(Bild: Danny Koetter)
Auch wenn man es kaum glauben mag: Die Donots aus Ibbenbüren bewegen sich in großen Schritten auf das 30-jährige Bandjubiläum zu. Für Gitarrist Guido Knollmann ist dies nicht nur ein „unfassbares Geschenk“, er scheint seine Herzensangelegenheit auch immer mehr zu genießen. Dass er dabei nicht nur musikalisch und spielerisch neue Dinge entdeckt, erzählte er uns im Gespräch zum neuen Album ‚Heut ist ein guter Tag‘.
interview
Guido, das neue Album vermittelt vom Titel und Design her eine sehr positive Grundhaltung. Könnte man es als „Aufmunterung in doofen Zeiten“ bezeichnen?
Das kann man definitiv machen. Auf den letzten zwei Alben gab es sehr viel Politisches. Politik ist natürlich wichtig, aber bei all den Sachen, die gerade passieren, sollte man auch schauen, dass man eine gewisse Leichtigkeit im Leben behält und es genießt. Mein Gedanke im Vorfeld war: „Mach doch mal mehr Strand rein“. Am Ende wurde es mehr durig als sonst. Es ist dennoch keine Party-Platte, ich würde es eher frische, fröhliche Melancholie nennen.
Ihr habt euch Ende 2019 bewusst ein bisschen ins Privatleben zurückgezogen. Dann kam Corona.
Die Pause war viel länger, als wir das geplant hatten. Bandintern gab es Diskussionen, ob wir mal ein Jahr Live-Pause machen. Der eine Teil fand, das würde mal gut sein, der andere meinte: Auf gar keinen Fall. Wie soll man das durchhalten? Es gibt uns seit Ende 1993, seit 1994 hatten wir noch nie ein Jahr in der Bandgeschichte, wo wir keine Show gespielt haben. Und dann wurden aus diesem Jahr zweieinhalb Jahre. Das Positive aus der Zeit ist, dass wir sehr viel Zeit hatten, am neuen Album zu stricken. Wir sind in der angenehmen Situation, dass wir ein eigenes Studio haben, wo wir uns mit Abstand treffen und an Songs arbeiten konnten.
Du hast es gerade erwähnt: Es gibt euch jetzt schon seit fast 30 Jahren. Du bist 1979 geboren, hast also dein ganzes Leben nichts anderes gemacht, als bei den Donots zu spielen.
Ich hatte das Glück, dass das irgendwie geklappt hat. Angefangen hat alles im Dorf Ibbenbüren, da hatten wir den ersten Proberaum. Einfach, um der Langeweile zu entfliehen. An Weihnachten 1992 habe ich meine erste Gitarre bekommen. Dann ging es direkt in den Proberaum – mit keinerlei Kenntnissen, es wurde einfach drauflos geprügelt. Von da an ging es immer weiter. Es ist ein unfassbares Geschenk, dass man das immer noch darf. Und vor allen Dingen: Ich habe das Gefühl, es macht immer mehr Spaß. Weil man immer mehr lernt und immer mehr kann. Und immer mehr ausprobiert und auch vom Kopf offener wird, was musikalische Sachen angeht.
Somit bist du in den frühen 1990ern sozialisiert worden. Waren die Seattle-Bands oder auch Rage Against The Machine Vorbilder für den aufstrebenden Junggitarristen Guido Knollmann?
Teilweise. Ich habe mit zehn, elf Jahren komischerweise mit Death Metal angefangen. Mein großer Bruder hat Sachen wie Entombed, Morbid Angel oder Sodom angeschleppt. Das klang so anders als alle andere Mucke. Ich habe es erst nicht verstanden, fand es aber auf jeden Fall interessant und dann auch gut. RATM finde ich natürlich großartig, viele Seattle-Sachen ebenso. Ich hatte zu der Zeit aber eher eine Hardcore- und Punk-Phase. Ich war früher auch nie auf Festivals, sondern immer eher in kleinen Punk-Schuppen, wo viel Straight-Edge-Hardcore gespielt wurde. Die großen Rockdinger sind zunächst an mir vorbeigegangen, das habe ich erst später zu schätzen gelernt.
Euer Wechsel zu deutschen Texten ist nicht mehr ganz neu, das aktuelle Album ist bereits das dritte in Muttersprache. Dennoch scheint mir dieser massive Einschnitt extrem wichtig für die Band gewesen zu sein. Wie würdest du die Zeit vorher/nachher unterscheiden – auch in Sachen Resonanz vom Publikum?
