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Gibson-Tonabnehmer: Humbucker, P.A.F., P-90 & Co.

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Wenn wir heutzutage Gibson-Tonabnehmer thematisieren, fallen unausweichlich immer wieder die gleichen Fachbegriffe: Humbucker, P.A.F., P-90, Johnny Smith oder Charlie Christian. Auffallend ist, dass diese Begriffe, allesamt Synonyme für Gibson Tonabnehmer, ausnahmslos eine gewisse Bewunderung und manchmal sogar Ehrfurcht auslösen. Der Klang dieser Tonabnehmer ist heute Standard, Gibson-Pickups sind Referenz-Produkte, die man immer wieder versucht zu imitieren. Mini-Humbucker_back

Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie lange das Erscheinen dieser Pickups zurückliegt! Und nicht nur der Klang dieser Tonabnehmer steht heute hoch im Kurs; für einige Modelle muss man mittlerweile vierstellige Dollarbeträge hinblättern, wenn man in den Genuss des authentischen Klangs eines Original-Pickups kommen möchte.

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Vorgeschichte

Der Anfang des 20. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch vielfältige Experimente, die Lautstärke der akustischen Gitarre zu erhöhen. Die Korpusmaße der Instrumente wuchsen beständig und die verschiedenen Hersteller versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Einige dieser Designs wurden gar zum Maß aller Dinge und gehören heute zu den absoluten Klassikern; so z. B. die L-5, die Gibson Super 400 (Arch-Top) und die Super Jumbo SJ-200 (Flat-Top).

Andere Konzepte verlegten sich auf Experimente mit zusätzlichen Resonatoren aus Metall oder ganzen Metall-Instrumenten, um größere Lautstärken zu erzielen (Dobro). Und auch die Resonator-Instrumente haben Dank ihres speziellen Klanges bis heute ihre Fangemeinde erhalten und somit natürlich eine Daseinsberechtigung, obwohl die ursprüngliche Idee, das Erreichen von größerer Lautstärke mit Hilfe von Metall-Resonatoren, durch die Entwicklung von elektrischen Gitarren längst überholt wurde.

Einer der bedeutendsten Gitarrenbauer, die je für Gibson gearbeitet haben, war Lloyd Loar. Zwischen 1919 und 1924 arbeitete er für Gibson und entwickelte neue Instrumentendesigns wie F-5-Mandoline und L-5-Gitarre, die bis heute in ihrem jeweiligen Genre als Standard unumstritten sind. In dieser Zeit experimentierte Loar bereits mit der elektrischen Verstärkung von Instrumenten. Für eine Serienproduktion war die Zeit allerdings noch nicht reif, bzw. die Technik noch nicht fortgeschritten genug, und so wurden die Versuche von Gibson mit elektrisch verstärkten Instrumenten bis zum Anfang der 30er Jahre zurückgestellt.

Im Jahre 1933 wurde Walter Fuller eingestellt, der nach kurzer Einarbeitungszeit mit der Aufgabe der Entwicklung von Tonabnehmern betraut wurde. Und dies war der Anfang einer Erfolgs-Story, die ihre tiefen Spuren nicht nur in der Geschichte der Tonabnehmer und der E-Gitarre hinterlassen sollte. Walter Fuller arbeitete für Gibson bis 1975 und war seit Anfang der 30er Jahre in alle Tonabnehmer-Projekte involviert.

Klassische Pickups

Das erste Projekt von Walter Fuller war der so genannte Charlie-Christian-Pickup, der 1935 auf der Hawaii-Gitarre EH-150 und kurze Zeit später auf der ES-150 (heute bekannt als das Charlie-Christian-Modell) montiert wurde. EH steht für „Electric Hawaiian“ und ES für „Electric Spanish“. Die ES-150 kann durchaus als Vorläufer des heute geläufigen Jazz-Klassikers ES-175 angesehen werden.

Was die Konstruktion bzw. den Einbau des Charlie-Christian-Pickups betrifft, so ist dieser genau der Typ Tonabnehmer, den man seiner Lieblingsgitarre nicht verpassen möchte: Der für heutige Verhältnisse riesige Tonabnehmer erfordert nicht nur die Pickup-Fräsung der Decke, so wie wir das von der ES-175 oder der L-5 kennen, sondern der Tonabnehmer wird von drei Schrauben gehalten, deren Bohrungen im Zentrum der Decke angebracht sind; außerdem hätte man nie mehr als einen dieser riesigen Pickups auf ein Instrument montieren können. Im Jahre 1946 wurde der sogenannte P-90- Pickup mit „Dog Ears“ auf die ES-300 montiert; der Klang dieses Tonabnehmers steht heute noch für raue, dynamische Rock- und Blues-Klänge, wird allerdings auch gerne für Jazz-Gitarren eingesetzt.

Der P-90 ist, genau wie der Charlie-Christian-Pickup, ein reinrassiger Einspulen-Tonabnehmer (Singlecoil), der entsprechend empfindlich reagiert und Störgeräusche einfängt, wenn z. B. Netztrafos in seiner Nähe sind. Die Konstruktion und der Klang des P-90 ist allerdings völlig verschieden von den Einspulern, die typischerweise auf Fender-Instrumenten zum Einsatz kommen. Der P-90 hat eine relativ niedrige, aber breite Spule mit 10.000 Windungen eines Kupferlack-Drahtes, der nicht dicker als ein Haar ist, nämlich 0,063 mm. Das für die Induktion (Siehe rechts: Wie funktioniert ein Magnet-Tonabnehmer) erforderliche Magnetfeld wird durch zwei Alnico-Barrenmagnete erzeugt, die mit gleichen Polen gegeneinander liegen und mit Hilfe von sechs in der Höhe justierbaren Eisenschrauben vertikal ausgerichtet sind.

P-90 und P-100-Konstruktion im Vergleich
P-90 und P-100-Konstruktion im Vergleich (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Der Klangunterschied zu einem Fender-Stratocaster-Pickup liegt in eben diesen Konstruktionsmerkmalen begründet: Breite Spule, höhere Windungszahl und Barrenmagnete (statt der bei Fender üblichen Stabmagnete) geben dem P-90 einen kräftigen und doch weichen Grundcharakter, während der typische Strat-Sound einen klarer definierten und eher hellen bis schneidenden Grundcharakter besitzt.

