Im Hier und Jetzt: Alex Auer im Interview

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(Bild: Claus Geiss)

Kaum jemand aus der Metropolregion in und um Mannheim hat Alex Auer noch nicht auf der Bühne gesehen. An dem virtuosen Gitarristen mit großem Mund, großer Stimme und noch größerem Repertoire kommt seit mittlerweile über drei Jahrzehnten niemand mehr vorbei. Und das ist gut so, denn der gebürtige Mannheimer zaubert unvergessliche Gitarrenmomente bei jedem Gig, den er auf kleinen und auch sehr großen Bühnen rockt. Egal, ob mit zwanzig als Leadsänger von Shyboy, seit über dreiundzwanzig Jahren als fester Gitarrist bei Xavier Naidoo, bei der Kölner Rockband Benjrose, auf Tour mit Sasha oder bei Projekten mit De-Phazz, Laith Al-Deen und unzähligen anderen.

Wir haben ihn uns in seiner heimischen Küche in Heidelberg gegriffen, mal nachgefragt, was mit seinem sensationellen Solo-Album ‚Much Better‘ los ist, wie man als Autodidakt so gut wird und warum „on stage“ älter werden richtig cool sein kann.

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INTERVIEW

Alex, wo schlägt dein musikalisches Herz?

Wie wahrscheinlich viele Mucker, kann ich mich da gar nicht festlegen. Aber ziemlich vorne mit dabei sind Anderson Paak, Otis Redding, Al Green, Rock‘n‘Roll, Stevie Ray Vaughan, aber auch einfach tolle Pop-Kompositionen, die eingängig sind, aber − ganz wichtig − überraschen. Großartig sind auch immer noch die Black Crowes, die gerade wieder auf Tour waren. Ich muss sagen, dass ich Musik ganz generell besser verstehe, um so älter ich werde. Auch bei so Bands wie ABBA, die ich damals natürlich mega kitschig fand, sehe ich heute, dass das total geile Kompositionen sind, bei denen einfach alles stimmt – Text, Produktion, Arrangement. Solche Dinge interessieren mich heute, auch wegen der Arbeit an meinem Solo-Projekt, mehr und mehr.

Und wann und wie hat es dich gepackt, das Gitarrenfieber? Gab es einen Auslöser?

Erst recht spät, um ehrlich zu sein. Ich war schon Teenie, hatte keine älteren Geschwister, die Pink Floyd, Led Zeppelin oder Sex Pistols gehört hätten. Als Inspiration diente mir also genau eine Platte zwischen den Jazz- und Klassik-Vinyls meiner Eltern. Das war ein Elvis-Album mit vielen Schmusesongs und eben drei Rock‘n’Roll-Titeln. ‚Blue Suede Shoes‘ und ‚Jailhouse Rock‘ haben mich so getriggert, da war mir dann alles klar. Mit einer ungestimmten Gitarre, die bei meinem Vater in der Ecke stand, ging es dann los. Ohne Unterricht, rein autodidaktisch. Damals gab es noch keine YouTube-Tutorials, durch die man sich Dinge draufschaffen konnte. Ich habe also im „Dunkeln gefischt“, wenn man so will und mir irgendwann schrecklich bescheuerte Bücher mit Grundakkorden oder mal ein Beatles-Songbook gekauft. Für ein paar Monate hatte ich auch mal kurz einen Lehrer für ein bisschen Klassik und Fingerpicking. Aber unterm Strich bin ich wirklich Berufsmusiker geworden, ohne je eine echte Ausbildung gemacht zu haben.

(Bild: Rene van der Voorden)

Gibt es auch heute noch bestimmte Techniken und Skills, die du dir gerne draufschaffen würdest, oder bei denen du dich fragst, wie zum Teufel andere das machen?

(lacht) Es gibt ganz viele, von denen ich bis heute nicht weiß, wie sie es machen. Einer von meinen Lieblingen ist LA-Songwriter Blake Mills, der unter anderem auch mit John Legend und den Alabama Shakes gearbeitet hat. Das ist zum Beispiel einer, da kapiere ich nicht viel. Da muss ich mich wirklich hinhocken und mich lange reinhören, was ich dann auch mache. Ich habe auch ganz am Anfang nur übers Ohr gelernt. Meine Eltern hatten damals einen Plattenspieler, bei dem man die Geschwindigkeit auf die Hälfte runterpitchen konnte. Das habe ich dann gemacht, auf Kassette aufgenommen, transponiert, mir immer wieder und wieder angehört, um es nachspielen zu können. Gerade bei schnellen Passagen von Van Halen oder so, die ich im Original nicht raushören konnte. Das war gefühlt meine einzige „Aufgabe“ damals. Ich habe wirklich nichts anderes gemacht – Schule lief nebenher, ich habe nur geübt und nichts mehr im Hirn gehabt, außer eben Gitarre zu spielen. Das ist jetzt immer noch so. Ich übe noch immer und versuche, weiterzukommen. Das ist der nie endende Weg.

Gefühlt sieht und hört man dich echt bei vielen Projekten in und um Mannheim und über die Grenzen hinaus. Du bist also schon auch ein Session-Player, wenn man so will?

