Im Interview

Claus Fischer: Endlich mal solo – Downland

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(Bild: Lothar Trampert)

An Claus Fischer kam man als Musikhörer in den vergangenen Dekaden kaum vorbei. Jetzt hat der Bassist, Multiinstrumentalist & Produzent ein Solo-Album veröffentlicht, das es in sich hat: ‚Downland‘!

Seit Ende der 1980er ist der 1965 in Leverkusen geborene Musiker mit der Franck Band aktiv, ab den frühen 90ern spielte er mit Werner Neumann (g) und Alex Vesper (dr) unter dem Namen Drei vom Rhein einen schrägen Stilmix aus Punk, Funk und Jazz – seit 2002 gehörte auch noch Sänger Pit Hupperten zur Band. Als Live- und Session-Bassist hat Claus Fischer u.a. mit Stefan Raab, Chaka Khan, Larry Carlton, Lee Ritenour, Lionel Richie, Christopher Cross, Guildo Horn, Don Grusin, Charlie Mariano, Dan McCafferty, Phunkguerilla, Wolfgang Haffner, der TV-Band Heavytones und dem Familien-Projekt von Angelo Kelly gearbeitet.

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Mit Gitarrist Hanno Busch startete er die Formation Sommerplatte, mit Helge Rosenbaum hat er das Lehrbuch ‚Masters of Drums‘ veröffentlicht, und seit 2021 ist Claus Teil der Studio-Band der TV-Show ‚Let The Music Play‘. Vor zwei Monaten erschien dann auch noch das Debüt von Federation Of The Groove, dem Quartett mit Martin Sasse (p), Bruno Müller (g) und Hendrik Smock (dr) – mehr dazu in G&B 09/2022. Keine Frage: Es war irgendwie wirklich an der Zeit für ein ClausFischer-Solo-Album: Das heißt ,Downland’ und ist tatsächlich größtenteils im Alleingang entstanden.

DAS ALBUM

Diese ersten bluesigen Slide-Töne im Album-Opener irritieren etwas: Claus Fischer? Der spielt doch Bass? Was macht der Mann am Mississippi? Die Konfusion ist komplett, wenn man im sehr schön gestalteten Booklet von ,Downland‘ liest, dass an diesem Track nur Pianist Don Grusin und eben Claus Fischer beteiligt waren – letzterer an „Guitars/Dobro/Slide/Bass/Drums/Perc.“ Alle, die es noch nicht wussten – so wie ich – müssen damit leben, dass der coole Herr am Fünfsaiter, als den wir ihn kennen, noch ein paar weitere Talente hat. Und die erklingen hier oberamtlich. Was für ein energetisches Slide-Solo!

Alle o.g. instrumentalen Fähigkeiten hat Fischer sich übrigens autodidaktisch draufgeschafft. ,Walking Dave‘ heißt der nächste Track mit Simon Oslender am Fender-Rhodes-E-Piano und an der Hammond B3, bei der Fischer dann wieder auch als Gitarrist zu erleben ist – mit leicht crunchigem, fett-warmem Ton und ein paar ruhigen Licks. Nach einem Piano-Solo wird dann funk-jazzig abgerockt. Auch hier fällt wieder das vom Projektleiter absolut originell eingespielte Schlagzeug ein: eckig, knackig, groovig.

Bei ,Mats Dance‘ sind dann wieder die Dobro und Slide-Parts zu hören, und noch eine Fiddle, gespielt von Thomas Callister; dieses Stück klingt anfangs wie das Mahavishnu-Folk-Orchestra, driftet dann aber in eine ganz andere Richtung: Ein cooles, deepes Bass-Solo und 80s-Synth-Sound machen Hoffnung, dass gleich Miles Davis um die Ecke kommt und ins Horn stößt … – die einzige Enttäuschung dieses Albums. Und dann ist der Track plötzlich wieder zurück in der erwähnten folkigen Atmosphäre, und ich frage mich einmal mehr, wie man so organisch so Verschiedenes kombinieren kann?

