Im Interview

Drangsal – Max Gruber: 80s Sound im Hier und Jetzt

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Drangsal
(Bild: Thomas Hauser)

Inspiriert von The Smiths und New-Wave-Sounds der 80er macht Max Gruber alias Drangsal Musik, die so gar nicht zu seinem Geburtsdatum aus dem Jahre 1993 passen will. Auf dem neuen Album ,Zores‘ paaren sich cleane Chorus-Gitarren mit deutschen Texten und poppigen Hooks – und Deutschlands Musikpresse steht Kopf. Hinter dem Hype steht jedoch ein konsequenter Künstler, der schon früh seine Vision verfolgt hat.

Max Gruber ist gerade ziemlich angesagt und beschäftigt, aber trotzdem nicht ganz zufrieden: „Für das zweite Album saß ich vier Tage da und habe irgendwelchen Leuten Interviews gegeben, von der Tageszeitung bis zu jeder Musikzeitschrift, aber über was ich wirklich reden will, ist mein Setup und warum ich so spiele wie ich spiele. Das interessiert einfach niemanden, es geht immer nur darum, wie das Album heißt oder warum ich mehr auf Deutsch singe. Mir fehlt einfach der Nerd-Talk ein bisschen…“ Wenn’s nur das ist, kein Problem. Reden wir ein bisschen über Musik, Einflüsse und Gitarren, was Max sichtlich Freude bereitet.

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einflüsse

Du bist 1993 geboren, hast aber einen starken musikalischen Bezug zu den 80er-Jahren. Wie kommt das?

Einerseits durch meine Eltern, durch die die Musik der 80er immer um mich herum war. Andererseits gehöre ich zu der Generation, die mit Computern aufgewachsen ist und glaube, dass man nur ein zündendes Moment braucht, das einem die Tür aufstößt. Ich habe irgendwann mal nachts The Smiths auf MTV gesehen und das hat mich so gecatcht, dieser Gitarrensound und diese Melancholie. Das hat für mich alles sehr viel Sinn gemacht.

Und dann hast du nachgeforscht, was es noch so gibt?

Ja, so kann man das sagen. Ich habe mich durch das Œuvre der Smiths gebohrt (lacht) und dann ging es weiter mit Cocteau Twins und Aztec Camera und allem, was diesen Sound hatte.

Auf welchem Instrument hast du angefangen und wie?

Auf dem Schlagzeug mit 8, aber ich habe recht wenig gespielt. Mit 13 habe ich dann Bass gespielt und mit 16 Gitarre.

Hast du dir alles selbst beigebracht?

Ja. Ich komme ja aus der Pfalz und habe mit einem sehr guten Freund, Salvatore hieß er, bis zum Abi die meiste Freizeit verbracht. Der hatte nur Gitarren zuhause und ich habe immer Basslines auf seinen Gitarren gespielt und irgendwann meinte er, er könne sich das nicht mehr anhören, und zeigte mir ein paar Chords. Der hat SRV gehört, Hendrix und Led Zeppelin, Dinge, mit denen ich damals nichts anfangen konnte: Er spielte viel 7er- und Jazz-Akkorde und so habe ich Gitarre spielen gelernt, mit einem Bluesfreak.

Hast du heute musiktheoretische Kenntnisse?

Ich habe viel mit Chordshapes herumprobiert. Ganz am Anfang hätte ich dir nicht sagen können, was ein D7 ist. Irgendwann hat sich das aber von alleine durch das Songwriting ergeben. Dennoch könnte mein Musiktheoriewissen viel besser sein. Ich kann heute noch keine Skalen spielen. Das klingt jetzt ein bisschen esomäßig, aber ich vergleiche das immer mit Malerei. Man kann heute auch nicht mehr zeichnen wie als Kind, so intuitiv. Es verliert sich. Je mehr Theorie man sich draufschafft, umso weniger Intuition ist da natürlich. Ich probiere dann lieber Dinge in anderen Tunings aus.

Hast du direkte Vorbilder als Gitarrist?

Auf jeden Fall Johnny Marr von The Smiths. Das war für mich eine Offenbarung, dieses ganze Rickenbacker 12- String-Jingle-Jangle-twangy Chorus-Generve (lacht). Auch diese Chords, nie Barré spielen, sondern immer mit offenen Saiten, die mitschwingen, so ein C-Shape hin und her sliden. Das war für mich eine logische Connection zwischen Bass und Gitarre. Ansonsten habe ich viel Black Metal gehört und da kommt der Spaß her, sehr schnell zu spielen. Ich komme irgendwie immer noch vom Punk und habe eine merkwürdige Art Gitarre zu spielen, bin aber happy damit (lacht).

Hast du auch einen Bezug zur Haltung dieser Zeit, dass man ohne große Technik originelle Musik macht?

