(Bild: Danny Clinch)
Mit ‚Jerry Jeff‘ zollt Steve Earle dem 2020 verstorbenen Jerry Jeff Walker einen musikalischen Tribut. Der Großmeister des Outlaw Country beeinflusste Earle bereits vor mehr als 50 Jahren und prägte ihn nicht nur als Songwriter. Im Interview verriet uns der Sänger/Gitarrist zudem, was ihn heute inspiriert und welche Ansprüche er an sein Live-Equipment stellt.
INTERVIEW
Steve, Jerry Jeff Walker war einer deiner Helden. Was hast du von ihm über Songwriting gelernt?
Er war ein toller Geschichtenerzähler. Ich kenne ihn seit seinem ersten Album, mein Schauspiellehrer an der Highschool gab es mir 1969, ein Jahr, nachdem es herauskam. Wir verwendeten den Titelsong ‚Mr. Bojangles‘ für eine Aufführung. Ich kannte Jerry Jeff Walker also schon, bevor er in Texas lebte (Steve wuchs in San Antonio auf, Anm. d. Autors). Als er dann nach Texas zog, war das eine große Sache für mich. Ich habe damals bereits in Cafés gespielt. Aber so gut Jerry Jeff als Songschreiber auch war, am meisten haben mich seine Auftritte beeindruckt. Er konnte sich perfekt mit einem Publikum verbinden und schaffte es, alle in seinen Bann zu ziehen – selbst die Leute, die keinen einzigen seiner Songs kannten. Das habe ich von ihm gelernt, mehr als alles andere. Es ist mir bis heute wichtig, mit dem Publikum zu interagieren.
Wie schwer fiel die Songauswahl für ‚Jerry Jeff‘?
Gar nicht mal so schwer. Es gab zwar ein paar weitere Sachen, die ich hätte aufnehmen können, aber ich beschloss, mich auf zehn Nummern zu beschränken. Ich produziere meine Alben mit Blick auf die Vinyl-Version – auch wenn Downloads und Streams heute Standard sind und viele unserer Zuhörer zudem vor allem CDs kaufen. Du kannst nicht wirklich mehr als zehn Lieder auf eine solche Scheibe packen, ohne dass die Soundqualität darunter leidet. Leute, die Schallpatten kaufen, wollen einen sehr guten Klang. Früher hat man Platten für Mädchen gemacht, heute werden sie von Nerds gekauft.
Die Grundidee war simpel und stammt nicht mal von mir: Als Susan (Walkers Ehefrau) Jerry Jeffs Gedenkkonzert organisiert hat, hat sie geografisch gedacht. Die Idee für dieses Album kam mir, als ich in Luckenbach, Texas, an diesem Konzert teilnahm. Ich habe es auf die gleiche Weise konzipiert: Ich dachte in Kategorien wie New York, Florida und Texas, die drei großen Stopps in Jerry Jeffs Karriere. Ich suchte Songs aus jeder dieser Perioden aus. Es gibt Lieder, die ganz bis zum Anfang reichen. Für mich endet es in den 1970ern. Das heißt nicht, dass er danach nichts mehr geschrieben hat, aber das ist die für mich prägende Phase in seiner Karriere. Danach war er ein Zeitgenosse – auch wenn er weiterhin ein großer Einfluss blieb. Ab Mitte der 70er stoppte ich das Covern und ging meinen eigenen Weg.
Das hört sich an, als ob dir die Aufnahmen leicht gefallen sind.
Ich kenne die Songs ziemlich gut. Etwa zwei Drittel der Lieder auf dem Album habe ich schon früher, zu meinen Cover-Zeiten, in Bars gespielt, bevor ich einen Plattenvertrag bekam und dann in der Lage war, ausschließlich meine eigenen Songs zu spielen. ‚Mr. Bojangles‘ habe ich bereits mit 14 gesungen, ‚Gettin‘ By‘ seit ich 17 war, viele seine Nummern waren lange Zeit in meinem Repertoire. Ich konnte wieder die Songs von früher singen. Das habe ich sehr genossen.
(Bild: Danny Clinch)
Vom Interpreten Steve Earle zum Songwriter: Viele Gitarristen sind der Meinung, dass Instrumente einen inspirieren können. Manche sagen, dass jedes einen Song in sich birgt. Wie siehst du das?
Ich denke, das stimmt. Das war eine der Ausreden dafür, dass ich so viele Gitarren gekauft habe. Ich bin ein ziemlich ernsthafter Gitarrensammler und dafür auch relativ bekannt. Meine Kollektion umfasst derzeit knapp 200 Instrumente. Es waren mal über 200, aber ich habe einige davon wieder verkauft.
