berühmten Gretsch Orange lackiert.

Wie ist die Performance der Gitarre jetzt? Bist du zufrieden, hat sich der Aufwand gelohnt?

Stefan Zirnbauer hat einen großartigen Job gemacht! Mit viel Liebe zum Detail hat er der Gitarre nicht nur mechanisch, sondern auch optisch wieder zu neuem Glanz verholfen. Die Gitarre klingt super und Bespielbarkeit und Saitenlage sind absolut top!

Die Gretsch 6120 nach erfolgreicher Restauration – im Hintergrund Adriano BaTolbas Gretsch-Sammlung

Wo – und mit welchem Equipment – kommt die Gitarre derzeit zum Einsatz?

Momentan ist mein Hauptbetäti­gungsfeld das Adriano BaTolba Trio. Wir haben vergangenes Jahr unser erstes Album ,How Much Does It Cost If It’s Free‘ veröffent­licht und sind dieses Jahr in den Clubs und auf einigen Festivals unterwegs. Im Studio geht die Gretsch in ein Roland Tape Echo und von dort direkt in meinen 1964er-Fender-Bandmaster. In dieser Konstellation muss der Amp eine gewisse Lautstärke haben, damit die Tape-Kompres­sion und die Amp-Sättigung rich­tig zur Entfaltung kommen. Das ist live leider nicht immer umsetz­bar. Dafür habe ich einen Fender Vibrolux Reverb und ein kleines Floorboard mit einem alten Ibanez Tube Screamer, Boss RE 20 Tape Delay und einem Tuner. Ab und zu kommt auch ein Vertex Booster zum Einsatz.

Vielen Dank für das Gespräch, Adriano!

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

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