Das ist eine abgefahrene Frage. Bevor wir den Switch gemacht haben, haben die Leute öfter gesagt: Live finde ich euch geil, auf Platte seid ihr mir in zu vielen Lagern und oft vielleicht auch zu soft. Und dann haben wir nur die Sprache gewechselt – zunächst mal als Test, ob uns das anschockt. Wir wollten erst eine EP machen, auf einmal hatten wir sieben, acht Lieder fertig. Daher haben wir gesagt: Wir machen jetzt eine ganze Platte, das hat gerade einen geilen Flow. Ab dem Moment, wo wir Deutsch gesungen haben, habe ich auf einmal ganz andere Riffs gespielt oder auch Lead-Ideen gehabt. Ich konnte nicht erklären, woran es liegt, das war einfach so. Irgendwie ist da mehr Zug drin.
Und jetzt kommen ganz viele Leute an und sagen: Warum habt ihr das nicht schon immer gemacht? Es ballert viel mehr, es klingt viel authentischer – ihr klingt auf einmal so, wie ihr klingen müsst. Warum hat das so lange gedauert? Man selber fühlt seine eigene Band ja anders, als wenn man Zuhörer ist. Für uns war das einfach ein Experiment. Und es hat sich direkt gut angefühlt. Von daher: Weiter so.
Auf dem Album ist bis auf einen Song nichts länger als 3:30. Ist das Konzept oder passiert das bei euch automatisch?
Zu 95% passiert alles automatisch. Das Credo war am Anfang: abgespeckter und straighter, auch in Sachen Overdubs. Da musste ich zunächst echt die Zähne zusammenbeißen, denn eigentlich liebe ich es, solche Feinheiten einzubauen. Ich denke, durch diese abgespeckten Teile sind die Songs auch kompakter.
Auf der nächsten Seite geht es mit dem Equipment weiter!
Welche Zutaten hast du für ‚Heut ist ein guter Tag‘ verwendet? Ist der Friedman Dirty Shirley nach wie vor dein Haupt-Amp? Oder gibt es da Neuerungen?
Die gibt es, auch wenn der Dirty Shirley sowohl live als auch im Studio nach wie vor die Macht ist. Kurz bevor wir mit den Aufnahmen angefangen haben, war ich bei Rare Guitar in Münster, einem tollen Gitarrenladen, den ich regelmäßig besuche. Immer wenn ich dort hingehe, kommt der Inhaber Rudi (Dinkela, Anm. d. A.) an und sagt: „Hey Guido, ich hab was für dich. Das musst du unbedingt antesten.“ Er weiß immer, was ich mag. Bei diesem Mal wollte er mir irgendeine Les Paul andrehen. Er nimmt also irgendeinen Amp, der rumsteht, stöpselt ein und spielt. Ich habe kurz zugehört und dann geantwortet: „Rudi, die Les Paul ist mir gerade ziemlich egal, aber was bitteschön ist das für ein Amp?“
Zunächst wollte er ihn nicht hergeben, am Ende unseres Gesprächs hat er dann aber doch seine Meinung geändert und ihn mir angeboten. Der Amp heißt Little Willie und stammt von einer Firma namens ATT, Advanced Tube Technology. Er hat 25 oder 30 Watt, mit einem 1x12er drin. Das Teil ist unfassbar, so eine Zerre habe ich noch nie in meinem Leben gehört. Ich weiß nicht, was die anders gemacht haben, aber sie ist ganz eigen. Den Hobel gibt es auch gar nicht mehr, der wurde in den 90ern gebaut. Das war ein deutscher Hersteller, irgendwo in der Nähe von Stuttgart. Ich glaube, die Firma existierte gerade mal zweieinhalb Jahre. Und von dem Combo gab es auch nur 200 Stück. Du findest kaum was im Internet darüber.
Über den habe ich im Studio sehr viel gemacht. Der Sound-Engineer, der damit aufgenommen hat, hat ihn direkt danach bei ebay überall gesucht, weil er echt fantastisch ist. Dazu kam mein Tone King Falcon Grande, den habe ich häufig für Angecrunchtes genommen. Das war auch super. Ansonsten das Übliche: Vox AC30, Fender Princeton, Friedman, Hiwatt.
Arbeitest du im Studio auch mit Pedalen, oder versuchst du, dich da auf die Amps zu beschränken?
Gerade beim Hiwatt. Den kannst du aufdrehen ohne Ende, da zerrt nichts, der bleibt clean. Daher benutze ich ihn als Plattform für Pedale. Ich habe irgendwann, wie die meisten Gitarristen, so eine komische Leidenschaft für Pedale entwickelt. Du musst ja gefühlt alle haben. Da ist natürlich ganz viel Feng Shui dabei, aber es macht auch Spaß.
