(Bild: Sony)
In den letzten 25 Jahren haben Dave Grohl und seine Foo Fighters wirklich alles probiert: Stadion-Rock, Metal, Punk, akustische Töne, Rock-Dokumentationen, Soundtracks und Kollaborationen mit allerlei Musik-Prominenz. Das Einzige, was noch fehlt: Ein tanzbares Album.
Genau das ist das neue ,Medicine At Midnightʻ geworden und steht damit in der Tradition von ,Let‘s Danceʻ oder ,Tattoo Youʻ, von Rockmusik mit starken Grooves und poppigen Melodien also. Das ist die Spielwiese, auf der sich das kalifornische Sextett anlässlich seines aktuellen Dienstjubiläums austobt.
Das hatte sich der Ober-Foo jedoch etwas anders vorgestellt, als es sich letztlich entwickelt hat: Er wollte mit dem neuen Album auf Turnee gehen, in Stadien spielen und eine kurzweilige Doku zur Bandgeschichte der Foo Fighters veröffentlichen. Alles war minutiös geplant und ready to rock – als die Pandemie ausbrach und das Unternehmen „25. Geburtstag“ nonchalant auf Eis legte. Eine Zeit, die sich Grohl mit diversen anderen Projekten vertrieben hat. Da bietet ihm ein bisschen Fachsimpeln über neue Songs und alte Helden mit Gitarre & Bass eine weitere ebenso willkommene Abwechslung.
Dave, kann man sagen, dass Covid-19 euch die Geburtstagsparty ruiniert hat?
Es hatte wirklich etwas davon. Ich meine, wir haben vor etwa anderthalb Jahren angefangen, 2020 zu planen, d h. wir wussten, dass wir ein neues Album angehen, unseren 25. Geburtstag feiern und auf eine anderthalbjährige Welttournee gehen würden. Wir hatten alles bis ins Kleinste geplant: Vom Artwork über die LiveTermine bis zum Veröffentlichungsdatum. Doch im März kam plötzlich alles zum Stillstand, was im Grunde gar nicht so schlecht war. Schließlich hatten wir seit zehn Jahren keine Pause mehr. Die letzten Monate waren wirklich das erste Mal, dass wir wieder längere Zeit zu Hause verbracht haben.
Gleichzeitig mussten wir uns überlegen, wie wir mit der Situation umgehen, und haben uns entschieden: Das Wichtigste ist, dass die Leute die neue Musik zu hören bekommen. All die übrigen lustigen Dinge, die wir uns überlegt hatten, können dagegen warten, bis wir wieder langsam zur Normalität zurückkehren. Aber das Album, da waren wir uns einig, sollte unbedingt erscheinen. Also haben wir die Maschine nach und nach wieder hochgefahren.
Und nebenbei hast du an diversen Filmprojekten gearbeitet und dafür u.a. Brian Johnson von AC/DC interviewt. Worum ging es?
Die Brian-Johnson-Geschichte war lustig. Das war für eine Dokumentation namens ,What Drives Usʻ, die ich vor kurzem beendet habe. Es geht um Bands, die im Van touren bzw. getourt sind. Denn das ist es, was ich als Punkrock-Kid getan habe und womit ich aufgewachsen bin. Einfach, weil das die einzige Option war, die wir hatten.
Aber als ich all diese unterschiedlichen Musiker interviewt habe, musste ich feststellen, dass wir im Grunde alle dieselben Erfahrungen gemacht haben. Egal, ob Brian Johnson von AC/DC oder die Jungs von Metallica, Guns N‘ Roses, die Red Hot Chili Peppers, U2 oder wer auch immer: Sie haben alle klein angefangen. Von daher geht es in der Doku darum, was Menschen dazu inspiriert, ihr Leben wegzuwerfen, in einen klapprigen, alten Bus zu springen und ihre Musik mit der Welt zu teilen. Dafür habe ich dieses Interview mit Brian Johnson geführt – und im Gegenzug hat er mich für eines seiner Projekte interviewt. Ein Riesenspaß. Ich meine, als Teenager habe ich ihn verehrt wie einen Gott. Und das ist er auch, keine Frage.
