Anfang der 70er-Jahre gründete Joe Marinic in Erlangen die Firma Shadow. Bekannt wurde sie durch Pickups, vor allem durch die Piezo-Pickups, die weltweit von vielen renommierten Firmen verwendet wurden und werden. Immer wieder hat Shadow auch Gitarren unter seinem Namen gefertigt. 2017 startete Shadow eine eigene Akustik-Gitarren-Linie, die in einer eigenen Fabrik gefertigt wird.
Shadow hat seinen Hauptsitz in Erlangen, dort werden aufwendige Elektronik und Pickups gefertigt, und dort befindet sich auch das Entwicklungszentrum. Schon vor 16 Jahren wurde eine Shadow-Niederlassung in China gegründet, wo der Großteil der Tonabnehmer von heute 60 Mitarbeitern hergestellt wird – logisch, die meisten Abnehmer produzieren ihre Instrumente in China.
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Luthier Gitarren mit Technologie
Vor drei Jahren gründete Joe Marinic in Zhangzhou in Südchina die Fabrik Polaris, in der Akustik-Gitarren für Epiphone, Breedlove und die Eigenmarke Shadow gefertigt werden. Er selbst lebt ca. 11 Monate im Jahr dort und leitet und kontrolliert die Produktion. Sein Motto: Luthier-Gitarren mit Technologie. Und so ist es auch: Polaris ist eine der modernsten Fertigungsstätten in Asien mit modernster, hochentwickelter Technik. Zusammen mit dem europäischen Vertrieb Best Acoustics besuchte ich die Fabrikation in Südchina. Ich kenne Joe Marinic seit Ende der 70er-Jahre, und habe ihn immer als enorm fleißigen Menschen, aber auch als Control-Freak kennengelernt. Und so ist er auch heute noch, mit seinen über 70 Jahren. Er kennt jeden Produktionsschritt, kennt jede Maschine und im Endeffekt kann er immer noch besser damit umgehen als alle seine Mitarbeiter. Was natürlich für diese sehr frustrierend sein kann, aber auch sehr anspornend wirkt. Zum Abschluss des Besuchs lud er mich und einige seiner chinesischen Mitarbeiter zum Abendessen auf der Terrasse der Fabrik ein. Joe ist leidenschaftlicher Koch, und es gab seine von ihm selbst zubereiteten Lieblingsgerichte: Steak, Cevapcici und zum Nachtisch Tiramisu.
History
Joe Marinic wächst in Zagreb im alten Jugoslawien auf. Wie jeder Jugendliche seiner Generation kommt er früh mit Musik in Verbindung, er gründet mit 14 seine erste Band und mangels eigener E-Gitarren, kopiert er den Akustik-Gitarren-Pickup seines Freundes: Die Nähmaschine seiner Mutter verwendet er, um eine Spule zu wickeln, von einem Freund bekommt er Magnete, und fertig ist der erste Tonabnehmer. Man spielt über alte Röhrenradios und kopiert die Musik der damals in ganz Europa populären Shadows. Schon bald wechselt der junge Gitarrist in den Jazz und seine Band schafft es sogar in heimische Fernseh-Shows. Aber diese Band ereilt das übliche Schicksal: einer heiratet, einer muss zum Militär. Aus vorbei.
Auf einer Messe in Zagreb lernt Joe den Hersteller der damals extrem populären Framus-Gitarren kennen: Fred A. Wilfer. Für ihn verkauft er in seinem Heimatland Gitarren, und 1969 bietet Wilfer ihm den Job als Produktmanager an. Joe zieht nach Deutschland.
Zur gleichen Zeit arbeitet ein Mann namens Willy Lorenz Stich alias Billy Lorento alias Bill Lawrence bei Framus und ist dort für Pickups und Elektronik zuständig. Die beiden lernen sich kennen und machen sich 1971 selbstständig. Die Freude ist aber nur von kurzer Dauer, denn Bill verschwindet über Nacht in die USA, wo er bei Fender, Gibson und als eigener Hersteller Karriere machen wird.
Auf der Suche nach einem Namen erinnert er sich an seine musikalischen Wurzeln und nennt die neue Firma Shadow. Zu Beginn baut er E-Gitarren und Pickups, aber schon bald konzentriert er sich auf die Tonabnehmer, der Rest ist Geschichte.
Joe entwickelt schon kurz nach Gründung seiner Firma den ersten Akustik-Pickup für Western- und Classic-Gitarren, der unter dem Sattel montiert wird: Shadow 1. Und schnell folgt auch einer für die Geige. Seine Pickups werden von vielen renommierten Herstellern eingebaut.
Zwischen 1972 und 1986 folgen Innovationen, wie die erste Endpin-Ausgangsbuchse, oder das erste Dual-Pickup-System mit Piezo- und magnetischem Schallloch-Tonabnehmer.