Klar, das mache ich schon immer. Es kam auch schon vor, dass Kosho von den Söhnen Mannheims mich angerufen hat, als er einen Sub für einen Gig brauchte. Dann habe ich mir innerhalb einer Woche das Programm draufgeschafft, auswendig gelernt und den Gig in einer Riesen-Arena mitgespielt. Sich auch ohne Probe auf andere Bands und Musiker einzustellen und direkt geil miteinander zu spielen, ist mein Job. Dann spielt man auch mal ohne Probe einen TV-Gig mit Sasha vor zehntausend Leuten. Dazu muss ich mir die Songs nur anhören, bis ich sie im Kopf habe, eventuelle Anomalien raushören und abspeichern. Manchmal stehe ich aber auch heute noch auf der Bühne und weiß überhaupt nicht, wie das Lied geht. Da war das Training von früher echt toll, als ich alles über die Ohren gemacht habe. Was zur Folge hat, dass man im Idealfall eben das spielen kann, was man so denkt, oder vor sich hinsingen würde. Das hehre Ziel ist es, alles sofort umsetzen zu können, während das Stück schon läuft.

Hier in der Region gibt es unfassbar viele sehr gute Gitarristen. Wie sieht es da eigentlich mit Konkurrenzdenken aus?

Ich kann jetzt nur für mich sprechen: Ich finde Konkurrenz grundsätzlich geil! Ich freue mich, wenn ich auf Gigs immer wieder was Tolles sehe und mir dann denke „Wow“. Max Grund zum Beispiel, ein tierischer Virtuose, aktuell mit Apache 207 unterwegs, der auch an der Popakademie hier in Mannheim studiert hat. Oder Songwriter Sven Falk, der auf einem unheimlich geilen Niveau spielt und singt. Die kommen dann auch alle mal zu mir nach Hause zum „Gitarren-Frühstück“. Dann gibt’s Omelette und wir jammen zusammen in meinem Studio ein bisschen rum.

So, raus damit, wie viele Gitarren besitzt du?

Ehrlich? Nicht so viele, aber genug. (lacht) Lass es zwanzig sein, die aber sehr unterschiedliche sind. Pedal-Steel, Lap-Steel, elektrisch und akustisch, 12-saitige in allen Ausführungen, Gibson, Fender, Baritone und eben alles, was man so braucht. Gespielt werden sie alle – ich bin tierisch viel unterwegs und habe so viele Gigs, dass ich mir manchmal ein bisschen Zeit wünsche, mal wieder einfach oben in meinem Studio zu sitzen.

(Bild: Claus Geiss)

Du hast kurz vor Corona dein großartiges Soloalbum ‚Much Better‘ rausgehauen. Pandemiebedingt gab es dann erstmal keine Tour. Wie geht es da jetzt weiter und wie kam es überhaupt dazu?

Ja, das Projekt „Alex Auer and the Detroit Blackbirds“, sehr gechillter, kalifornischer Rock, wenn man so will, liegt aktuell immer noch ein bisschen auf Halde. Die eigentliche Idee zu diesem Solo-Ding kam, weil ich lange mit der Kölner Band Benjrose gespielt habe. Das war ein wirklich fettes Ding, unter anderem produziert von Rami Jaffee, dem Keyboarder von den Foo Fighters. Wir hatten zusammen eine tierische Dynamik, geile Songs und gefühlt stand uns die Welt offen. Es hat voll Bock gemacht − ich habe dann immer mehr Songs geschrieben, von denen viele liegen geblieben sind.

Der andere Gitarrist der Band hat ein Studio bei Gummersbach, da sind wir oft abgehangen und haben dann eben einfach mal die Aufnahme laufen lassen. Ich habe die Songs nach und nach mehr oder weniger im Alleingang vorproduziert und aufgenommen. Dann habe ich Boris Angst an den Drums, Rolf Breyer von den Busters und Neil Palmer, den Keyboarder von Xavier, dazugeholt. Rami Jaffee von den Foo Fighters hat zwei Nummer eingespielt und Naidoo mit mir zusammen einen der Songs eingesungen.

Dank 2020 ist die geplante Tour ja nie zustande gekommen, die quasi meine Auslagen für das Album hätte einspielen sollen. Das Album hat mich schon einiges gekostet, weil ich es eben geil machen wollte – es ist fett produziert, klingt international, ich habe LPs pressen lassen, es gab eine fette Release-Party und jede Menge Merch! Wenn ich wieder Zeit habe, geht’s los.

(Bild: Claus Geiss)

Du bist schon echt lange im Business und jetzt 55. Ist älter werden cool für dich und deinen Job?

Sagen wir es so, jetzt ist es nicht mehr so wichtig, was nach dem Konzert passiert. Man entwickelt sich ja auch spirituell weiter und ist mehr im Hier und Jetzt. Im Grunde habe ich jetzt noch mehr Spaß an dem, was ich mache und kann immer mehr. Das Pensum, das ich jetzt gerade an Konzerten abreiße, hätte ich früher schlicht nicht überlebt. Liegt wohl auch daran, dass ich jetzt nicht schon während des Konzerts an die wilde Party danach im Hotel denke.


(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)

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