,I Ain‘t Gonna Let You Break My Heart Again‘ ist bekannt von Bonnie Raitts 1989er-Album ,Nick Of Time‘, und Claus Fischer spielt hier die Lead-Stimme mit dem Bass – nein, er singt sie. Im Titel-Track ,Downland‘ sind dann mit Gitarrist Hanno Busch, der ein Solo beisteuert, und Keyboarder Florian Ross zwei Musiker aus Fischers LiveFormation zu hören – wobei auch hier wieder der Bandleader „Dobro/ Slide/Bass/Drums/Perc.“ spielt. In keiner Minute dieses Albums wäre ich auf die Idee gekommen, dass bei diesen Aufnahmen die meiste Zeit ein genialer Alleinunterhalter im Studio saß, denn Fischer groovt, klingt originell, man spürt Interaktion …

Und so geht es weiter mit diesem gelungenen Solo-Album: ,Universal Declaration‘ liefert knackigen Jazz-Rock, ,Walkin Dave Part 2‘ in nur knapp zwei Minuten Hi-Energy-Groove-Jazz. In beiden Titeln stehen sich Fischers Gitarre und die prägnante Hammond von Simon Oslender gegenüber und liefern sich spannende Jagden. Das finale ,Seconds‘, abermals im Duo mit Keyboarder Don Grusin eingespielt, dauert etwas mehr als fünf Minuten und startet mit einem bluesigen Gitarrenthema, einem perligen, sich steigernden E-Piano-Chorus, hinter dem ein immer noch knochentrockenes Schlagzeug einen stoischen Beat kreiert; die Gitarre schleicht sich wieder von hinten mit einem melodischen Motiv ran um schließlich nach vorne zu treten und ein Solo … Nein, um das Stück innerhalb von Sekunden zu beenden. Auf solche und andere Überraschungen muss man sich bei Claus Fischer gefasst machen.

Die Live-Band von rechts nach links: Keyboarder Florian Ross, Gitarrist Hanno Busch, Bassist & Bandleader Claus Fischer und links außen, nur zu erahnen, Drummer Moritz Müller (Bild: Lothar Trampert)

Bei der Live-Präsentation seines Albums, Ende September im Kölner Club Jaki, mit Band – Gitarrist Hanno Busch, Keyboarder Florian Ross und dem unglaublichen Drummer Moritz Müller – stand dann auch noch Saxophonist Paul Heller bei etlichen Stücken mit auf der Bühne, denen er einen jazzigen Touch besorgte. Und auch das passte perfekt. So wie Fischers lockere Art mit dem Publikum zu reden, über Musik, Marmelade und Kinder, und was man nach Meinung seines Pop-Drummers bei Gigs in Jazz-Clubs nicht so genau nehmen muss. Die Zuhörer haben alle permanent gegrinst und sich irgendwie eingeladen gefühlt. Sympathische Atmosphäre!

Letzte Überraschung beim Präsentations-Gig: Das Album ,Downland‘ erscheint nun offiziell doch erst am 25. November – dann aber als Vinyl und CD.

Claus, ich zitiere mich selbst: „In keiner Sekunde dieses Albums wäre ich auf die Idee gekommen, dass hier die meiste Zeit ein genialer Alleinunterhalter im Studio saß, denn Fischer groovt, klingt originell, man spürt Interaktion …“ Wie bitte geht das?

