„Eine wunderbare neue Sängerin, Gitarristin, Pianistin...“
Ein Leben mit Soundtrack: Luca
von Lothar Trampert,
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Als ich Anfang 2012 zum ersten Mal das Album ,I Don’t Think So‘ von Luca hörte, war ich begeistert: Da war „eine wunderbare neue Sängerin, Gitarristin, Pianistin, die auch noch Violine, Kalimba, Melodica und Percussion spielt.
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Luca studiert Kunst und schreibt sehr schöne, ruhige, persönliche Songs mit englischen Texten. Was sie dabei von anderen Künstlern des Genres zwischen Electro-Pop und Singer/Songwriter-Handwerk unterscheidet, ist ihre wunderbare Direktheit, musikalisch, selbstbewusst, dabei aber sensibel und unaufdringlich.“
Damals ging es nicht nur mir so: Ende 2012 gewann Luca, damals 22, den weltweiten Amnesty-International-Song-Wett – bewerb und in ihrer Heimatstadt Osnabrück wurde sie gleich zwei Jahre in Folge zur wichtigsten Musikerin/Künstlerin gewählt.
2014 folgte dann ,Tiefseetaucher‘: „Mal auf Englisch, dann in Deutsch, mal straight und laut, dann berührend und sensibel. Luca Sophie Reinartz kann das alles, und ihr Song ,Tiefseetaucher‘ ist eine genauso rare, geniale Gänsehautnummer wie Anna Depenbuschs ,Kommando Untergang‘.“
Luca hatte auch dieses zweite Album wieder gemeinsam mit Heinz Rebellius eingespielt, diesmal komplettierte Percussionist/Beatboxer/Pianist Hendrik Hahler das Kollektiv. Und es waren wieder Gäste dabei, denn Luca streut gerne Farben in ihre Songs – von Cello, Pedalsteel, Klarinette, Trompete, Piano und Saxophon, oder auch Banjo, Geige und Melodica.
Mit fünf hatte Luca, die damals noch Carolin Sophie Reinartz hieß, zum ersten Mal eine Violine in der Hand, später spielte sie im Orchester und war auch Chorsängerin. Erste eigene Songs entstanden mit 14.
Irgendwie scheint ihr Konzept die Entwicklung zu sein: So wenig sie sich auf eine Sprache als Ausdrucksmittel festlegt, tendiert sie auch stilistisch mal in Richtung Singer/Songwriter, mal zu Pop, dann zu Folk, mal klingt sie verletzlich, sperrig, dann auch mal jazzig, oder auch schon mal nur gut gelaunt ohne textliche Grübelzutaten.
Luca produziert mittlerweile auch Videos zu ihrer Musik – wobei die Songs aber auch für sich über die Jahre plastischer, vielschichtiger, tiefer geworden sind. „Ich denke, es gab schon immer eine filmische Komponente in meiner Musik. Es geht mir meist darum, ein bestimmtes Gefühl zu vertonen, so wie man in einem Film einen besonderen Moment mit Musik unterlegt. Diese Momente haben eine spezielle Tiefe, die eigentlich keine Worte braucht. Die Songs entstehen sozusagen aus einer Sprachlosigkeit; sie sind wie ein vielsagender Blick oder ein Innehalten. Es geht selten um die ganze Geschichte, sondern eher um die Stimmung in einem ganz bestimmten Moment … Meine Musik ist sozusagen der Soundtrack meines Lebens.“
Der ist auch zu hören auf der Ende 2015 erschienenen 23-minütigen EP ,Sleepless. Tiefseetaucher B-Sides‘ – mit sechs Tracks, die es nicht aufs vorangegangene Album geschafft hatten. Darunter eine akustische Version des unglaublichen TitelSongs ,Tiefseetaucher‘ und das Elektro-Soundscape ,Sleepless‘, ohne Gesang, irgendwo zwischen Pop und Experiment. „Dieser Song ist tatsächlich ein Experiment und es erstaunt mich selbst, dass er es auf eine CD geschafft hat“, erzählt Luca und lacht.
