Bekannt geworden als Frontman von The Gaslight Anthem, stößt der 40-Jährige aus New Jersey mit seinem dritten Solowerk in neue Gefilde vor.
Reduziert, akustisch und für seine Verhältnisse sehr ruhig, ist ‚Local Honey‘ trotzdem kein Folkalbum geworden. Aber was denn dann? Fallon hat da eine ganz eigene Definition.
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Brian, das Album ist sehr anders als alles, was du bisher gemacht hast. Ich möchte mit dem letzten Song ‚You Have Stolen My Heart‘ anfangen. Der soll laut Info deiner Plattenfirma von The Smiths beeinflusst sein. Jeder nennt Tom Petty oder Bruce Springsteen als Referenzen, wenn es um dich geht. Morrissey hätte ich jetzt nicht erwartet.
Natürlich bin ich von Petty und Springsteen beeinflusst und ich liebe sie auch. Doch als ich jung war, hatte ich ihre Musik noch nicht für mich entdeckt und kannte sie nur vom Radio. Die ersten Bands, die ich mir bewusst anhörte, waren The Cure, The Smiths, The Clash und die Ramones.
Wie kam das?
Als ich ganz klein war, stand meine Mutter auf Künstler wie Elton John, die Rolling Stones oder die Beatles. Deren Songs waren quasi meine Kinderlieder. Mit 11 oder 12 lernte ich dann die erwähnten Bands kennen, weil ein Arbeitskollege meiner Mutter mir ein Mix-Tape aufgenommen hatte. Das habe ich geliebt. Mich haben schon immer die verschiedensten Stile beeinflusst. Aber darüber wird nicht so viel geschrieben.
Wenn ich mir deinen Gesang anhöre, würde ich vermuten, dass Morrissey eher als Texter denn als Sänger Einfluss auf dich genommen hat.
Yeah. Seine Texte waren ein starker Einfluss. Was den Gesang angeht: Morrissey hat eine bessere Stimme als ich. Bei The Smiths waren es vor allem die Melodien und die Art, wie sie diese aufbauten, die mich beeindruckt haben.
Die Idee zum Album soll bei deinen Solo-Akustik-Auftritten entstanden sein. Stimmt das?
Irgendwie schon. Ich betrachtete die Akustik-Shows durchaus als eine Möglichkeit für die Zukunft. Allerdings war mir nicht wirklich klar, wie genau die aussehen könnte. Es gab keine Band, sondern nur mich am Klavier oder der Gitarre. Ich wollte herausfinden, ob die Songs auch so gut klingen würden, und fand schnell heraus, dass es ziemlich gut funktionierte. Als ich dann nach Hause kam, hatte ich diese Erfahrung zwar in meinem Kopf, dachte aber dennoch, dass ich ein lauteres Album machen würde. Ich wusste damals noch nicht, was für eine Art Platte es werden sollte.
Gab es einen Moment, als dieser Gedanke konkret wurde?
Ich hatte ein paar Demos aufgenommen, es gab also bereits einige Songs. Da waren verschiedene andere Instrumente drauf zu hören. Aber irgendwas klang für mich nicht richtig. Dazu hatte ich das Gefühl, dass die Texte in der Musik verloren gingen. Nur um zu sehen, was passieren würde, setzte ich mich zuerst ans Klavier und dann an die Gitarre und spielte die Songs solo. Diese reduzierten Versionen fühlten sich besser an.
Bei den Aufnahmen stellte sich dann die Frage: Wie mache ich einen ruhigen Song, der sich trotzdem interessant anhört? Wir fingen ganz von Grund auf an und bauten es dann Stück für Stück auf. Das Wichtigste dabei war, dass die Basis stimmt. Es war von Anfang an klar, dass kein cooler Sound dazu kommt, der alles übertüncht.
Du hast gerade das Klavier erwähnt. Das kennt man bislang nicht von dir. Seit wann beschäftigst du dich mit damit?
Seit der letzten Scheibe. Auf ‚Sleepwalkers‘ (2018) konnte ich noch nicht Klavier spielen. Für dieses Album habe ich Klavierstunden genommen.