Nachdem der P-90 zehn Jahre lang der Standard-Tonabnehmer bei Gibson war und beispielsweise auf allen Les-Paul-Modellen eingesetzt wurde, entwickelten Seth Lover und Walter Fuller Mitte der fünfziger Jahre einen brummfreien Tonabnehmer, den so genannten Humbucker, der ab dem Jahr 1957 auf den teureren Gibson-Instrumenten den P-90 ablöste und auch für neue Gitarren-Designs verwendet wurde. Diese Entwicklung führte zu den wohl beliebtesten und heute höchst dotierten Instrumenten der Gitarrengeschichte.

Seit 1957 wurden sowohl die Les Paul Standard als auch die L-5 und die Super 400 mit den neuen Humbuckern bestückt, kurz darauf erschienen die Neuentwicklungen ES-335, Flying V und Explorer, ebenfalls ausgestattet mit den neuen brummfreien Tonabnehmern. Dieser neue Gibson-Tonabnehmer revolutionierte – nach der Elektrifizierung der Gitarre und der Erfindung der Solidbody-Gitarren – nun zum dritten Mal den modernen Gitarrenbau innerhalb weniger Jahre und ist nach nunmehr 45 Jahren ein nicht mehr weg zu denkender klanglicher Maßstab und Industriestandard zugleich.

Gibson benutzte für den neuen Tonabnehmer die Bezeichnungen „Humbucking Pickup“ oder „Humbucker“. In Gitarristen- Kreisen wurden die Tonabnehmer später auch als P.A.F.s bezeichnet. Dieser Name rührte daher, dass auf der Grundplatte der ersten Gibson-Humbucker ein kleines Label mit der Bezeichnung „Patent Applied For“ angebracht war.

P.A.F. -Humbucker
P.A.F. -Humbucker (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Das bedeutete schlicht und ergreifend „zum Patent angemeldet“ und sollte Mitbewerber davon abhalten, die Humbucker-Konstruktion zu kopieren. Die Gibson-Ingenieure verwendeten damals sehr viel Zeit darauf, den neuen Humbucker so zu konstruieren, dass er den „richtigen“ Klang und eine vernünftige Größe hatte. Er nahm denn auch kaum mehr Platz in Anspruch als der P-90-Tonabnehmer, obwohl das eigentliche Humbucker-Prinzip nichts anderes ist als eine Zusammenschaltung zweier Singlecoil-Tonabnehmer.

Das Prinzip des brummfreien Tonabnehmers ist eigentlich denkbar einfach, nur – irgendjemand muss erst mal drauf kommen! Man nimmt zwei identische Spulen und richtet bei der einen den magnetischen Nordpol und bei der anderen Spule den magnetischen Südpol nach oben aus. Der Wicklungsanfang der ersten Spule dient als „heißes Ende“ und der Wicklungsanfang der zweiten Spule als „Masse“. Die beiden Spulenenden werden verbunden und fertig ist der Humbucker.

Warum das funktioniert? Jede Spule arbeitet für sich als unabhängiger Singlecoil. Die Signale der beiden Singlecoils, die durch die Magnetfeldveränderung der schwingenden Saite ausgelöst werden und somit den Ton erzeugen, werden addiert – deshalb ist auch ein Humbucker meist kräftiger im Ton als ein Singlecoil. Die Störgeräusche hingegen, die beide Singlecoils nach wie vor einfangen, heben sich wegen ihrer Gegenphasigkeit auf. Nach der revolutionären Entwicklung des Humbuckers 1957 hat Gibson zwar weiterhin mit neuen Pickup-Designs experimentiert, allerdings sind bis auf die Typen, die man unter der Rubrik Mini-Humbucker zusammenfassen kann, keine nennenswerten Designs entstanden, die den Tonabnehmer-Markt nachhaltig hätten beeinflussen können.

Mit dem Begriff Mini-Humbucker wird einerseits der Tonabnehmer bezeichnet, der seit 1961 auf vielen Epiphone-Gitarren eingesetzt wurde und 1969 erstmals auf einer Gibson, nämlich der Les Paul Deluxe, andererseits ist „Mini-Humbucker“ auch ein Überbegriff für andere schmale Humbucker mit ähnlichem Bauprinzip. So fällt der unter Jazz-Musikern beliebte Johnny-Smith-Pickup genauso in diese Kategorie wie die Firebird-Pickups oder der Halstonabnehmer der Nighthawk. Allen diesen Mini-Humbuckern sind die beiden kleinen Spulenkörper unter der Metallkappe gemeinsam. Die einzelnen Typen unterscheiden sich jedoch durch Drahtstärke, Wicklungszahlen und teilweise sogar durch ihre Konstruktionsmerkmale.

Gibson-Pickups heute Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre baute Gibson nur sehr wenige verschiedene Tonabnehmer, und noch weniger waren im Zuberhörhandel erhältlich. Inzwischen ist das Gibson-Tonabnehmer-Programm durch verschiedene Signature-Pickups, einen neuen Singlecoil und die exakte Reproduktion des Humbucker von 1957 erweitert worden. Trotzdem ist die Liste der Gibson-Pickups noch sehr überschaubar; die nachfolgende Einteilung zeigt, dass eine Gruppierung in drei Grundtypen ausreichend ist:

  • Der klassische Gibson-Humbucker mit all seinen Ablegern und Varianten
  • Die P-90-Familie
  • Die Mini-Humbucker-Typen

Der klassische Gibson-Humbucker & seine Varianten

Der Gibson-Humbucker hat im Laufe der Jahre sehr viele Detailveränderungen erfahren; das Ende dieser Entwicklung stellt seit vielen Jahren der Humbucker mit der Modellbezeichnung 490 dar. Der Name, oder besser: die schlichte Modellbezeichnung, hat sich dagegen nie geändert. Schon Mitte der 50er Jahre, als der Humbucker entwickelt wurde, hatte er intern bei Gibson die Bezeichnung PU-490. Der 490 wird heute auf vielen Gibson-Modellen eingesetzt und kommt klanglich schon sehr nahe an das Original von 1957 heran.