„Es ist der Soundtrack einer einsamen Nacht vor zwei Jahren in Berlin. Die Sounds im Hintergrund habe ich auf dem Balkon meiner damaligen Wohnung aufgenommen. Eine kleine Charakterstudie über den Innenhof eines großen Berliner Hauses. Es wird gefeiert, gelacht und gestritten. Ich habe damals oft auf dem Balkon gesessen und einfach gelauscht. Mittlerweile wohne ich nicht mehr in Berlin, aber das Gefühl ist immer noch ganz präsent.“
Das Spektrum an Stimmungen, Gefühlen, Farben, Geräuschen und Begegnungen, das einem das Leben liefert, ist nun tatsächlich sehr breit – sofern man es sehen und erleben will. Auf der anderen Seite steht oft das Ziel, „seinen Weg zu finden“, was ein „nur nach vorne schauen“ impliziert. Jeder kennt diesen Gedanken, wenn er eine Ausstellung, eine Messe, eine Stadt, ein Museum besucht: „Wie gehen wir denn jetzt…?“ Eben um – ganz sicher und sauber organisiert – nichts zu verpassen.
Das sollte ansonsten allerdings die Aufgabe von Dienstleistern, z.B. von Piloten, Ärzten und Aldi bleiben, denen wir temporär unser Leben anvertrauen – und muss nicht die von Künstlern sein, die uns im Idealfall überraschen und berühren dürfen. Was war das letzte Album, das Luca wirklich berührt hat? „,Goodnight‘ von William Fitzsimmons höre ich fast jeden Tag. Dieses Album hat mich durch das ganze letzte Jahr begleitet. Es ist traurig und gleichzeitig hoffnungsvoll. Diese Musik erinnert mich immer daran, was das wirklich wichtige im Leben ist, z.B. eine Tasse Tee trinken oder eine schöne Blume betrachten.“
Auf die Frage, welches Album so etwas zum ersten Mal bei ihr ausgelöst hat, nennt sie einen echten Meilenstein des Rock ‘n’ Roll: „,Frag mir doch kein Loch in’n Bauch‘ von Rolf Zuckowski. Diese Kassette hat mich durch die Kindergartenzeit gerettet.“
Und anscheinend bleibenden Eindruck hinterlassen. Auch Lucas Statement zu ihrem Debüt gilt immer noch irgendwie: „Was ich nicht singen kann, das male ich und was ich nicht malen kann, das singe ich. Es gibt so viel zu erzählen, so viele Gefühle und Stimmungen, die mit Worten nicht zu beschreiben sind. Für mich ist das alles Kunst. Musik ist nur eine andere Sprache.“
Und diese Sprache hat die Musikerin inzwischen auch in den wortlosen Momenten perfektioniert: „Auch wenn ich gerne Wörter und Texte verwende, geht es am Ende immer um das Gefühl, das man nur zwischen den Zeilen entdecken kann. Deshalb empfinde ich meine Musik grundsätzlich als sprachlos. Oder vielmehr als neue Sprache, mit der man mehr sagen kann als üblich.“
„Aber Perfektion ist immer gefährlich, wenn man von Musik spricht“, entgegnet Luca. „Es sind ja gerade die Ecken und Kanten, die Musik interessant und persönlich machen. Für mich geht es auch nicht um eine Bewertung, sondern nur darum, dass ich Musik brauche um mich auszudrü- cken.“
Dass es Luca immer mehr um ihr Leben mit Musik geht, und nicht um einen Karrierefahrplan oder dogmatische Konzepte, das betont die 25-jährige Musikerin auch auf die Frage nach ihren Plänen für das beginnende Jahr: „Keine Pläne haben. Mehr auf meine Intuition hören und weniger auf das, was andere von mir erwarten.“
Es bleibt dabei: Von Luca werden wir noch hören.
Instrumente
Sängerin Luca spielt neben ihrer alten Geige eine Furch-G20CM-Akustik-Gitarre namens Jackie, eine Duesenberg C.C. und eine türkisfarbene Danelectro U2. Co-Produzent Heinz Rebellius hat bei den Aufnahmen, was die akustischen Instrumente angeht, eine 1995er Martin D-18V, eine 1967er Gibson-Tenorgitarre, eine Yairi-Nylonstring und ein 1930er Concertone-Tenor-Banjo eingesetzt. E-Gitarren waren eine Launhardt 335, eine Reverend PA-1 und eine GCCG Roadwarrior E sowie eine Guyatone Lapsteel aus den 70er-Jahren. An Bässen wurden ein 1972 Guild JS-1 und ein Danelectro-Longhorn-Modell gespielt. Alle Instrumente wurden direkt in den Rechner und mit Logic-Sounds eingespielt.