Andere Meilensteine in den späten 70ern und Anfang der 80er sind der erste Piezo-Pickup für E-Gitarre und ein aktiver Humbucker mit integriertem EQ. Mit der Jazz-Legende Attila Zoller entwickelt Joe den SH AZ 48.
Und nicht zu vergessen das Shadow MIDI-Pickupsystem GTM-6 (Guitar-to-MIDI-Converter), das von vielen prominenten Musikern wie Steve Morse und Lee Ritenour verwendet wurde und auch noch wird. Und mit dem Joe, wie er sagt „viel Geld verdient“.
Die neuesten Errungenschaften sind die NanoFlex-Transducer und NanoMAGMagnetic-Pickup-Systeme. Und das Panaflex-System, ein zweiteiliger NanoFlex-Pickup, unter dem Steg montiert mit unabhängiger Tone- und Volume-Regelung für die hohen und die tiefen Saiten. 2010 stellt Shadow schließlich den NanoFlex6 Hexaphonic Guitar Pickup vor, der Akustik-Spielern die Möglichkeit gibt, jede Saite individuell in der Lautstärke zu regeln.
Shadow Akustik Gitarren
Über die letzten Jahrzehnte hinweg hat sich Shadow Electronics einen Namen mit Pickup-Systemen aufgebaut, und es auch immer mal wieder mit der Produktion von Gitarren probiert: in Deutschland, in Italien und auch in China. Aber erst in den letzten drei Jahren hat Joe Marinic eine eigene hochmoderne Gitarrenfabrik in China aufgebaut. Mit all seinem Wissen über Instrumentenbau, aber auch mit der Hilfe einer Legende des Gitarrenbaus: Ren Ferguson ist einer, der im ersten Moment nicht viel auf das große Geschäft zu setzen scheint. Was in gewisser Weise ironisch anmutet, wenn man sich so anschaut, für wen er in seiner Karriere schon alles Gitarren gebaut hat: Erst für Fender, dann 25 Jahre für Gibson – in Montana leitete er die Akustik-Produktion. 2012 wechselte er zu Fender und leitete den Bereich „Entwicklung und Manufaktur“ bei Guild. Ren Ferguson zählt zu den legendärsten Gitarrenbaumeistern, die die Vereinigten Staaten hervorgebracht haben. Und wahrscheinlich ist das Unscheinbare genau das, was ihn auszeichnet: Denn in all dem großen Trubel zwischen Verkaufszahlen, Massenproduktion und Geschäft geht es für ihn auch heute noch in erster Linie um das Handwerk und den Bau von guten, schönen und nachhaltigen Instrumenten.
Und noch etwas zeigt sich in der Laufbahn von Ren Ferguson: Im Grunde hat es ihn immer dahin gezogen, wo es etwas Neues zu entdecken gab. Seine Karriere wurde vor allem durch immer neue Gelegenheiten geprägt – daher wohl auch das neue Projekt, Shadow Guitars, das er mit Joe Marinic startet.
Erstaunlich ist, dass Joe das überhaupt macht, denn eigentlich hat er längst ein Alter erreicht, in dem er sich entspannt auf einem Boot im Mittelmeer die Sonne auf den Bauch scheinen lassen könnte. Stattdessen hat er sich entschieden, nochmal einen riesigen Batzen Geld in die Hand zu nehmen und in China eine der modernsten Gitarrenfabriken der Welt zu bauen. Insgesamt hat er 7 Millionen Dollar in diese Fertigungsstätte investiert. Denn er liebt seine Arbeit und will Instrumente bauen, die die Musiker erfreuen. Daher bauen Ren und Joe hochwertige und vollmassive Gitarren, die preislich extrem günstig sind.
Bei Shadow Guitars treffen Effizienz und Genauigkeit zusammen: Auf die präzise Bauweise aus überwiegend europäischer Fichte folgen neue, moderne und innovative Verfahren – beispielsweise ein neues UV-Finishing, das es ermöglicht, so dünn und gleichmäßig aufzutragen, dass die Gitarren nicht mehr poliert werden müssen. Dadurch spart man sich einen kompletten Arbeitsschritt und natürlich auch wieder eine Menge Geld.
Polaris
Das Firmengebäude liegt etwas außerhalb des Stadtkerns von Zhangzhou, einer Stadt mit 4,8 Millionen Einwohnern im Süden Chinas. In dieser Gegend sind einige Gitarrenfabriken angesiedelt, vornehmlich im Besitz von Chinesen, die nach Jahren in Taiwan zurückgekehrt sind. Im vierstöckigem Gebäude ist auch die Produktion der Shadow Electronics untergebracht.
