(Bild: Andreas Neumann)
Sechs Jahre Funkstille sind genug: Mit ‚In Times New Roman‘ melden sich Josh Homme und seine Wüstensöhne zurück. Allerdings mit sehr düsteren, wütenden und kathartischen Songs – die Folge einer fiesen Scheidung, dem Verlust von Best-Buddys wie Mark Lanegan, zwei Jahren Corona-Zwangspause und einer Welt, die dem Baum von einem Kerl so gar nicht gefällt. Also betreibt er musikalische Selbsttherapie – mit Umpa und besaiteten Bratpfannen.
Wer seine Musik und seine Vita kennt, weiß: Josh Homme ist kein einfacher Mensch. Im Gegenteil: Der 50-Jährige kann sehr launisch, schroff und aufbrausend sein, im nächsten Moment aber auch herzlich, charmant und extrem witzig. Kurzum: Ein unberechenbarer Gesprächspartner − gerade zu einer Zeit, in der er einen vierjährigen Rosenkrieg mit seiner Ex, Distillers-Frontfrau Brody Dalle, durchläuft, in der Corona-Pandemie etliche gute Freunde verloren hat und seit sechs Jahren ohne neues Album ist. Da tritt sein Management auf die Interview-Bremse: Nur ganz wenige Presse-Termine und bitte keine privaten Fragen. Damit kann Gitarre & Bass gut leben – uns interessiert eh etwas ganz anderes. Etwas, über das er in der Vergangenheit mindestens genauso gern gesprochen hat, wie über Anwälte und Unterlassungsklagen. Nur: Sind komplizierte Künstler nicht eh die viel spannenderen? Hier ist der Beweis: Mr. Homme im etwas anderen Gitarren-Talk – mit hohem Unterhaltungswert.
(Bild: Andreas Neumann)
INTERVIEW
Zwischen Gerichtsterminen und Beerdigungen: Wann hast du mit ‚In Times New Roman‘ begonnen?
Naja, es war ein schwieriges Album, und aus irgendeinem Grund werden Queens-Alben ohnehin immer schwieriger. Ich hoffe, es liegt daran, dass wir mittlerweile so gut sind, dass die alten Tricks nicht mehr funktionieren. Also, dass es im Grunde mehr darum geht, nicht zu perfekt zu sein. In diesem Fall sahen die Aufnahmen so aus, dass ich zunächst nur Melodien zu den Stücken gesummt habe. Und im Grunde war die Musik bereits vor zwei Jahren fertig, aber den Gesang habe ich erst letzten November aufgenommen. Vorher ging es nicht.
Warum hast du zum allerersten Mal selbst produziert?
Ich wusste im Vorfeld, dass ich die Dynamik und die Ungeschliffenheit diesmal auf eine Art angehen würde, die ich nicht groß erklären wollte – weil das eh niemand verstanden hätte. Allein die Gitarren auf dem ersten Song sind schon verdammt brutal. Wenn das Riff einsetzt, ist das knallhart. Und ich denke, jeder Produzent hätte sofort versucht, mir das auszureden und es etwas verträglicher zu gestalten. Selbst der Typ, der es gemastert hat, äußerte spätestens am Ende von ‚Carnavoyeur‘ Bedenken.
Nämlich: „Lauter geht es nicht. Bist du dir da sicher, was du da tust?“
Meine Antwort war: „Kriegen wir das nicht so hin, dass es jeden Lautsprecher zerstört?“
Denn: Wie toll wäre es, der Mann zu sein, der die Boxen seiner Zuhörer killt? Im Ernst: Ich fände das großartig. Und der Song könnte es tatsächlich schaffen.
Da du in Rick Rubins Shangri-La-Studios aufgenommen hast: Hat es auch bei seinen Boxen geklappt?
(lacht) Das hätte es – wenn er sich die Mühe gemacht hätte, da zumindest mal reinzuhören. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich das im Grunde schon auf dem allerersten Queens-Album versucht. Einfach, weil ich dachte: „Wäre es nicht toll, wenn irgendwelche Boxen am Ende der Platte komplett ruiniert wären?“
In meiner Vorstellung wäre das das Größte, was man als Rockmusiker erreichen könnte. (lacht)
Das ist aber nicht der Grund, warum du Pink Duck, dein eigenes Studio in Los Angeles, verkaufst?
