(Bild: McGhee Entertainment, Ben Wolf, Archiv, Daddario Leecherry Photography)
Vor acht Jahren staunte der Wahlkalifornier nicht schlecht, was er und seine neuen Kollegen in einem winzigen Proberaum in Los Angeles an Magie aus den Instrumenten zaubern konnten. Der Beginn von Vintage Trouble.
Das musikalische Potential der Newcomer erkannte nicht nur Manager „Doc“ McGhee, der bereits Acts wie Kiss, Bon Jovi und Mötley Crüe Starthilfe gab. Der mitreißende Mix aus Rock, Soul und Rthymth & Blues zündete, egal wo die Band spielte: im Vorprogramm von The Who, mit Bon Jovi, den Rolling Stones oder AC/DC. Längst sind die bekennenden Vintage-Fans als Headliner auch in Deutschland unterwegs. Bassist Rick Barrio Dill traf sich mit uns zum Equipment-Talk.
Anzeige
Interview
Rick, wie läuft die Tour bislang?
Danke, ausgezeichnet. Wir haben die Songs unserer neuen EP ‚Chapter II – EP 1‘ vor anderthalb Jahren aufgenommen, wir hatten jetzt richtig Bock rauszugehen und die Songs zu spielen. Im Mai kommt dann unsere zweite EP. Es läuft perfekt und fühlt sich richtig an. Ich denke, wir haben unseren Stil weiterentwickelt und konnten es kaum erwarten, unsere Musik den Fans mal wieder vorzustellen.
Was ist das Erfolgsgeheimnis, wenn man wie ihr als Support vor ganz unterschiedlichen Acts spielt und einen alle mögen?
Wir kommen aus einer altmodischen Zeit, in der man als Jugendlicher zehn, zwölf Stunden am Tag daran geschuftet hat, sein Instrument zu lernen. Und dank Gott haben wir vier uns gefunden, sozusagen musikverrückte Gleichgesinnte. Als wir mit Dave Grohl beim Voodoo Experience Festival gespielt haben, hat Dave mit Blick auf uns etwas richtiges gesagt: Der Grund, warum es Bands wie uns kaum noch gibt, sei der, dass sich die Gesellschaft verändert habe, dass Musik nicht mehr den Stellenwert wie früher besitze und für viele Menschen nur noch zur Hintergrundbeschallung geworden sei. Es gäbe viel Konkurrenz beim Thema Entertainment, man müsse nicht mal mehr sein Zuhause verlassen. Alles sei per Handy oder Computer jederzeit abrufbar. Da sei es ein absoluter Glücksfall, dass es eine Band wie Vintage Trouble gibt. Ich muss zugeben, dass ich sowas ähnliches auch mal gedacht habe, denn vier Alphatierchen in einer Band – das geht normalerweise selten gut. Jeder von uns macht seit 20 Jahren Musik, aber wir sind sehr verschieden. Doch als wir das erste Mal zusammen spielten, zündete der berühmte Funke. Das ist halt Chemie! Lenny Kravitz sagte uns direkt nach unserem ersten Opening Gig auf seiner Tour, er habe sich wie auf dem Monterey Festival 1967 gefühlt! Die Kombination von uns Vieren zusammen sei einmalig. Da muss wohl was dran sein. (lacht)
Ihr seid vor allem das perfekte Beispiel einer hart arbeitenden Band „on the road“.
Da stimme ich zu! Wir haben unser Debüt ‚The Bomb Shelter Sessions‘ aufgenommen, da waren wir gerade mal drei Monate zusammen und haben die Songs in zweieinhalb Tagen eingespielt. Danach waren wir vier Jahre ununterbrochen auf Tour, weil man uns einfach nicht losgelassen hat! (lacht) Wir haben derweil eine Menge geiler Songs geschrieben, hatten aber nicht die Zeit, ins Studio zu gehen. Ich denke mit ‚1 Hopeful Rd.’ und der Hilfe unseres Produzenten Don Was haben wir aber angedeutet, dass wir ein Studio zu nutzen wissen, auch wenn wir wieder nur zwölf Tage hatten, die wir uns während der Tour mit AC/DC abgeknappst haben. Bislang hatten wir nie wirklich Zeit unsere Songs so aufzunehmen, dass sie der Qualität des Songwritings ebenbürtig waren. Mit ‚Chapter II – EP 1‘ konnten wir endlich die Produktionsseite herausstellen, die diese Songs verdienen.
