„Wir kennen uns in- und auswendig, wir sprechen die gleiche musikalische Sprache“
Bruderliebe: The Bros. Landreth im Interview
von Matthias Mineur, Artikel aus dem Archiv
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In einer Zeit, in der die Musikwelt von digitaler Perfektion und massenproduzierten Sounds dominiert wird, gibt es Bands, die den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen und ihre Authentizität in den Vordergrund zu stellen. Eine solche Band sind The Bros. Landreth, angeführt von Joey Landreth, deren musikalische Reise von einer tief verwurzelten Brüderlichkeit und einer unvergleichlichen musikalischen Chemie geprägt ist.
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In einem aufschlussreichen Gespräch gewährt Joey Landreth tiefe Einblicke in die Philosophie der Band, ihre musikalische Entwicklung und die besondere Beziehung zu seinem Bruder David. Von der ungewöhnlichen Struktur ihrer Konzerte, die mit einem Unplugged-Teil beginnen, über die sorgfältige Auswahl ihrer Instrumente bis hin zu ihrer experimentierfreudigen Herangehensweise an Musik und Equipment, offenbart das Interview, wie die Brüder ihre Leidenschaft für Musik leben. Eine Geschichte von Entdeckung, Brüderlichkeit und der unaufhörlichen Suche nach dem perfekten Klang.
INTERVIEW
Joey, im Unterschied zu den meisten anderen Bands beginnt euer reguläres Set mit einem Unplugged-Teil. Erst anschließend wechselt ihr zu elektrischen Instrumenten. Für euch ein Zeichen völliger Gleichberechtigung?
Ja, könnte man so sagen. Für uns geht es darum, in beiden Sets – also akustisch und elektrisch – die gleiche Intensität und den gleichen Enthusiasmus zu gewährleisten. Egal, wie wir spielen, ob unplugged oder unter Strom, wir sind immer dieselbe Band. Wir spielen die Songs mit unserer typischen Landreth-DNA, natürlich mit dem festen Willen im Hinterkopf, den Fans das zu bieten, was sie von uns hören wollen, unabhängig davon, ob es eine elektrische Nummer oder ein Unplugged-Song ist.
Was bedeutet das konkret? Sind die Songs grundlegend unterschiedlich arrangiert? Eignen sich nur bestimmte Stücke für die jeweils eine oder andere Ausrichtung?
Na ja, der Unterschied ist natürlich vor allem die Lautstärke. Nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch bei jedem Einzelnen von uns. Während der Proben für diese Tour haben wir lange daran getüftelt, die gewünschten unterschiedlichen Dynamiken rüberzubringen. Wenn man Songs mit E-Gitarren spielt, kann man beim Solo beispielsweise einfach auf einen Booster treten und hat sofort die gewünschte höhere Lautstärke. Das funktioniert mit rein akustischen Instrumenten natürlich nicht. Also muss man sein Spiel und die Arrangements darauf ausrichten. Im Zusammenhang mit Acoustic-Shows bekommt Lautstärke eine völlig andere Bedeutung. Man muss sie anders definieren, im Grunde genommen fast genau umgekehrt wie bei Electric-Shows. Aber eines gilt für beide Ausrichtungen: Es geht immer um Dynamik.
Mit Blick auf deinen Two-Rock-Signature-Amp kann man bei dir auf eine langjährige Testphase mit unterschiedlichen Verstärkertypen schließen, richtig?
Ich habe in meinem Leben schon sehr viel ausprobiert und festgestellt, dass für mich und meinem persönlichen Anspruch nur das Allerbeste gut genug ist. Ich habe viele Boost-, Overdrive-, Distortion-, Delay- oder was-auch-immer-Pedale getestet – es waren wirklich Massen an unterschiedlichsten Stompboxes. Aber ich habe das Gefühl, dass mich nur die wirklich außergewöhnlichen Geräte überzeugen können. Dies gilt für mich übrigens generell: Ich habe einen hohen Anspruch an mich und meine Musik und möchte deshalb möglichst perfekt ausgerüstet sein.
Wobei dein 100 Watt starker Two-Rock-Signature-Amp für die generelle Lautstärke, die ihr auf der Bühne habt, fast ein wenig überdimensioniert wirkt.
Das mag von außen so wirken, sieht in der Realität aber ein wenig anders aus. Unsere Fans wundern sich mitunter, wie leise und ohrenfreundlich es bei uns auf der Bühne ist. Den Two-Rock, den du meinst, besitze ich schon seit sechs oder sieben Jahren. Und in der Tat spiele ich ihn nicht sonderlich laut. Aber gerade um diese Frage geht es ja: Wie klingt ein 20 Watt starker Amp im Vergleich zu einem 100 Watt starken Gerät bei exakt gleicher Lautstärke? Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass ein leise gespielter 100 Watt Amp fast immer satter klingt als beispielsweise mein Revv D20 bei gleicher Lautstärke. Ich bin von Natur aus sehr neugierig und habe deshalb alles, was mir in die Finger geraten ist, sorgfältig ausprobiert. Und das, was ich derzeit spiele, ist das, womit ich mich am wohlsten fühle.
Dies gilt sicherlich auch für deine Gitarren?
Absolut! Bei einer Gitarre geht es mir vor allem um Resonanz und Ansprache. In meinem Spiel gibt es große Dynamikunterschiede, deshalb bevorzuge ich zum Beispiel ein 50s-Wiring. Ich brauche Gitarren, die möglichst flexibel einsetzbar und resonant sind. Früher stand ich total auf Telecaster und Stratocaster. Und ehrlich gesagt liebe ich diese Gitarrenformen noch immer. Aber seit etwa fünf oder sechs Jahren ziehe ich Gitarren mit kürzerer Mensur vor. Ich mag Les Pauls, ich mag Juniors und auch ES 335er. Und natürlich auch meine neue Joolz!
