„Ich denke, dass ich bei Slayer wirklich Scheuklappen getragen habe.“

Höllisch gut: Kerry King im Interview

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(Bild: Jim Louvau)

Teufel, Tod, Thrash – etwas anderes hat Slayer-Gitarrist Kerry King scheinbar nie interessiert. Doch auf seinem ersten Solo-Album ‚From Hell I Rise‘, das er auch als Beginn eines neuen Karriereabschnitts ausgibt, erweist sich das 60- jährige Berufsunikum weitaus weltoffener und variabler als man es ihm zutrauen würde.

Nicht die einzige Überraschung im kurzweiligen Gitarre-&-Bass-Interview aus Kerrys Wahlheimat New York City.

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INTERVIEW

Nach 38 Jahren mit deiner alten Band: Was ist das für ein Gefühl, plötzlich ein Solo-Künstler zu sein und einer Formation unter eigenem Namen vorzustehen?

Es ist cool – keine Frage. Gleichzeitig denke ich aber, dass zu viel Aufhebens um den Solo-Aspekt gemacht wird. Ich meine, klar trägt diese neue Band meinen Namen. Aber auch nur, weil wir keinen anderen gefunden haben, der richtig zu uns gepasst hätte oder überhaupt noch verfügbar gewesen wäre. Das war wirklich nicht so leicht. Also haben wir einfach meinen verwendet. Aber: Für mich ist es eine richtige Band. Und hoffentlich hält sie, bis ich den Löffel abgebe.

Dann ging es nicht um ein Interim-Ding bis zu einer möglichen Slayer-Reunion, die längst Realität geworden ist, sondern um ein neues musikalisches Zuhause?

Ich wollte, dass es der berühmte nächste Schritt wird. Denn als ich die Band zusammengestellt habe, hatte ich nicht damit gerechnet, dass Slayer wirklich noch einmal auftreten. Und um das klarzustellen: Slayer wird auch nicht mehr touren und keine Alben mehr aufnehmen, sondern wir spielen nur diese drei Shows im September. Vielleicht werden es auch noch zwei oder drei mehr. Aber: Meine Zukunft ist diese neue Band und genau so gehe ich sie an – deshalb investiere ich da Zeit in Alben und Tourneen.

Wäre es für dich auch eine Option gewesen, einer anderen Band beizutreten?

Doch, das wäre durchaus eine Option gewesen – ich war wirklich ein bisschen vor den Kopf gestoßen, dass da nichts kam. Schließlich genieße ich einen guten Ruf. Im Sinne von: Ich bin garantiert kein schlechter Gitarrist und jeder in der Szene kennt mich. Insofern hatte ich erwartet, dass sich zum Beispiel Leute wie King Diamond bei mir melden. Aber nein, nichts dergleichen. Ich war tatsächlich ein bisschen beleidigt. Aber hey, es war Corona – da haben die meisten Bands eh andere Probleme gehabt als sich um neues Personal zu kümmern. (lacht)

Und im Gegensatz zu Slayer-Bassist Tom Araya warst du noch nicht bereit für die Rente?

(lacht) So gar nicht. Deswegen habe ich während der Pandemie viel gearbeitet – in dem Sinne, dass ich ein wirklich produktives Jahr 2020 hatte. Ich war zu Hause mit meiner Frau und wir einigten uns darauf, es nicht wie alle anderen zu machen und einfach eine Flasche nach der anderen zu köpfen. Sondern ich habe mich bemüht, den Arsch hochzukriegen und Songs zu schreiben. Das habe ich getan – ich habe 2020 und 2021 einen ganzen Haufen Material geschrieben. Und als die Restriktionen aufgehoben wurden, habe ich angefangen, sie mit Paul Bostaph (Slayer-Schlagzeuger, Anm. d. Red.) auszuarbeiten. Von daher war es definitiv etwas, das ich tun wollte – und das will ich noch immer. Was bedeutet: Sobald wir die erste Tour beendet haben, gehen Paul und ich wieder ins Studio um am zweiten Album zu arbeiten.

L-R: Kyle Sanders (bass), Phil Demmell (guitar), Kerry King (guitar), Mark Osegueda (vocals), Paul Bostaph (drums) (Bild: Jim Louvau)

Wie denn: Hast du so viele Songs auf Halde?

