Die Fantastischen Vier: Gitarrist Markus Birkle im Interview
von Marian Menge, Artikel aus dem Archiv
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Die Fanta 4 haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten ja nicht unbedingt als großartige Gitarren-Band hervorgetan. Von ein paar wenigen Nummern abgesehen, spielt die Sechssaitige in ihrer Musik sogar eine untergeordnete Rolle. Und trotzdem leisten sich die vier Urväter des deutschen HipHop für ihre Live-Konzerte mit Markus Birkle einen hervorragenden, kreativen und umtriebigen Gitarristen.
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Und – so zeigte sich beim Abschlusskonzert der aktuellen Tour in Köln – sie lassen ihn in jedem Song mitspielen. Mehr noch: Bei vielen Liedern ist der ebenfalls aus Stuttgart stammende Markus Birkle eine tragende Säule des Gesamt-Sounds der Band und fügt sich dabei perfekt in die Grooves ein, ohne sich in den Vordergrund zu drängeln. Mal legt er mit Delay angereicherte Akkorde, mal spielt er kurze Refrain Melodien, dann wieder platziert er eher jazzig anmutende Licks oder sorgt einfach nur zum richtigen Moment für die richtigen Farben. Und ganz am Ende des Konzerts bekommt er sogar den Raum für ein ausgedehntes JimmyPage-Gedächtnissolo.
Dass er all das kann, ist eine logische Konsequenz seines musikalischen Werdegangs. Mit Rock der 60er- und 70er-Jahre fing es an, dann kam ein Jazz-Studium in Mannheim dazu. Seitdem und währenddessen tobt er sich in den unterschiedlichsten musikalischen Kontexten aus, macht elektronischen Jazz mit seinem Trio Netzer, spielt AlternativeRock bei Everything But Giants, macht Theater- und Filmmusik, arbeitet als Gitarrendozent an der Berufsfachschule Krumbach, arrangiert, komponiert und produziert.
Zuletzt baute er sich zusammen mit Jürgen Kirschner (Cotton Musical Supply) in Stuttgart ein eigenes Studio
Interview
Markus, würdest du dich, wie häufig zu lesen, selbst als „Fanta-4-Gitarrist“ bezeichnen oder eher als Gitarrist, der eben bei den Fantastischen Vier spielt?
Markus Birkle: Ich würde mich auf jeden Fall als Fanta-4-Gitarrist bezeichnen, da das ein wichtiger Teil meines musikalischen Lebens ist. Aber eben auch nur ein Teil. Ich schätze es sehr, bei Fanta 4 zu spielen und schätze es genauso, dass ich Zeit für andere Dinge habe. Ich bin mit ganz viel Leidenschaft dabei, aber es gibt eine Menge anderer Bereiche, die mich interessieren und in denen ich gerne arbeite.
Wie bist du überhaupt in die Band gekommen?
Markus Birkle: Ich bin Stuttgarter, und damals, vor 17 Jahren, waren die Fantas selbst noch alle in Stuttgart. Ich hatte unter anderem zusammen mit Flo Dauner und Markus Kössler, also dem Schlagzeuger und dem Bassisten der Fantas eine Band namens Orbit Experience. In der Zeit hatten die Fantas die Idee für das MTV-Unplugged-Album. Das war damals noch etwas ganz Großes, auch für uns Musiker. Dafür brauchten sie noch einen Gitarristen und Flo und Markus, die schon bei ihnen spielten, haben mich empfohlen und ohne mein Wissen die Fantas zu einem Gig eingeladen. Danach haben sie mich gefragt, ob ich mitmachen wolle. Daraus sind inzwischen 17 Jahre geworden. Und diese Band hat sich personell in der ganzen Zeit überhaupt nicht verändert. Auch bei der Crew gibt es viele, die von Anfang an dabei sind. 17 Jahre lang mit den gleichen Leuten musizieren zu dürfen, ist für mich ein großes Geschenk.
Bild: Sony Music, Marian Menge
Bild: Sony Music, Marian Menge
Inwiefern?
Markus Birkle: Na ja, was ich am Musizieren sehr interessant finde, ist, dass es mit Kommunikation zu tun hat. Du lernst dich musikalisch kennen und musst gemeinsam einen Weg finden, einen Song gut klingen zu lassen. Und was dabei passiert, ist total spannend: Wie man als Gruppe wächst, wie man die Stärken und Schwächen des anderen kennenlernt. Eine interessante Erkenntnis für mich war, dass sich eine richtig gute Band dadurch auszeichnet, wie gut sie mit Fehlern umgehen kann. Wobei der Begriff „Fehler“ schon sehr wertend ist, man könnte es auch „Momente, die nicht vorhergesehen sind“ nennen. Das zeichnet eine Band aus: Wie reagiert sie, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert?