Deine Joolz Custom ‚Rubberbridge‘ ist die Einzelanfertigung eines deutschen Gitarrenbauers, nicht wahr?
Das ist richtig. Ich habe Julius Ramge im letzten Jahr hier in Hamburg kennengelernt. Wie sich herausstellte, haben wir beide Kinder im gleichen Alter. Ich hatte nach unserer Show eine sehr nette Unterhaltung mit ihm – wir waren uns einig, wie schön es ist, Vater einer Tochter zu sein. Wir unterhielten uns natürlich auch über Gitarren, und ich habe Julius erzählt, dass ich das modifizierte Ry-Cooder-Modell von Fender sehr schätze. Julius hat mir von seinen Instrumenten erzählt und es klang, dass er exakt die Art von Gitarren baut, nach der ich suche. Also orderte ich ein Joolz-Modell bei ihm. Als er sie mir schließlich zu einer späteren Show brachte, war ich total begeistert. Die Joolz spielt sich sehr angenehm, hat ein großartiges Resonanzverhalten und ist eine im wahrsten Sinne des Wortes einzigartige Gitarre.
Wie würdest du die musikalische Entwicklung der Bros. Landreth in den zurückliegenden zehn Jahren bewerten? Seid ihr immer noch dicht an euren Ursprüngen, oder hat sich euer Konzept spürbar auch für andere Einflüsse wie Soul, Pop oder Southern Rock geöffnet?
Als wir vor zehn Jahren angefangen haben, war unsere Musik noch sehr basisch, es war ganz traditioneller Roots-Rock. Aber wie bei allem bin ich auch stilistisch sehr neugierig, will mehr wissen, mehr lernen, und möglichst alles ausprobieren. Vor allem in den ersten Jahren nach der Bandgründung haben wir viel experimentiert, und so kamen nach und nach immer mehr Einflüsse hinzu. Manches ist von Gospel oder Blues inspiriert, anderes von Country oder Americana, aber natürlich immer durchzogen von unserer eigenen Spielweise. Vor allem im Studio treibt bei uns der Spaß am Herumprobieren so manch eigentümliche Blüten, während wir auf der Bühne immer die gleiche traditionelle Band geblieben sind. Bei uns kommt nichts aus dem Computer, keine Samples, keine technischen Hilfsmittel. Und auch dann, wenn wir unsere Alben aufnehmen, ist die Grundlage immer eine Art Live-Atmosphäre, sprich: alle Musiker im gleichen Raum, um dann erst im Nachgang noch mal das eine oder andere Overdub hinzuzufügen. Letztendlich geht es aber immer um den Spaß – solange der im Vordergrund steht, fühlt sich alles richtig an.
Spielt ihr eure Songs live genauso wie sie im Studio aufgenommen wurden? Einerseits scheinen sie mir gezielt auf die wesentlichen Eckpfeiler reduziert zu sein, gleichzeitig klingen sie aber nochmal lebendiger.
Ja, das könnte in der Tat so sein. Aber dies ändert sich von Abend zu Abend, vor allem aber von Song zu Song. Letztlich könnten wir jede Nummer bis ins kleinste Detail reproduzieren. Doch wir haben uns entschieden, diese Entscheidung bewusst offen zu halten und uns auch die Freiheit zu nehmen, Änderungen vorzunehmen. Es gibt in den Studioversionen mitunter kleine Synthie-Parts, die wir auf der Bühne weglassen und durch ein Gitarrenarrangement ersetzen. Ich verrate dir mal etwas: Auf der letzten Tour hatten wir uns fest vorgenommen, die Live-Versionen der Songs so eng wie möglich an der Studiovorlage zu orientieren. Ich denke, dass das Resultat auch durchaus überzeugend war. Aber es hat nicht so viel Spaß gemacht, als wenn man sich mehr Freiheiten gönnt. Deshalb spielen wir auf dieser Tour wieder freier, spontaner, es ist einfach wieder mehr Rock’n’Roll.
Letzte Frage: Es gibt so viele Geschichten über dein ungewöhnlich enges Verhältnis zu deinem Bruder David. Was ist an diesen Geschichten dran? Immerhin wart ihr – musikalisch gesehen – auch schon mal drei Jahre lang getrennt.
Ich kann immer nur wiederholen, wie wundervoll es für mich ist, mit meinem Bruder in der gleichen Band spielen zu dürfen. Ich bin mit niemandem so gerne unterwegs wie mit Dave, stehe mit niemandem so gerne gemeinsam auf der Bühne Wir kennen uns in- und auswendig, wir sprechen die gleiche musikalische Sprache, niemand kennt mich besser als er. Mitunter äußert Dave eine Idee, die mir eine Millisekunde zuvor auch in den Kopf gekommen war. Telepathie? Oder einfach familiäre Vertrautheit? Vermutlich von beidem ein wenig!
Daves zweistöckiges Pedalboard: u.a. mit Leaf Audio Proton, Doom 2 und Octabvre, Boss Dimension C, Origin Effects Bassrig '64 Black Panel, Solid Gold Beta, Rainger FX Reverb X und Noble-Bass-DI-Box/Preamp
Daves zweistöckiges Pedalboard: u.a. mit Leaf Audio Proton, Doom 2 und Octabvre, Boss Dimension C, Origin Effects Bassrig '64 Black Panel, Solid Gold Beta, Rainger FX Reverb X und Noble-Bass-DI-Box/Preamp