Du siehst dich eher als Rhythmus-Player. Wie hat sich dein Spiel im Band-Gefüge entwickelt?
Der Bass hat in dieser Band eine Menge Freiheiten. Manchmal spiele ich eine fast lyrische Cello-Linie, dann treibe ich die Band mit kleinen Fills rhythmisch voran. Ich bin definitiv kein Rock-Bassist, dafür stehe ich zu sehr auf Soul und Rhythm & Blues. Rock-Bassisten legen gerne ein Fundament, damit sich ihr Gitarrist darauf austoben kann. Unsere Musik dagegen versucht, jeden von uns einzubinden, zu unterstützen und glänzen zu lassen. Außerdem gehen wir ziemlich bewusst mit Pausen um und der Menge an Noten, die wir spielen. Denk nur an ‚Abbey Road‘ von den Beatles: Was das Album bis heute so großartig macht, sind die Arrangements der Songs. Nichts kommt da aus den Lautsprechern, was nicht dafür angelegt wurde, genau so dort zu erklingen. Es gibt keine Note, die nicht wohlüberlegt gesetzt wurde. Selbst die Länge des Halls auf der Snare, der Harmoniegesang, gedoppelte Gitarren. Das sind alles Gedanken, die ich in mein Bassspiel einfließen lasse. Und vor allem: Wann man auch mal die Klappe halten sollte! (lacht)
Also das Instrument als Bestandteil des Ganzen.
Richtig. Es geht nicht nur um den Sound, sondern auch um die Länge des Sustains der Note, die ich spiele. Solche Gedanken machst du dir, wenn du dein Instrument als Teil des großen Ganzen siehst und nicht nur dich selbst als Bassist. Diese Details machen eine gute Band aus. Dazu muss man die Fähigkeit entwickeln, mal beiseite zu treten und sich die Band sozusagen von außen anzuhören. Das macht mir inzwischen richtig Spaß. Unser Zusammenspiel hat sich dadurch merklich entwickelt. Heute denke ich oft: wie kann ich weniger und effektiver spielen?
Du spielst Fender Bässe. Anfangs einen Jazz Bass, dann einen 57er-Vintage-Precision-Reissue, einen 62er-James-Jamerson-Signature-P-Bass, zuletzt einen 64er-American Design-Vintage-Precision.
Ich habe mich hinlänglich mit allen Qualitäten von Fender-Bässen beschäftigt. Für mich, mit meinem Hintergrund von Soul, Jazz und Rhythm & Blues war das eine Entwicklung und auch ein Lernprozess, vom Jazz Bass hin zum Precision. Der Precision hat mehr „Biss“ untenrum, das war für unsere Tour mit AC/DC genau das Richtige. Hinzu kommt, dass unser Schlagzeuger Richard eine 26“-Bassdrum spielt, da gilt es, den Bass drumherum zu schieben. Wenn du Musik als Ganzes betrachtest, macht es keinen Sinn, wenn wir beide uns im gleichen Frequenzspektrum Konkurrenz machen. Richard ist eben einfach da, das muss man akzeptieren. Deshalb ist mein Platz am großen Tisch eben weiter oben.
Live bist du diesmal mit Sadowsky-Bässen unterwegs.
Richtig. Roger hatte mir ein paar Bässe zum Antesten geschickt, nachdem ich ihm meinen alten Sadowsky zur Reparatur gegeben hatte. Das Sustain war gewaltig und die aktive Elektronik hat mich auf einmal wieder richtig begeistert. Ich habe jetzt einen MV-Viersaiter und einen Fünfsaiter dabei und bin erstaunt, wie stabil und zuverlässig sie sind. Sie sind so präzise wie ein Piano: Du spielst eine Note und der Ton ist präsent und zuverlässig da. Momentan baut mir Roger einen Precision mit dem Hals eines Jazz-Basses. Ich mag Veränderungen. Einer meiner großen Jugendhelden war Prince. Er experimentierte ständig, was Sounds, Stil und Instrumente anging. Kaum hatte ich mich an etwas gewöhnt, machte er schon wieder etwas anderes. Ich bin da recht ähnlich. Ich kann einfach nicht stillsitzen. (lacht)
Wie wirkt sich die aktive Elektronik auf dein Spiel aus?