Das ist gut! (lacht) Ich habe mir zwischendurch oft die Frage gestellt, ob es genug Interaktion geben wird, beziehungsweise ob man nicht zu sehr mitbekommt, dass ich da mehr oder weniger alleine mit mir zusammen Musik mache. Ich habe fast immer zuerst einen Gitarren-Guide-Track aufgenommen und dann die Drums recorded. Dabei bin ich immer relativ offensiv vorgegangen und habe mir vorgestellt, was ich mit den anderen Instrumenten dazu spielen möchte. Eigentlich habe ich immer schon vorher den Sound und alle Instrumente im Kopf gehabt. Manchmal musste ich aber dann den Fahrplan ändern, weil ich die Sachen zum Beispiel auf den Drums nicht so spielen konnte, oder auch weil es anders einfach besser klang. Unterm Strich habe ich mich also mit dem Schlagzeug oft sehr weit aus dem Fenster gelehnt und hinterher mit den anderen Instrumenten auf mich selbst reagiert. (lacht)

Musiker mit Haltung (Bild: Lothar Trampert)

Speziell bei ,Seconds‘ fragte ich mich: Sind die Arrangements und Abläufe vorher geplant, also auf Papier komponiert, oder passierte da noch was während der Aufnahmen?

Eigentlich habe ich die Stücke vorher komplett fertig komponiert. Das mache ich eigentlich immer so, damit es nicht das übliche Computer-Gestückel wird. Gerade bei ,Seconds‘ war es so, dass mir die Nummer abends im Bett eingefallen ist und ich sie im Kopf vor dem Einschlafen schon mehr oder weniger fertig hatte. Am nächsten Morgen habe ich dann in diesem Fall erst die Melodie aufgenommen (mit dem iPhone) und dann die Harmonien dazu gebastelt und fertiggestellt. Das Arrangement hatte ich aber mehr oder weniger schon so im Kopf. Auch, dass Don Grusin da ein entspanntes E-Piano-Solo spielt, das nirgendwo hinführt. Ursprünglich wollte ich ein Fade Out machen, habe mich dann aber kurzfristig für ein richtiges Ende entschieden.

,Walking Dave‘ klingt nach John-Scofield-Fan. Richtig?

Interessant! Jau, ich bin natürlich auch voll Scofield-Fan – das Stück ist aber eigentlich Saxophonist David Sanborn gewidmet, den ich nach wie vor sehr verehre. Seine Art, einfache Melodien zu verarbeiten hat mich schon immer beeindruckt. Also frei nach dem Thema: einfache Melodie, geiler Groove. Hurra!

Welche Slide-Player haben dich fasziniert und/oder beeinflusst?

Allen voran natürlich Derek Trucks. Was der da macht ist komplett aus einem anderen Universum. Ich stehe einfach unfassbar auf diesen Slide-Sound. Außerdem ist man gezwungen andere Lines zu spielen, die irgendwie zusammenhängender und damit für mich auch intuitiver sind. Da gibt es einige Country-Dudes, die richtig was auf der Pfanne haben. Zum Beispiel Danny Gatton, der statt mit dem Bottleneck gerne direkt mit der ganzen Flasche Slide gespielt hat.

Welche Gitarren und Amps hast du eingesetzt?

Ich habe auf der Platte viel mit einer Dobro gespielt, auch die Slide-Sachen. Nachdem ich verschiedene Dobros ausprobiert hatte, habe ich mich tatsächlich für eine von Harley Benton entschieden, weil sie schlicht am besten verarbeitet war und am besten klang. Die Dobro habe ich zur Aufnahme in der Regel mit einer Mischung aus Mikrofon- und Pickup-Signal durch einen UAD-Preamp geschickt. Ansonsten habe ich viel mit meiner alten Gibson Les Paul und mit der Yamaha-Mike-Stern-Tele eingezockt, wobei die meisten Gitarren über meinen alten Framus Ruby Riot liefen und über einen alten Fender Bassman, den ich mir geliehen hatte. Für die Akustik-Parts habe ich meine Martin Jumbo mit einem Mojave-Mikro aufgenommen.

Und die Bass-Parts?

Mit meinem Yamaha BBP35 direkt über einen kleinen SansAmp ins Pult. Bei einer Nummer hatte ich einen MXR-Filter und einen alten Boss-Octaver fürs Solo. That‘s it. Peng!

Gast bei der Album-Präsentation in Köln: Der großartige Tenorsaxophonist Paul Heller (Bild: Lothar Trampert)

Das neue Album deiner Band Federation Of The Groove sprüht ebenfalls vor Energie und Lebendigkeit. Das wurde aber live eingespielt, richtig?