Die wohl wichtigste Veränderung, die der 490 Anfang der 90er Jahre erfahren hat, war das neue Pole-Piece-Spacing (= Polschrauben-Abstand) für die Stegtonabnehmer-Variante. Dafür wurden die Polschrauben ein paar Millimeter weiter auseinander gesetzt, um dem zum Steg breiter werdenden Saitenabstand exakter folgen zu können.

Seitdem unterscheidet man zwischen Hals-Tonabnehmer (oder Rhythm-Position) und dem Steg-Tonabnehmer (oder Treble-Position); der jeweiligen Modellbezeichnung folgt dementsprechend ein R oder ein T. Diese Neuerung wurde für fast alle Gibson-Tonabnehmer übernommen, ausgenommen die P-90-Familie und die Repliken der alten P.A.F.s.

Um den Ansprüchen nach „heißen“ Pickups mit höherem Output gerecht zu werden, entwickelte Gibson den 498T. Dieser Pickup wird mit einem dünneren Draht als der 490T gewickelt und bekommt eine ganze Menge mehr Windungen verpasst. Dadurch wird der Pickup lauter und klingt mittiger, druckvoller. Dieser Tonabnehmer wird oft in Verbindung mit dem 490R werksseitig auf Gibson-Gitarren eingebaut.

So sind beispielsweise alle SG Standards, Les Paul Studios, Les Paul Customs und bis Ende 2001 alle Les Paul Standards mit dieser Pickup-Konfiguration bestückt. Die Pickups 490R, 490T und 498T werden mit Gold-, Chrom- oder Nickelkappe angeboten: alternativ ohne Kappe als „Zebra“ (mit einer schwarzen und einer cremefarbenen Spule) oder „Double Black“ (mit zwei schwarzen Spulen). Da das verwendete Magnetmaterial Einfluss auf den Klang des Tonabnehmers hat, verwendet Gibson traditionell sogenannte Alnico-Magnete.

Alnico ist eine Metalllegierung aus Aluminium, Nickel und Cobalt. So sind auch die 490/498-Modelle mit diesen Magneten bestückt. Alnico ist zwar teurer als andere Magnet-Materialien, unterstützt aber einen weichen, singenden und dynamischen Ton. Mit den Humbucker-Modellen 496 (für Halsposition) und 500 (für Stegposition) bietet Gibson ein hochgezüchtetes Pärchen mit Keramik-Magneten an. Speziell der 500T liefert aufgrund seiner hohen Wicklungszahl und der drei Keramik-Magnete einen sehr hohen Output, der gleichzeitig höhen- und bassbetont ist – ein idealer Pickup für schwere Rock-Sounds oder tiefer gestimmte Instrumente. 496R und 500T gibt es nur ohne Kappe, wahlweise als Zebra oder Double Black.

Singlecoil-Pickups im Humbucker-Format: P-94
Singlecoil-Pickups im Humbucker-Format: P-94 (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Als Top-Of-The-Line-Modell wurde Anfang der 90er Jahre eine möglichst detailgetreue Wiederauflage des originalen P.A.F. vorgestellt. Für dieses Projekt war der Gitarrenexperte J. T. Riboloff zuständig, der schon viele alte Pickups repariert hatte und mit den Details bestens vertraut war. Außerdem wurden Profis wie Joe Walsh und Dickey Betts als Hörexperten herangezogen. Das Ergebnis war schließlich der ’57 Classic, der u. a. auf allen Instrumenten der Historic-Collection-Serie eingesetzt wird. Zwei wesentliche Details unterscheiden den ’57 Classic von dem 490: Es wird hier der dunkle, Polyester isolierte Draht benutzt, der „plain enamal coated wire“, der mit weniger Isolierschichten auskommt (siehe Exkurs über Lackdraht). Der zweite Unterschied liegt in der Herstellung des sogenannten Polschuhs.

Der Polschuh ist ein schmales, mit Bohrungen versehenes Eisenstück, das als Abstandhalter zwischen Spule und Grundplatte dient und durch das die Polschrauben geführt werden. Früher wurden diese Polschuhe gefräst und gebohrt, später wurden sie gestanzt, was größere Toleranzen zur Folge hatte. Für die Wiederauflage des ’57 Classic wurden die Polschuhe wieder gefräst und sind somit Garant für eine passgenauere Montage der Pickups, die so weniger ungewollte Nebengeräusche produzieren. Die ’57 Classic Plus-Variante hat etwa 3 % mehr Wicklung und wird insbesondere für die Stegposition eingesetzt. Allerdings gibt es weder den ’57 Classic noch den ’57 Classic Plus mit dem weiten Pole-Piece-Spacing – denn das gab es ja beim Original auch nicht. Alle Varianten des ’57 Classic und ’57 Classic Plus gibt es mit Goldkappe, Nickelkappe und als Zebra- und Double-Black-Ausführung.

Nun hatte Gibson mit dem ’57 Classic das Ideal von 1957 zwar schon fast erreicht, aber es gab immer noch Unterschiede, die speziell professionelle Spieler und Gitarrenliebhaber gerne ausgeräumt gesehen hätten. Gibson reagierte auf diese Wünsche mit dem BurstBucker, dessen Name von den 1959er Sunbursts abgeleitet wurde und eine konsequente Weiterentwicklung des ’57 Classic in Richtung Originalreplik bedeutete. Drei Details unterscheiden den BurstBucker von dem ’57 Classic:

1) Der BurstBucker wird nicht gewachst
2) Die einzelnen Spulen des Tonabnehmers sind nicht 100 % identisch
3) Der Magnet des BurstBuckers hat eine raue, ungeschliffene Oberfläche

Der BurstBucker wird zwar bereits seit 1996 produziert, war jedoch die ersten Jahre ausschließlich für den japanischen Markt reserviert. Heute spricht sich die Existenz des BurstBuckers gerade erst herum, und er entwickelt sich langsam vom Geheimtipp-Status zum ultimativen Top-Of-The-Line-Pickup im Gibson-Programm. Denn: Ein nicht gewachster Humbucker mit Kappe hat einen deutlich mittigeren, singenderen Klangcharakter als sein gewachstes Pendant. Diesen „alten“ Ton wünschen sich zwar viele Les-Paul-Spieler, jedoch haben ungewachste Pickups meist mit Feedback-Problemen zu kämpfen: Wenn laut und vor allem mit High-Gain-Sounds gespielt wird, kommt es zu Eigenschwingungen und Rückkopplungen; die Tonabnehmer pfeifen, weil kein Wachs vorhanden ist, um die Eigenschwingungen zu dämpfen.

