Doug Wimbish: Zwischen Living Colour, Madonna und den Rolling Stones
von Matthias Mineur, Artikel aus dem Archiv
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Gibt es Bands oder Produktionen, von denen du noch mehr lernen konntest als von den Rolling Stones?
Nun, die einfachsten Dinge sind oft viel wertvoller als die komplexesten. Nimm nur einmal Little Axe, also Skip McDonald, einer der wunderbarsten Gitarristen aller Zeiten. Schnell spielen kann jeder Musiker. Aber kann er auch Pausen machen, bewusst kleine Lücken lassen? Little Axe und Tackhead, diese beiden Bands, wussten, wie man mit einfachsten Mitteln die vitalste Musik überhaupt kreiert. Skip hatte ein bluesiges, sehr erdiges Feeling. Er, Keith LeBlanc, Adrian Sherwood und ich waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Dank dieser beiden Bands haben ich und viele andere Musiker eine Menge über Technik, Produktionen, Sounds und so weiter gelernt. Siehst du, wie ich gerade Gänsehaut bekomme?
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Bei den Stones bekommst du aber keine Gänsehaut!
Doch! Auch von Mick Jagger habe ich unfassbar viel gelernt, vor allem, weil ich ihre Musik auch live spielen durfte. Damals hatte ich den Eindruck, dass ich seinen Ideen einigermaßen nahegekommen bin. Und dadurch, dass ich mit der Band auch auf der Bühne gestanden habe, kann ich heute umso mehr genießen, was Mick auf den älteren Scheiben getan hat, sei es ‚Sympathy For The Devil‘, ‚Gimme Shelter‘ ‚Can‘t You Hear Me Knocking‘ oder ‚Bitch‘ (summt das berühmte Gitarren-Hook).
Gilt dies auch für deine Zusammenarbeit mit Madonna?
Ja, zumindest in einem ganz ähnlichen Ausmaß. Madonna ist ebenfalls ein sehr kreativer Mensch, der mit vielen Leuten zusammenarbeitet, mit denen ich auch schon kooperiert habe, wie zum Beispiel dem DJ Shep Pettibone, der seine Ohren immer am Puls der Zeit hatte. Ich hatte die Ehre, auf Madonnas Album ‚Erotica‘ gemeinsam mit André Betts spielen zu dürfen. Man entdeckt einen Künstler, hört seine Songs, verfolgt seine Karriere, und eines Tages bekommt man das Angebot, für diesen Künstler zu arbeiten. Aber ich gebe zu, dass ich nicht immer der größte Fan war, wenn ich einen Gig angeboten bekam. Es ist halt ein Job, und über den freue ich mich natürlich, ohne genau zu wissen, was am Ende dabei herauskommt. Manchmal, wenn es die Zeit erlaubt, höre ich mir Sachen an, die der betreffende Künstler bereits vorher veröffentlicht hat, um zu verstehen, was gefordert sein könnte.
Steigt die Herausforderung für einen gebuchten Musiker mit dem Bekanntheitsgrad des Künstlers? Und ist in diesem Fall der Produzent wichtiger als bei einem unbekannteren Act?
Schwer zu sagen, da jeder Künstler anders ist. Manchmal tritt ein Musiker auf der Stelle und es wird ein Produzent gesucht, der ihn sozusagen über die Schwelle tragen soll. Manchmal ist ein Künstler zugleich Musiker und Schauspieler und hat einen eng getakteten Terminkalender, sodass der Produzent die Aufgabe hat, den vorgegeben Zeitrahmen einzuhalten. Oder ein Produzent soll dafür sorgen, dass ein älterer Künstler zukünftig auch beim jüngeren Publikum besser ankommt. Manchmal ist ein Produzent Teil der Band, hat früher im Studio nur den Kaffee gekocht, wurde dann aber zum Toningenieur, mit dem die Gruppe nun unbedingt arbeiten will, weil er cool ist und sich niemand mit ihm streiten mag.
Denn Produzenten sind oftmals das Bindeglied zwischen Band und ihrem Label, eine Art Schiedsrichter bei Streitigkeiten und Diskussionen. Manchmal ist die Atmosphäre im Studio richtiggehend toxisch, und egal, was man sagt, irgendjemand ist immer angepisst. Dann braucht es jemanden, der das Feuer löscht und das wilde Tier zähmt. Es gibt auch Produzenten, die eine ganz eigene Vision vom Ergebnis haben und versuchen, den Künstler von ihrer Idee zu überzeugen. Manchmal liegen sie damit richtig, mitunter aber auch nicht. Es steht ja immer die Frage im Raum, ob man sich einem Trend anschließen will oder aber die Maxime lautet: „Wir haben unseren eigenen Sound, und an dem wird festgehalten!“ Die Hauptaufgabe für den Produzenten lautet sowieso immer: „Bring es zu einem erfolgreichen Ende, egal wie!“