Ich mag das sehr gerne, aber das war damals noch viel spannender, weil es diese Möglichkeiten noch nicht gab. Heute kann jeder mit Freeware Songs basteln und veröffentlichen. Aber ich verbinde die 80er nicht nur mit Bands wie Fehlfarben oder Einstürzende Neubauten, sondern auch mit Klaus Lage (‚Tausendmal berührt‘; Anm. d. Verf.). Von so einem Song kann man unheimlich viel lernen.

Bands wie The Smiths sahen sich auch als Alternative zum Mainstream. Ist es dir wichtig, dich von aktuellen Trends abzuheben?

Ich habe nicht so richtig eine Haltung, für mich war Musik immer eher ein Outlet für meine eigenen Befindlichkeiten. Ich verstehe auch nicht so richtig, was Mainstream ist und frage mich manchmal, warum Drangsal nicht die Musik ist, die jeder hören will. Ich habe in den letzten 4 – 5 Jahren den Bezug zu aktueller Musik verloren, und möchte deswegen vielleicht einen Gegenpol bilden, ohne es zu wissen. Eigentlich versuche ich immer poppiger zu werden (lacht).

gear

OK, dann lass uns mal über Equipment reden. Seit wann interessiert dich diese Seite des Musikmachens?

Mein erwähnter Kumpel Salvatore war von Anfang an total versessen auf Gear, wollte den geilsten Amp und die beste Gitarre und da war ich schon immer raus. Aber seit ich auf Tour bin, hat sich das verändert. Man fängt an, etwas drauf zu geben, was man benutzt. Nicht aus Prestigegründen, sondern weil man lernt, was für einen funktioniert und was nicht.

Welche Instrumente spielst du auf der aktuellen Platte?

Gitarre, Bass, Synthesizer, ich singe alles und das Schlagzeug habe ich geschrieben, aber ich bin einfach kein fähiger Studio-Drummer.

D. h. du produzierst alle Songs vor?

Ja. Die Vorproduktionen klingen schon wie die Songs jetzt, nur beschissener aufgenommen. (lacht) Wenn ich Demos aufnehme, mache ich alles in der DAW. Angefangen habe ich mit Audacity und der Kopfhörerbuchse meines Laptops. Danach habe ich alles mit Garageband gemacht. Jetzt nutze ich Logic, ein Steinberg-Interface, Guitar Rig und Addictive Drums.

Du hast einen sehr charakteristischen, angezerrten Bass-Sound. Wie bekommst du den hin?

Der verzerrte Bass-Sound bei ,Sirenen‘ ist einfach ein Garage-Band-Fuzz, das wir nochmal über einen Verstärker regeampt habt. Meistens haben wir einen Fender-Gitarrenverstärker mit einem Moog-Verzerrer benutzt und dazu eine DI-Box. Ich bin da eher uneitel. Es muss nicht ein bestimmtes Pedal sein, sondern es muss dieser Sound sein und wie man da hinkommt, ist mir egal. Hauptsache es klingt, wie man es sich gedacht hat.

Du spielst Bass mit dem Plektrum?

Ja, das hat sich durch die Musik so ergeben. Ich habe anfangs mit den Fingern gespielt, aber als ich angefangen habe, Smiths-Songs zu lernen, ging das überhaupt nicht. Dieser 80er-Bass-Sound ist ja auch sehr basslos, Bass und Gitarre haben dieselbe Funktion und mit dem Plektrum bekommt man das gut hin. Das ist supertwangy. Mit den Fingern hast du mehr Low-End und weniger Anschlags-Treble und Attack. Meine Plektren wurden auch immer härter, mittlerweile spiele ich Dunlop Ultec Ultra.

Drangsal
Das Gitarren-Besteck (Bild: Max Gruber)

Deine Hauptgitarre ist eine Stratocaster?

Ja. Das ist eine mexikanische Strat. Vorher hatte ich eine Harley-Benton-Telecaster, die ich aber zertreten habe, als ich mal sauer war. Dann brauchte ich eine neue Gitarre und habe mir die Strat geholt, weil sie eine schöne Farbe hatte. Ich habe unheimlich viel Geld in die Gitarre gesteckt, alles ausgetauscht und justiert. Ich mag Singlecoils und benutze oft den Tremolo-Bar am Ende der Songs. Ich habe die Gitarre schon seit 8 oder 9 Jahren, ein Stück aus dem Griffbrett ist herausgebrochen. Ich kenne diese Gitarre, weiß wie sie klingt und was man damit machen kann. Im Studio hatte ich noch eine Fender Jaguar, die für mich auch eine Alternative zur Strat wäre. Einige Songs sind auch im C#-Tuning gespielt. Dafür habe ich im Studio eine Telecaster benutzt. Live verwende ich dafür eine amerikanische Strat. Außerdem habe ich noch eine Danelectro 12-String und eine Akustik-Gitarre von Ibanez.

Welche Saiten benutzt du?

Ich bin großer Fan von Ernie-Ball-Saiten, 10er auf der Strat und 12er auf der runtergestimmten Gitarre.

Welche Verstärker kommen live zum Einsatz?