Warum?
Mein Gedanke war: Ich möchte Songs schreiben, die anders sind als das, was ich auf einer Gitarre komponiere. Ich habe also eine ganze Zeit Unterricht genommen. Wenn ich nicht wusste, wohin ein Song gehen würde, setzte ich mich ans Klavier und arbeitete dran. Einige der Nummern schrieb ich komplett auf dem Piano. Das war das erste Mal für mich, ich hatte das vorher noch nie gemacht, dadurch war es ziemlich spannend und erfrischend.
Hat dir das als Komponist neue Horizonte eröffnet?
Zu einhundert Prozent. Du entdeckst Dinge auf dem Klavier, die du auf der Gitarre nicht finden würdest. Und das eröffnet dir definitiv weitere Möglichkeiten.
Wie sah es beim Gesang aus? Musstest du an deiner Stimme arbeiten, um ruhiger und mit weniger Druck zu singen? Oder geschah das von selbst?
Ein wenig. Ich hatte bereits früher in dieser Richtung gearbeitet, aber es brauchte ein bisschen Übung, denn manchmal versuchte ich, der Gewohnheit folgend, eher laut zu singen. Das waren die Momente, in denen der Produzent mir half, indem er sagte: „Sing es ruhig.“ Ich fragte: „Bist du sicher, dass das gut ist?“ Und er sagte: „Ja.“
Dieser Produzent war der Grammy-prämierte Peter Katis. Es gibt eine lange Liste von Alben, an denen er mitgewirkt hat. Welche Werke von ihm magst du besonders?
Ich bin ein großer Fan von The National – und das schon ziemlich lange. Außerdem mag ich seine Arbeiten mit Kurt Vile, auch Interpol fand ich toll. Er hat irgendwie immer gutes Zeug gemacht. Das konnte eigentlich gar nicht schiefgehen.
Wie viele Songs hast du für ‚Local Honey‘ geschrieben? Auf dem Album sind gerade mal acht Nummern zu hören.
Ich habe ungefähr 15 oder 20 Lieder geschrieben. Für mich passte diese Auswahl am besten mit dem Sound des Albums zusammen. Es gab weitere Songs, die ich für gut hielt, aber sie klangen in diesem Kontext nicht passend. Für mich hört sich das wie ein komplettes Album an.
Mit Lesser Known Records hast du dafür dein eigenes Label gegründet. Aus welchem Grund?
Mir wurde irgendwann bewusst, dass ich zwar schon eine lange Karriere hinter mir habe, aber nichts von den Sachen, die ich gemacht habe, besitze. Nichts von meiner Arbeit gehört mir. Dieser Gedanke gefiel mir nicht. Wenn es meine Arbeit ist, sollte sie mir gehören. Jetzt war die Zeit gekommen, das zu ändern. Außerdem wollte ich unabhängig sein. Ich wollte nicht, dass mir irgendjemand sagt, was ich zu tun habe. Ich wollte das tun, was ich für richtig halte.
Kommen wir zur Hardware. Welche Gitarren, Verstärker und Effekte sind auf dem Album zu hören?
Beginnen wir mit den Akustikgitarren. Die Haupt-Acoustic ist eine sehr coole Martin 00-42, ein sehr kleines Modell im Stile von Robert Johnson. Sie klingt sehr fokussiert und crisp und hat nicht viele Bässe. Ihr Sound ist also nicht groß und fett, dafür aber sehr direkt. Du musst auf ihr wirklich gut spielen, denn sie deckt jeden deiner Fehler schonungslos auf.
Handelt es sich bei dieser Martin um ein neues oder altes Modell?
Ein brandneues, das ich mir vom Martin Custom Shop habe bauen lassen. Alte Gitarren kann ich mir nicht leisten, deswegen besitze ich keine. Auch wenn ich sehr gerne welche hätte.
Wie sieht es in Sachen E-Gitarren aus?
