Im Interview

Christone “Kingfish” Ingram: Willkommen im Club!

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(Bild: Fender)

Unter Fans und Kollegen hat sich der gerade mal 23 Jahre alte Gitarrist aus Clarksdale in Mississippi bereits großen Respekt erspielt, Keb’ Mo’ etwa nennt ihn die Zukunft des Blues. Mit seinem neuen Fender-Signature-Modell erklimmt der Grammy-Preisträger nun eine nächste Stufe der Anerkennung.

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Kingfish, vor etwa einem Jahr habe ich ein Interview mit einem großen Fan von dir geführt, Keb’ Mo’. Er hat dich in den höchsten Tönen gelobt und sagte wörtlich: „Kingfish ist die Zukunft des Blues“. Was bedeutet es dir, von einem renommierten Kollegen derart gelobt zu werden?

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Zunächst mal ist das sehr berührend. Ich bin seit Jahren ein großer Fan von Keb’ und seiner Musik – seitdem ich in der Schule war. Zu hören, dass er so etwas über mich und meine Musik sagt, ist eine sehr schöne Sache.

Der Anlass unseres Gesprächs ist dein neues Signature-Modell von Fender, die Kingfish Telecaster Deluxe. Wann habt ihr mit diesem Projekt angefangen?

Vor ungefähr anderthalb Jahren. Wir haben über Zoom aus verschiedenen Teilen der USA miteinander gesprochen. Ich sagte den Fender-Leuten, dass ich gerade sehr auf Humbucker stehe und gerne eine Telecaster mit solchen Pickups hätte. Auch die restlichen Specs hatte ich schon ziemlich genau im Kopf – ich würde sagen, ungefähr 95% der Parts standen für mich fest. Eine Bridge wie auf dem Signature-Modell etwa, hatte ich bereits auf einer meiner anderen Teles, genannt Troublemaker. So eine wollte ich wieder haben, denn sie gibt mir den optimalen Komfort.

Wie hast du die Pickups ausgewählt?

Die Pickups sollten dem Gibson-57-Classic-Sound nahekommen. Er ist einerseits sehr laut und dröhnend, funktioniert aber auch zurückgenommen. Damit eignet er sich sowohl für rauen Blues als auch für smoothen R&B. Die verwendeten Pickups sind zwei speziell auf mich abgestimmte Custom-Modelle.

War die Tele-Paul, die dir Michael Chertoff (Chertoff Custom Guitars) gebaut hat, das Vorbild und der Startpunkt?

Ja, ich bin ja im Blues und Bluesrock unterwegs und stehe sehr auf diese fetten, verzerrten Klänge. Jene Gitarre gab mir diesen speziellen Ton. Als ich begann, mit Fender zu arbeiten, sagte ich ihnen: „Gebt mir etwas, das dieses Instrument nachbildet.“ Bei dem Job haben sie definitiv abgeliefert.

Live hattest du bislang immer zwei verschiedene Gitarrentypen am Start: ein Doppel-Humbucker-Modell sowie eine Strat mit Singlecoils. Ist das immer noch so?

Das war früher. Heutzutage bin ich komplett auf Humbucker gewechselt, das ist nun der Sound für mich.

Wie lange spielst du schon dein neues Modell?

Seit ein paar Monaten. Seitdem ich den ersten Prototypen in meinen Händen gehalten habe, ist das meine Gitarre. Mittlerweile habe ich zwei von ihnen, die ich beide auch live spiele.

Wie muss ein Hals beschaffen sein, damit er für dich passt?

Ich mag es nicht, wenn der Hals zu schlank ist. Zu fett sollte er aber auch nicht sein. Richtig ist es genau dazwischen. Bei einer der Strats, die Fender mir geschickt hatten, ich glaube, es war das Custom-Shop-Modell, hatte der Hals das Vintage-C-Shape. Das ist genau richtig für mich. Daran habe ich mich sehr gut gewöhnt, also wollte ich so etwas haben. Als Material habe ich Roasted Maple ausgewählt.

War Palisander von Anfang an die Wahl für das Griffbrett?

Definitiv. Auf einem Palisander-Griffbrett habe ich mich schon immer wohlgefühlt. Ich kenne die Tonholz-Problematik, aber für mich war es immer komfortabel, Palisander zu spielen – mit seinem dunklen Ton und dem Sustain unter den Fingern.

(Bild: Fender)

Der Erle-Body hat ein ganz besonderes Finish namens Mississippi Night bekommen. Warum hast du diese Purpur-Variante ausgewählt?

Lila war schon immer eine meiner Lieblingsfarben. Es repräsentiert einige Dinge in meinem Leben. Das hat unter anderem mit meiner Mutter zu tun – und mit Prince.

Ein Signature-Artist zu sein, nicht nur ein Endorser, ist sicher etwas ganz Besonderes.

Das macht mich natürlich extrem stolz. Fender ist eine Top-Firma, die man häufig in Gitarrenmagazinen sieht, viele meiner Helden spielen und spielten Fender, sogar B.B. King hat in frühen Jahren eine Tele gespielt. Jeder Gitarrist ist mindestens einmal durch eine Fender-Phase gegangen. Von daher bedeutet es mir sehr viel.

Wie fing deine Beziehung mit der Tele an? Muddy Waters? Albert Collins?