Aber: Wenn sich zwei Musiker hinsetzen und über ihr Leben und ihre Karriere reden, sind sie immer auf einem Level – sie haben sofort eine gemeinsame Basis. Nämlich: Sie haben sich frühzeitig in den Rock‘n‘Roll verliebt, ein Instrument gelernt, eine Band gestartet und irgendwann angefangen, in einem Pub zu spielen – bis es im ersten Van zum nächsten Ort ging. Da sind wir beide aus demselben Holz. Und ich liebe Brian Johnson. Er ist ein sehr netter, extrem geerdeter Mensch, der ganz nebenbei noch ein verdammter Rock-Gott ist.
Aber er hat dich nicht eingeladen, auf dem aktuellen AC/DC-Album zu spielen?
Nein, aber das musste er auch nicht. Allein die Tatsache, dass Phil Rudd zurück ist, macht mich zur glücklichsten Person der Welt. Denn: Es gibt keinen, der so trommelt wie er. Er ist der verfluchte König des harten, soliden Rock‘n‘Roll-Drummings. Es gibt keinen, der das besser macht.
Während du dich darauf verlegst, zehnjährige Mädchen wie Nandi aus Schottland zu Schlagzeug-Wettkämpfen herauszufordern?
(lacht) Sie hat mich herausgefordert – nicht ich sie. Und ich kämpfe da quasi um mein Leben. Es ist absolut verrückt. Sie ist bereits mit zehn Jahren eine unglaubliche Schlagzeugerin und hat eine Energie und einen Spirit, die umwerfend sind. Die von echter Freude und Aufregung zeugen. Gerade in der jetzigen Zeit, da das meiste von dem, was im Internet zu sehen ist, ein bisschen deprimierend wirkt, ist es eine Wohltat, so ein zehnjähriges Energiebündel zu erleben, das die Welt auf den Kopf stellen will. Und es ist ein großer Spaß, sich darauf einzulassen. Auch, wenn sie mir gewaltig in den Hintern tritt und mich wirklich alt aussehen lässt.
Was ,Medicine At Midnightʻ betrifft: Ist das dein ,Let‘s Danceʻ? Warum so ein poppiges Album, vielleicht sogar das poppigste eurer bisherigen Karriere?
Das ist es definitiv. Und es liegt einfach daran: Als ich vor zwei Jahren anfing, über unser zehntes Album und unser 25. Jubiläum nachzudenken, stellte ich mir die Frage, was wir als Band bislang noch nicht gemacht hatten. Ich meine, wir haben über die Jahre eine große Bandbreite an Sounds und Gefühlen eingefangen. Wir haben akustische und brachiale Sachen probiert und hatten dieses wirklich breite Spektrum an Referenzen, auf das wir jederzeit zurückgreifen konnten – sofern wir das denn wollten.
Aber was wir nie gemacht haben, war so etwas wie ein Party-Album. Insofern sagte ich mir: „Statt uns mit einem netten, verschlafenen Akustik-Album ins Altenheim zurückzuziehen, lasst uns lieber etwas machen, zu dem die Leute richtig herumspringen können.“ Denn einige meiner Lieblingsalben aus den 80ern stammen von Rockbands, die tanzbare Songs gemacht haben – wie David Bowie, The Power Station oder die Rolling Stones. Da hatte ich das Gefühl, dass wir das bislang nicht mal ansatzweise ausgelotet haben – aber durchaus könnten. Nicht, dass ich jetzt sage, die Foo Fighters hätten ein Dance-Album gemacht.
Nicht?
(lacht) Das ist nicht der Fall! Und wahrscheinlich wäre das auch ein Albtraum. Es ist immer noch Rock‘n‘Roll. Das Ganze ist sehr wohl als Foo-Fighters-Album erkennbar. Aber es hat halt Tempi und Grooves, die man von dieser Gruppe so bislang noch nicht gehört hat. Und das ist eine absolut positive Sache. Es ist nicht immer dasselbe, sondern es verändert sich. Und gerade für mich als Schlagzeuger ist es wichtig, in unterschiedliche rhythmische Bereiche vorzustoßen.
Warum habt ihr ‚Medicine At Midnight‘ eigentlich nicht in deinem 606 Studio aufgenommen?