Gibson löst diese Problematik heute vorerst so, indem alle BurstBucker, die werkseitig in Gitarren eingebaut werden, ausgegossen sind und alle so genannten Replacement-Pickups, die einzeln im Fachhandel erhältlich sind, ungewachst ausgeliefert werden. Zusammen mit japanischen Spezialisten hat Gibson viel Forschungsarbeit investiert, um herauszufinden, warum alte Tonabnehmer besser klingen als ihre modernen Repliken. Lange Zeit bestand beispielsweise die These, dass in erster Linie der Alterungsprozess des Magneten dafür verantwortlich sei. Klar war aber auch, dass es alte Pickups gab, die richtig gut klangen und andere, die gerade mal Durchschnitt waren. Es musste also noch andere Gründe für diesen speziellen „alten“ Klang geben.

Durch viele Hörtests, Vergleiche und Analysen fand man heraus, dass im Prinzip die Spulen für Gibson-Humbucker in den 50er Jahren nie einheitlich gewickelt wurden. Es waren mal mehr und mal weniger Windungen auf einer Spule, und wenn zwei Spulen für einen Humbucker zusammengestellt wurden, war die Auswahl des Pärchens rein zufällig. Für die heutige BurstBucker-Herstellung hat Gibson dieses „Missverhältnis“ zwischen den beiden Spulen kultiviert, um so dem Idealklang der späten 50er Jahre am besten auf die Spur zu kommen. Gibson bietet insgesamt drei BurstBucker Varianten an:

1) Nr. 1 oder A ist „slightly underwound“, d.h. dieser Pickup hat weniger Windungen als ein normaler ’57 Classic und somit einen glockig-klaren Sound

2) Nr. 2 oder B hat eine ähnliche Windungszahl wie der ’57 Classic und ist sowohl für die Hals- als auch für die Stegposition bestens geeignet

3) Nr. 3 oder C ist die heiße Variante und repräsentiert die alten Pickups, bei denen die Spulen ziemlich voll gewickelt waren

Diese Pickups haben einen hohen Output und kippen schneller in einen verzerrten Klang. Das dritte Detail, das den ’57 Classic vom BurstBucker unterscheidet, ist die Oberfläche des Magneten. Die alten Magnete hatten eine raue und somit dunkle Oberfläche, während die neueren Magnete plan geschliffen sind und eine hell glänzende Oberfläche aufweisen. Als ich 1996 wegen eines anderen Tonabnehmer-Projektes Gibson besuchte, wurden zwar bereits die BurstBucker produziert, aber die richtigen Magnete standen noch nicht zur Verfügung. Gibson wandte damals den gleichen Kunstgriff an wie andere Pickup-Hersteller, die behaupteten, die gleichen dunklen Magnete zu verwenden wie in den 50er Jahren: Die beiden Stirnseiten des Magneten (die einzig sichtbaren Seiten) wurden einfach mit schwarzem Filzstift eingefärbt.

Bis Mitte 2002 gab es die BurstBucker in den drei Varianten A, B und C ausschließlich mit Nickelkappe. Auf der diesjährigen Summer NAMM hat Gibson die BurstBucker auch in allen anderen Ausführungen vorgestellt. Die enge Zusammenarbeit mit Tony Iommi führte zum ersten Gibson-Signature-Pickup, der sich sowohl vom äußeren Erscheinungsbild als auch vom technischen Design deutlich von den typischen Gibson-Humbuckern unterscheidet. Der Tony Iommi Signature hat eine spezielle Magnetkonstellation und ist der einzige Gibson-Pickup, der mit Epoxiharz ausgegossen ist, um Feedback gänzlich zu unterdrücken.

Tony Iommi Pickup(s)
Tony Iommi Pickup(s) (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Der Tony Iommi Signature kann für beide Positionen eingesetzt werden. Er zeichnet sich durch einen Bass- und Mitten-betonten Klang aus, den er perfekt entfaltet, wenn er mit schweren Rock-Sounds und High-Gain-Einstellungen gefordert wird. Diese Fülle und dieser Klangteppich ist mit anderen Pickups nicht zu erreichen! Dafür sind Clean-Sounds nicht gerade seine Stärke. Alle Tony-Iommi-Signature-Pickups sind mit geschlossener Kappe ausgestattet und in Gold, Chrom oder Schwarzchrom erhältlich. Angus Young, den man sich ohne seine Gibson SG nicht vorstellen kann, hat sich im Jahr 2001 von den Gibson-Technikern den ultimativen Steg-Pickup bauen lassen.

Angus’ Wunsch-Pickup ist ein Customized ’57 Classic, der mit einem Alnico-V-Magneten bestückt ist. Normalerweise werden Gibson-Humbucker mit Alnico-II-Magneten ausgestattet. Angus wollte aber keinen singenden BurstBucker, sondern einen aggressiven Humbucker, der trotz allem die dynamischen Eigenschaften eines typischen Gibson-Humbuckers aufweist. Diese Kreation wurde als Signature-Pickup in das Gibson-Lieferprogramm aufgenommen, empfiehlt sich in der Stegposition und ist mit Goldoder Nickelkappe erhältlich.

Die P-90 Familie

Der P-90 ist der absolute Lieblings-Pickup vieler Gitarristen. Er ist wesentlich dynamischer als ein Humbucker und mit Hilfe des Volume-Potis der Gitarre kann, ein weit aufgedrehter Röhren-Amp vorausgesetzt, jede Sound-Variante stufenlos eingestellt werden. Dieser Pickup singt und lebt! Nur ist er leider, so wie seine Verwandten von Fender, gegen magnetische Einstreuungen (z. B. von Netztrafos) empfindlich. Die typisch dreckigen und schreienden P-90-Sounds kann man am besten auf Vollmahagoni-Gitarren wie Les Paul Juniors oder Specials hören.