Zu meinen Lieblingsstücken zählen eine 1935er Martin D-28, eine 1936er Martin D-18, eine 57er Gibson Les Paul Gold Top, eine 55er Fender Telecaster sowie eine 59er Fender Esquire. Außerdem habe ich eine ziemlich große Sammlung von Martin-Gitarren aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert sowie zahlreiche Gitarren aus meinem Geburtsjahr 1955. Und was das Schreiben angeht: Aktuell steht eine dieser neuen Fender Acoustasonics im Ständer – was vor allem praktische Gründe hat. Ich besitze einen Haufen supertoller Gitarren, die in Koffern verstaut sind. Mein Sohn ist zwölf Jahre alt und stößt manchmal Dinge um, die Acoustasonic kann ich draußen lassen, die hält was aus, da muss ich mir keine großen Gedanken machen. Sie ist also immer greifbar. Aber ich kann diese These in der Tat bestätigen: Ich hatte einige Gitarren, aus denen, sobald ich sie aus dem Koffer genommen habe, etwas kam – und das beinahe auf der Stelle. Sie haben mich schon alleine durch ihren Sound zu einem Song oder Part inspiriert.
Deine Bühnen-Instrumente wählst du nach anderen Kriterien aus, richtig?
Ich nehme generell kein Vintage-Gear mit auf Tour – nur Zeug, das man ersetzen kann. Die einzige Ausnahme ist eine Mandoline, die Steve Gilchrist (australischer Gitarren- und Mandolinenbauer) gebaut hat. Sie ist ziemlich wertvoll, aber eben auch klein, daher kann ich sie im Flugzeug mitnehmen und da die ganze Zeit bei mir haben. Für Akustik-Parts benutze ich auf der Bühne zwei Martin-Gitarren, die sie vor nicht so langer Zeit im Custom Shop für mich gebaut haben. Sie bestehen komplett aus Mahagoni, sind also strapazierfähig – und für Roadies und Fluglinien schwerer zu zerstören. Im Studio bevorzuge ich Palisander- oder Mahagoni-Instrumente mit Fichtendecke. Wenn du jedoch einen Tonabnehmer verwendest, macht das keinen großen Unterschied. Und eine Gitarre mit einer Mahagoni-Decke ist nun mal deutlich weniger empfindlich. Es gibt viel weniger Risse, wenn die Luftfeuchtigkeit sinkt. Auch ein Verziehen ist viel weniger wahrscheinlich, als wenn du ein Stück Weichholz in einen Rahmen aus Hartholz einpasst. Das habe ich bei Mahagoni jedenfalls noch nie gesehen.
Auch in Sachen E-Gitarren gehst du live einen eigenen Weg.
Auf der Bühne spiele ich Modelle von James Trussart. Sie sehen toll aus, sind aber unfassbar schwer und dazu ziemlich teuer. Ich verwende sie unter anderem, weil sie wirklich sehr robust sind. Im Grunde sind es Versionen einer Fender Telecaster mit einem Humbucker am Hals und einem Bigsby. Dieses Setup wurde von einem Session-Spieler in Los Angeles erfunden, der nur eine Gitarre zu Aufnahmen mitnehmen wollte oder konnte. Die Leute wollten den Fender-Sound, aber er war mehr der Gibson-Typ. So nahm er einen PAF von einer seiner Les Pauls und baute ihn an den Hals einer Tele. Damit spielte er dann ‚Peter Gunn‘ ein – und unzählige weitere Songs und Alben.
Auch für mich funktioniert diese Kombination sehr gut. Sie bewahrt mich zudem davor, eine Vielzahl elektrischer Gitarren mitnehmen zu müssen. Ich bin die meiste Zeit auf dem Steg-Pickup unterwegs, den Humbucker am Hals verwende ich seltener. Außerdem mag ich das Bigsby. Ich mache nicht viel ausgefallenes Zeug damit, aber ich bin froh, eins zu haben. Zudem ist der Sound von Gitarren mit Bigbsy ein ganz eigener. Von diesen Modellen habe ich zwei auf Tour dabei. Sie sind exakt gleich, nur unterschiedlich lackiert. Die blaue besitze ich schon länger, kürzlich kam eine rostig-schwarze mit eingravierten Rosen auf dem Schlagbrett dazu. Das ist aktuell meine Hauptgitarre.
Mehr über Steves Amps und Effekte auf Seite 2 …
(Bild: Steve Shervin)
Bei den Amps wiederholt sich dieses Schema.
Von meinen Verstärkern habe ich inzwischen viele verkauft, was ich jedoch heute manchmal bedaure. Ich hatte etwa einen tollen Gibson Ranger, einen kleinen Class-A-Combo, den ich verkauft habe. Das habe ich sehr bereut. Einen solchen suche ich gerade. Ebenfalls verkauft habe ich einen Fender Super Reverb, den ich allerdings kürzlich durch ein 1967er-Modell ersetzen konnte. In meiner Sammlung befinden sich auch ein Original Fender Narrow Panel Deluxe sowie ein kleiner Gibson-Amp, den ich im Studio für die Mundharmonika verwende. Live spiele ich seit Jahren über Peavey-Classic-50-Combos.
Vielleicht muss ich diese Strategie ändern, denn aktuell baut Peavey die 4×10“-Version des Classic 50 nicht. Das aber ist mein Sound, das ist, was ich mag. Ihre Verstärker kommen mittlerweile aus China. Damit habe ich nicht unbedingt ein Problem, aber wenn sie keine 4x10er mehr bauen, muss ich wohl zu Fender wechseln – was ich eigentlich hasse, denn der Peavey kostet immer noch weniger als 1.000 Dollar. Es gefällt mir sehr, einen Amp zu spielen, den sich viele Leute leisten können. Außerdem klingt er super. Allerdings wechsle ich die Lautsprecher und baue Celestions rein. Die klingen etwas fetter. Ich habe nur einmal einen Classic 50 kaputt gemacht, aber das passierte auf dem Weg zur Bühne.