Und ist eine Wissenschaft für sich …
Wir haben oben im Studio eine Leiste, wo alle Effekte an der Wand stehen. Ich nehme dort ja auch mit anderen Bands auf. Die schicken mir im Vorfeld Demos, und dann mache ich mir Gedanken zu den Gitarrensounds. Welche Gitarre könnte in Frage kommen, welcher Amp? Manchmal ist es super-hilfreich, wenn du die ganzen Pedale oben in der Ecke siehst. Das ist ein bisschen wie beim Kochen, wie ein Gewürzregal. Wenn du denkst, da fehlt noch ein bisschen Chili, dann kannst du gleich das passende Pedal rausziehen und schon hast du im Kopf eine Idee, wie es klingt. Das macht tierisch viel Spaß, und meistens kommt man da auch zu einem guten Ergebnis.
Du hast eben den Fender Princeton erwähnt. Der ist auch in deinem Live-Setup dabei. Wird er am Pult über einen eigenen Kanal zum Dirty Shirley hinzugefahren?
Ja, und zwar fast clean. Der Friedman hat zwar auch nicht übermäßig viel Zerre, aber schon genug, damit es ballert. Der Princeton – mittlerweile habe ich ihn live durch den Tone King Falcon Grande ersetzt – kommt für das Attack dazu. Der wird einfach dazu geschoben. Unser Mischer hat mir das mal über die PA gezeigt. Der Dirty Shirley alleine bläst dir alles um die Ohren. Megageil und griffig. Und dann hat er den fast komplett cleanen Combo dazu geschaltet. Auf einmal ist da ein Anschlag und eine Tiefe drin, das ist Wahnsinn. Diese Kombi funktioniert supergut.
Wie bist du da drauf gekommen?
Durch Ausprobieren – und Gucken, was am besten ist. Zwei Mal der gleiche Amp macht live in meinen Augen keinen Sinn. Die müssen schon unterschiedlich sein von der Art, wie sie klingen, sowohl von der Power als auch vom Zerr-Typ. Und da haben wir uns halt durchgetestet. Irgendwann meinte unser Mischer: Die beiden Amps sind supergeil, jetzt lass uns mal am Sound schrauben. Und dann haben wir mal weniger Zerre genommen und auf einmal gemerkt: Weniger ist mehr. Das klatscht viel mehr.
Ein fetter Gain-Sound ist erstmal geil, kann dich aber auch blenden.
Mit viel Verzerrung geht jeder Anschlag unter. Wenn du dann clean spielst, kann es sein, dass du merkst: Jeder zweite Anschlag, den ich mache, hat gar keinen Ton dahinter. Ich treffe ja gar nicht. Ich finde auch: Weniger Zerre ist mehr. Allein schon für den eigenen Anspruch. Live ist das immer eine Sache für sich, aber im Studio ist weniger Zerre mehr. Und geiler, weil man dadurch lernt, präziser zu spielen und sich nicht auf so eine Ultra-High-Gain-Suppe zu verlassen.
Hast du irgendwelche abgefahrenen Effekte verwendet oder blieb das Setup von den Komponenten her eher traditionell? Bei ‚Auf sie mit Gebrüll‘ meine ich einen Electro-Harmonix POG zu erkennen.
Das ist die erste Version vom POG, die große. Der liefert mir eine Oktave drunter, das funktioniert super. Aber grundsätzlich haben wir es relativ klassisch gehalten, weil wir auch relativ klassische Musik machen. Ich stehe auf ein schönes Tape-Delay, da mache ich viel mit dem Strymon Deco, das Pedal liebe ich über alles. Generell haben wir eher geguckt, wie kriegt man die Sounds rund und geil, anstatt jetzt den höllenabgefahrenen Effektritt zu machen.
Was sind in Richtung Boost- und Gain-Pedale deine aktuellen Favoriten?
Ganz klar das Lightspeed von Greer Amps. Das ist wirklich supergeil und wird aus guten Gründen überall abgefeiert. Ich mag diese Zerre, die nicht so sehr verfälscht. Die meisten Drive-Pedale – klar, das ist Geschmacksache und hängt auch davon ab, welche Musik man macht – haben viel zu viel Gain. Derartig viel Zerre braucht man gar nicht, im Gegenteil, für mich macht das einen Sound eher kaputt. Gerade für uns ist das Lightspeed super, weil es wunderbar aufgeräumt ist. Ich habe außerdem den Chase Bliss Automatone MKII (heißt offiziell Preamp MKII, Anm. d. A.), der ist sehr flexibel und hat auch ein super Fuzz drin.
