(Bild: Shervin Lainez / Monica Jane Frisell)
Zwei der angesagtesten Jazz-Gitarristen der Neuzeit haben sich auf zwei Alben zusammengetan und frönen Gitarren-Interplay zwischen Jazz, Roots-Music und atmosphärischen Sounds. Nach dem 2022er-Album ‚View With A Room‘ erscheint jetzt mit ‚The Layers‘ der zweite Teil der Zusammenarbeit.
Statt um die Wette zu solieren, entschieden sich Frisell und Lage für eine spannende Rollenverteilung. Bill sagt dazu lachend: „Ich hatte eher die Funktion eines Orchestrators, quasi als wäre er der Sänger und ich spiele mit ihm. Früher hätte man gesagt, er war der Lead- und ich der Rhythmusgitarrist, wie bei den Beatles.“ Zu Julian Lages eingängigen Kompositionen fügt Bill Frisell Akkorde, Sounds und zweite Gitarrenlinien hinzu ohne jemals einem Wettbewerbsgedanken im Sinne von „höher, schneller, weiter“ anheim zu fallen. Musik statt Ego – ein sehr sympathisches Konzept. Wie es zur Zusammenarbeit kam und die Aufnahmen abliefen, schildern Bill und Julian im nachfolgenden Interview.
AUFNAHMEN
Wie kam es zur Zusammenarbeit auf den beiden Alben?
Frisell: Wir kennen uns schon lange und haben viele Sachen zusammen gemacht, z.B. die Musik von John Zorn im Trio mit Gyan Riley gespielt und viele Duo-Konzerte. Das erste Mal haben wir uns im Hotel getroffen, bei einem Festival in Vancouver. Julian hatte diese unglaubliche, alte Gibson L5 und wir kamen über unsere Liebe zur Gitarre ins Gespräch. Bei einem Jazz-Workshop in Palo Alto haben wir zum ersten Mal einen Song zusammengespielt. Es gab direkt eine Verbindung, ohne jede Anstrengung und die Musik konnte in alle Richtungen gehen. Und jetzt hat er mich eingeladen, auf seinem Album zu spielen.
Lage: Wir sind auch durch Jim Hall verbunden, der für uns beide ein Mentor war. Für die Platte wollte ich das Trio als Basis, wollte es aber erweitern. Bill ist ein Meister der Orchestrierung und darum geht es in vielen Songs auf dieser Platte. Ich wollte Bill dabeihaben, weil wir viele gemeinsame Einflüsse haben, aber trotzdem sehr unterschiedlich sind.
War es direkt geplant, zwei Alben aufzunehmen?
Lage: Es war etwas verwirrend für mich. Es gab genug Material, aber ich habe erst bei den Aufnahmen gemerkt, dass es zwei emotionale Narrative gab. ‚View With A Room‘ hat viele Stücke, die sehr prägnant und direkt sind und ‚The Layers‘ repräsentiert die andere Seite der Musik, die etwas atmosphärischer und fließend ist, nicht so organisiert. Es war schnell klar, dass es zwei Platten sind, die man trennen muss, damit sie stark wirken.
Gab es eine feste Idee, wo und was Bill spielen sollte?
Lage: Wir haben alles zusammen probiert und dann entschieden: „Hier spielt Bill die Jazzmaster, da die Akustik und bei dem Stück spielen wir als Trio.“ Selbst die drei Songs, auf denen er nicht spielt, waren Absicht, denn das hat Raum kreiert, sodass es einen Effekt hat, wenn er auf der Platte wieder dazukommt.
Waren die Songs für zwei Gitarren komponiert?
Lage: Ja, ich habe für diese Band geschrieben. Im Anfangsstadium, habe ich versucht, eine Sprache zu finden und als klar war, dass Bill dabei ist, habe ich Songs ausgesucht und vollendet, die zu Bills Stil und Gefühl passen.
Gab es denn ausgeschriebene Parts für die zweite Gitarre?
Lage: Ich schreibe eher Räume für sie. Viele von Bills Beiträgen auf dieser Platte haben mit Harmonien zu tun, also schreibe ich die auf, aber es gab jede Menge Freiheiten für Bill, Sachen zu erfinden. Der Punkt war, ihn das tun zu lassen, was er am besten kann, besser als ich es mir je vorstellen könnte.
Frisell: Es gab Stellen, an denen ich eine bestimmte Linie lernen musste, aber ich habe mich sehr frei gefühlt, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich denke, er hat mich ausgesucht, weil wir Freunde sind und er mir vertraut, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es war nicht so: „Du musst dieses oder jenes spielen“.
Wie bereitet ihr euch auf eine solche Aufnahme vor?
Lage: Meistens gibt es solche Charts (hält ein paar handgeschriebene Noten hoch), ein einseitiges Sheet und ich mache Demos auf dem iPhone, damit man die Akkorde und Melodien hören kann. Mit dem Trio haben wir in den Wochen davor ein paar Mal geprobt.