Es ist so: Ich hatte lange eine Liebe/Hass-Beziehung mit Teles. Ich fand ihren Sound zu dünn für mich. Aber dann sah ich Leute wie Albert Collins, der eine Tele mit einem Humbucker spielte, Keith Richards ebenso, auch einige weniger bekannte Spieler wie Rico McFarland. Das war ein Sound, der mich angezogen hat. Und nicht nur das: Auch der Look ist großartig. Außerdem fühlte sich eine Tele in meinen Händen toll an. Mit Humbuckern bestückt ist es das Beste beider Welten für mich.

Warum der große Headstock?

Das kommt von meiner Liebe zu 70er-Strats. Ich war von diesen großen, fetten Kopfplatten immer begeistert. Das hat sicher auch mit Jimi Hendrix zu tun.

Wir haben jetzt viel über die Gitarre geredet. Können wir noch einen Blick auf dein Live-Setup werfen? Hat es bei den anderen Komponenten ebenfalls Veränderungen gegeben?

Oh ja. Auf meinem Board gab es ebenso große Änderungen wie bei den Gitarren. Aktuell arbeite ich mit einigen MXR-Effekten, einem Carbon Copy Delay sowie einem FOD Drive, dazu kommen ein WahWah und ein Tuner. Das sind die einzigen Pedale, die ich verwende. In Sachen Amps wechsle ich zwischen Fender und Peavey.

(Bild: Fender)

Eine Frage zum Overdrive: Du hast zuvor Klon-artige Pedale wie das Way Huge Conspiracy Theory vor deinen Amps verwendet. Warum der Wechsel?

Der Klon-Sound war schon immer legendär. Das Pedal, das ich jetzt nutze, das MXR FOD, ist mehr High-Gain als ein Klon-Clone. Aktuell spiele ich mit etwas mehr Verzerrung. Aber wenn ich diesen Sound will, kann ich ihn definitiv bekommen. Davor gab es auch mal das MXR Sugar Drive sowie das erwähnte Way Huge – alles verschiedene Klon-Clones, die für sich ebenfalls toll klingen.

Das FOD ist eher ein heiß gemachter Marshall und basiert auf Billy Joe Armstrongs Dookie Drive. Es ist damit nicht gerade ein klassisches Blues-Pedal.

Wie erwähnt stehe ich gerade auf High-Gain-Sounds. Ich wollte etwas, das mir diesen Sound gibt. Aber das Pedal klart auch sehr schön auf und liefert tolle Amp-artige Overdrive-Sounds.

Fast alle Gitarristen sind Gear-Nerds. Du hast ein sehr kleines Setup und klingst super damit. War für dich immer klar, dass du möglichst wenig Effekte verwenden willst?

Als ich jünger war, habe ich viel ausprobiert und wollte alles Mögliche haben. Bei uns Gitarristen ist das ja häufig so: Du hörst einen Sound, du willst ihn haben. Als ich Ernie Isley von den Isley Brothers gehört habe, wollte ich einen Phaser. Ich glaubte in diesem Moment, dass ich ihn brauche. Dann habe ich Prince gehört und wollte einen Chorus. Aber irgendwann wurde mir klar, dass ich ihn nicht brauche. Vier Pedale erledigen den Job. Das funktioniert für mich.

Im letzten halben Jahr hat sich dein Leben verändert. Du bist nicht nur erfolgreich, sondern mittlerweile auch mit einem Grammy prämiert. Daher kennen dich viel mehr Menschen. Wie empfindest du diese Entwicklung?

Das ist einfach nur wundervoll. Es ist gar nicht mal total verrückt, es bedeutet nur mehr Shows und neue Leute im Publikum. Ich reite gerade eine Welle und versuche dabei, meinen Kopf über Wasser zu halten. (lacht)

Wie würdest du die Situation in der US-Bluesszene beschreiben?

Ich sehe ein Wiederaufleben, einen Anstieg bei der schwarzen Jugend. Jahrelang habe ich gehört, dass sich schwarze Jugendliche nicht für Blues und andere traditionelle Stile interessieren, aber in den letzten Jahren habe ich sehr viele Personen getroffen, die eine tiefe Würdigung und Verständnis für diese Musik haben – und jeden Tag werden es mehr. Zuhause in den USA gibt es meiner Meinung nach einen Anstieg in Sachen Blues.

Jeder spricht zurecht von deinem Gitarrenspiel, aber lass uns auch mal auf die andere Seite schauen. Wie wichtig sind Texte für dich?

Sehr wichtig. Bei vielen Leuten hat der Blues das Stigma, dass sich alles um die Gitarre dreht. Aber in seinen Anfängen war er einfach Gesangs-Musik, da ging es um die Botschaft. Du singst über dein Leben – und das hat nicht nur schöne Seiten. Und von denen sollte man auch erzählen. Daher nehme ich dieses Thema sehr ernst.

Was fällt dir schwerer?

Ich würde sagen, die Texte. Es geht da ja auch um den Gesang. In meiner Musik möchte ich beides zu gleichen Teilen einbringen. In den letzten Jahren stand sicher das Gitarrenspiel im Vordergrund, aber mittlerweile habe ich angefangen, mich verstärkt auf meine Stimme zu konzentrieren. Es sollte eine gute Balance aus beidem sein.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)

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