Spielt ihr alle Songs auf Click?
Markus Birkle: Bis auf einen oder zwei ja, und das hat verschiedene Gründe: Zum einen legt And.Y sehr großen Wert auf bestimmte Sounds, die er gerne selbst abfeuert. Zum anderen ist die ganze Musik ja sehr loopig angelegt und hat eine Geradlinigkeit, die sich mit dem Click gut verträgt. Allerdings würde das nicht funktionieren, wenn die Band nicht so gut zum Click spielen könnte. Der Click ist ja nur ein Hilfsmittel, das das Publikum nicht hört. Es reicht nicht aus, nur am Click zu kleben, sondern es geht um das Zusammenspiel der Band. Bei der Musik der Fantastischen Vier ist der Rhythmus immer im Zentrum und da geht es um Details: Empfinde ich einen Song eher als schwer oder nicht? Gibt es Instrumente, die vom Timing her ein bisschen versetzt sind? Da ist von unfassbarem Vorteil, gut eingespielt zu sein. Wir haben zusammen hart an unserem Micro-Timing gearbeitet und dadurch habe ich unglaublich viel gelernt, was das Thema Groove angeht. Die Gitarre steht ja bei den wenigsten Songs im Vordergrund. Aber ich habe gelernt, diese kleinen Parts mit einer Portion Demut anzunehmen und zum Teil des Gesamtklangs zu werden und dafür auch in Sachen Sound, Rhythmus und Phrasierung alles zu tun.
Wenn man sich anschaut, wo du musikalisch herkommst, nämlich gleichermaßen aus Jazz und Rock, dann scheint das für die Fantastischen Vier wie die Faust aufs Auge zu passen.
Markus Birkle: Ja, das stimmt. Ich habe in Mannheim Jazz und Popularmusik studiert, als es dort noch keinen Pop-Studiengang gab. Das war sehr wichtig für mich, auch wenn ich parallel schon richtig gut zu tun hatte und mich nicht zu 100 Prozent auf das Studium einlassen konnte. Aber ich habe mitgenommen was ich konnte und das war viel. Ich hatte tolle Lehrer, habe mich viel mit Harmonielehre beschäftigt, aber auch Zusammenspiel und Rhythmik waren ganz wichtige Themen.
Hast du Jazz studiert, weil es nichts anderes gab oder weil dich Jazz wirklich interessiert hat?
Markus Birkle: Mich hat einerseits Jazz interessiert, andererseits wollte ichmir eine Zeit nehmen, in der ich für mich festlege, vier Jahre lang so viel wie möglich zu üben. Ich möchte auf diesem Instrument frei sein. Ich möchte das Gefühl haben, dass ich wirklich das spielen kann, was mir in den Sinn kommt und das umsetzen, was ich in mir höre. Ich hatte beim Studium auch den Vorteil, dass ich relativ spät studiert habe und nicht schon als junger Typ, der noch beeinflussbar ist. Ich wusste also schon, was ich brauche und was nicht.
Bild: Sony Music, Marian Menge
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Bild: Sony Music, Marian Menge
Unter den Einflüssen, die du auf deiner Website nennst, findet man Klassiker wie Hendrix und Led Zeppelin und viel Jazz. Was man bei einem Gitarristen Jahrgang ‘68 vermisst, sind die 80er-Jahre mit ihren ganzen Rock-Gitarrenvirtuosen.
Markus Birkle: Danke! Meine erste Platte war das weiße Album von den Beatles und dann kam Deep Purple ,Made In Japan’. Das war toll. Ich habe ja das Glück, in einer Zeit geboren zu sein, in der es nur um die Musik ging, wenn man Musik gehört hat. Heute kommt da ja so viel dazu. Zum einen das Visuelle, denn du hast immer ein Video zur Musik und eine Vermarktungsstrategie. Zum anderen Social Media, wo zusätzlich deine ganze Persönlichkeit dargestellt wird. Das ist großartig, aber auch ganz schön komplex und schwierig. Früher hatte ich diese eine Platte und habe die dann zwei Monate lang ausschließlich gehört. Ich hatte nur ein inneres Bild davon, was da passiert. Ich wusste nicht, wie die aussahen, sondern habe nur ihre Musik gehört. Genauso war es mit Jimi Hendrix, Led Zeppelin oder Miles Davis. Und was die 80er-Jahre mit ihren ganzen Virtuosen angeht: Das ist an mir vorbeigegangen. Ich respektiere das und höre es auch ab und zu, aber es ist nicht das, wonach ich suche. Die 80er haben allerdings andere tolle Sachen hervor- und auf den Weg gebracht, vor allem was elektronische oder programmierte Musik betrifft. Ich bin großer Fan von David Bowie, finde Prince großartig und mag die Kraftwerk-Sachen. Die 80er waren sehr wichtig für meine musikalische Entwicklung, aber in Sachen Rockmusik sind mir die 60er und 70er näher. Und dann kamen ja die 90er mit Nirvana oder englischen Bands wie Oasis, Blur und vor allem Radiohead. Die haben für mich den gleichen Stellenwert wie die Beatles, sowohl kompositorisch als auch was ihre Bühnenpräsenz angeht.