Das hat ebenfalls damit zu tun, nicht immer dasselbe machen zu wollen. Im Sinne von: Da keine Routine zu entwickeln und nicht bequem und faul zu werden. Denn wenn ich ins Studio komme, ist es wirklich so, dass ich erst einmal jeden begrüßen muss, dass ich mich mit administrativen Fragen befassen muss, also mit dem Tagesgeschäft und Sachen, die liegengeblieben sind. Bevor wir auch nur einen Ton gespielt haben, geht es schon darum, ob wir uns etwas zu essen bestellen oder erst einmal in Ruhe Kaffeetrinken und ein bisschen Quatschen sollen. Sprich: Da geht wahnsinnig viel Zeit flöten, bis wir endlich konzentriert arbeiten. Deswegen favorisiere ich mittlerweile das Unbequeme, das nicht ganz so Luxuriöse und Perfekte. Einfach, weil wir da sofort zur Sache kommen und weil jeder bemüht ist, das Ganze schnell zum Abschluss zu bringen, um möglichst bald wieder verschwinden zu können. (lacht)
Das heißt: Wo wart ihr diesmal?
Ich hatte von einem alten, leerstehenden Haus in Encino gehört. Das ist ein Ortsteil im Norden von Los Angeles, der vielleicht 20 Minuten vom Studio entfernt liegt. Und dieses Haus findet keine Mieter, weil es dort angeblich spukt, also weil da Dinge passieren, die alles andere als normal sind und Leute paranormale Erscheinungen erlebt haben wollen. Das fand ich großartig. Also einfach eine skurrile Idee, um uns alle ein bisschen zu kitzeln und halt einen besonderen, leicht verrückten Vibe zu erzielen. Wir sind dann quasi für ein paar Wochen in dieses heruntergekommene Gebäude eingezogen und haben die Räumlichkeiten als das siebte Instrument der Band verwendet. Das hat wunderbar funktioniert – gerade hinsichtlich meines Gesangs, den ich in einem Badezimmer mit viel Hall aufgenommen habe.
(Bild: Danny Clinch)
Hast du wieder alle Stücke im Alleingang geschrieben und in Demo-Form aufgenommen?
Ja, denn das ist einfach die Art, wie ich bzw. wie wir als Gruppe arbeiten. Nicht, weil ich den anderen nicht zutraue, einen Foo-Fighters-Song zu schreiben, oder dass sie da kein Interesse hätten. Aber es ist halt immer noch mein Baby, für das ich die alleinige Verantwortung trage. Ich bin es, der den Plattenvertrag unterschrieben hat, der das Geld für Aufnahmen und Tourneen vorschießt und für wirklich alles den Kopf hinhält. Insofern nehme ich mir auch das Recht heraus, da alles zu kontrollieren und die Songs genauso anzulegen, wie ich das für richtig halte. Wobei ich den anderen jedoch immer zugestehe, ihr Veto einzulegen, wenn ihnen etwas nicht gefällt oder passt. Wenn sie glauben, dass sie etwas besser machen können. Da bin ich für alle Vorschläge offen.
Hast du wieder alles auf deiner halbakustischen Gibson Trini Lopez geschrieben?
Ohne die geht es bei mir einfach nicht. Das ist meine absolute Lieblingsgitarre. Die, mit der ich am besten und einfachsten schreibe und immer die besten Ideen habe. Keine Ahnung, warum. Es ist einfach ein wunderbares Instrument. Eine echte Schönheit. Ich habe sie 1992 oder 1993 gekauft. Damals war ich noch bei Nirvana und habe sie nur mitgenommen, weil ich sie so außergewöhnlich fand. Ich meine, sie sieht aus wie eine Gibson ES-335, hat aber diese F-Löcher in Diamant-Form und einen etwas anderen Hals. Ich wusste damals rein gar nichts über Trini Lopez, aber dieses Teil verkörpert wirklich den Sound der Foo Fighters – sie ist mein Sound. Genau wie meine Gibson DG-335, meine Signature-Gitarre von 2015. Bei der habe ich etliche Sachen von der Trini Lopez übernommen und nur den Hals verändert und zwei Gibson Buzzbucker für einen etwas aggressiveren Klang hinzugefügt. Das ist eigentlich schon alles.
Beim letzten Album war Justin Timberlake als Gast dabei, um den du ein Riesengeheimnis gemacht hast. Wer ist diesmal am Start?
(lacht) Nur einer – aber er ist ein wichtiges Element auf dieser Platte. Sein Name ist Omar Hakim, ein berühmter Drummer, der mit allen, von Sting und Dire Straits über Weather Report bis David Bowie, gespielt hat – auch auf dem ,Let‘s Danceʻ-Album. Und er ist ein guter Freund der Band. Deshalb haben wir ihn gefragt, ob er Percussions und noch ein paar andere Dinge beisteuern kann – und bei diesen Grooves hat er uns sehr geholfen und beeinflusst.