Live drehst du Amps um.
Das haben wir schon immer gemacht. Der Verstärker, den du auf der Bühne siehst, ist das Ersatzmodell. Der im Einsatz steht umgedreht dahinter. Wenn du einen 50-Watt-Amp auf der Bühne spielst, strahlt er zu stark in das Gesangsmikro rein.
Auf dem Boden vor dir steht ein kleines Pedalboard, auf dem zwei MXR-Carbon-Copy-Pedale montiert sind.
Ja, das sind fast die einzigen Pedale, die ich verwende. Ich fasse sie nie an, sie sind fix eingestellt. Das eine liefert ein leichtes Slapback-Echo, das ich allerdings nur selten verwende, das andere ist auf ein längeres Delay eingestellt, das ich hin und wieder für abgedrehte Sounds einsetze, etwa für das Intro von ‚Transcendental Blues‘ oder am Ende einer Show. Dazu kommt noch ein Verzerrer von Fulltone, das Fulldrive 2 Mosfet, aber das war es dann auch schon. Der Fulltone ist in erster Linie dafür da, ein bisschen Zerre zu liefern und die Lautstärke meiner Gitarre zu kontrollieren.
Klingt also nach einem ziemlich einfachen Setup.
Absolut. Ich benutze auf der Bühne weniger Bodentreter als die allermeisten anderen Gitarristen. Im Studio verwende ich übrigens so gut wie niemals Pedale und gehe direkt in den Verstärker. Ich versuche immer wieder, die Jungs in meiner Band ebenfalls dazu zu bringen, kann mich damit aber nur selten durchsetzen. Es gibt keinen Effekt auf einem Pedalboard, von dem sich nicht eine bessere Version im Control Room findet. Die einzige Ausnahme in all den Jahren war die Aufnahme von ‚Transcendental Blues‘. Der Overdrive darauf ist ein alter Big Muff. Dieser Sound hat mir dafür extrem gut gefallen. Aber normalerweise drehe ich einfach den Amp auf, bis die Verzerrung einsetzt. Auch wenn es dann mitunter ziemlich laut werden kann … (lacht)
Welche Instrumente hast du für die Aufnahmen von ‚Jerry Jeff‘ verwendet?
Meine Go-To-Gitarre für die letzten paar Platten war meine Esquire von 1959, davor eine 55er Telecaster. Für dieses Album hingegen nahm ich eine 61er Stratocaster – denn auch Jerry Jeff spielte eine Strat, sobald es elektrisch wurde. Ich habe diese Gitarre zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder als Hauptgitarre verwendet, meist in der Position Hals- und Mittel-Pickup. In Sachen Verstärker fingen wir mit dem alten Narrow Panel Deluxe an, doch am Ende landeten wir dann doch meistens beim Peavey Classic 50. Es war tatsächlich das erste Mal, dass ich ihn auch für Aufnahmen eingesetzt habe. Als Acoustics verwendete ich meistens die erwähnten alten Martin D-28 und D-18, unter anderem auf ‚Mr. Bojangles‘. Die beiden Gitarren klingen sehr unterschiedlich. Die eine hat einen Korpus aus Mahagoni, die andere einen aus Palisander. Auf ‚Little Bird‘ und weiteren Songs, auf denen ausschließlich Fingerstyle-Picking zu hören ist, habe ich eine 1926er Martin 000-18 Slothead gespielt.
Kommen wir zum Ende noch mal auf das Thema Komponieren zu sprechen. Wer sind in Sachen Songwriting deine größten Vorbilder?
Bob Dylan, keine Frage. Wir alle kamen nach ihm – und wurden entsprechend von ihm beeinflusst. Was ich mache, wurde quasi von Bob Dylan erfunden. Bob hat die Texte auf das Niveau von Literatur gehoben. Die Messlatte lag also sehr hoch, als ich anfing, Lieder zu komponieren. Du musstest damals sehr hart arbeiten, um etwas zu kreieren, das diesen Anspruch auch nur annähernd erfüllte.
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)
Hallo hallo, ich bin, seit dem ich Steve Earles Titel “Guitar Town” gehört habe wahrscheinlich sein größter Fan !
Es ist einfach für mich der absolute Wahnsinn was dieser Mensch an Musik produziert . Country Musik ist schon seit vielen vielen Jahren meine Musik. Das ich Steve Earle endeckt habe ist so wunderbar. Ich bin schon 75 Jahre, habe mein Leben mit einer kleinen Band in den Jahren 1968-1971 verbracht und später dann mich in unterschiedlichen Band,s als Gitarrist versucht !
Wie kann ich mit Steve in Verbindung treten ? Ich möchte mich bei ihm für die wunderbare Musik persönlich bedanken . Hat jemand die Anschrift ?