Danny Bryant über Touren, Equipment und Sammelleidenschaft
von Niki Kamila,
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Der bärige und bärtige Blues-Musiker Danny Bryant aus dem englischen Royston ist ein Meister der 12-Takter. Wie wenig es für großen künstlerischen Ausdruck bedarf, bewies er gerade eindrucksvoll auf seiner aktuellen Tour: einer Lehrstunde in Sachen Spontaneität, Ton und Technik.
Freundlich, aufmerksam, hilfsbereit: Danny Bryant ist ein echter Gentleman. Schon als kleiner Junge spielt der heutige Mittdreißiger den Blues, inspiriert von den kultigen Könnern an der Gitarre: B.B. King, Buddy Guy, Muddy Waters um nur einige zu nennen, und natürlich Walter Trout, sein früherer Mentor und heutiger Freund. Was Bryant als Gitarrist und Musiker so ungemein interessant macht, ist zum Beispiel die spontane Herangehensweise bei seinen Soloausflügen auf dem Griffbrett.
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Komponierte Soli? Nicht sein Ding. Dazu kommt seine puristische Klangvorstellung. Gitarre und Amp reichen ihm. Effektgeräte? Verzerrer, Booster, Overdrive? Fehlanzeige. Das Laustärke-Poti seiner Gitarre ist ihm wichtiger. Letztlich steht die bescheidene Wahl seiner Mittel ganz im Gegensatz zu seinem musikalischen Ausdruck. Das Beste: er kann das alles auch anschaulich erklären.
Danny, wie bereitest du dich körperlich auf eine Tour vor?
Danny Bryant: Wenn ich eine längere Pause gemacht habe, versuche ich vorsichtig mit meiner Stimme umzugehen. Ich singe mich langsam ein, versuche die Belastung zu dosieren und langsam zu erhöhen. Das gilt auch für meine Hände. Ich dosiere mein Übepensum und achte darauf, dass sich genügend Hornhaut an den Fingerkuppen entwickelt, um eine Tour mit 50 Shows durchzustehen. Ich habe mir dabei angewöhnt gemacht nicht mehr täglich die Saiten zu wechseln. Ich lasse sie jetzt drei Shows drauf, und das ist für meine Fingerkuppen deutlich besser.
Ungewöhnlich! Die meisten Gitarristen haben gerne ganz frische Saiten.
Danny Bryant: Hab’ ich bislang auch so gehandhabt, aber es hat, wie gesagt, meinen Fingerkuppen nicht gut getan. Mag sein, dass ich empfindlich bin. Aber meine Finger haben immer am meisten geschmerzt, wenn neue Saiten aufgezogen waren. Also habe ich mal probiert, wie lange ich die Saiten drauflassen kann, bevor sie völlig tot sind. Und es funktioniert. Drei Shows sind kein Problem.
Du bist vor einer Weile von .011er- auf .010er-Saiten umgestiegen, weil du auf langen Touren Probleme mit dem linken Handgelenk bekamst.
Danny Bryant: Richtig. Bei dieser Tour mache ich es so, dass ich die .011er (Elixier Nanoweb Coated Strings) auf meiner Hauptgitarre habe und .010er auf meiner Backup. Die spiele ich dann alle drei, vier Songs, um es mir ein wenig einfacher zu machen. Da ich mit einer Menge Gain spiele, ist mein Sound recht fett, da muss ich gestehen, dass der Unterschied zwischen den Saitenstärken kaum hörbar ist.
Wie lange probst du mit deiner Band für ein Live-Set?
Danny Bryant: Ich gebe den Jungs eine Liste mit etwa 30 Songs, ein Querschnitt aus all meinen Alben. Die proben wir dann einmal, mehr nicht. Die ersten beiden Songs sind dann immer gleich. Danach variiere ich. Je nachdem wie die Stimmung im Publikum ist, ob die Leute zuhören oder ob ich ein paar besoffene Schreihälse an der Bar ruhig stellen muss, spiele ich dann spontan leisere oder lautere Songs. Außerdem hält das die Band wach, wenn du ohne Setlist spielst.
(…) am Ende einer Tour bin ich immer deutlich besser in Form.
Was machst du an Aufwärmübungen?
Danny Bryant: Ich habe die letzte Stunde gerne für mich und die letzten 20 Minuten vor dem Gig spiele ich mich warm. Ich beginne immer mit ein paar Akkordfolgen, um mein Handgelenk zu lockern, dann spiele ich ein paar Soli. Manchmal daddele ich zur Musik die im Club als Beschallung läuft, nichts Großartiges. So wie ich auch zu Hause auf der Couch vorm Fernseher daddeln würde, um meine Finger aufzuwärmen.
In den Live-Versionen deiner Songs lässt du dir viel Raum für Improvisation. Ein wichtiges Thema für dich?
