„Für mich wäre es ein Verbrechen an der Menschheit, wenn man in ein dermaßen gut ausgerüstetes Studio […] gehen und dort Plug-ins oder Kemper einsetzen würde.“
(Bild: Matthias Mineur)
Man konnte es nicht nur, man musste es sogar bereits hören: 2019 war der walisische Gitarrist Chris Buck erstmals auf dem Guitar Summit zu Gast und glänzte in seinen Workshops mit einer unfassbaren Musikalität. Im September 2022 traf man Buck dann erneut in Mannheim an, diesmal auf der großen Bühne im Mozartsaal mit seiner (damals noch neuen) Band Cardinal Black und einem grandiosen Soul-Rock-Set. Buck und seine Mitstreiter überzeugten vor einem begeisterten Publikum und kündigten gleichzeitig die unmittelbar bevorstehende Veröffentlichung ihres ersten Albums der Band an. Jetzt – Ortstermin Hamburg, ein Gig im Headcrash-Club auf der Reeperbahn – ist das Debüt ‚January Came Close‘ bereits über ein Jahr alt und die Band auf dem Weg zu neuen Horizonten. Wie diese aussehen und was sie perspektivisch bedeuten, hat uns der 32-jährige Ausnahmemusiker in einem interessanten Interview vor der Show erklärt.
INTERVIEW
Chris, das letzte Mal haben wir uns im September 2022 beim Guitar Summit in Mannheim getroffen, wo ihr mit Cardinal Black eine sagenhafte Show abgeliefert habt. Damals hast du mir bereits von eurem Debütalbum erzählt.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Show und an unser Gespräch. Unsere erste Scheibe kam nur wenige Wochen später auf den Markt. Natürlich hatten wir die Hoffnung, dass sie bei den Fans gut ankommt. Aber die Reaktionen waren noch viel besser als erwartet, obwohl wir die Songs mehr oder minder im Do-It-Yourself-Verfahren aufgenommen und veröffentlicht hatten, ohne großes Label und ohne nennenswerte Unterstützung seitens der Industrie. Bereits eine Woche nach Veröffentlichung waren wir in Großbritannien im Vorprogramm von Peter Frampton auf Tour. Für uns natürlich eine riesige Chance, zumal die letzte Show in der Londoner Royal Albert Hall stattfand, ein surrealer Moment für alle. Frampton ist ein echter Schatz, unglaublich freundlich und zuvorkommend, ein wirklich liebenswürdiger Mann. Er bot sogar an, dass wir die kompletten Europadaten mitspielen können, also Berlin, Düsseldorf, Paris, auch Belgien und Holland. Leider war es für uns finanziell nicht leistbar. Große Support-Tourneen sind teuer, stattdessen haben wir eine kleine Headliner-Tour durch England und Holland absolviert und im Sommer ein paar Festivals gespielt. Alles in allem war es ein sehr ereignisreiches Jahr.
Ich hörte, dass ihr seit Herbst 2023 wieder im Studio seid.
Das stimmt, wir haben im Herbst angefangen, unser zweites Album aufzunehmen. Diesmal übrigens in der Schweiz, merkwürdigerweise.
Wie kommt ihr ausgerechnet auf die Schweiz?
Eine der besonderen Aktionen des vergangenen Jahres war eine Live-Studio-Session in Maur, einem kleinen Ort bei Zürich. Das Studio heißt Powerplay, sein Besitzer mochte uns, unsere Musik, und die Räumlichkeiten sind wirklich sehr einladend. Im Powerplay herrscht eine sehr kreative Atmosphäre, außerdem gibt es eine riesige Auswahl an Equipment, mit nahezu allem, was man sich vorstellen kann. Wir haben uns dort auf Anhieb sehr wohlgefühlt. Bei unserem ersten Album mussten wir uns finanziell ja noch sehr einschränken und ein Studio in der Nähe unseres Heimatortes buchen, damit wir abends nach Hause fahren und die Übernachtungskosten sparen können. Natürlich mussten wir jeden Morgen früh wieder los, um die Studiozeit optimal zu nutzen, was auf Dauer ziemlich anstrengend war. Deshalb haben wir entschieden, beim zweiten Album ein Studio zu buchen, in dem wir auch übernachten können. Und da wir einen guten Draht zum Studiobesitzer Cyrill Camenzind haben, war es naheliegend, unsere zweite Scheibe im Powerplay einzuspielen.
Wie würdest du die neuen Aufnahmen im Vergleich zu eurem Debütalbum bewerten?
Unsere erste Scheibe besteht aus Songs, die wir über einen Zeitraum von fast zehn Jahren geschrieben haben. Unser Sänger Tom Hollister und ich hatten zwischenzeitlich ein Blues-Trio, für das wir massenhaft Material geschrieben, es aber nie aufgenommen haben. Insofern gab es eine Menge brachliegender Stücke und genügend Auswahl für die ersten Schritte mit Cardinal Black. Dementsprechend findet man neben einigen neueren Stücken auch älteres Material auf dem Album. Auf unserer zweiten Scheibe wird es dagegen ausschließlich brandneue Nummern geben.
Wie weit ist das Songwriting aktuell fortgeschritten?
Ich denke, dass wir bereits genügend Material haben. Es gibt insgesamt 16 neue Stücke, von denen voraussichtlich neun oder zehn auf dem Album landen werden. Wir hatten uns im Vorfeld darauf geeinigt, dass wir so lange neue Songs schreiben, bis wir erschöpft und keine weiteren Stücke zu erwarten sind, um erst dann eine Auswahl fürs Album zu treffen.
Inwieweit knüpfen die neuen Songs an das Material eures Debüts an, inwieweit stellen sie eine Weiterentwicklung dar?
