„Für mich sind Gitarren bis heute nichts anderes als Werkzeuge, die sich jederzeit ersetzen lassen.“
Der Gesegnete: Albert Hammond im Interview
von Marcel Anders, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: EW)
Hand auf Herz: Verfügt Albert Hammond über eine große Gitarrensammlung? Schließlich hast du deine Karriere bereits 1960 begonnen – da sollte sich über die Jahre einiges angesammelt haben.
Meine erste elektrische Gitarre war eine Höfner, die aussah wie eine Fender. Sie war rot. Und mit ihr habe ich in Gibraltar eine Gruppe namens The Diamond Boys gegründet. Wir fingen 1960/61 an, Rock’n’Roll in Spanien zu spielen. Das war damals eine große Sachen, die es noch nicht gab, weil Franco es nicht erlaubt hat. Aber wir haben es trotzdem getan – und waren Teil der ersten Rock’n’Roll-Bewegung in Madrid.
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Und mehr als die Höfner hast du nicht gebraucht?
Jedenfalls nicht, bis ich 1966 nach London gezogen bin. Dort habe ich mir eine Epiphone zugelegt. Aber richtig viele Gitarren sind es erst in den letzten Jahren geworden: Ich habe 12 oder 13, die sich in meinem Haus in Los Angeles befinden. Dann habe ich noch etwa zehn in Gibraltar – wo ich wohne, wenn ich in Europa bin. Und die Wertvollste stammt von einem Typen aus LA. Er brauchte dringend Geld und bot mir diese Martin D-18 aus den 50er-Jahren an. Die spiele ich immer noch und sie muss einiges wert sein. Nur: Das ist mir nicht wichtig. Oder anders formuliert: Was sie wirklich wertvoll macht, ist, dass ich ein paar Hits darauf geschrieben habe. (lacht)
Wobei aber auch niemand erwartet hätte, dass Gitarren mal eine solche Wertsteigerung erleben. Wurden sie in den 60ern und 70ern gestohlen oder beschädigt, hat man sich halt eine neue zugelegt. So etwas wie Sammlerstücke scheint es damals nicht gegeben zu haben.
Stimmt. Und für mich sind sie bis heute nichts anderes als Werkzeuge, die sich jederzeit ersetzen lassen. Sprich: Sie haben keinen besonderen Wert für mich – weder ideologisch noch materiell. Deshalb nehme ich auch jede meiner Gitarren mit auf Tour – selbst die teuren Modelle. Einfach, weil ich denke: „Wie lange werde ich noch leben?“ Ich will das, was ich habe, auch nutzen. Ich will kein Museum in meinem Haus – ich will in der Lage sein, alles zu spielen, worauf ich Lust habe. Von daher ist es mir nicht so wichtig, was eine Gitarre wert ist, sondern in erster Linie: Kann ich sie benutzen?
Bild: Albert Hammond
Fender Telecaster
Bild: Albert Hammond
Duesenberg Alliance Series
Bild: Albert Hammond
Yamaha LL36
Bild: Albert Hammond
Yamaha Billy Sheehan Attitude Limited 3 Bass
Hast du deine allererste Gitarre noch – und wo hebst du sie auf: In einem Schrein, einem Safe, an deiner Wohnzimmerwand?
Die habe ich schon lange nicht mehr – ich musste sie verkaufen, um mir die Höfner leisten zu können. (lacht)
Am Anfang deiner langen Karriere warst du noch Teil der Folk-Szene – obwohl du Rock’n’Roll-Wurzeln hattest. Wie erklärst du diesen Widerspruch?
Weil ich in Gibraltar aufgewachsen bin und Marokko nur einen Katzensprung entfernt ist − man muss lediglich über die Meerenge. Und was ich damals gehört habe, reichte von Klassik über Flamenco, Coplas bis zu arabischer und marokkanischer Musik. Wenn ich irgendwo ein Stück oder auch nur ein paar Textzeilen auf Arabisch aufschnappte, habe ich gefragt: „Was bedeutet das?“ Meistens waren es traurige Formulierungen wie in der Country-Musik: Nämlich, dass der Hund gestorben oder die Frau durchgebrannt ist − solche Sachen. Aber dann erfuhr ich, dass mein Onkel unzählige Jukeboxen besaß, die er in Bars und Cafés aufstellte. Alle zwei Monate, wenn die neuesten Hits aus den USA nach Gibraltar kamen, wurden sie neu bestückt. Also bekam ich die alten Singles, für die es keine Verwendung mehr gab, und habe angefangen, die Songs, die mir gefielen, auf der Flamenco-Gitarre nachzuspielen. So bin ich zum Rock’n’Roll gekommen.
Angesichts deines 80. Geburtstags im Mai: Hast du eine Bucket List, also eine Aufstellung an Dingen, die du noch erleben oder erreichen möchtest? Etwa mit Jimmy Page oder Bob Dylan zu arbeiten?
Nicht wirklich. Jimmy Page hat ja auf einigen Songs meiner frühen Bands wie The Family Dog und The Magic Lanterns gespielt – damals, als er noch als Session-Musiker unterwegs war. Und John Paul Jones hat einige Arrangements übernommen. Das waren die gängigen Musiker für solche Jobs – genau wie P.J. Proby in den USA. Insofern war ich schon im Studio mit Jimmy Page – zum Beispiel im Landsdowne am Holland Park. Deshalb ist das auch nicht auf meiner Liste. Es ist nur so, dass ich nie über diese Dinge rede, weil mir das großkotzig erscheint.
Aber macht es dich nicht stolz, dass dieser Gitarrengott an deinen frühen Aufnahmen beteiligt war?
Doch schon, natürlich. Und auch in Amerika hatte ich die beste Backing-Band, die es gab – und die folgerichtig jeden begleitet hat: Die Wrecking Crew. Da konnte man nichts falsch machen – die Jungs waren fantastisch. Nehmt nur das Schlagzeug in ‚It Never Rains In Southern California‘: Das hat Jimmy Gordon eingespielt – und ich werde bis heute von jüngeren Kollegen gefragt: „Darf ich das sampeln?“ (kichert) Einfach, weil es so gut ist. Aber ich bin halt ein bisschen anders als die meisten Menschen. In dem Sinne, dass ich nicht zurückblicke. Mein Motto ist: „Was ich getan habe, habe ich getan. Jetzt muss ich nach vorne schauen.“ Ich war früher inspiriert von Buddy Holly, Johnny Cash, Elvis und den Everly Brothers – aber auch von Led Zeppelin und Procol Harum. Das sind Künstler, die mich fasziniert haben – weil mich ihre Musik an einen anderen Ort geführt hat. Heute höre ich zum Beispiel viel Melody Gardot, die für mich die neue Sade ist. Aber es ist wichtig, sich nicht auf eine Sache zu versteifen und dafür anderes auszulassen. Denn es ist doch so, dass dir jeder etwas geben kann. Man muss nur offen dafür sein.