Die Les Paul Gold-Tops waren ebenfalls bis 1956 mit P-90s bestückt und bieten ein ähnliches Klangspektrum. Aber nicht nur Solidbodies klingen gut mit P-90-Pickups. Auch die Epiphone Casino, eine Semiakustik, die z. B. von den Beatles gerne eingesetzt wurde, ist mit P-90- Tonabnehmern bestückt. Mit dem P-100 hat Gibson einen Pickup entwickelt, der zwar genau wie der P-90 aussieht, aber mit zwei Spulen bestückt und somit brummfrei ist. Die beiden Spulen des P-100 liegen übereinander, wodurch der Gesamtaufbau des Pickups höher als der des P-90 ist. In montiertem Zustand ist allerdings kein optischer Unterschied zwischen P-90 und P-100 erkennbar.

P-90/P-100 mit Soapbar- (oben) und Dog-Ear-Kappe.
P-90/P-100 mit Soapbar- (oben) und Dog-Ear-Kappe. (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Tatsächlich stellt Gibson zwei verschiedene P-100-Pickups her, den P-100R für die Halsposition und den P-100L für die Stegposition (L steht hier für Lead). Diese Kombination findet man auf allen Gitarren, die serienmäßig mit P-100- Pickups ausgestattet sind. Im Zuberhör-Handel ist allerdings nur der P-100R separat zu bekommen. Die beiden Spulen des P-100 werden mit dünnem Draht sehr hochohmig gewickelt und anschließend parallel verschaltet, um auf vernünftige Widerstandswerte zu kommen (reguläre Gibson-Humbucker sind seriell verdrahtet). Mit dem Messgerät kann ermittelt werden, welcher P-100-Typ gerade vorlieht. Ein P-100L misst ca. 10 kOhm, ein P-100R bringt es nur auf einen Widerstand von ca. 6,5 kOhm. Der Klangcharakter des P-100 ist klarer und etwas weniger dynamisch als der des P-90. Beide Typen, P-90 und P-100, sind in vier Variationen erhältlich:

1) schwarze Plastikkappe, als Soapbar
2) cremefarbene Plastikkappe, als Soapbar
3) schwarze Plastikkappe, als Dog Ear
4) cremefarbene Plastikkappe, als Dog Ear

Der Soapbar-Typ wird auf Solidbody-Gitarren eingesetzt, wobei die Montageschrauben durch die Kappe und den Spulenkörper in das Korpusholz greifen. Die Fräsung im Instrument ist genau so groß wie der Pickup selbst. Die Dog-Ear-Variante muss auf Halb- oder Vollresonanzgitarren montiert werden, wenn kein ausreichend dicker Boden vorhanden ist, der die Montageschrauben aufnehmen könnte. 50 Jahre nach Einführung des P-90 brachte Gibson im Jahr 1996 eine interessante Variante dieses Pickups unter dem Namen P-94 heraus. Der P-94 ist genauso aufgebaut wie ein P-90, passt allerdings in die normale Humbucker-Fräsung, ist damit also ein reinrassiger Singlecoil-Pickup im Humbucker-Format.

Wer den Sound des P-90 einmal ausprobieren möchte, kann heute einfach den Humbucker ausbauen und an dessen Stelle den P-94 einsetzen, ohne am Instrument einschneidende und den Wert mindernde Veränderungen vornehmen zu müssen. Der Spulenkörper des P-94 ist kürzer und etwas höher als der des P-90 und deshalb ist der Klang eine Nuance heller und sauberer als der erdige P-90-Sound. Das Dynamikverhalten ist bei beiden Pickups gleich gut und in Solidbody-Gitarren eignet sich der P-94 ganz hervorragend für die Halsposition in Verbindung mit einem Humbucker in Stegposition. In den USA haben gerade Jazz-Gitarristen in den vergangenen Jahren verstärkt P-90-Pickups eingesetzt, um eine schnellere Ansprache und ein größeres Dynamikverhalten zu erzielen.

P94-Typen
P94-Typen (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Wenn man diesen Sound ausprobieren möchte, kann man leicht in seine L-5 einen P-94 einsetzen, ohne den Originalzustand des Instrumentes zu verändern. Alle P-94-Modelle gibt es sowohl für Hals- als auch für Stegpositionen. Der Steg-Pickup hat mehr Windungen, um die von Natur aus schwächere Position im Instrument auszugleichen, und eine umgekehrte Magnetpolarität als der Hals-Pickup. So ist die Mittelstellung beim Einsatz von zwei P-94-Tonabnehmern brummfrei. Der Steg-Pickup hat kein erweitertes Pole-Piece-Spacing und kann deshalb auch als kräftigere Variante in der Halsposition eingesetzt werden. Der P-94 hat eine offene Metallkappe, bei der die Oberfläche des Spulenkörpers sichtbar ist. Daher gibt es vier Möglichkeiten, die Optik des P-94 zu wählen:

1) schwarzer Spulenkörper mit offener Goldkappe
2) schwarzer Spulenkörper mit offener Chromkappe
3) cremefarbener Spulenkörper mit offener Goldkappe
4) cremefarbener Spulenkörper mit offener Chromkappe

Mini-Humbucker

Seit dem Jahr 2000 sind auch die Mini-Humbucker als Replacement-Pickups erhältlich. Es sind genau die Tonabnehmer, die man von der Les Paul Deluxe kennt. Die beiden Spulenkörper sind deutlich kleiner als beim regulären Humbucker und folglich können auch nicht so viele Drahtwindungen gewickelt werden. Ein Mini-Humbucker hat etwa 20 % weniger Windungen als ein 490er oder ein ’57 Classic. Deshalb und wegen des kleineren Abstandes zwischen Polschrauben- und Polstückreihe liefert der Mini-Humbucker im direkten Vergleich zum Humbucker einen klareren Sound bei etwas geringerem Output. Die im Fachhandel erhältlichen Mini-Humbucker gibt es als Rhythm- und Treble-Variante, allerdings findet man keinen Unterschied im Pole-Piece-Spacing. Die Rähmchen gehören zum Lieferumfang und sind bereits fest montiert.

