ARISTIDES
Hast du andere Instrumente außer deinen Signature-Gitarren von Aristides im Einsatz?
Um ehrlich zu sein haben sich bei mir im Laufe der Jahre sehr viele Gitarren angesammelt, doch derzeit benutze ich nichts anderes mehr als meine zehn Aristides-Modelle, das sind richtige Arbeitspferde. In puncto Stimmstabilität und Intonation suchen sie ihresgleichen, das Niveau ist wirklich überirdisch. Die meisten Instrumente klingen in einer bestimmten Lage hervorragend, haben aber immer irgendwelche Deadspots am Hals, was selbstverständlich zu ihrem ureigenen Charme beiträgt. Bei Aristides wird jedoch kein Holz verbaut; ihre Entwicklungen bestehen aus dem Verbundwerkstoff Arium, das zu 100 Prozent vorhersehbar klingt und ein außergewöhnliches Schwingungsverhalten an den Tag legt. Für Studioarbeit gibt es nichts Besseres.
Warum zehn unterschiedliche Modelle?
In erster Linie wegen der verschiedenen Tonabnehmer, die von Fishman und Lundgren stammen, aber die meisten sind mit Bare-Knuckle-Custom-Pickups bestückt. Was etwa den Korpus betrifft, nehmen sich die Gitarren nichts, wenn man von der jeweils anderen Form absieht, denn er schmiegt sich dem Körper des Spielers an und ist ausgesprochen leicht. Aristides-Gitarren sind gewissermaßen völlig durchschaubar, und das muss man mögen, es ist definitiv nichts für jedermann.
Für mein nächstes Album probiere ich gerade ein neues Headless-Modell in Drop-C-Stimmung aus, doch meine T/0, die der Telecaster nachempfunden ist und eine Bridge mit Evertune-System hat, findet auch noch oft Verwendung. Auf Tournee ist es einfach so, dass ich meine Gitarren jederzeit aus dem Koffer nehmen und sofort loslegen will, egal ob wir in Australien, Japan oder woanders sind. Da kommt mir das Arium entgegen, weil ihm weder hohe Luftfeuchtigkeit noch Temperaturschwankungen etwas anhaben können. Ich möchte nie wieder etwas anderes spielen und kann das Team von Pascal Langelaar, dem Besitzer, nicht genug loben, ihre Qualitätskontrolle und ihr Kundensupport sind beispiellos. Die Gitarren sind teuer, klar, aber dafür bekommt man Instrumente fürs Leben.
WURZELN
Lass uns auf deine Anfänge zu sprechen kommen: Du hast als Kind mit dem Klavierspielen begonnen, bist relativ bald zur Gitarre gewechselt und schon früh dazu übergegangen, eigene Musik zu komponieren. Das ist eher ungewöhnlich …
Klavierunterricht bekam ich so mit sechs, und meine erste Gitarre mit zehn. Wir hatten zu Hause kein richtiges Piano, sondern nur eine elektrische Orgel mit zwei Manualen, Basspedalen und vorprogrammierten Rhythmen. Sie war lange Zeit mein Fixpunkt, selbst als ich schon meine Gitarre hatte. Ich ließ einfach irgendeinen Beat laufen, probierte auf den Pedalen herum und improvisierten Melodien – so dachte ich mir erste kleine Songs aus. Als mir meine Mutter einen Vier-Spur-Rekorder von Fostex kaufe, verschlang ich die Anleitung geradezu und stürzte mich in die Welt der Musikaufnahmen. Es klang schrecklich mit den Schlagzeug-Patterns der Orgel, war aber immerhin ein Anfang.
Emperor ist eine der stilprägenden Bands der norwegischen Black-Metal-Szene gewesen, doch während einige deiner Zeitgenossen und Bandmitglieder als Mörder oder Brandstifter von sich reden machten, scheint es dir immer nur um die Musik gegangen zu sein.
Auch das ist richtig, jedenfalls war Musik meine Antriebskraft, und als Jugendlicher hast du noch schier unerschöpfliche Energie, die sich dann eben auch in dem Stil niederschlägt, den du spielst. Warum Musik eine so große Bedeutung für mich hatte, kann ich aber gar nicht genau erklären, denn es ist nicht so, dass ich aus einer besonders musikalischen Familie stammen würde. Wenn mich jemand bittet, mich selbst zu beschreiben, antworte ich in der Regel: „Ich bin in nichts richtig stark, beherrsche dafür aber viele verschiedene Dinge ganz gut, und das reicht, um die Ideen umzusetzen, die ich habe.”