Ich spiele entspannter. Auch mit deutlich weniger Kraft. Ich kann dadurch Nuancen setzen und dynamischer spielen. Richard verprügelt manchmal seine Drums ordentlich und Nalle hält dagegen. Wir können ganz schön laut sein! Da machen es mir aktive Bässe ein bisschen einfacher. Aber das ist eine Entwicklung. Ich finde es wichtig, zuerst die fundamentalen Dinge des Bassspielens zu erlernen und zwar mit einem passiven Instrument. Irgendwann kannst du dann neue Wege ausprobieren. Es ist wie an der Schule, da lernt man heute nicht mehr Schönschreiben oder Kopfrechnen, weil es nicht mehr gefragt ist oder mit dem Handy erledigt werden kann. Aber als Bassist solltest du die Grundlagen auf einem passiven Instrument beherrschen. Ich werde im Herzen immer ein Old-school-Bassist sein. Aber momentan will ich ein bisschen Spaß haben.
Du spielst Aguilar Amps, ein DB-750-Head mit einem DB-412-Cabinet.
Ich wiederhole mich gerne, wenn ich sage, dass Aguilar für mich der Mercedes unter den Bassverstärkern ist. Der serviert mir einfach alles. Wenn ich einen Ampegmäßigen Ton will, kriege ich den hin. Wenn ich einen mittenlastigen Ton möchte, kriege ich den genauso. Und egal, wo ich einen DB 750 hingestellt bekomme: ich muss nicht mal einen Soundcheck machen! Ich schaue mir nur die Einstellung des Amps an und weiß, dass alles OK ist. Der Aguilar ist unfassbar präzise und konstant. Anfangs habe ich eine 4x10er-Box gespielt plus eine 1x15er dazu. Aber mit dem Precision sind mir regelmäßig die 10er-Speaker abgeraucht. Das funktioniert jetzt mit der 4x12er-Box besser. Und was ich vor allem an diesem Setup mag, ist, dass es einfach ist. Ich brauche nicht viele Knöpfe. Ich habe meine Finger.
Genau, du zupfst mit den Fingern. Eine bewusste Entscheidung für Vintage-Sounds, Soul und Motown?
Ich brauche die Verbindung zu meinem Instrument. Anders kann ich nicht spielen. Das ist für mich die unmittelbare Verbindung von linker und rechter Hand durch das Instrument. Das ist im Grunde wie eine elektrische Verbindung der Nervenenden beider Hände, vom Gehirn direkt ins Instrument. Sicher, ich kann mit Plek spielen, kein Problem. Aber die echte „Erdung“ ist erst da, wenn beide Hände am Instrument anliegen.
Und wie sieht dein Konzept für einen tighten Groove mit deinem Drummer aus?
Vor zehn Jahren hätte ich dir vermutlich eine andere Antwort gegeben. Richard und ich spielen gerne mit dem Tempo, spielen vor oder hinter dem Beat. Ich bin gerne ein wenig vorneweg, wie das viele meiner Helden getan haben. Aber genauso liebe ich es auch laidback zu spielen. Es funktioniert sehr cool zwischen uns. Richard und ich kämpfen sehr ritterlich, brüderlich und sehr verspielt, um einen tollen Groove abzuliefern. Vermutlich würde er sich meinen Part jedoch anders vorstellen – und ich mir seinen auch! (lacht) Aber es geht am Ende nur um die Chemie, das ist wichtig. Wir hören einander sehr genau zu. Dennoch machen wir eben nicht zwingend das, was die meisten Bassisten und Schlagzeuger zusammen machen würden. Das ist eben einmalig an Vintage Trouble. Wir sind ein bisschen wie die Rolling Stones, wo Charlie Watts gar nicht hinhört, was sein Bassist spielt! (lacht) Don Was hat uns mal erzählt, als er deren Live-Tracks mischte, schaltete er zunächst alle Spuren stumm und nacheinander hinzu und hatte den Eindruck, jeder der Stones spiele einen anderen Song! (lacht) Aber als er sie zusammenmischte, waren es die Rolling Stones! Würdest du einen der Musiker durch jemand anderes ersetzen, würde die Band nicht mehr funktionieren. So ist das auch bei uns.