Danny Bryant: Oh ja! Und am Ende einer Tour bin ich immer deutlich besser in Form, als am Anfang. Das ist eben so: Sind die Muskeln in Form, hast du schon mal die besten Voraussetzungen. Wenn du spontan bist, gibt’s natürlich immer Konzerte, wo die Finger nicht so wollen, wo der Kopf nicht frei ist und ich nicht das richtige Gefühl entwickeln kann. Dann denke ich beim Spielen an die Gitarristen die ich toll finde – und stelle mir beim Spielen vor: was würde B.B. King jetzt spielen? Was würde Buddy Guy machen? Das versuche ich dann direkt umzusetzen. Dieser spontane Ansatz hält den Blues für mich frisch.
Während du spielst, passiert das? Ehrlich?
Danny Bryant: Sicher! Ich folge nur meinem Gefühl. Ich bin sicher kein supervirtuoser Gitarrist, aber ich weiß was ich tue und spiele eben mit viel Gefühl – alle Soli sind komplett improvisiert. Es ist mir wichtig eine Verbindung zwischen Technik, Erinnerung und Gefühl herzustellen. Wenn das im Fluss ist, gibt es mitunter magische Momente. Wenn ich vor einem Gig Zeit habe, schaue ich mir YouTube-Videos von Muddy Waters oder Albert King an und erinnere mich daran, wie großartig diese Typen waren und wie viel ich noch zu lernen habe. Ich muss an mir arbeiten, denn ich will mich nicht langweilen. Wenn ich gelangweilt bin, ist es auch mein Publikum.
Kannst du eine Empfehlung geben, wie man sein Vibratospiel kultiviert?
Danny Bryant: Nun, das Fingervibrato ist das Wichtigste, was dich als Player ausmacht – es ist dein Fingerabdruck. Jeder Mensch hat einen eigenen, jeder Gitarrist auch. Dies zu entwickeln, ist eine langwierige Aufgabe, die damit beginnt, sich markante Gitarristen anzuhören, die das herausragend kultiviert haben. Einer ist zweifellos Eric Clapton. Als Jugendlicher sah ich seine ‚24 Nights‘-Konzerte in der Royal Albert Hall. Ich sah ihn spielen und wunderte mich: Warum zittert denn seine linke Hand immer so? (lacht)
Ich dachte: Aber es klingt irgendwie immer gut, wenn sie zittert … (lacht) Ich hatte nicht die geringste Ahnung was er da tat, und wie man das nannte, aber es war toll. Also probierte ich das aus. Ganz anders war zum Beispiel B.B. King, der in dem Punkt ganz anders klingt. Letztlich ist Vibrato zunächst eine Sache der Übung. Mach dir nichts draus, diese Technik von jemand anderem zu kopieren. Mit Übung und Kontinuität entwickelst du das weiter und hast irgendwann deinen eigenen Fingerabdruck.
Zum Equipment: Im Studio benutzt du bevorzugt einen Marshall TSL 100 und ein JCM 2000 Top-Teil plus 4×10-Box. Live spielst du jetzt einen Blackstar HT Club 50 mit einer HTV-412-Box. Wieso?
Danny Bryant: Nun, die Jungs von Blackstar kamen auf mich zu und fragten mich, ob sie mir einen Amp zum Testen schicken dürften. Ich entgegnete, dass ich sehr zufrieden mit Marshall bin, aber nichts dagegen hätte. Als ich aus den USA zurück kam und die erste Show in London spielte, stand da dieser Amp. Ich spielte ihn im direkten Vergleich mit meinem Marshall und der Blackstar klang besser! (lacht) Ich mag ihr ISF-Feature, mit dem du in der Klangregelung die Charakteristik des Amps stufenlos färben und fein justieren kannst. Schönes Feature.
Es fällt auf, dass du viel und konsequent mit dem Lautstärkeregler der Gitarre arbeitest, bis runter zur Zimmerlautstärke.
Danny Bryant: Dynamik im Spiel ist mir wichtig, da ist Buddy Guy mein Held. Er konnte seine Gitarre flüstern und schreien lassen. Dynamik ist für mich einer der aufregendsten Aspekte der elektrischen Gitarre. Du kannst unglaublich viel mit Lautstärke machen! Ich bin da sehr altmodisch. Ich benutze überhaupt keine Bodentreter! Das einzige Pedal ist mein Stimmgerät. Der Ton kommt nur durch den Lautstärkeregler meiner Gitarre. Ich stöpsle mich ein, drehe den Gain-Regler meines Amps auf und dann die Gitarre zurück. Je mehr ich sie zurückdrehe, desto cleaner ist mein Ton, je mehr ich aufdrehe, desto mehr wächst die Lautstärke, aber auch der Ton ändert sich, und vor allem der Bass-Anteil. Das funktioniert für mich wunderbar. Ich mag auch Gitarren auf 10 überhaupt nicht.