Die Mini-Humbucker sind mit Gold- oder Chromkappe erhältlich. Wer seine mit P-90-Soapbar-Pickups bestückte Gitarre mit Mini-Humbuckern ausstatten möchte, kann dies ohne jegliche Fräsarbeiten tun. Denn die Minis passen inklusive ihrer Rähmchen genau in die Soapbar-Ausfräsungen. Sehr ähnlich im Aufbau und ebenfalls im Mini-Humbucker-Gehäuse montiert ist der Johnny-Smith-Pickup, ein sogenanntes Free-Floating-System, bei dem der Pickup am Schlagbrett montiert wird und deshalb keine Fräsungen in der Decke des Instrumentes nötig sind. Der Johnny-Smith-Pickup hat einen legendären Ruf unter Jazz-Gitarristen, ist aber leider nicht offiziell im Gibson-Ersatzteil-Sortiment erhältlich. Nur hin und wieder gelingt es dem deutschen Vertrieb eine Charge von Gibson zu kaufen, um sie in Deutschland an die Jazz-Szene zu verteilen.

Vielleicht wird die Liefersituation in Zukunft besser, denn die ES-165 Herb Ellis Signature wird seit Mitte diesen Jahres mit dem Johnny-Smith-Pickup ausgestattet; somit müsste die Produktion dieses Pickups etwas regelmäßiger erfolgen. Die Firebird-Pickups gehören ebenfalls zur Familie der Mini-Humbucker, haben jedoch einen vollkommen anderen Klangcharakter. Sie sind mit sehr dünnem Draht gewickelt und haben fast doppelt so viele Windungen wie ein regulärer Mini-Humbucker und folglich einen extrem hohen Widerstandswert. Firebird-Pickups sind relativ laut und haben einen weichen Grundcharakter.

Für Hals- und Stegposition gibt es zwei unterschiedliche Ausführungen; sie unterscheiden sich in Drahtstärke und Anzahl der Windungen. Der Hals-Pickup hat einen Widerstandswert von ca. 18 kOhm, der StegPickup misst ca. 22 kOhm. Diese Pickups sind, ebenso wie der Johnny-Smith-Typ, nicht über das offizielle Ersatzteilsortiment zu bekommen. Bei Bedarf kann man sich aber an den deutschen Gibson-Vertrieb M & T wenden, der Auskunft über die momentane Lieferbarkeit geben kann.

Weitere Pickups

Gibson baut eine Reihe weiterer interessanter Pickups, die nur in kleinen Stückzahlen hergestellt und nur in ganz bestimmten Modellen ihre Verwendung finden; diese Pickups tauchen nicht im offiziellen Verkaufsprogramm auf.

1) Der Hals-Pickup der Chet-Atkins-Gitarren Tennessean und Country Gentleman ist ein schwächer gewickelter Humbucker, der klare Rhythmus-Sounds produziert.

2) Der „Blues 90“-Pickup der Blueshawk ist eine aggressive Variante des P-90 mit großer Dynamik und fettem Sound. Die beiden Blues-90-Pickups in der Blueshawk sind mit einer „Dummy Coil“ verschaltet, die dafür sorgt, dass die Gitarre in allen Pickup-Konfigurationen brummfrei arbeitet. Der Blues 90 bietet mehr als nur brillante Singlecoil-Sounds!

3) Die Nighthawk ist mit drei verschiedenen Pickups bestückt. Der Hals-Pickup der Nighthawk ist baugleich mit dem Firebird-Hals-Pickup und liefert einen entsprechend weichen Grund-Sound. Der Mittel-Pickup ist ein Singlecoil, gebaut aus einer Humbucker-Spule und bestückt mit großen Magneten; dieser Pickup wurde früher schon in der MIII eingesetzt. Der Steg-Pickup der Nighthawk ist eine Gibson-Neuentwicklung und sorgte bei Einführung des Instrumentes für großes Aufsehen. Der komplette Pickup ist so verschoben, dass aus der ursprünglichen Rechteckform des Humbuckers ein Parallelogramm wurde. Die werksseitig eingebauten Steg-Pickups der Nighthawk waren im Prinzip leicht modifizierte 500Ts mit starken Keramik-Magneten. Später wurden die Nighthawk-Steg-Pickups auch mit den Spezifikationen des ’57 Classic angeboten, um einen dynamischeren und singenden Sound verwirklichen zu können.

Nighthawk mit ihrem speziellen Steg-Pickup
Nighthawk mit ihrem speziellen Steg-Pickup (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

4) Gibson gehört zwar nicht zu den bekanntesten Bass-Herstellern hat aber mit dem Thunderbird einen echten Klassiker auf dem Markt etablieren können, der in der Rockszene seinen festen Platz gefunden hat. Der Thunderbird ist mit Gibson-eigenen Humbuckern ausgestattet, die für den passiven Einsatz konzipiert sind. Wenn die Stärke des Fender Jazz Basses darin liegt, fast die Dynamik und den Klang des Kontrabasses kopieren zu können, so stellt der Gibson Thunderbird die fette Les Paul unter den Bässen dar und legt ein tiefes und lautes Fundament für eine Rock-Band.

Abgesang

Es ist schon interessant zu beobachten, wie bestimmte Tonabnehmer bereits bei ihrer Markteinführung den Geschmack der Gitarristen treffen und nach einem halben Jahrhundert immer noch Vorbildcharakter besitzen. Sowohl der P-90, wenn auch nicht so verbreitet, wie auch der P.A.F.-Humbucker werden seit Mitte des vorigen Jahrhunderts von vielen Herstellern kopiert – mit mehr oder weniger gutem Erfolg. Mit dem Burst-Bucker und dem ’57 Classic hat Gibson selbst den Bogen zu seinen eigenen Wurzeln geschlagen und exakte Repliken der Tonabnehmer wieder aufgelegt, die in Gitarren großartiger Künstler mit dazu beigetragen haben, Musikgeschichte zu schreiben. Dennoch endet dieser Artikel nicht, wie vielleicht viele erwarten könnten, in einer Jubelarie in der Art wie „Hoch lebe der P.A.F.“ – so wie im Märchen. Der P.A.F. ist sicherlich die schönere Frau, aber ich persönlich liebe nun mal den P-90 …

 

Wie funktioniert ein Tonabnehmer?