Obwohl ich das Gitarrespielen immer geliebt habe, war mein Ehrgeiz abgesehen von einigen Phasen, in denen ich intensiv geübt und mir etwa Lehrvideos von Dream-Theater-Gitarrist John Petrucci angesehen habe, nie so groß, dass ich mich hätte zu einem Virtuosen entwickeln wollen. Statt Gitarrenunterricht zu nehmen, interessierte ich mich für technischen Fortschritt allgemein, sei es im Zusammenhang mit Gitarren, Studiotechnik oder etwas anderem, das mich der Umsetzung meiner Vorstellungen näherbringt.
Vor allem die beiden ersten Emperor-Alben klingen ungeheuer dicht, als ob ihr ununterbrochen am Limit eurer Möglichkeiten gekratzt hättet. War man damals umso kreativer, weil man überlegen musste, wie sich Grenzen überwinden ließen?
Klar, man arbeitet mit dem, was man hat. Die Musik war damals eigentlich noch relativ simpel, der Eindruck von Komplexität entstand bloß wegen des chaotischen Sounds und sehr hohen Tempos in den Songs. Ich meine das in Bezug auf die Harmonien; wenn ich mir die orchestralen Keyboards heute anhöre, finde ich sie charmant naiv und käme nie auf die Idee, etwas Ähnliches zu machen. Wir arbeiteten damals mit Cubase, und ich kenne die ganz frühen Versionen der Software aus der Zeit, als es sie nur für den Atari ST gab. Zudem hatte ich für die frühen Emperor-Sachen den Sample-basierten Synthesizer JV-1080 von Roland mit der Orchestra-Soundkarte desselben Herstellers. Damit konnte ich lehrreiche Erfahrungen machen: effektiv arbeiten und flexibel sein.
(Bild: Bjørn Tore Moen)
TUNNELBLICK?
Eine Zeit lang hast du deine Musik weitgehend alleine produziert. Läuft man da nicht Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen und seine Objektivität zu verlieren?
Absolut, und aus genau diesem Grund tue ich das heute nur noch ungern. Wenn du jemand wie Devin Townsend bist, kannst du alles auf eigene Faust durchziehen, aber für mich ist das nichts. Vor allem den Mix sollte man unvoreingenommen in Angriff nehmen, was eben nicht geht, wenn du bis dahin alles selbstgemacht hast. Dass das Studiopersonal die Band aussperrt, wenn es ans Abmischen geht, kommt nicht von ungefähr, denn für gewöhnlich will jedes Mitglied, dass seine Parts am lautesten sind.
Bei meinem dritten Soloalbum fing ich an, mit Jens zu arbeiten, und seitdem gibt es kein Zurück mehr. Jemanden anderen zu haben, der für den Feinschliff sorgt und das große Ganze mit gesundem Abstand betrachten kann, ist eine lohnenswerte Sache. Andererseits spiele ich ja meistens alle Gitarren- und Bassspuren ein, übernehme die Keyboards, das Arrangieren von Streicher-Passagen und auch den Gesang, was eine Menge Zeit in Anspruch nimmt, also sind meine Ohren in der Endphase einer Produktion sozusagen doch wieder „ausgeruht“.
Im vergangenen Jahr erschien das erste Album des Projekts Ibaraki von Trivium-Gitarrist und -Sänger Matt Heafy, an dem du als musikalischer Mentor beteiligt warst. Ist das eine Tätigkeit, die du in Zukunft weiter ausbauen willst?
Mal wieder die andere Seite einzunehmen war erfrischend, denn bis dahin hatte ich allenfalls bei der Produktion der frühen Alben von Leprous mitgeholfen. Mit Matt arbeiten zu dürfen hat mich riesig gefreut, weil er ein Riesentalent und sehr offen für Neues ist; zudem erinnert er mich stark an mich selbst, als ich jünger war, denn auch er hat schon früh angefangen. Zwischen der Produktion eigener Musik und der Mitarbeit an Alben anderer Leute besteht ein großer Unterschied.
Nach über 30 Jahren im Geschäft habe ich viel erlebt und das Bedürfnis, etwas davon weiterzugeben. Früher oder später hört man auf, nur sich selbst zu sehen und zu beklagen, was man alles nicht kann oder noch nicht geschafft hat. Jetzt konzentriere ich mich lieber auf meine Stärken und leiste gerne meinen Teil, um die Visionen anderer wahr werden zu lassen.
(erschienen in Gitarre & Bass 06/2023)