Nein, das tue ich, weil es einfach an der Zeit ist, es gehen zu lassen. Es ist zu teuer, ich nutze es zu wenig, ich brauche Geld für andere Dinge und muss mich hier in der Wüste um meine Kinder kümmern. Ich bin jetzt ein alleinerziehender Vater. Wie gesagt, wenn ich in den letzten vier Jahren etwas gelernt habe, dann sich nicht zu sehr an etwas festzuklammern, sondern nach vorne zu schauen. Das ist enorm wichtig. Es ist okay, sich an Dinge oder Momente zu erinnern, aber ich selbst möchte nicht rückwärts in die Zukunft gehen – und dabei nichts mitbekommen. Ich will im Hier und Jetzt sein. Insofern: Man hat mir geraten, mich davon zu trennen, und das befolge ich.
Richtest du dir ein neues Studio in der Wüste ein?
Ich habe noch nicht entschieden, was ich mache. Ich denke, das ergibt sich irgendwann von selbst. Wenn ich etwas sehe, das mich anspricht, werde ich aktiv. Ich schätze aber, dass es ein Ort sein wird, der ein bisschen ruhiger ist als Los Angeles. Also wohl doch die Wüste …
Musikalisch erinnert das Album an Bowies ‚Scary Monsters (And Super Creeps)‘ aus den frühen 80ern – es ist klaustrophobisch, morbide und kantig. Ist es der Soundtrack zu deiner Gefühlswelt?
Ich schätze, ich habe ein Auge für das, was da draußen fehlt oder aktuell nicht so gefragt ist. Ich höre z. B. eine Menge Alben, die auf Performances basieren, die digital korrigiert wurden, die nach Perfektion streben und auch gut produziert sind, aber leider ganz auf Nummer Sicher gehen − bei denen keiner verletzt wird. Nur: Das hat nichts mit mir und meinem Leben zu tun. Ich verstehe das, was ich mache, eher als Brutalismus. Und das ist etwas, das ich von meinem Album mit Iggy Pop gelernt habe. Wenn er „Tonight“ schreit – warum kann das nicht die gesamte übrige Musik überlagern? Warum kann es nicht furchteinflößend sein? In der Art, dass man beim Hören denkt: „Scheiße, was war das? Das sollte so eigentlich nicht passieren.“
Und das Album, das ich davon abgeleitet habe, war ‚Villains‘, das im Grunde so leise ist, dass man seine Stereoanlage voll aufdreht und sich wundert, ob da vielleicht etwas nicht stimmt – bis es plötzlich „bum, bum, bum, bum“ macht und man sich denkt: „Ahh, geht doch!“
Insofern: Warum kann die Dynamik nicht überwältigend sein? Warum kann man Leuten, die man schätzt und mag, nicht mal einen kleinen Streich spielen? Ich meine, ich liebe meine Fans. Und ich denke, sie wollen solche Sachen. Keine Ahnung, ob ich damit richtig liege, aber diesmal ist die Dynamik so, als ob wir im Auto durch ein alternatives Universum fahren. Dabei kommen wir an einem Orchester vorbei, das unsere Musik hört und uns völlig entsetzt anstarrt. Dann versucht es, uns zu überwältigen und die Musik in seinen Besitz zu bringen. Warum auch nicht? Es ist ja nur ein kleines Intermezzo, das nichts an der klanglichen Brutalität des restlichen Materials ändert.
Du hast die Frage nicht beantwortet: Wolltest du einen ähnlichen unterkühlten, spacigen Sound wie der Thin White Duke mit Gitarrist Carlos Alomar?
(lacht) Keine Ahnung. Ich liebe es einfach, Sachen zu machen, bei denen ich mir den Sound im Kopf ausmale. Und je verletzlicher und ehrlicher man dabei ist, desto überzeugender klingt es. Also: Je mehr ich es liebe und je mehr Liebe ich investiere, desto mehr kann es jemand lieben, der ganz genau hinhört. Damit meine ich richtig lieben und wirklich begeistert sein. Dafür brauche ich nicht die größte Band der Welt, sondern nur die beste, in der ich sein kann. Ja, und Bowie und Carlos sind gute Referenzpunkte. Ich mag ihren spacigen Sound aus dieser Zeit.
Neben den Bowie-Einflüssen findet sich zumindest ein Thin-Lizzy-Moment – am Ende von ‚Made To Parade‘. Wie kommt‘s?