Bild: KAMILA, CHRIS HAFER
Bild: KAMILA, CHRIS HAFER
Auch nicht auf 11?
Danny Bryant: (lacht) Nein, auch das nicht. Aber ernsthaft: Gerade P-90-Pickups klingen bei 10 überhaupt nicht mehr offen und lebendig. Am besten sind sie zwischen 7 und 8, dann ist ihr Ton offen und süß. Das zu kultivieren ist heutzutage etwas in Vergessenheit geraten. Viele Gitarristen denken nicht an die Möglichkeiten die ihnen ihre Gitarre bietet. Es hat seinen Grund, warum Strats und Les Pauls Laustärke- und Tone-Regler haben. Warum sie also nicht benutzen?
Du endorst aktuell Fret-King Gitarren. Dein Corona DBR Signature-Modell hat eine interessante PU-Bestückung: P-90 am Steg, Single-Coil in der Mittelposition, Humbucker am Hals, und die auch noch stufenlos blendbar. Deine Liebe zum P-90 hast du angeblich durch Hubert Sumlin wiederentdeckt.
Wenn du Metal spielst, sind Humbucker sicherlich cool. Aber nicht für meine Musik.
Danny Bryant: Genau. Ich habe mit Hubert mal auf einem Festival gespielt und fand, dass er einen unglaublich coolen Ton hatte. Seitdem bin ich ein Fan des P- 90, sein Ton ist der Grund, warum meine Signature-Gitarre einen hat. Mir ist ein Humbucker oft zu fett, nicht transparent genug, da funktioniert auch die Arbeit mit dem Volume-Poti nicht so gut. Wenn du Metal spielst, sind Humbucker sicherlich cool. Aber nicht für meine Musik. Und wenn meine alten Helden Humbucker-Gitarren benutzten, dann weil sie nicht viel Rhythmus-Gitarre gespielt haben, denk etwa an B.B. King. Für mich ist ein P-90 ideal, ein Singlecoil mit fetteren Mitten und Bässen.
Was hast du diesmal an Instrumenten dabei?
Danny Bryant: Sonst nur noch meine 1975er Strat, die ich vor 16 Jahren gekauft habe. Damals war sie wie neu und ungespielt. Inzwischen hat ihre Lackierung sichtbar gelitten. Außerdem hat mir ein Typ, als ich auf einem Festival in Holland gespielt habe, am Bühnenrand tatsächlich einen Sticker seines Clubs auf meine Gitarre gepappt! Als ich den nach der Show vorsichtig abgezogen habe, kam leider gleich der Lack mit runter, verdammt!
Im Gegensatz zu vielen Blues-Kollegen legst du dich nicht auf einen Instrumententyp fest. Hast du keine Schwierigkeiten mit unterschiedlichen Halsradien, Mensuren, Griffbrettern und Bundierungen klarzukommen?
Danny Bryant: Natürlich fühlt sich das unterschiedlich an, besonders bei Grundakkorden und Bendings. Aber damit komm ich klar. Mir ist es wichtig, flexibel zu bleiben. Wenn ich während einer Show den Gitarrentyp wechsele – sagen wir von einer Strat zur Les Paul – dann finde ich es eher schwierig, die Switches und Potis zu finden, wenn es darum geht schnell umzuschalten. Aber das ist keine große Sache. Das ist doch alles ein großer Spaß!
Du sammelst alte Schallplatten, Musikerfotos und Memorabilia, besitzt aber keine Vintage-Gitarren. Warum nicht?
Danny Bryant: Einfache Antwort: Alte Strats sind mir einfach zu teuer! Die kann ich mir nicht leisten. Eine Strat aus den Fünfzigern fände ich cool, aber wer hat schon so viel Geld auf der Bank liegen? Außerdem würde ich die niemals auf Tour mitnehmen, aus Angst sie könnte geklaut werden. Also macht das nicht viel Sinn. Außerdem sind die Custom-Shop-Reissues wirklich klasse. Warum also ein Vermögen ausgeben für eine Gitarre, die sich vielleicht schlecht spielen lässt?
Ich durfte neulich Bernie Marsdens ‘59er „The Beast“ spielen, die ist wirklich klasse. Es ist aber auch gefährlich, eine Gitarre mit so einem Wert zu Hause zu haben! Oder nimm Snowy White: Er hat seine legendäre ´57er Gold Top im Februar vergangenes Jahr versteigert – ich glaube für 80.000 Britische Pfund. Diese Gitarre war sein Markenzeichen, sein Leben. Aber er brauchte wohl das Geld. Das würde mir das Herz brechen …