Im Interview

Devin Townsend: Ultimative Revolution

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(Bild: Paul Harries)

Nach Jahren des Hochgeschwindigkeits-Metals legt der Prog-Guru mit ‚Lightwork‘ nun ein strahlendes Album voll beruhigender Schönheit und Positivität vor. Statt zu härteren Registern zu greifen, streift Townsend hier und da sogar die Grenze zum Kitsch. Im Gespräch mit uns spricht der Kanadier auf sehr persönliche Weise über die 80er-Pop-Einflüsse des Albums, seine Vorliebe für Modelling-Sounds und warum es zu einfach wäre, in diesen Zeiten ein trauriges Album zu schreiben.

INTERVIEW

Devin, du sagst über ‚Lightwork‘, es sei mehr Tears For Fears als Metallica. Was hat zu dieser Evolution geführt?

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Ich denke, alles ist eine Reaktion auf das, was vorher kam. Und vielleicht dem Fakt geschuldet, dass die Pandemie viele von uns so lange zur Isolation zwang, dass man anfing, auf einem gewissen Level unweigerlich über seine Vergangenheit nachzudenken. Ich zumindest tat das. Und ich habe realisiert, dass viele meiner früheren, prägenden Jahre an Musik, mit 80s-Pop verbunden waren. Es gab gewisse Bands aus dieser Ära, die ich für sehr interessant hielt: Tears For Fears, Eurythmics und sehr viele andere. Ich plane ein Album nicht wirklich und arbeite immer mit dem, was ich gerade spannend finde. Dann ist das einfach so passiert. In gewissem Sinne war meine Verbindung zu 80s-Pop auch etwas, woran ich viele Jahre lang nicht gedacht hatte.

Die schöne Leichtherzigkeit von ‚Lightwork‘ klingt leider so unpassend in Zeiten, in denen eine Krise der nächsten folgt. Wie schaffst du es, trotzdem diese Musik zu schreiben?

Ein Teil von mir findet, dass das die ultimativste Rebellion ist, die ich machen kann. (lacht) Für mich wäre es zu einfach, etwas zu erschaffen, das schmerzerfüllt ist. Weil ich in vielerlei Hinsicht davon umgeben war. Ich lehnte es allerdings ab, diese Dunkelheit, die überall ist, als etwas zu akzeptieren, mit dem ich jede Minute jedes Tages leben muss. Besonders für mich an diesem Punkt, mit der Anzahl an Leuten um mich herum, die leiden, hielt ich es für das Beste, was ich für sie und für mich tun konnte, bewusst etwas aus einem anderen Blickwinkel zu erschaffen. Damit ich in dieser Phase stark bleibe. Positiv zu bleiben hat viel Kraft gekostet, um ehrlich zu sein, aber es fühlte sich wie ein Investment in meine Zukunft an.

Wie passt in diese Dunkelheit der Leuchtturm auf deinem Album-Cover?

Wenn man das als Analogie nimmt: Die Schiffe würden ohne ihn an die Küste krachen. Der Leuchtturm ist da, um sie zu leiten. Und in diesem Sinne hatte ich das Gefühl, ich war das Schiff und der Leuchtturm war die Musik. In dieser Zeit wurde mir bewusst, dass es mir durch das Fokussieren auf dieses Album half, nicht an dieser Küste zu zerbrechen.

Ich bekam beim Hören des Albums immer wieder Musical-Vibes. Du arbeitest parallel auch an deinem eigenen Musical ‚The Moth‘. Was gefällt dir so sehr an diesem Sound?

Ich bin damit aufgewachsen, das ist ein großer Teil von mir. Aber was das Verblüffende daran ist: Oft ist die Musik wirklich clever. Wenn du dir ‚West Side Story‘ von Leonard Bernstein anhörst, kannst du das Konzept von zwei Gangs annehmen oder es außen vor lassen – vieles davon ist auch sehr cringy, der Text, das Overacting. Aber die eigentliche Musik ist faszinierend! Als Kind hinterließ das einen großen Eindruck bei mir, weil das so ein breiter Schlag an Emotionen ist: Fröhlich! Traurig! Es ist so groß, dass Kinder es verstehen können. Und weil ich mit meiner Familie so viele Musicals geguckt habe, wurde es einfach Teil meiner DNA.