Als ich mich entschied, in diese Richtung zu gehen, war er einer der ersten, die ich angerufen habe. Einfach, weil ich ihm Fragen über Bowies ,Let‘s Danceʻ stellen musste. Nach dem Motto: „Als ihr ,Modern Loveʻ aufgenommen habt – wie hat das funktioniert? Wie habt ihr das hinbekommen? Dann hat er mir all diese großartigen Bowie-Geschichten erzählt. Ansonsten hört man hier wirklich die Band und unseren Producer, Greg Kurstin, der ein verfluchtes Genie ist. Er hat die Songs auf ganz simple Weise zusammengesetzt und ganz natürlich klingen lassen.
Aus dem Stegreif: Welche fünf Songs hättest du in deiner Karriere gerne geschrieben – und warum?
Oh, es gibt viele Songs, von denen ich mir wünschte, dass ich sie geschrieben hätte. Einer davon wäre ganz klar ,Imagineʻ von John Lennon, einfach weil er so simpel und nachhaltig ist – geradezu zeitlos. Ich hätte aber auch gerne ,Highway To Hellʻ von AC/DC geschrieben, der purer Wahnsinn ist. Und ,Rock For Lightʻ von den Bad Brains – die Hymne meiner Jugend. Wofür ich alles geben würde, wäre aber, einmal einen Song wie ‚Happy Birthdayʻ zu komponieren, weil ich dann viel mehr Geld verdienen würde, als ich es gerade tue. (lacht)
Ach: Und ich wünschte, ich hätte ,Kids In Americaʻ von Kim Wilde geschrieben. Einfach, weil das ein fantastischer Song ist – und weil ich, wie jeder Punkrock-Junge, hoffnungslos in sie verliebt war. Also richtig heftig. Deswegen habe ich das Stück auch mal aufgenommen. Das war noch vor Nirvana, also 1989 oder so. Ich war im Studio von einem Freund und meinte: „Hey, lass mich das kurz einspielen.“ Für mich ist das ein absolut ikonischer Song der 80er.
Um zum Ende zu kommen: Sitzt du das Ende der Krise aus oder wie geht es bei den Foo Fighters weiter?
Nein, wir werden versuchen, in den nächsten Wochen und Monaten viele kleine Aktionen zu starten, auf die bislang anscheinend noch keiner gekommen ist. Von daher: Die Arenen und Festivals müssen warten. Und ich denke auch nicht, dass sich da so schnell etwas ändern wird. Aber bis dahin veröffentlichen wir zumindest neue Musik und tauchen auf, wo es gerade geht. Wir unternehmen ein paar ausgefallene Sachen, die wir noch nie probiert haben, und bemühen uns, jeden Tag so gut zu genießen, wie eben möglich. Wir versuchen, gesund zu bleiben, andere zu schützen und unser Bestes zu tun, um die Rockmusik am Leben zu halten.
Klingt nach einer Mission.
Ist es auch – aber, hey, wenn mir zu Hause keiner zuhört, muss ich mir halt ein anderes Publikum suchen. (lacht)
(Bild: Sony)
Was ist dran an dem Gerücht, dass du die Foo Fighters nach jedem Album/Tour-Zyklus auflösen willst, aber es dann doch nicht übers Herz bringst? Stimmt das?
In der Tat. So geht das bestimmt schon seit zehn oder 15 Jahren. Jedes Mal, wenn ich nach einer längeren Tournee müde und aus gepowert bin und einfach nur meine Ruhe haben will, kommen mir diese Gedanken. Da sage ich dann immer: „Nie wieder – das tue ich mir nicht mehr an.“ Aber dann, spätestens nach zwei Wochen, fange ich schon wieder an, die anderen zu vermissen. Dann rufe ich sie an, wir treffen uns und alles ist wieder wie vorher. Insofern nimmt mich da auch niemand mehr ernst.
Ich wüsste schlichtweg nicht, was ich ohne die Jungs machen sollte. Und schon allein deshalb geht es immer weiter. Ich wette, dass es bei den Rolling Stones ähnlich ist. Also dass Keith Richards genauso denkt – die Band ist einfach Teil seines Lebens, und warum sollte man den aufgeben, solange man nicht muss? Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das ähnlich lange machen werden, wie sie.
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)