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Die gigantische Gitarre: Julian Lage & Bill Frisell im Interview
von Martin Schmidt,
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SPIEL DIE MELODIE
Bill, ich bin ein großer Fan deines Surf-Albums ‚Guitar In the Space Age‘. Wie gehst du an solche klassischen Stücke ran?
Frisell: Ich habe versucht die Originale wirklich zu lernen. Das ist das Erstaunliche am Älterwerden: Ich schaue zurück auf Dinge, die ich vor Jahren gespielt habe und stelle fest, dass ich sie nicht richtig gespielt habe oder dass sie viel schwieriger sind, als ich dachte. (lacht) ‚Pipeline‘ z. B. ist für mich nicht einfach zu spielen. Ich versuche, alles zu verstehen, was in der Originalversion ist und dann lockerzulassen und es im Heute mit meiner Stimme zu spielen. Ich versuche nicht unbedingt, Dinge an den Stücken zu ändern, sondern bringe die Erfahrungen ein, die ich gemacht habe, seit ich solche Songs das erste Mal gehört habe.
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Oft spielst du ja auch nicht das Thema und dann ein Solo, sondern eher um die Melodie herum. Hast du da bewusst dran gearbeitet?
Frisell: Ich habe immer gesagt, dass die Melodie wichtig ist, denn das unterscheidet den einen Song vom anderen. Wenn ich einen neuen Song lerne, spiele ich die Melodie immer wieder. Je tiefer sie in meinen Körper eindringt, umso freier kann ich sein. Ich liebe es, wenn du die Melodie immer noch hören kannst, egal wie weit du von ihr weggehst. Das gibt dir eine Form für alles, was du spielst, mehr als wenn du die Melodie spielst und danach ein Solo. Wenn die Melodie noch da ist, gibt es dem Solo eine Architektur, die es nicht hätte, wenn du einfach Dinge spielst, die du geübt oder gelernt hast.
Du spielst also immer ein Stück, anstatt einfach über die Akkorde zu improvisieren?
Frisell: Yeah. Natürlich muss ich die Akkorde kennen, aber es steckt unendlich viel in jedem Song. Je mehr Zeit du damit verbringst, umso mehr Dinge findest du. Das ist das Erstaunliche an Musik, sie geht immer weiter.
In einem anderen Interview habe ich auch gelesen, dass du versuchst jeden Morgen zwei Stunden Gitarre zu spielen. Stimmt das?
Frisell: Manchmal. Definitiv während der Pandemie. Sowohl spielen als auch schreiben. Ich schreibe sehr viel Musik, ich habe immer ein Notizbuch parat, stapelweise. Das hat sich geändert. Vor vielen Jahren habe ich z. B. eine Tonleiter geübt. Jetzt versuche ich eher Ideen festzuhalten, ich spiele und schreibe etwas auf. Dann werden daraus Songs oder kleine Stücke.
KOMPOSITION
Julian, wie sieht dein Arbeitsprozess aus? Wie hast du z. B. den Titelsong von ‚The Layers‘ geschrieben?
Lage: Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Ursprünglich war das eher ein Rock-Song, sehr kraftvoll und mit E-Gitarre. Im Studio haben wir es akustisch probiert, bevor alle Mikrofone aufgebaut waren, und das ist die Version auf der Platte. Die hatte den besten Fluss und war etwas kantig. Ich habe sogar geredet während der Aufnahme, aber das haben wir rausgeschnitten. Ich sagte: jetzt kommt die Bridge, habe es der Band beigebracht und das hat uns eine lockere Energie gegeben.
Im A-Teil spielst du immer die gleiche Melodie, aber die Akkorde kommen einmal aus C-Dur und einmal aus E. Wie kamst du darauf?
Lage: Ich habe nicht viel darüber nachgedacht. Die Melodie ist ein Eb über einen C-Dur-Akkord. Ich greife es mit dem kleinen Finger und wenn du den Ton liegen lässt, kannst du einen E-Dur-Akkord dazu greifen. Das war eine bequeme Reharmonisierung, die eher auf einer Bewegung basiert. Ich wollte, dass sich die Melodie wiederholt, aber mit anderen Harmonien.
Du machst auch regelmäßig Live-Videos deiner neuen Songs. Orientieren sich die an der Studioversion?
Lage: Wir filmen sie einfach. Es ist einfach ein anderer Weg, die Songs zu präsentieren. Natürlich gibt es da Unterschiede, drei Leute statt vier, also verschieben sich die Gewichte in der Band, manchmal ist das Tempo etwas anders, die Solos länger. Es ist eine natürliche Weiterentwicklung des Albums, aber die Versionen sind verbunden und als ein Ganzes zu verstehen.
ARBEITSGERÄTE
Welche Gitarren wurden auf dem Album verwendet?
Lage: Nur meine Signature-Gitarre, die Collings, diesmal keine Telecaster. Und die Collings-OM1JL-Akustik.
Die Gitarre hat ein Bigsby, aber du benutzt es nie.
Lage: Ich mag es aus zwei Gründen. Einer ist das Gewicht, das es der Gitarre hinzufügt. Die Collings ist sehr leicht und das Bigsby fügt ein Pfund hinzu. Das verleiht der Gitarre ein besseres Fundament. Außerdem sind die Saiten hinter der Brücke und das erzeugt einen gewissen Widerstand. Das Bigsby hat großen Anteil am Sound, auch wenn du es nicht benutzt, um die Tonhöhe zu variieren.
Frisell: Ich hatte einige Gitarren mitgebracht. Eine Baritone, eine Akustik und verschiedene elektrische Gitarren. Die Baritone ist wie eine Fender Telecaster mit längerer Mensur und auf A gestimmt. Sie ist aus Mexiko, keine teure Gitarre, aber ich habe alles Mögliche ausgetauscht. Dazu kam eine Collings I-30, die wie eine Gibson 330 ist. Außerdem eine 60s Jazzmaster, meine Haupt-Telecaster und eine Gibson-J45-Akustik.
(Bild: Bill Frisell)
Welche Amps?
Lage: Ich benutze einen Verstärker von Magic Amps, den Mike Moody gebaut hat. Er heißt Vibro Deluxe und ist ein Nachbau eines Deluxe Reverb. Dazu kommt ein 1959er Fender Tweed Champ. Bill hat alles über einen Princeton gespielt.
Hast du die gleichen Pedale benutzt wie bei den letzten Platten?
Lage: Ja, ein Strymon Flint und einen kleinen Preamp, den ich sehr mag. Live setze ich oft noch einen Pete Cornish Compressor ein, damit sich die Amps mehr wie ein Tweed-Amp anfühlen. Die Compression ist nur minimal, aber sie erzeugt dieses Tweed-Ding. Ich mag cleane, sehr transparente Pedale.
Und was hast du benutzt Bill?
Frisell: Hauptsächlich die Gitarre und Reverb. Mein Hauptpedal ist ein Strymon Flint, das ich für Hall und Tremolo benutze. Auf ‚Missing Voices‘ habe ich noch ein Line-6-Delay verwendet.