Welche Gitarren hast du auf dem Album gespielt?

Ein paar mehr als sonst. Die Haupt-Gitarre war die Stormbender, die ich mit Framus designt habe. Wir haben eine Korpusform entwickelt und sie mit den Transcendence-Pickups kombiniert, die ich mit Fishman entworfen habe (Fishman Fluence Devin Townsend Signature, Anm. d. Aut.). Und obwohl es eher nach einem merkwürdigen, Skulptur-ähnlichen Strat-Style-Korpus aussieht, gleicht die Konstruktion einer Les Paul. Also ein geleimter Hals, Mahagoni-Body, Ahorn-Top. Die Gitarre, die ich benutzt habe, hatte sogar einen Teil Koa auf der Decke. Sie hat eine 25“-Mensur, weil ich in C spiele. Damit habe ich den Großteil des Albums aufgenommen. Dazu habe ich eine Aristides-Tele genommen, die sie mir geschickt haben. Auch mit meinen Pickups drin. Alle haben eine Evertune-Bridge, was mir sehr wichtig ist. Und mein Produzent Garth („GGGarth“ Richardson, Anm. d. Aut.) hat eine PRS, die wir auch manchmal eingesetzt haben. Außerdem habe ich für viele Soli eine Sadowsky-Telecaster verwendet.

Wie unterscheiden sich diese Gitarren? Die Aristides ist nicht aus Holz gebaut.

Die Aristides ist wirklich aus dem gleichen Zeug, aus dem man Küchentische herstellt. Irgendein komisches Stoffgemisch, absolut großartig. Sie hat diesen wunderschön geformten Absatz am Halsübergang. Jede Gitarre hat einen sehr speziellen Sound: Die Aristides ist etwas aggressiver, aber sie gefällt mir hinter dem VII. Bund nicht mehr so gut. Die Framus ist etwas weicher und über das gesamte Griffbrett sehr konsistent, aber immer noch eine hart klingende Gitarre. Die PRS haben wir nur für das Ende eines Songs benutzt. Und die Sadowsky-Tele, mit der ich den Solokram gespielt habe, ist einfach nur fantastisch gebaut. Wunderschön. Sie hat eine gewisse singende Qualität. Also für alles, was irgendwie lyrisch klingen soll, benutze ich die.

Hast du auch Bass gespielt?

Ja, den überwiegenden Teil des Albums. Ich habe einen Sadowsky-Fünfsaiter, einen modernen mit 24 Bünden, der unglaublich ist. Und ich glaube, ein großer Teil des guten Klangs, hat mit dem Hals zu tun. Er hat einen etwas helleren Klang durch das Ahorn und ein wunderbares Low-End. Ich habe aber auch einen Sandberg-Bass, wie ein Precision, den sie mir auf einer NAMM Show gegeben haben. Er hat eine Jazz- und Precision-Pickup-Kombination und ist großartig. Durch die vier Saiten hat er nicht so viel Low-End, aber er ist sehr ausgewogen. Und für alles, was nach Aliens klingt oder wenn ich nach einer Subfrequenz suche und nicht nach Attack, benutze ich einen Zon-Bass, weil der siebentausend Pfund wiegt und das Sustain ewig anhält. Mit einem Pick klingt er etwas komisch, aber wenn man ihn mit den Fingern spielt, hat er wahnsinnig viel Low-End. Diese drei Bässe habe ich verwendet. Und mein Freund Nathan Navarro hat auf ein paar Songs gespielt. Er war in meiner Band und spielt jetzt für Porcupine Tree.

(Bild: Paul Harries)

Wie sah es mit Amps aus? Du hast früher gerne dein Axe-FX benutzt.

Garth wollte wirklich, dass ich echte Amps einsetze. Also haben wir ein paar ausprobiert, die mir nicht gefallen haben. (lacht) Dann habe ich einfach wieder das Fractal benutzt, denn das mag ich einfach. Und das hat auch einen Grund. Es ist witzig: Ich denke, manche Leute bestehen darauf, dass du neue Dinge ausprobierst. Damit du dich in eine andere Richtung bewegst. Aber wenn es für mich nicht gut klingt, werde ich bestimmte Dinge nicht machen, nur damit es sich anders anfühlt. Ich mag den Sound des Fractals wirklich. Es gibt richtige Amps, die wirklich toll klingen: Wir haben einen Vox AC30 für manche Clean-Parts benutzt, einen LA Custom und einen Dual Rectifier. Es ist wirklich nicht der Sound, die Dicke, der Druck, was mir gefällt, sondern das Gefühl des Crunches. Ich habe den digitalen Crunch immer zu schätzen gewusst.