Wie lange habt ihr dann aufgenommen?
Lage: Ich glaube wir haben fast alles an zwei Tagen aufgenommen. Es gab einen dritten Tag, aber an dem haben wir nur einen Trio-Song aufgenommen und ein bisschen Reamping gemacht.
Produziert hat Julians Frau Margaret Glasby. Wie sah ihre Rolle aus?
Frisell: Sie ist eine tolle Sängerin, Songwriterin, Gitarristin und Musikerin. Sie war sehr sensibel für meine Rolle. Sie hat einen guten Sinn für die Struktur eines Songs, wo es Spannung und Auflösung gibt, und die allgemeine Form von Dingen. Wir haben sehr frei über die Musik gesprochen, ohne jemandem direkt zu sagen, was er tun muss. Jeder hatte einen gleichberechtigten Anteil an der Diskussion, wie ein Song Form annehmen sollte.
Lage: Eigentlich sehr traditionell. Bei der Aufnahme war Margaret dafür verantwortlich zu sagen, ob wir den richtigen Take hatten oder noch einen machen mussten, ob wir die Coda lieber rausnehmen oder einen Abschnitt ausweiten. Sie hat die Produktion geleitet. Margaret ist einer meinen engsten musikalischen Partner in den letzten 15 Jahren. Ich vertraue ihr sehr und es ist sehr hilfreich ihren Blick zu haben, auch bei der Vorbereitung. Wir gehen die Musik durch und entscheiden, was sich stark anfühlt und was man eher weglassen kann.
Habt ihr viele Takes der einzelnen Songs aufgenommen?
Frisell: Wir haben ziemlich viel in kurzer Zeit gemacht. Meistens waren es ein oder zwei Takes, glaube ich. Tut mir leid, dass meine Erinnerung so schlecht ist. Aber Musik passiert im Moment und dann gehst du weiter zu etwas anderem und dann wieder zu etwas anderem, selbst innerhalb eines Tages. Und am nächsten Tag mache ich wieder etwas anderes, da fällt es manchmal schwer sich an alle Kleinigkeiten zu erinnern.
Lage: Bei manchen Stücken haben wir vier Takes gebraucht, um es hinzukriegen. Da wir nur ein paar Tage Zeit hatten, mussten wir schnell sein.
Im Gegensatz zu vielen anderen Zwei-Gitarren-Alben gibt es keine Duelle oder den Austausch von schnellen Licks. Habt ihr das so vereinbart?
Frisell: Ich denke, das passiert ganz natürlich. Es gab viel Interaktion, aber es ist kein Wettbewerb: Mal sehen, wer schneller spielen kann, und dann spiele ich noch schneller. (lacht) Es ist das Gegenteil davon. Es geht um einen gemeinsamen Sound, es klingen zu lassen wie eine gigantische Gitarre. (lacht)
Lage: Ich glaube, das Ziel war es, dem Song gerecht zu werden. Wenn der Song viel Interaktion brauchte, haben wir es gemacht, wenn er dadurch eher verdeckt wurde, haben wir es gelassen. Es ging darum, die Songs gut klingen zu lassen und nicht um dieses Duell-Ding.
Wir haben ein Duett auf dem Album (‚This World‘) und das ist ein cooler Schnappschuss, wie wir interagieren, um die Geschichte des Songs zu erzählen.
Ihr habt beide großen Respekt vor der amerikanischen Musiktradition und mögt Stile wie Folk, Blues, Surf und Rockabilly genauso wie Jazz. Ist das etwas, was euch verbindet? Nicht jeder Jazzer mag Surf oder Rockabilly …
Frisell: Julian ist so offen für alle Arten von Musik und auch ich liebe alle Arten von Musik, das haben wir gemeinsam. Du kannst seine Aufregung und seinen Enthusiasmus spüren, wenn er etwas Neues entdeckt. Er schaut sich immer um. Ich liebe das, ich will genauso aufgeregt sein.
Lage: Bill und ich lieben beide die elektrische Gitarre, und das schließt alle Genres ein, die du erwähnt hast. Das ist Teil unserer Ausbildung und Faszination. Bill und mich verbindet auch eine Neugier, die Grenzen zwischen diesen Stilen zu verwischen. Es ist nicht einfach nur Jazz oder Surfrock oder was auch immer. Es ist eine moderne Konzeption der Geschichte der elektrischen Gitarre.
Vereinfacht diese Verbindung zur Roots-Musik das gemeinsame Musikmachen?
Lage: Es kommt darauf an, was man macht. Mit Bill ist es für mich vor allem so einfach wegen der Art, wie er zuhört, seiner Empfindsamkeit und Interaktion. Das ist unabhängig vom Stil, es ist einfach die Art, wie er als Person und Musiker ist. Egal, ob man einen traditionellen Country-Song spielt, einen Jazz-Song oder eine freie Improvisation wie ‚Let Everyone Sing‘ von ‚The Layers‘.
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