Da ist eine Menge Kram. All die Sachen, die ich bereits aufgenommen habe und die Ideen, die ich auf meinem Telefon gespeichert habe, dürften locker zwei weitere Alben ergeben.

Slash hat gerade ein Blues-Album veröffentlicht. Könntest du dir vorstellen, auch mal etwas zu machen, das nichts mit Metal zu tun hat?

Nicht wirklich. Denn: Ich bin ein Metal-Kid und beim Autofahren höre ich immer Sachen wie ‚Liquid Metal‘ oder ‚Ozzys Boneyard‘. Einfach, weil ich ein riesiger Fan dieser Musik bin – und sie auch gerne selbst spiele. Von daher: Ich habe keine anderen Einflüsse oder Vorlieben. Höre ich auch andere Sachen? Klar, wenn ich mit meiner Frau zusammen bin, ist das wahrscheinlich 70s Rock wie Boston oder das Zeug, das gerne Yacht-Rock genannt wird. (kichert) Aber das, was mir wirklich am Herzen liegt, ist eher heavy.

Was ist der Unterschied zwischen Kerry King und Slayer – sofern es einen gibt?

Oh, ich sehe da schon einen. Und ich denke, dass ich bei Slayer wirklich Scheuklappen getragen habe. Wahrscheinlich habe ich die immer noch auf – aber sie haben sich zumindest um fünf oder zehn Prozent geöffnet, um ein bisschen mehr Vielfalt reinzulassen. Natürlich würde ich ‚From Hell I Rise‘ immer noch als Thrash-Album bezeichnen, keine Frage. Aber: Man kann auch meine Einflüsse in Sachen 80s Punk und Thrash-Punk erkennen – genau wie meine Vorliebe für unheimliche, gruselige Songs. Ich wollte einerseits alles aufgreifen, was ich in der Vergangenheit mit Slayer gemacht habe, aber gleichzeitig ein bisschen was Neues probieren.

Benutzt du als Solist ein anderes Set-Up als in Slayer-Tagen – einfach zur Abgrenzung?

Dieses Album ist das erste, für das ich ausschließlich Dean-Gitarren verwende – also: Es sind meine ersten Studio-Aufnahmen seitdem ich die Marke gewechselt habe. Natürlich ist es nicht so, als ob das einen wahnsinnigen Unterschied machen würde, aber sie klingen – zumindest in meinen Ohren – doch ein bisschen anders.

Das Ende der B.C. Rich Kooperation und mehr auf Seite 2

Die neue Band um
Kerry King (v.l.n.r.): Kyle Sanders (bass), Phil Demmell (guitar), Kerry King (guitar), Mark Osegueda (vocals), Paul Bostaph (drums)
(Bild: Jim Louvau)

Darf man fragen, warum du deine langjährige Kooperation mit B.C. Rich eingestellt hast?

Weil sie zu einem natürlichen Ende gekommen ist. Ich meine, jeder, der meine Karriere ein bisschen verfolgt, weiß, dass ich als Gitarrist sehr loyal bin und eigentlich immer mit denselben Firmen arbeite. Seit unseren Anfangstagen bin ich da sehr konstant und wechsle eigentlich nie. Außer man gibt mir einen Grund dazu. Und genau das war bei B.C. Rich der Fall: Die Firma wurde an Leute verkauft, die sie regelrecht in den Sand gesetzt haben. Von daher war es höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen und zu wechseln. Denn ich wollte mit einer relevanten Firma arbeiten, nicht mit ein paar Stümpern. Dabei mag ich die alten B.C.-Rich-Gitarren weiterhin sehr und wäre es nicht zu einem Besitzerwechsel gekommen, wäre ich wohl bis zum jüngsten Tag bei ihnen geblieben. Doch jetzt bin ich bei Dean, die ich seit etwa 15 Jahren kenne. Ich habe da ein paar gute Freunde und hoffe, dass ich nie wieder wechseln muss. Einfach, weil ich das nicht gerne tue. Ich bin ein Gewohnheitstier.

Was magst du an den Deans?

Sie sind gut verarbeitet. Die Leute, die sie zusammenbauen, sind sehr präzise. Das ist mir erst wieder vor ein paar Tagen bewusst geworden, als wir eine Probe in Chicago hatten und ich vier neue Deans eingestöpselt habe, die ich noch nie zuvor gespielt hatte. Ich wollte sehen, wie sie klingen und ob sie richtig gestimmt sind. Was soll ich sagen: Sie sind perfekt. Da gibt es wirklich nichts zu meckern.