Mein zweites Hauptinstrument war eine Fender Telecaster bzw. Broadcaster aus dem Custom Shop. Sie sieht aus wie die Gitarre von Bruce Springsteen, allerdings habe ich sie mit einigen Aufklebern versehen. Sie sind wie Stempel von verschiedenen Orten auf der Welt. Ich fand das cool. Auf ihr habe ich die meisten der anderen Songs geschrieben. Auch auf den Aufnahmen ist es vor allem sie, die man hört, wenn es um elektrische Gitarren geht.
Verstärkt wurde sie von einem Fender Deluxe Reverb aus dem Jahr 1965. Das ist mein liebster Amp auf der Welt. Ob du es glaubst oder nicht, jeder Song wurde mit diesem Verstärker aufgenommen. Wir haben andere Amps ausprobiert, aber die klangen nicht so gut. Gelegentlich haben wir etwas mit einer anderen Gitarre eingespielt, doch der Verstärker blieb stets der gleiche. Er hat für jeden noch so kleinen Part auf dem Album funktioniert. Es war das erste Mal, dass mir so etwas passiert ist.
Hast du trotz des reduzierten Konzepts Effekte verwendet?
Tonnenweise. Mein Haupt-Setup war die Telecaster in einen Tubescreamer von 1981 – sehr old school, sehr Stevie-RayVaughan-Style.
TS-808?
Genau. Der ist fantastisch. Er lief meist durch ein Fulltone Tape Echo. Außerdem habe ich jede Menge an Pedalen der Firma Analog Man verwendet, darunter einen Chorus und das Sun Face Fuzz – eigentlich alles, was wir bekommen konnten. Analog Man haben ihren Sitz in Connecticut, dort liegt auch das Studio, in dem wir aufgenommen haben. Wir sind immer wieder hingefahren und haben alles ausprobiert. (lacht) Mike Piera, der Gründer und Inhaber, ist so ein guter Typ, und wir lieben seine Pedale. Also haben wir sie andauernd gespielt. Viele von ihnen sind auf dem Album zu hören.
Ein guter Freund des Akustikgitarristen ist bekanntlich der Kapodaster. Benutzt du einen?
Oh ja, ständig. Wir probieren viele verschiedene Tonarten aus. Und es gibt noch etwas, das wir häufig verwendet haben: eine National Resonator. Die ist in ganz vielen Parts zu hören. Sie hat einen extrem großen Hals, und ihre Saiten sind äußerst straff. Normalerweise wird dieses Instrument für das Slide-Spiel verwendet. Es ist echt hart, sie mit Fingerpicking zu spielen. Daher haben wir häufig Kapos eingesetzt oder sie anders gestimmt. Ich habe nicht so viel Kraft. Ich spiele normalerweise eine Telecaster mit einem Satz .009er-Saiten drauf. Wenn man es dann mit .013er-Saiten auf einer Resonator zu tun bekommt, ist das ein riesiger Unterschied, auf den man sich einstellen muss.
Man kennt dich vor allem als Sänger oder Songschreiber. Wie würdest du dich als Gitarristen beschreiben?
Ich spiele ständig. Außer bei Konzerten war ich nie in der Lage, zu zeigen, wie ich spielen kann. Ich nehme Unterricht und übe viel. Ich bin zwar nicht der beste Gitarrist der Welt, aber ich kriege schon ein bisschen was auf die Reihe. (lacht) Ich spiele daheim zu Alben von Roy Buchanan, Sonny Landreth, Peter Green und den frühen Fleetwood Mac. Und genau das möchte ich auch bei zukünftigen Live-Shows ein bisschen mehr einbringen: Wir spielen zunächst den Song und jammen dann am Ende ein bisschen. Ich liebe so etwas.
Im Begleitschreiben zu ‚Local Honey‘ steht, dass das Album weder Americana noch Folk ist. Wie würdest du es denn nennen? Storytelling-Musik?
Ich habe das nicht geschrieben. (lacht) Vieles von der Musik, die die Leute Americana nennen, ist für mich Singer/Songwriter-Musik. Ich habe gerade über Peter Green und Fleetwood Mac gesprochen. Hör dir das an und dann jemanden wie Lucinda Williams. Ich sehe da nicht so viele Unterschiede. Für mich ist das alles Roots-Musik. Denn eins sollte klar sein: Die Basis von allem ist der Song.