Die Funktionsweise eines Magnet-Tonabnehmers für Gitarre ist denkbar einfach und nutzt das physikalische Phänomen der Induktion. Für einen solchen Tonabnehmer benötigt man lediglich Drahtschleifen, einen Magneten und Bewegung. Legt man eine Drahtschleife um einen Magneten senkrecht zur Nord-Süd-Richtung und bewegt einen der beiden Komponenten (Drahtschleife oder Magnet), so erfährt das sonst statische Magnetfeld, das immer von Nord- zu Südpol ausgerichtet ist, eine Veränderung. Durch diese Feldveränderung entsteht Elektronenbewegung in der Drahtschleife und somit ein Wechselstrom, der an den beiden Enden der Drahtschleife abgenommen werden kann. Je mehr Schleifen (Windungen) man um den Magneten legt, desto größer ist der Wechselstrom, weil sich die Ströme der einzelnen Drahtschleifen addieren. Der gleiche Effekt wird erzielt, wenn eine Stahlsaite im Magnetfeld bewegt wird. Die sich bewegende Saite verändert das Magnetfeld, und in der Drahtschleife entsteht ein Wechselstrom und zwar frequenzgleich zur Saitenbewegung.

Funktions- und bauweise eines klassischen Tonabnehmers
(Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Einer der Hauptbestandteile jedes hochohmigen magnetischen Tonabnehmers ist der Wickeldraht. Es handelt sich normalerweise um Kupferdraht, der mit einer Lackschicht als Isolierung überzogen wird. Die Wickeldrähte der wichtigsten Gibson- und Fender-Pickups haben einen Durchmesser von 0,063 mm. Es ist aber durchaus üblich, auch dünnere (bis 0,045 mm) oder dickere Drähte zu verwenden. Um sich besser vorstellen zu können, wie dünn solch ein Wickeldraht ist, sei erwähnt, dass unsere Kopfhaare in etwa den gleichen Durchmesser haben.

Für die klassischen Fender-Pickups werden ca. 7.000 bis 8.000 Windungen pro Tonabnehmer dieses hauchdünnen Drahtes auf den Wickelkörper aufgesponnen; ein Gibson P-90 hat 10.000 Windungen und ein klassischer Humbucker etwa 2× 5.000 Windungen. Es ist ja alles noch gar nicht so lange her. Erst Anfang des vorigen Jahrhunderts gab es bahnbrechende Entwicklungen in der Kunststoffindustrie, die eine derartige Tonabnehmerkonstruktion möglich machten. Aus der Forschungsarbeit von Bayer, die vor allem in den 30er Jahren vorangetrieben wurde, resultierte beispielsweise das Mischpolimer „Polyurethan“, welches heute für die Isolierung der hauchdünnen Wickeldrähte eingesetzt wird. Und genau wie bei einigen Vintage-Gitarren, denen man besonders gute Klangeigenschaften nachsagt, gibt es bei dem Wickeldraht der Tonabnehmer obligatorische Spezifikationen, die angeblich den authentischen Klang eines Instrumentes besser wiedergeben können als andere.

Zerlegter Pickup
Zerlegter Pickup (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

Der „Vintage“-Draht muss eine Stärke von 0,063 mm und eine dunkle Farbe haben, die zwischen tiefdunklem Weinrot und Schwarz beschrieben werden kann. Die Farbe des Lackdrahtes rührt von der Art der Isolierung. Die Isolierung besteht aus vielen Schichten (bis zu 30!) eines Einbrennlackes, bei dem es sich, wie gesagt, meist um eine transparente Polyurethan-Verbindung handelt. Wird der Lack eingefärbt, kann der Draht zwar leichter auf Fehlerstellen überprüft werden, die Isolierqualität nimmt jedoch durch den Farbzusatz ab. In den 50er Jahren verwendete man meist einen Isolierlack auf reiner Polyester-Basis, der von Natur aus eine dunkle Farbe hatte.

Wenn man von diesem Draht spricht, wird der englische Begriff „Enamel“ gebraucht. Der „Enamel“-Draht hat eine wesentlich höhere Temperaturbeständigkeit als die transparente Polyurethan-Isolierung, und er kommt meist auch mit einer etwas dünneren Isolierschicht aus. Dieser Draht wird heute wieder für Gibson Burstbucker, ’57 Classics, P-90, P-94 und Fender-Vintage-Pickups (außer ‘54er) verwendet.

Spulenkörper-Draht
Spulenkörper-Draht (Bild: Archiv, Gerald Schwarz)

 

Literatur

Bacon, Tony und Paul Day. The Fender Book. London: Balafon Books, 1992
Carter, Walter. Gibson Guitars:100 Years of an American Icon. o.O.: W.Quay Hays, 1994
Duchossoir, A.R. Gibson Electrics.
Winone, MN: Hall Leonard, o.J.
Gibson, Inc. Gibson Electric Guitars and Amplifiers. Kalamazoo, 1958 (Reprint)
Gibson Musical Instruments.
Gruhn, George und Walter Carter. Gruhn’s Guide to Vintage Guitars. San Francisco, CA: Miller Freeman, 1991
Meinel, Eberhard. Elektrogitarren. Frankfurt am Main: Erwin Bochinsky, 1987

Kommentare zu diesem Artikel

  1. weiss man auch genau was der Burstbucker Pro in Hals und in Stegposition einer ca 2005 gebauten Les Paul Premium Plus 50 ‘ im Vergleich zu einem frühen gut klingenden alten P .A . F. von 1955 -57 im direkten Vergleich aussagt ? wenn möglich bitte ich um eine Antwort vom Verfasser des tollen Berichtes über PAF s
    Mail bitte an rainerneumann19@hotmail.de die im Text genannte Les Paul Standard Premium wurde nur 500 mal weltweit ausgeliefert …. auch in Deutschland
    Vielen Dank Gruss R.N.