Danke – und na klar! Da wir die Stücke schon mehrfach live gespielt haben, gab es im Studio nur noch wenig Änderungen bezüglich der Arrangements. Außerdem sind das ja alles alte Hasen, da muss nicht viel editiert werden.

Du hast ein Lehrbuch für Drummer mitverfasst. Auf welches Instrument des Drum-Sets hörst du, wenn du in einen Groove finden willst?

Auf alles. Der Groove hängt nur mittelbar von den Drums ab. Im Zweifel versuche ich den Drummer dazu zu bringen, auch auf mich zu hören. (lacht) Für mein Empfinden ist der Bass die Mitte der Band. Auch wenn ich Drums oder Gitarre spiele. Also sollten sich die Bass-Grooves und Lines immer sowohl nach den Drums als auch allen anderen richten. Aber um im Micro-Timing gut mit einem Drummer zu arbeiten, sind für mich HiHat und Overheads am wichtigsten. Die Kick-Drum hört man sowieso.

Wer ist dein Drum-&-Bass-Dream-Team?

Da gab bzw. gibt es einige. Abe Laboriel mit Steve Gadd, Verdine White mit Sonny Emery, Ray Brown mit Ed Thigpen, Gary Grainger mit Dennis Chambers, Thundercat mit seinem Bruder Ronald Brunner, MeShell Ndegeocello mit David Gamson … Ach, es gibt so viele! Ich persönlich spiele am liebsten mit Hendrik Smock, Moritz Müller, Wolfgang Haffner, Hardy Fischötter, Benny Greb und anderen zusammen. Das ist jetzt keine Rangfolge und auch nicht vollständig.

Du bist ein vielseitiger Musiker, der sehr unterschiedliche Bands immer absolut originell trägt und beflügelt. Welche Eigenschaften muss man haben, um als Bassist bei Drei vom Rhein, in einer TV-Show-Band oder live mit Angelo Kelly und Larry Carlton bestehen zu können?

Auch hier erst mal, danke! Aber da finde ich den Ansatz „bestehen können“ falsch. Dass ich so flexibel scheine, kommt daher, dass ich einfach sehr unterschiedliche Musik mag. Ich bin in meinen Anfängen über Hardrock und Heavy Metal erst später zu Jazz und Pop gekommen, und ich finde in fast jeder Musik tolle Aspekte, die mir ungeheuren Spaß machen können. Dabei geht es gar nicht unbedingt darum, am Instrument gefordert zu sein, sondern die Musik als Ganzes zu verstehen und dann meinen sehr persönlichen Teil dazu beizutragen. Zu den Fähigkeiten gehört natürlich auch, dass man weiß, was man tut, und einigermaßen lesen kann, vor allem in TV-Formaten, in denen sehr viel Musik in kürzester Zeit abgerufen wird. Und immer wichtig: Gut zuhören!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sowohl der Artikel und das Interview sind wunderbar und informativ geschrieben. Ich „kenne“ Claus Fischer nun schon seit einiger Zeit. Die neue Platte ist der glatte Wahnsinn. Paul Mc Cartney hat ja auch eine „Pandemie-Soloplatte“ eingespielt, bei der er „alles“ selbst gespielt hat. Wäre diese Platte aber nicht von Sir Paul – wäre sie sowohl musikalisch wie instrumental relativ bedeutungslos und nicht erwähnenswert. „Downland“ funtioniert aber unabhängig davon, das hier ein „Alleinunterhalter“ am Werk war. Wüsste man‘s nicht, wär‘s eine geile Platte – so ist es ein sau geile Platte geworden – und zwar bei jedem Song! Respekt! …. schön, das es noch „echte“ Musiker gibt….. und G&B, die darüber berichten.

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    1. Menschlicher anteilnehmend kann du das kaum bewerten. Klasse!! Jetzt bin ich mal wirklich gespannt auf die Platte.

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