Im Erdgeschoss wird das Holz gelagert und auf 6 – 7 % Feuchtigkeit getrocknet. Shadow bezieht sein Holz aus Deutschland (Fichte), USA und China (Sitka-Fichte) sowie Mahagoni und Nussbaum aus Indien.
Die Halsrohlinge werden mit einer CNC bearbeitet.
Der Zargenkranz ist exakt in Form.
Das Binding wird mit Klebestreifen arretiert.
Im zweiten Stock sind extrem viele CNC-Fräsen (CNC = Computerized Numerical Control) zu sehen. Einige sogar mit der neuesten 5-Achsen-Technik. Fast alle stammen aus Italien, Joe schwört darauf. Insgesamt sind in der gesamten Fabrikation 14 CNC-Fräsen im Einsatz. Hier werden die Korpusse und Decken sowie das Binding vorbereitet und die Zargen gebogen. In jedem Stockwerk werden die Hölzer und die Zwischenprodukte in Räumen bei konstanter Temperatur und Feuchtigkeit gelagert.
Im dritten Stockwerk werden die Hälse gefertigt und alle Schleifarbeiten durchgeführt. Hier wird aber auch lackiert. Zuerst wird gebeizt und beim Mahagoni die Poren gefüllt. Danach kommen drei Roboter zum Einsatz, die den speziellen UV-Lack auf den Korpus auftragen. Dieser ist nach vier Minuten trocken und schleifbereit. Ein Roboter ist spezialisiert auf Sunburst-Lackierungen, ein anderer sorgt nur für die abschließende 0,06 mm dünne Lackschicht. Der gesamte Lackiervorgang dauert sieben Minuten pro Gitarre. Auch das abschließende Polieren wird von Robotern übernommen, nur die letzten Feinheiten werden per Hand erledigt.
Die Hälse der Instrumente werden mit Polyurethan lackiert und erhalten eine abschließende Nitrocellulose-Schicht. Alle Shadow-Gitarren sind mit einer Schwalbenschwanz-Halsverbindung gefertigt, alle Griffbretter erhalten ein Holzbinding, alle wichtigen Arbeiten, auch das Bohren der Dots, erfolgt mit Hilfe von CNC äußerst präzise.
Hals und Korpus sind mit einer Schwalbenschwanz-Verbindung versehen.
Die per CNC bearbeiteten Griffbretter, schon mit Holzbinding.
Mit dieser Vorrichtung werden die Bundenden perfekt gerundet.
Aktuell verwendet Shadow Griffbretter aus ostindischem Nussbaum, auf Palisander verzichtet man für den Export aktuell aufgrund der Cites-Regularien. Eine Zeit lang wurde auch das Kunstholz Blackwood verwendet, Joe Marinic und Ren Ferguson haben aber wieder darauf verzichtet, weil es Probleme mit den Bundschlitzen gab. Aktuell testet man noch Richwood. Polaris fertigt auch für Epiphone Gitarren, für deren Griffbretter das teurere Pau Ferro verwendet wird. Auch bei Sattel und Stegeinlagen werden keine Kompromisse gemacht, es wird nur Knochen verwendet.
Im obersten Stockwerk werden alle Gitarren in zwei Schritten gecheckt. Hier lagern die Instrumente auch ca. 1 Woche bei konstanter Luftfeuchtigkeit von 38 – 40%, einer Raumtemperatur von 27 Grad und einem konstanten Luftzug, der mit 40km/Stunde durch die Räume gepustet wird. Erst nach dem letzten Check wird das Trussrodcover montiert.
Aktuell sind 62 Mitarbeiter bei Polaris beschäftigt, zum Zeitpunkt meines Besuches wurden 3000 bis 3500 Instrumente pro Monat produziert, mittlerweile wurde die Produktion auf ca. 5000 hochgefahren. Fast alle Computer-gesteuerten Maschinen wurden bisher von Joe Marinic programmiert, gerade aktuell hat er zwei portugiesische Experten eingestellt, die ihm diese Arbeit jetzt abnehmen.
Modelle
Aktuell werden in Europa Parlor, Grand Auditorium, Dreadnought, Roundshoulder und Klassik-Modelle angeboten, mit und ohne Cutaway, die Preise liegen zwischen 500 und 600 Euro, alles für Gitarren mit massiven Hölzern.
Zukunft
Joe sagt von sich selbst: „Ich bin verrückt aber nicht blöd“. Er liebt seine Arbeit. Dennoch denkt er so langsam darüber nach, irgendwann in den Ruhestand zu gehen. Er würde, wenn alles so läuft, wie er es sich vorstellt, seine Fabrik verkaufen bzw. Leuten überlassen, die die gleiche Leidenschaft haben wie er. Und dann will er sich in Italien, in Calabrien ein Haus kaufen und dort seinen Lebensabend verbringen.