Ich wechsele nach Lust und Laune zwischen drei Amps: Ein Fender Deluxe, ein Roland Jazz Chorus 60 von 1976 (mein Haupt-Amp) und ein Jazz Chorus 85 von 1974, aus Italien.

Drangsal
Max‘ Amp der Wahl: ein Fender Hot Rod Deluxe (Bild: Max Gruber)

Benutzt du auch den Chorus aus dem Amp?

Genau, denn diesen Sound habe ich noch mit keinem Pedal hinbekommen. Ich habe einen MXR-Chorus für den Fender, mit dem ich recht nah herankomme, aber jedes Mal, wenn ich wieder den Roland anschließe, denke ich: Ah, das ist einfach der beste Chorus. Den Chorus kann man auch nicht umstellen, der ist fix und das finde ich geil. Er ist so wie er ist, das muss man akzeptieren.

Die Verzerrung machst du dann mit Pedalen?

Ja. Obwohl ich so viel clean spiele, habe ich auf meinem Board mehr Zerren als alles andere. Ich kann dich mal kurz durch meine Chain jagen. (lacht)

Ich bitte darum!

Es fängt mit dem großen Polytune an, mit dem man auch andere Effekte speisen kann, das finde ich ganz praktisch. Dann kommt ein Fender-Kompressor. Anschließend ein japanischer Boss Heavy Metal aus den 80ern. Der ist so eine Liebe- oder Hass-Sache, unser alter FOH-Mann hat ihn gehasst, aber meine Antwort war immer: James Hetfield hat oft einen Boss Heavy Metal mit Jazz Chorus gespielt und das funktioniert. Dann kommt ein TC Electronics Booster, um die Zerre noch heftiger zu gestalten oder als Volume-Boost für Clean-Sounds.

Von da geht es in den Jekyll & Hyde, einen Doppelverzerrer mit HiGain und Overdrive. Den HiGain-Kanal habe ich ätzend eingestellt, kein Bass, nur Treble und Zerre. Der Overdrive ist sehr sumpfig eingestellt, kaum Höhen, ein bisschen Drive und den spiele ich oft mit der Gitarre auf 6 oder 7, um einen anderen Cleansound zu haben. Danach kommt der Green Rhino und ein Harley Benton Micro Overdrive, den ich aber nur für einen Song benutze.

Anschließend kommt der MXR Chorus, ein Flanger-Pedal für € 50 und ein Danelectro Corned Beef, ein Slapecho, das fast immer an ist. Ich benutze den Reverb aus den Amps und das Echo verläuft sich dann mit dem Hall. Ganz am Ende ist der Electro-Harmonix Stereo Memory Man, denn ich brauche ein tapbares Echo und das macht der echt gut. Als Powerbar benutze ich ein Palmer PBT08, mit dem ich sehr happy bin.

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Auffällig viele günstige Effekte auf Max‘ Pedalboard (Bild: Max Gruber)

Dein Grundsound ist also der Amp mit Hall, Chorus und Echo?

Ja, das ist der Grundsound. Alles andere ist eben etwas mehr angezerrt durch die Overdrives, mehr Modulation durch den Flanger oder „volle Kanne Arschlochzerre“ durch den Boss Heavy Metal. (lacht)

Schaltest du alles selbst oder hast du ein Switching-System?

Nee, aber da sagst du was. Es gibt ja sogar Leute, die ihre Pedals MIDI gesynct haben, aber das finde ich gruselig. Ich finde den Steptanz ganz gut, da muss man sich überlegen, was braucht man wirklich. Was ich mache, ist recht simpel, ich habe einen Cleansound und etwas Zerre und muss mir überlegen, ob ich an einer Stelle wirklich fünf Pedale gleichzeitig nutzen muss. Die kann ich danach schließlich nicht alle gleichzeitig ausmachen. Solange ich das noch selbst hinkriege, ist ein Switching-System für mich keine Option. Ich bin relativ gut mit Mille von Kreator befreundet und die haben Stagehands, die ihnen die Pedals drücken, das fand ich echt irre. Da steht dann jemand an der Seite, zieht die Pedals aus einer Rackschublade und drückt sie mit der Hand an. Das fühlt sich für mich nicht so an wie eine richtige Show. Das fand ich echt komisch.

So wie ich das heraushöre, hast du also mittlerweile viel Spaß an der technischen Seite bekommen?

Ja, definitiv. Wenn du anfängst zu touren, hast du kein Geld und musst mit dem zurechtkommen, was du hast. Das war immer mein Credo, ich wollte nie viel Geld für mein Gear ausgeben, weil ich der Meinung war, das hört eh keiner. Jetzt höre ich es (lacht) und das ist mir das Wichtigste. Man muss herausfinden, mit was man sich wohl fühlt und was funktioniert. Billige Kabel z. B. gehen eben schnell kaputt.

Dann danke für den Nerd-Talk.

Ja, hat mich sehr gefreut, hat mir sehr viel Spaß gemacht. Dankeschön!

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(erschienen in Gitarre & Bass 09/2018)

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