Auch, als ich damals in den 80ern noch echte Amps benutzt habe, spielte ich einen alten Ampeg-Solid-State-Amp. Weil der für mich futuristisch klang. Als ich dann also mein Axe-FX hatte, oder das Helix, liebte ich es. Was ich schreibe, ist oft groß orchestriert: Chöre, Orchester, Synths, Loops. Das mag ich einfach. Ein echter Amp nimmt aber so viel vom Frequenzspektrum ein. Damit also alles im Mix funktioniert, muss man viel herausfiltern, bis zu dem Punkt, an dem alles, was davon übrig bleibt, der Bereich zwischen 250 und 3000 Hertz ist. Und das ist nicht das, was einen echten Amp so toll klingen lässt. Mit dem digitalen Kram habe ich das Gefühl, dass ich einen größeren Sound in kleinerem Spektrum erreichen kann. Ich kann also viel der Frequenzen entfernen, aber trotzdem den vollständigen Gitarrensound behalten.

Hast du favorisierte Amp-Modelle auf dem Axe-FX?

Größtenteils Diezel Herbert MKIII. Es hat meine eigene Box als IR drin. Die habe ich mit Garth gemacht. Das benutze ich seit etwa fünf Jahren. Dazu einen Marshall für den dreckigen Sound und einen Fender für den Clean-Sound. Davor habe ich so etwas wie einen Dual Rectifier mit vorgeschaltetem Clean-Boost verwendet.

Bei all diesen Optionen benutzt du fast nur einen Amp?

Ich bin immer auf der Suche nach einem sehr speziellen Sound, den ich durch vielerlei Wege erreichen kann. Ich bleibe gerne bei diesem einen Modell, denn die vielen Optionen machen mich manchmal verrückt. Oft wird uns gesagt, dass wir experimentieren müssen. Dann denke ich immer: Ja, aber ich weiß, was ich will. All diese Optionen verlangsamen das. Für mich geht es bei einem Album auch nicht um den Gitarrensound oder die Boxen. Es geht um das Ziel. Und für mich ist das Ziel, mich vorwärts zu bewegen. In Pro Tools habe ich nur zwei Delays, die zum Einsatz kommen. Zwei Kompressoren, zwei Reverbs. Natürlich habe ich 400 verschiedene Kompressoren und Delays zur Auswahl.

Oft arbeite ich dann mit Leuten, die damit experimentieren wollen und manchmal experimentiere ich auch sehr gerne. Aber oft denke ich: Mann, ich will nur „ding, ding, ding, ding…“ (ahmt Delay-Fahne nach, Anm. d. Aut.). Verstehst du? Mit Toningenieuren war es manchmal so, dass ich sagte: „Ich habe eine Idee, gib mir mal ein Delay auf meine Gitarre.“ Dann fragen die mich: „Welche Art von Delay willst du denn?“ „Nimm einfach irgendeins, einfach ein Delay. 300ms, 60 Prozent Feedback, High- und Low-Cut.“ „Okay warte kurz. Wir haben das Ocean Delay, wir haben dieses blablabla-Delay, wir haben dieses Bucket-Brigade-Delay.“ Fuck! Ich will einfach ein Delay. (lacht). Vielleicht ist das meine zielorientierte Art, vielleicht ist das Teil meiner Reise. Ich habe aber auch das Gefühl, dass ich damit okay bin. Also ja: Ich verwende nur einen Amp.

EQUIPMENT

GITARREN
● Framus Stormbender
● Aristides T/0
● Sadowsky T-Style

BÄSSE
● Sadowsky 5-String
● Sandberg P-Style
● Zon Bass AMPS
● Fractal Audio Axe-FX
● Vox AC30
● Mesa Boogie Dual Rectifier

DAW
● Avid Pro Tools

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

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