Das Problem unseres ersten Albums war, dass es einige Songs in ganz unterschiedlichen Versionen gab. Im Laufe der Jahre wurden einzelne Stücke immer mal wieder geändert, manche Versionen waren etwas schneller als andere, oder sie hatten einen anderen Groove oder einen geänderten Aufbau, sodass wir am Ende nicht mehr genau wussten, welches überhaupt die beste Version für das Album ist. Diesmal stand fest, dass wir uns auf keinen Fall wiederholen, sondern die Chance nagelneuer Stücke nutzen wollen, um alles perfekt zu arrangieren. Das war für uns diesmal deutlich einfacher, da alle Songs im gleichen Zeitraum geschrieben wurden.
Konntet ihr von der Produktion der ersten Scheibe wichtige Lektionen für die Aufnahmen des zweiten Albums lernen?
Zunächst einmal: Ich bin mit unserer Debütscheibe immer noch sehr glücklich und sehr stolz darauf. Aber natürlich gibt es hier und da ein paar Dinge, die ich gerne anders gemacht hätte.
Zum Beispiel?
Vor allem Sounds, die wir im Kopf hatten, die sich aber irgendwie nicht realisieren ließen. Insbesondere Drums-Sounds, die wir bei anderen Künstlern gehört hatten und unbedingt umsetzen wollten, was uns für mein Empfinden aber nur zu etwa 70% geglückt ist. Im Powerplay-Studio in Maur haben wir diesmal bessere Möglichkeiten, um unsere Vorstellungen 100%ig zu realisieren. Es gibt ein riesiges Arsenal an Instrumenten, sie haben eine exquisite alte Neve-Konsole, die früher Stevie Nicks gehört hat, es gibt unfassbar gute Mikrophone und Pre-Amps, tolles Outboard-Gear mit teuren Kompressoren. Außerdem haben wir im Unterschied zur ersten Scheibe, bei der wir das Budget im Auge behalten mussten, diesmal deutlich mehr Zeit im Studio zur Verfügung und müssen nicht irgendwann entscheiden: „Besser kriegen wir es nicht hin, also lasst uns mit dem nächsten Song weitermachen.“
Wird es diesmal endlich auch eine finanzstarke Plattenfirma geben, die das Resultat entsprechend vermarktet?
Es gibt tatsächlich Interesse von einigen Plattenfirmen und auch bereits konkrete Vorgespräche. Aber noch ist nichts in trockenen Tüchern, da wir sehr sorgsam vorgehen wollen.
Zumal eure Songs ein hohes kommerzielles Potential haben. Fast jede Nummer eures Debüts könnte man sich auch im Radio vorstellen.
Ja, das sehe ich genauso, merkwürdigerweise gilt das allerdings nur für den Rest Europas, nicht aber für Großbritannien.
In Holland beispielsweise wird diese Art Musik ständig im Radio gespielt.
Absolut, das ist auch in der Schweiz der Fall! Dort haben wir im Juli auf einem Festival vor knapp 7000 Zuschauern gespielt und die Reaktionen waren überwältigend. Schon am nächsten Tag, auf einem Festival in England, waren es deutlich weniger Zuschauer und die Reaktionen vergleichsweise bescheiden. Mich irritiert das ein wenig, denn ich denke, dass man eigentlich zuallererst seine Heimat überzeugen muss, bevor es in die weite Welt hinausgeht. Aber in der Schweiz sind unsere Chancen größer, oder auch in Holland, wo wir im April 2023 getourt sind und überall gefeiert wurden. Wir waren zum allerersten Mal in Amsterdam und als wir dort ankamen, hieß es, dass die Show mit über 400 Zuschauern restlos ausverkauft sei. Ich war total baff und fragte mich: „Woher kennen uns all diese Leute?“
Konkrete Vertragsangebote gibt es also eher aus Europa!
Sogar einige sehr vielversprechende. Wir haben uns aber ganz bewusst noch nicht entschieden. Als Künstler investiert man immer sehr viel, und die Gegenleistungen sind dann oftmals recht dürftig. Deswegen haben wir uns bei unserem Debüt ja auch noch für die DIY-Arbeitsweise entschieden, denn die Songs waren uns dermaßen ans Herz gewachsen, dass wir sie nicht für fast umsonst rausgeben wollten. Insbesondere auf die Nummer ‚Tied Up In Blue‘, die ich mit 17 oder 18 geschrieben habe, bin ich so stolz, dass ich sie nicht verramschen möchte. Ich erinnere mich noch an die Tage, in denen ich das Stück komponiert habe, zuhause bei meinen Eltern in meinem kleinen Zimmer. Ich konnte mir schon damals nicht vorstellen, dass ich eines Tages einer Plattenfirma zustimme, die zu mir sagt: „Hier ist ein Batzen Geld, aber dafür gehört die Nummer jetzt uns!“ Die Songs sind wie meine Babys, ich möchte sie nicht in fremde Hände geben.
Und dieses Gefühl hast du bei euren neuen Stücken nicht?
Jedenfalls nicht so stark. Natürlich möchte ich sie gut behandelt wissen, und in den Händen einer engagierten Plattenfirma kann ich sie mir vorstellen. Irgendwie fühle ich mich den neuen Songs nicht so eng verbunden wie den Stücken, die mich seit mehr als zehn Jahren begleiten. Außerdem ist dieser Schritt notwendig für uns, damit es weiter vorangeht. Die Verkäufe des Debüts waren den Umständen entsprechend nicht schlecht, aber eine etablierte Plattenfirma hat natürlich ganz andere Vertriebsmöglichkeiten.
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