Im Rahmen des CTM-Festivals gaben sich Greg Anderson und Stephen O‘Malley, auch unter dem Namen Sunn O))) bekannt, gleich drei Mal im Tempel der elektronischen Musik die Ehre: dem Berliner Berghain. Ohne Gesang und Mitmusiker bilden sie als Shoshin Duo eine außergewöhnliche Band, deren Live-Darbietung unvergesslich bleibt. So waren die Konzerte über die Bühnenbeschallung mit 14 Verstärkern, 16 Boxen und der hauseigenen Beschallung durch das renommierte Funktion-One-System gleichermaßen körperliche, meditative Erlebnisse und klangliche Katharsis. Grund genug für ein Gespräch mit Anderson und O‘Malley.
Anderson und O‘Malley lernten sich 1990 in Seattle kennen und teilten eine Leidenschaft für die Melvins und Earth. 1994 begannen sie unter dem Namen Thor‘s Hammer Doom-Metal zu machen. Inzwischen hat Sunn neun Studioalben und etliche Live-Aufnahmen veröffentlicht. Dabei blieb sich das Duo in der Stoßrichtung stets treu, hat aber auch immer wieder mit anderen Musikern kooperiert, darunter die Band Boris (‚Altar‘, 2006), elektronische Elemente in die Musik eingebracht oder auch den Gesang von Attila Csihar (Mayhem) oder Scott Walker (‚Soused‘, 2014) integriert.
Anzeige
SOUND
Der Nukleus des Sunn-Sounds sind ohrenbetäubende, fuzzverzerrte durch Andersons und O‘Malleys Verstärkerwände generierte Kippschwingungen, die bei Drop-A-Stimmung als kaskadierte Drones im Zeitlupentempo verwoben werden. Multiple Sunn-Röhrenverstärker Model T aus den Siebzigerjahren, exakte Nachbauten von 378 Amplifiers (378amplifiers.com) und SVT-Modelle von Ampeg sorgen für ungeheuren Schalldruck. Die Verstärker dienen als Pedalbasis mit mächtigem Grundklang. Die Pedale sorgen für Verzerrung und Sustain. Dabei verschmelzen multiple Gainstufen zu einer Melange. Elementar klangprägend ist der ProCo Rat mit LM-308 Operationsverstärker, der sich auch im Signature-Pedal von Earthquaker Devices (Life-Pedal) wiederfindet, das zudem ein Octave-Fuzz und Mosfet-Clean-Boost beinhaltet.
O‘Malley nutzt als Hauptgitarre sein Signature-Modell SOMA 1000A von Travis Bean Designs. Dieses zeichnet sich durch einen durchgehenden Aluminium-Hals aus, der mit einem silberfarben lackierten Koa-Korpus kombiniert wurde. Die Mensur liegt bei 25.5“ und die kräftigen Humbucker wurden nach eigenen Spezifikationen gewickelt. Die Hauptgitarre von Anderson ist eine Les Paul Deluxe von 2005, deren Mini-Humbucker gegen kräftigere DiMarzio-P90-SuperDistortion-Modelle getauscht wurden.
(Bild: Andy Sharp)
INTERVIEW
Ich zähle je fünf Model T und zwei Ampeg SVTs!
Stephen: Korrekt. Tatsächlich sind aber auch Backups dabei. Heute läuft ein Verstärker pro Full-Stack.
Greg: Auf meiner Seite sind vier Verstärker aktiv; 3x Model T und ein SVT, der zwei 8×10“ Boxen antreibt.
Stephen: Ich nutze beide SVTs, weil mein Modell nur einen Boxenausgang bietet. Also ist der zweite Verstärker kaskadiert.
Welchen Mehrwert bieten die SVTs gegenüber dem Model T?
Greg: Sie bieten zusätzlichen Druck im Bass, der sich gut mit den höher abgestimmten 4×12“ Boxen mischt.
Stephen: Letztlich hat jeder Stack einen eigenen Klangcharakter. Für die richtige Mischung passen wir die EQs der Amps und teils die Phasenlage der Verstärker über unsere Switcher von Bright Onion an.
Wie sieht das Frontend aus?
Greg: Mein erstes Pedal ist ein Big Muff (Civil War Version) mit moderater Einstellung. Von dort geht es in das Life Pedal mit Rat-Schaltkreis und Boost. Nach Bedarf blende ich den Octave-Fuzz des Pedals hinzu. Gelegentlich nutze ich noch eine Suboktave aus dem Aguilar Octamizer.
Stephen: Ich nutze ein altes Rat-Pedal (Big Box) mit Keeley-Mod. Ich habe ebenfalls das Life Pedal und nutze es als Boost. Gelegentlich schalte ich einen EQD Black Ash hinzu. Dazu gibt es einen Effektkanal mit einem Roland RE-201 und einem Echo Fix EF-P2, die ich über einen EQD-Looper zuschalten kann. Das Setup ist allerdings nicht fest, da ich über unterschiedliche Fuzz-Pedale die Klangfarbe verändern kann.
Wie nimmt eine Idee ihren Anfang?
Stephen: Ich würde sagen, dass die meisten Kompositionen der letzten Jahre während der Soundchecks entstanden sind. Aus der Kombination von Vorschlägen und Improvisationen ergibt sich ein Entwurf.
Greg: Und das gilt auch für die Arbeit im Studio. Bei den letzten Produktionen (‚Life Metal‘ & ‚Pyroclasts‘) haben wir Ideen ins Studio mitgebracht, an denen wir während einer Vorproduktion gearbeitet haben. Diese Session-Aufnahmen konnten wir als Referenz für die finale Studioproduktion nutzen.
Und wie kann eine Idee wachsen?
Greg: Regelmäßige Proben gibt es bei Sunn nicht. Aber Ideen finden sich eventuell schon auf der Bühne. Gute Ansätze greifen wir im Studio wieder auf. Generell würde ich aber sagen, dass Ideen bei uns im Studio wachsen. Wir sind dabei ergebnisoffen.
Stephen: In den Tagen, in denen wir an einem Song arbeiten, folgen wir einem Flow und sind hoffentlich in der richtigen Stimmung. ‚Black One‘ (2005) ist ein gutes Beispiel für Ideen, die uns auf einer Tour kamen und die wir dann im Studio in Form gebracht haben.
Greg:‚Monoliths & Dimensions‘ (2009) wiederum wurde hauptsächlich im Studio entwickelt. Bei ‚Life Metal‘ & ‚Pyroclasts‘ wollten wir mit ausgearbeiteten Ideen auflaufen. Daher die Vorproduktion, mit der wir einen guten Startpunkt setzen wollten. Das liegt daran, dass wir mit Steve Albini gearbeitet haben und seine Arbeitsweise kannten. Da waren wir schon ein wenig nervös …
Stephen: Steve ist kein Produzent, auf den man sich im Studio als musikalischen Partner verlässt. Er sieht seine Aufgabe darin, die Musik bestmöglich einzufangen. Die Qualität der Inhalte hingegen liegt in der Verantwortung der Musiker.
Wie lange hat die Studio-Session gedauert?
Stephen: Es war eine Session über zwei Wochen, aus der ‚Life Metal‘ und ‚Pyroclasts‘ entstanden sind. Aufnahme und Mischung.
Greg: Wir wollten das Maximum in dieser Zeit erreichen, da wir großen Respekt vor Albinis Arbeiten haben. Und es stellte sich heraus, dass er ebenfalls unsere Musik schätzt. An ‚Monoliths & Dimensions‘ haben wir fast zwei Jahre gearbeitet.