Dean hat dir auch schon ein Signature-Modell gewidmet: The Overlord. Was verbirgt sich dahinter?

Eine Killer-Gitarre! Sie ist komplett handgefertigt, hat einen soliden Mahagoni-Korpus, ein Ahorn-Top mit dunkelgrauer Lackierung und einen dreiteiligen und durchgehenden Ahornhals mit Custom-Kerry-King-C-Profil. Dabei ist nicht nur das Holz anders als bei den B.C. Richs, sie ist auch deutlich größer als meine alten Signature-Modelle. Sie ist eher für Riesen als für Zwerge gebaut. Außerdem hat sie einen Neck-Pickup von Sustainiac und einen EMG 81 mit PA2-Preamp-Booster an der Brücke. Alles, was gut ist.

Dafür kostet sie ja auch 6500 Dollar.

Das ist sie wert. Und es gibt demnächst noch eine deutlich günstigere Version für rund 1500 Dollar. Sie kommt zwar ohne den Sustainiac, aber mit EMG-Pickups, einem Kahler-Vibrato und Pentagramm-Verzierungen. Ich denke, sie erscheint im Herbst.

(Bild: Jim Louvau)

Bei deinem Marshall-Amp hat sich hingegen nichts geändert, oder?

Nein, der ist immer noch derselbe – und daran wird sich auch nie etwas ändern. Schließlich habe ich ihn genau so designt, wie ich ihn brauche. In dem Sinne, dass ich ihn einfach einschalten und loslegen kann. Eben mit meinem ureigenen Sound.

Verfügst du mittlerweile über eine große Gitarrensammlung?

Nicht wirklich. Ich habe einfach nur viele, weil ich über die Jahre etliche von B.C. Rich erhalten habe – aber ich bin definitiv kein Sammler. Mein wertvollstes Stück ist die Gitarre, die mir Dimebag nach seinem Tod hat bauen lassen. Sein letzter testamentarischer Wunsch war, dass Dean Zakk Wylde und mir eine Gitarre baut – und das hat die Firma getan. Ich habe also eine von den beiden Dimebag-Memorial-Gitarren und ein paar von seinen Signature-Modellen – der Razorback V. Das sind die Teile, die mir besonders wichtig sind – weil ich eine persönliche Beziehung zu ihnen habe.

Nur: Ich sammle nicht Gitarren um des Sammelns willen. Und ich brauche keine sündhaft teuren alten Les Pauls oder Strats. Aber die Sachen, die mir Dime überlassen hat, sind mir schon wichtig. Davon werde ich mich nie trennen. Genau wie von meiner Mockingbird, die ich auf den ersten beiden Slayer-Alben gespielt habe. Ansonsten denke ich schon darüber nach, mich von der einen oder anderen Gitarre zu trennen. Einfach, weil es zu viele sind. Das ist mir bewusst geworden, als ich während Covid nach New York gezogen bin und es super-aufwendig war, die Teile irgendwo einzulagern. Da werde und da muss ich demnächst mal ausmisten.

Macht es dir eigentlich nichts aus, nach all den Jahren wieder in kleinen Clubs zu spielen?

(kichert) Das weiß ich erst, wenn ich dort auf der Bühne stehe. Aber ich habe eigentlich nichts dagegen, wenn es ein bisschen enger ist. Das bedeutet ja auch, dass die Leute da sofort richtig mitgehen. Dieses Chaos liebe ich – wegen der wahnsinnigen Energie, die dabei freigesetzt wird. Das ist pures Adrenalin.

Und die Mittagsslots bei Rock am Ring und Rock im Park – ist das wirklich deine Zeit?

Absolut nicht. Ich denke auch, dass das eine einmalige Sache bleiben wird. Nur: Es gehört irgendwie dazu. Wenn man wieder von vorne anfängt, muss man halt ein paar Zugeständnisse machen. Aber ich denke, dass diese Band sehr schnell Feuer fangen wird, weil sie für viel Aufsehen sorgt. Und wenn wir zurückkommen, werden wir schon einen großen Schritt weiter sein als wir es momentan sind. Von daher: Ich bin mir sicher, dass es schnell wächst. Und ich hoffe, dass wir schon vor Jahresende wieder in Europa sind, selbst wenn unser Booker uns auf 2025 zu vertrösten versucht.

