“How can less be more?” – Der Sound von Yngwie Malmsteen
von Marian Menge, Artikel aus dem Archiv
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Die meisten bekannten Gitarristen werden immer für ihre Weiterentwicklung, für ihre Suche nach neuen Herausforderungen und für ihre Abenteuerlust gelobt. Bei Yngwie Malmsteen ist das nicht der Fall. Aber warum auch? Ist es nicht auch schön, dass es Musiker gibt, die einen unverwechselbaren Stil haben und bei diesem bleiben? Malmsteen ist ein Gitarrist, der seit seiner ersten Platte so gut wie nichts an seiner Spielweise geändert hat und damit von Album zu Album immer wieder aufs neue seine Fan-Gemeinde befriedigt. Dies gilt allerdings nur für Yngwie Malmsteens Gitarrenspiel. Für die Songs ist er oft genug gescholten worden, zeigte er hier doch eine auffallend konstante Unbeständigkeit.
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Doch egal wie wechselhaft der Gesamteindruck seiner Produktionen auch war, einer Sache konnte und kann man sich immer gewiss sein: Man bekommt stets diese ausdrucksstarken Arpeggio-Licks in Lichtgeschwindigkeit und eben diesen typischen Malmsteen-Sound, der vor Energie nur so berstet. Und dieser Stil ist seit jeher imposant.
https://www.youtube.com/watch?v=aS_IYe5JTZ4
Equipment
Bei solchen Puristen, wie Yngwie Malmsteen einer ist, fällt die Recherche, was die technische Ausstattung betrifft, recht leicht. Kein aufmerksames Sichten alter Live-Mitschnitte, kein Stöbern in alten Zeitungsarchiven, keine langen Listen von Gitarren, Amps und Effekten. Malmsteen selber ist zwar leidenschaftlicher Gitarrensammler, dabei beschränkt sich sein Interesse jedoch fast ausschließlich auf Fender Stratocasters, von denen er eine dreistellige Anzahl besitzt. Sein Lieblingsinstrument ist jenes, das auch als Vorbild für das Fender Signature Modell diente: eine weiße 71er Strat mit ausgeschliffenen Bundzwischenräumen, die Malmsteen meist um einen Halbton tiefer gestimmt hat. Zwischen die Gitarre und vorzugsweise alte Marshall-Mark-II-Amps von Anfang der 70er hat Malmsteen im Laufe der Jahre eine Unzahl an Effektgeräten verschiedener Marken geschaltet. Darunter neben Reverb und Delay auch Flanger- und WahWah-Pedale.
Um seinen Sound annähernd zu imitieren braucht man neben einer Strat und ein paar kraftvollen Amps mit viel Verzerrung vor allem Reverb- und Delay-Effekte, mit denen er seine Solo-Sounds gern breiter und mitunter verwaschener klingen lässt. Den Flanger kann man dezent dazuschalten, wobei dieser größtenteils bei cleanen Parts benötigt wird. Ein WahWah kommt nur recht selten zum Einsatz.
“How can less be more? More is more!” – Yngwie Malmsteen
Töne & Technik
Malmsteens Vorbilder sind untrennbar mit seinem Stil verbunden und könnten unterschiedlicher nicht sein. Neben den alten Rock-Heroen wie Jimi Hendrix, Ritchie Blackmore und Uli Jon Roth sind es vor allem klassische bzw. barocke Komponisten wie Bach, Pachelbel, Paganini oder Beethoven, die nicht nur seine Spielweise, sondern auch seinen Kompositionsstil nachhaltig prägten.
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Yngwie Malmsteen in einem inzwischen auch auf YouTube vertretenen Unterrichtsvideo ein Stück mit den Worten ankündigt: „I have dubbed it ‚Arpeggios From Hell‘. And the reason for this is because it has the most extreme Arpeggios that I ever came up with!“ Das kann wahrscheinlich nur Michael Angelo Batio toppen, der auf seiner Lern-DVD ‚Speed Kills‘ verspricht: „I’m gonna give you the keys to the Lamborghini!“
Aber Spaß beiseite. Genau diese beiden Merkmale, nämlich Geschwindigkeit und Arpeggios, sind zwei der wichtigsten Bestandteile von Yngwie Malmsteens Gitarrenspiel.
Das Besondere an Malmsteen ist jedoch, dass er nicht einfach nur schnell ist. Es ist eine gewagte, aber durchaus legitime Behauptung, wenn man sagt, dass Malmsteen auch ohne die von ihm oft verwendete Geschwindigkeit, einer der ausdruckstärksten Gitarristen unserer Zeit ist. Sein Ton ist einfach unverwechselbar. Dafür hauptverantwortlich ist seine linke Hand, mit der er nicht nur virtuos übers Griffbrett fegen kann, sondern es auch auf einzigartige Weise versteht, die Töne mittels Vibrato und exakt intonierten Bendings zu färben und zu formen.
Vor allem sein Vibrato dient dabei vielen Gitarristen als Vorlage. Dieses oft extrem weite Vibrato produziert Malmsteen nicht mittels Hin- und Herbewegen der Hand, sondern anhand leichter Bending-Bewegungen. Was die rechte Hand angeht, so kommt bei Malmsteen fast der ganze Körper zum Einsatz. Seine Bewegungen beim Wechselanschlag mit Plektrum kommen sowohl aus dem Hand- als auch aus dem Ellenbogengelenk. Wenn er die Sweeping-Technik benutzt, kommt diese Bewegung eher aus der Schulter. Das hat den Vorteil, dass er die Stellung der Hand nicht verändern muss, wodurch alle Saiten aus demselben Winkel und mit derselben Intensität angeschlagen werden, was in einem gleichmäßigeren Klang resultiert.
Trotz der Kraft, die Malmsteen in seinen Anschlag legt, sind die Bewegungen recht sparsam. Das Plektrum entfernt sich nie weit von den Saiten, was sicherlich eine wichtige Voraussetzung für Malmsteens Schnelligkeit ist.
Durch die oben schon genannte Spanne an Vorbildern und Einflüssen ist auch Malmsteens Tonmaterial sehr vielseitig. Neben den üblichen Rock-Zutaten wie Moll-Pentatonik, Blues-Skala und Kirchentonleitern prägen vor allem die Harmonisch-Moll-Skala sowie Moll-, Dur- und verminderte Arpeggios seinen Sound.