Was machst du musikalisch abseits der Fantastischen Vier?
Markus Birkle: Da ich gerne spiele, probe und an Songs arbeite, habe ich immer in verschiedenen Bands gespielt und werde das auch in Zukunft tun. Was mich neben den Fantas schon ganz lange begleitet, ist ein Trio, das musikalisch und inhaltlich völlig anders ist. Netzer heißt es und ist geprägt von drei ganz starken Individuen, die zusammen Musik machen und ihre musikalischen Vorlieben und sich selbst in die Musik einbringen. Und so klingt es auch. Das kannman in keine Stilistik einordnen. Wir machen gemeinsam Musik ohne zu überlegen, wohin das ganze gehen muss. Das schätze ich sehr. Wenn wir zusammen spielen, ist das so, als wenn man sich mit einem guten Freund trifft. Es muss nicht viel gesprochen werden, um zu verstehen was der andere sagen will. Unsere letzte Platte ist von 2008, aber wir werden in diesem Jahr noch eine neue aufnehmen und Ende des Jahres auch sicher ein wenig touren.
Ist so eine Band der Luxus, den du dir leisten kannst, dadurch dass du bei den Fantas spielst und damit dein Geld verdienst?
Markus Birkle: Das hat sicherlich damit zu tun, ich würde es aber auch machen, wenn ich finanziell nicht schon zu einem großen Teil über die Fantas abgesichert wäre. Das ist für mich alternativlos. Ich muss mich als Musiker selbst finden, ich muss auf der Suche bleiben. Ich muss schauen, wo die Zukunft der Musik liegt. Auch wenn ich da womöglich nie hinkomme.
Meinst du mit „Zukunft der Musik“ deinen eigenen musikalischen Weg oder generell die Entwicklung der Musiklandschaft?
Markus Birkle: Beides. Das hat etwas mit mir, aber auch mit der Musikwelt zu tun. Wir haben eine unfassbar tolle Musikhistorie und es gibt viele sensationelle Künstler. Allein damit kann man sich ein ganzes Leben lang beschäftigen. Für mich ist es wichtig, mich damit auseinanderzusetzen, aber es geht auch darum, was im Jetzt und in der Zukunft passiert. Ich möchte nicht so größenwahnsinnig sein zu behaupten, ich würde etwas ganz Neues machen, aber ich möchte es zumindest versuchen. Ich möchte auf der Suche sein. Der eigentliche Luxus daran ist, dass ich die Musiker dafür habe.
Aber auch, dass du eine Band haben kannst, bei der es egal ist, wie viel Geld du damit machst…
Markus Birkle: Ja, natürlich. Aber ich hatte diese Band auch schon, als ich 5000 Euro Minus auf dem Konto hatte. Deswegen bin ich auch der, der ich bin. Denn sind wir mal ehrlich: Für einen jungen Musiker, der noch nicht so unglaublich gut spielt, aber vielleicht Talent hat und noch ganz viel lernen muss, sind finanzielle Aspekte wirklich nebensächlich. Die Leidenschaft zur Musik ist viel wichtiger.
Wie siehst du selbst deine musikalische Entwicklung? Inwiefern hat sich deine Art, wie du bei den Fantas spielst, in den 17 Jahren verändert?
Markus Birkle: Auf eine Art steckt, auch wenn du noch am Anfang stehst, schon alles in dir, aber du bist natürlich viel mehr auf der Suche. Inzwischen bin ich viel freier und habe auch den Mut mich einzubringen und das Selbstvertrauen zu wissen, dass es gut ist, was ich mache. Was ich in den Jahren gewonnen habe, sind ganz viele Einflüsse: Das große Glück mit tollen Musikern gespielt und daraus etwas mitgenommen zu haben. Das große Glück viel geübt und Musik gehört zu haben. Und sich als Persönlichkeit entwickelt und Freunde, eine Beziehung, Kinder zu haben. Das spielt da ja alles mit rein.