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  2. Moinsen! Ihr schreibt, dass die Mini Humbucker incl. Rahmen als Replacement genau in die Ausfräsungen der P90 PU‘s passen, aber wie sieht es mit dem umgekehrten Fall aus? Ich würde gern an meiner 2012er Gibson Firebird die dort eingebauten FB-Mini-Bucker (mit Metallrähmchen) gegen P90-Modelle (z.B die von Barfuss) tauschen, bin mir aber nicht sicher, ob diese in die Original Ausfräsungen meiner Gitarre passen. Hat da jemand Erfahrungswerte? Gruß Ron.

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    1. Moin Ronald,
      normalerweise kann man P90 und Mini Humbucker ohne Probleme untereinander tauschen. Die Mini Humbucker Rahmen werden teilweise sogar aus P90 Kappen hergestellt. Bei deiner Firebird geht dies allerdings nicht, denn der Metallrahmen hat eine andere Form (quadratisch).

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  3. Dieser ganze unnötige Hype um diese „legendären“ P.A.F.-Humbucker sollte heute nicht mehr all zu hoch bewertet werden.Mittlerweile gibt es etliche gute Gitarrenbauer,die ihre sehr gut klingenden Tonabnehmer in Eigenregie per Hand wickeln.Und diese sind garantiert nicht in schlechterer Qualität zu bekommen,wie die besagten einst so hochgelobten P.A.F.-Doppelspuler aus den U.S.A.Alles irgendwie doch recht zweifelhaft,da wurde ein völlig simples P.A.F.-Kürzel zum Mythos,anscheinend bloß,weil diese „Dinger“ damalig aus den Staaten kamen.Genau so ähnlich verhält es sich mit den unterschiedlichen Herkunftsländern,in denen Gitarren gefertigt werden.Worin besteht denn der tatsächliche Unterschied,ob z.B. ein Beschäftigter aus Mexiko in den U.S.A. eine Gitarre zusammenbaut,oder umgekehrt?!? Die Herkunft sagt häufig rein gar nichts über die beste Verarbeitungsqualität und den jeweiligen Klangeigenschaften einer Gitarre aus.Heute werden mittlerweile auch hochwertigste Gitarren im „kostengünstigen Ausland“ von voll technisch programmierten Robotern/Maschinen endgefertigt.Wer sich jedoch eine zu 100% handgefertigte Gitarre nach seinen individuellen Vorgaben bauen lassen möchte,der ist sehr gut beraten,zu einem regionalen kleinen Gitarrenbauer zu gehen,der ganz ohne „modernste“ CNC-Frästechnik ein wirklich handwerkliches Unikat bauen kann.Ich weiß aus eigener Erfahrung,daß es noch sehr versierte Gitarrenbauer gibt,die die besonderen Wünsche ihrer Auftraggeber in liebevoller Handarbeit bewerkstelligen,was natürlich auch seinen gerechten Preis hat,denn höchste Qualität ist verständlicherweise nicht zum niedrigsten Dumpingpreis zu bekommen! Und die wohlklingenden Pickups wickelt der erfahrene Gitarrenbauer gleich per Hand für seine Kundschaft mit! Alles klar?

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  4. Um die Legenden bei diversen Pickups zu entmystifizieren, sollte jeder mal die Bücher von Helmuth Lemme über Gitarrenelektronik lesen. Dort wird genauestens auf die physikalischen und mechanischen Grundlagen des Tonabnehmerbaus eingegangen und mit den Voodoo-Vorstellungen unbedarfter Musiker aufgeräumt. Hat man die Grundlagen verstanden, kann man sich mit allen Tonabnehmern mittels minimaler Eingriffe seinen Wunschsound selbst zusammenstellen und muss keinesfalls Tausende ausgeben, um irgendwelche Mythen, die sich in Musikerkreisen hartnäckig halten, zu finanzieren.

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    1. Einen kurzen praxisgerechten Einstieg findet man z.B. hier bei Youtube:
      The #1 TONE pedal of the PROS Is a BARGAIN! | Phil Mcknight
      ab 3:40

      Ich habe sehr gute Erfahrungen mit dem
      J. Rockett IQ Compressor
      gemacht. Ein 6-Band EQ plus Compressor in einem Pedal

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  5. Ich bin voll deiner Meinung .Es wird alles total über bewirtet.

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    1. Von “totaler Überbewirtung” kann in der derzeitig Pandemielage wohl kaum die Rede sein ; )
      (kleiner Spass)

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  6. Hallo Mitleidende,
    googelt bitte mal nach Professor Manfred Zollner. Lemme wurde hat bereits erwähnt.
    Etwas Physikverständnis, die Signalkette vom Finger über die Röhrchen zurMembran, soweit wie möglich analog (natürlich) und zum Wissensträger eures Vertrauens. Jedes Element hinterfragen und die Funktionen und Dauerhaltbarkeit beleuchten. Denn diese werden durch Material, Finish, Wirkprinzipien, Technologien, Präzision, Toleranzmanagement, Bauraum, Masse, Multifunktionen, etc. bestimmt. Leider zählt heute nurmehr Masse und Schnellumsatz statt Qualität! Gehe zurück auf Los und du wirst glücklich!
    Frisches 2022 noch!

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  7. die Ausführungen über Pickups sind sehr interessant. Dennoch vermisse ich
    Analysen zu den z. B. bei Gretsch-Gitarren und Anderen verbauten Electromatic-Tonabnehmern, die sogar bei den günstigen Kopien sehr gute
    Klangwiedergaben erzeugen. Optisch sieht es so aus, als hätten diese PU’ s
    die doppelte Anzahl an Einzelmagneten, die vermutlich mit Polvertausch je
    Reihe konstruiert sind.

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  8. find ich gut das Helmut Lemme erwähnt wird. sein “Büchlein ” verhalf dem tonabnehmerinteressierten der Vorinternetzeit zu fundierten PU wissen. Danke Helmut!

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