Mal ehrlich: Hast du – anders als dein Ex-Kollege Tom Araya – nie genug vom Touren? Oder ist das mittlerweile so Teil deiner DNA, dass du gar nicht mehr aufhören kannst?

Es ist mir definitiv ins Blut übergegangen – selbst wenn es von deinem Partner und deiner Familie eine Menge Toleranz verlangt. Aber live spielen könnte ich bis ans Ende aller Tage. Das Schwierige und Anstrengende ist nur von A nach B zu kommen – sei es im Bus, per Flugzeug oder wie auch immer. Das ist es, worauf Tom einfach keine Lust mehr hatte. Und das kann ich ihm nicht verübeln. Aber ich selbst bin noch nicht so weit. Der Spaß überwiegt noch zu sehr.


EQUIPMENT

GITARREN

  • Dean USA Kerry King V Limited Edition
  • Dean Kerry King V Black Satin
  • Dean USA Kerry King Overlord Battalion Grey

AMP & CABINET

  • Marshall JCM800 2203KK
  • Marshall MF400B Mode Four

EFFEKTE

  • Dunlop DCR-2SR Cry Baby Rack Wah
  • Dunlop Wylde Audio Cry Baby Wah
  • MXR Flanger M117R
  • MXR Kerry King Ten Band EQ KFK1
  • MXR Wylde Audio Overdrive

SAITEN & PICKS

  • Dunlop String Lab Series Kerry King Guitar Strings (.010–.052)
  • Dunlop Triangle .73 mm

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Na,klar,anscheinend so wechselhaft und unbestimmt wie so manche Endorser ihre Anbieter und deren neueste Gitarrenmodelle gegen den nächst folgenden Gitarrenhersteller tauschen,so geschah das wahrscheinlich zeitnah auch bei Mr. Kerry King.

    Vormalig über Jahrzehnte „diente“ Kerry King dem global sehr bekannten Gitarrenfabrikanten B.C.Rich,von dem man seit geraumer Zeit jedoch leider kaum noch etwas Neues hört,-bzw. sieht! Auch auf der letzten Guitar Summit in Mannheim/Rosengarten war das einst so etablierte B.C.Rich Markenlabel überhaupt nicht mehr sichtbar! So fristet auch dieses besagte,einst durchaus sehr begehrte B.C.Rich Gitarren-Label wohl derzeit ein sehr trostloses Schattendasein in der hiesigen „Dunkelwelt“.

    Ja,sicher,bekannte Endorser orientieren sich besonders heutzutage weitestgehend zukunftsorientiert und mit finanziell lukrativen Annehmlichkeiten auf einer Linie,die es ihnen (noch) erlaubt,als bekannter Endorser um weitere zusätzliche Geldsummen von den Gitarrenfabrikanten zu erhalten,-sofern dies noch möglich ist,denn in einer Zeit,wo heute wirtschaftlich und kulturell weltweit der finanzielle Ruin vorherrscht,und eine schnelle Wende nicht annähernd in Sichtweite ist,fährt auch die Gitarrenfabrikation weiterhin hohe Verluste ein. Der Verkauf stagniert faktisch überall,aber das rege Interesse an schönen Gitarrenmodellen bleibt weiterhin bestehen. Da besteht z.Zt. leider keinerlei Chance auf schnellstmögliche Besserung. Jeder,der es irgendwie kann,hält seine Ersparnisse zusammen.

    Speziell bei B.C.Rich hat man aber in letzter Zeit vermutlich den Anschluß völlig verloren,und dümpelt nun wohl in der weiten Stille dahin. Beste Publicity,und damit einhergehend größtmögliche Erfolge sehen doch ganz anders aus! Aber schön,daß man sich gegenwärtig noch an die guten alten B.C.Rich Mockingbird´s-und etliche weitere Kultstatus-Gitarrenmodelle aus der damaligen „Golden Era“ der 1970er-1980er-Jahre dieses Herstellers erinnern kann!

    Immerhin tauchen heute manchmal sogar noch einige,sehr alte,weitaus weniger bekannte B.C.Rich-Custom-E.-Gitarrenmodelle aus damals japanischer und U.S.-amerikanischer Fertigung im Internet auf,die allerdings auch ihren angemessen hohen Preis als seltene Sammlerstücke durchaus wert sind.
    Fazit: die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt.

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