Equipment
Uli Rummel, Guitar-Tech von Markus Birkle, sagt über seinen Arbeitgeber: „Das Schöne bei Markus ist, dass er versucht, alle Sounds, die er bei den Fantas braucht, über die Wahl seiner Gitarren zu erzeugen.“ Und so hat Birkle für die 26 Songs im Set sechs Gitarren und eine E-Sitar im Gepäck:
1960er Fender Jazzmaster blonde
1965er Fender Custom Telecaster mit Cryo-Reitern von George Forester Guitars
1971er Fender Telecaster blonde
2006er Gibson Les Paul Special Custom Shop
1982er Gibson Les Paul
1979er Greco Super Real LP, Made in Japan
Mitt-90er Jerry Jones Electric Sitar
Die Gitarren sind alle mit .010er-Saiten von Elixir bespannt. Gespielt werden sie mit Galli-Plektren. Bei den Amps setzt Markus Birkle ebenfalls auf die Klangeigenschaften der beiden verdientesten Firmen auf diesem Gebiet, Marshall und Fender. Allerdings verwendet er Nachbauten aus dem Hause Audio Amp Co. Auf der einen Seite benutzt er den Tweed- und den Blackface Kanal eines Audio Amp Co. Black ,n’ Tweed, auf der anderen die beiden Kanäle des Nachbaus eines 18W 1965er Marshall Plexi mit 2×12“-Box.
Bild: Sony Music, Marian Menge
Bild: Sony Music, Marian Menge
Markus Birkles Effektboard sieht auf den ersten Blick etwas umfangreicher aus, als es eigentlich ist. Auffallend ist die hohe Präsenz an Lehle-Switchern, die statt eines großen Loopers zum Einsatz kommen: „Das Zeug gab es ja schon bevor es programmierbare Looper gab. Burkhard ist ein Innovator und ein guter Freund. Seine Sachen sind wahnsinnig stabil, unglaublich verlässlich und denkbar simpel. Und sie klingen hammermäßig, da knackst nichts. Seine Produkte sind einfach kompromisslos und das mag ich. Die Auswahl der Effektgeräte hat sich über die Jahre immer wieder verändert. Ich bin leidenschaftlicher Sammler alter Stompboxen. Wobei das, was ich momentan auf dem Board habe, schon relativ lange unverändert geblieben ist, weil es für die Fantas einfach gut funktioniert. Ich würde da keine gravierenden Änderungen vornehmen, weil mir wichtig ist, einen Sound zu haben, der mich ausmacht und der zu mir passt. Zwar gibt es da eine permanente Entwicklung, aber ich komme dem, was ich suche, immer näher.“
Die verwendeten Geräte sind mit Kabeln von Sommer Cable verbunden und lauten im einzelnen: Obere Reihe (v.l.n.r.): 2x Lehle Dual SGoS, Jam Pedals Delay Llama, Eventide H9 Harmonizer, Maxon AD999 Analog Delay, Fulltone Supa-Trem, TC Electronic SCF, Maxon PH-350 Rotary Phaser, Boss TU-3 Tuner, Lehle Parallel L Line Mixer (WahWah).
Untere Reihe (v.l.n.r.): Lehle Parallel L Line Mixer (H9), 3x Lehle D.Loop SGoS, Maxon OD808 Overdrive, Diamond Fireburst Fuzz, Jam Pedals Rattler Overdrive, Chase Tone Wah
Markus ist meiner sehr bescheidenen Meinung nach nicht nur einer der besten Gitarristen in D, sondern könnte auch ein paar der Koryphäen an der Gitarre das Wasser reichen – wenn er Lust darauf hat. Und dass er trotzdem in seinem ganzen Auftritt – sowohl live als auch in Interviews oder privat den Ball so flach spielt zeichnet ihn als Mensch unglaublich aus. Anders ausgedrückt: der Knabe is ne echt coole Socke!
Ein cooler Klampfer, der sich auch sehr zurücknehmen kann!
Markus ist meiner sehr bescheidenen Meinung nach nicht nur einer der besten Gitarristen in D, sondern könnte auch ein paar der Koryphäen an der Gitarre das Wasser reichen – wenn er Lust darauf hat. Und dass er trotzdem in seinem ganzen Auftritt – sowohl live als auch in Interviews oder privat den Ball so flach spielt zeichnet ihn als Mensch unglaublich aus. Anders ausgedrückt: der Knabe is ne echt coole Socke!