Sehr geil ist auch das Unit 67 von DryBell, das habe ich immer an, sowohl live als auch im Studio. Das ist ein Compressor, ein Equalizer und ein Booster in einem. Was daran so abgefahren ist: Du machst es an, spielst eine Zeit und wenn du es wieder abschaltest, fragst du dich: Das war mein Sound vorher? Wie scheiße klingt der denn? Irgendwie macht das Teil alles rund. Weitere Favoriten sind das White Fuzz von Red Sun FX sowie der KHDK Ghoul Jr, wenn es für Solos mal brettern muss.
In Sachen Gitarren bist du schon klar ein Humbucker-Typ, oder? Mit Singlecoils sieht man dich eher nicht.
Haben wir aber auf jeden Fall auch dabei. Live verwende ich nach wie vor meistens Humbucker, meine langjährige Favoritin, die ESP Eclipse, ist ja damit bestückt. Mittlerweile spiele ich auf der Bühne aber auch für zwei Songs eine 61er Strat aus dem Custom Shop. Außerdem habe ich eine Tele von Mirza Kovačevic (Gitarrenbauer aus Bosnien-Herzegowina). Früher war ich tatsächlich ein reiner Humbucker-Typ, mittlerweile liebe ich auch Singlecoils. Eine Sache noch kurz zum Thema Boost-Pedale (hält einen Boss GE-7 in die Kamera): ganz große Liebe.
Und was man alles damit machen kann.
Unfassbar.
Schalte ich ihn vor den Verzerrer oder dahinter, booste ich oder nehme ich weg, mache ich mir da eine Frequenzkurve rein und baue mir etwa ein Tube-Screamer-Setting nach …
Genau. All das. Ich möchte ihn im Studio und live auch nicht missen.
Nochmal zurück zu den Anfängen. Du hast von deiner ersten Gitarre gesprochen. Waren die erwähnten Bands wie Entombed der Antrieb, es selber zu versuchen?
Schon. Gerade Entombed. Ich fand diese Gitarrensounds so krass. Ich meine, ganz ehrlich, ich habe bestimmt nicht mal auseinanderhalten können, was da Bass und was Gitarre ist – weil ich von nix eine Ahnung hatte und das eh so ein Soundbrei ist, aber ich fand diese rohe Energie geil. Das hat mich gekickt. Da war natürlich das Erwachen groß, wenn du zu Weihnachten eine Fenix-Strat-Kopie mit drei Singlecoils und einen kleinen Matrix-Amp kriegst. Das klingt anders als Entombed. Aber trotzdem bin ich dabei geblieben.
Abschließende Frage: Welche Resonanz auf das neue Album würdest du dir wünschen?
Ich fände es einfach wahnsinnig toll, weil gerade das letzte Jahr so extrem intensiv war, auch auf einer persönlichen Ebene, wenn wir das halten können. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Leute, die zu unseren Konzerten kommen, sich wie ein Teil des Ganzen fühlen – was sie natürlich auch sind. Darum geht es ja bei der Sache. Irgendwie sind uns 2022 so viele Herzen entgegen geflogen wie noch nie, und das finde ich gerade total schön. Es war, als ob man sich einen ganzen Konzertsaal voller Freunde packt und zusammen eine gute Zeit hat. Diese Herzlichkeit war magisch. Ich würde mich sehr freuen, wenn das so bleibt.
EQUIPMENT
„Gitarren und Amps, die ich auf ‚Heut ist ein guter Tag‘ benutzt habe. Von links nach rechts.“ (s.u.)
Gitarren:
- 76er Telecaster Deluxe mit Düsenberg Domino P90
- Gibson ES-335
- 63er Epiphone Olympic mit Rio Grande Dirty Harry Singlecoil
- 76er Custom Les Paul mit Häussel P90 Hot
- ESP Japan Custom mit Bare Knuckle The Mule Humbucker
- ESP Eclipse mit Häussel Vin B A5 Humbucker (Live und im Studio die meistbenutzte Gitarre)
- Quenzel T-Style mit Humbuckern
- 68er Guild Starfire
- Mirza Kovačevic Thinline Telecaster
- Fender Custom Shop 1961 Stratocaster
- Gretsch White Falcon
- Gibson Custom Shop Firebird non reverse
- 70er Framus Atlantic
- Martin D-28
Amps:
- 63er Dynacord Echo King
- 76er Hiwatt 100 Custom
- Tone King Falcon Grande (Live und im Studio)
- Advanced Tube Technologies Little Willie modifiziert
- 70er Vox AC30 Top Boost
- Friedman Dirty Shirley (Live und im Studio)
- Marshall Plexi
- Marshall modifiziert von Diezel
- Fender Princeton Silverface
- Laney Cub Head (nicht auf dem Bild)
(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)