Oh, das ist – zumindest für mich – einfach das große Hallelujah am Ende. Ich habe dabei gar nicht so sehr an Thin Lizzy gedacht, aber das ist okay – gegen solche Vergleiche kann man nichts sagen. Die sind immer ein Kompliment. (lacht) Das Bild, das ich da entwerfe, ist das einer großen Parade. Und ich selbst liebe Paraden. Ich liebe, wie sie an einem vorüberziehen und man Teil von etwas ist, auf das alle Anwesenden wahnsinnig stolz sind. Was mich aber immer am meisten fasziniert, ist der allerletzte Wagen eines solchen Umzugs. Der letzte, bei dem niemand mehr so richtig hinguckt, weil die Parade im Grunde durch ist. Meistens ist es auch nicht gerade der Schönste – im Gegenteil: Es ist das hässliche Entlein, das man extra am Ende platziert hat, wo es am wenigsten auffällt. Und ich vergleiche meine Band gerne mit dem letzten Wagen des Tages. Nach dem Motto: „Gute Güte, habt ihr das gesehen? Wie eklig! Wo ist denn der Glitter?“
Seltener Gear-Talk auf Seite 2 …
(Bild: Andreas Neumann)
In der Vergangenheit war es oft schwierig, mit dir über Gitarren und Gear zu sprechen. Einfach, weil du deinen Sound und dein Setup vor Kopisten schützen wolltest.
Das stimmt. Ich wollte es den Leuten nicht zu leicht machen, mich zu imitieren, was ja leider gang und gäbe ist … Es ist halt viel einfacher zu klauen, als selbst mit etwas aufzuwarten.
Bist du immer noch so zurückhaltend und geheimniskrämerisch, oder hat sich das mit den Sozialen Medien, in denen ja etliche Fotos und Videos von deinem Handwerkszeug auftauchen, etwas gelockert? Sprich: Bist du jetzt mitteilsamer?
Ich bin immer noch der Meinung, dass jeder auf seine eigene Reise gehen sollte – weil das die Inspiration für deine Musik und alles andere ist: Deine ureigenen Erlebnisse. Die sollte jeder für sich machen. Zumal ich mich damit rühme, eine Tonalität zu haben, die im Grunde jeder Musikbegeisterte innerhalb von fünf Sekunden identifizieren kann. (lacht) So komplex ist sie – aber hey: Das ist mein Markenzeichen. Und ich habe allein dadurch eine Menge gelernt, indem ich mit Jungs wie Billy Gibbons gespielt habe. Als wir zusammen abhingen, hat er sich in jeden meiner zehn Verstärker gestöpselt. Und das Lustige ist: Es hat keinerlei Unterschied gemacht. Es hat immer nur nach ihm geklungen.
Deshalb, also wegen ihm, habe ich aufgehört, Equipment zu sammeln. Ich habe ohnehin viel zu viel Kram, und einiges davon habe ich an Leute verschenkt, von denen ich dachte, dass sie es gut gebrauchen könnten. Mir ist mittlerweile klargeworden, dass es gar nicht so das Gear ist, sondern es halt doch in deinen Fingern steckt. So, wie die Leute schon ewig sagen: „Es steckt in den Fingern.“
Das habe ich natürlich nie ernstgenommen. Ich hielt das für dummes Geschwätz – bis ich erlebt habe, wie Billy Gibbons vor meinen Amps stand und immer gleich geklungen hat. Das war eine Offenbarung – eben die Erkenntnis, wie unwichtig das ganze Equipment doch ist. Es geht wirklich nur um die Finger – und nichts anderes.
OK, was spielst du dann auf dem neuen Album?
Das verrate ich nicht. (lacht) Nein, im Ernst: Zuletzt greife ich immer öfter auf diese Motor-Ave-Gitarren zurück. Mit ihnen habe ich ein neunsaitiges Modell entwickelt. Eine Gitarre nur für mich, die ich auch schon auf dem letzten Album eingesetzt habe und die ich wahnsinnig gerne spiele. Es ist Motörhead auf den tieferen Saiten und The Cure auf den höheren. Einfach, weil das meinen Klang-Parametern entspricht – also den Extremen, zwischen denen ich mich gerne bewege. Und weil ich es liebe, mit etwas Neuem aufzuwarten und auch bei meinen Instrumenten innovativ zu sein.
Nach dem Motto: Originelle Gitarren für originelle Sounds?
Genau. Und ich weiß noch, wie ich Ende der 80er richtig tief gestimmt habe, weil das damals niemand getan hat. Ich dachte: „Wenn ich der Einzige bin, der das so macht, ist das die Art, wie ich ganz ich selbst sein kann.“
Es war also ein Alleinstellungsmerkmal. Doch dann kamen die ganzen siebensaitigen Gitarren auf den Markt, über die sich die sogenannten Nu-Metal-Bands definierten. Dazu muss ich sagen: Das ist nicht meine Schuld! Ich kann da wirklich nichts für. (lacht) Mehr noch: Hätte ich gewusst, was daraus wird, hätte ich nie damit angefangen. Ich schwöre! Es ging mir immer nur darum, eine eigene Tonalität oder einen innovativen Ansatz für das zu finden, was ich da tue. Und meistens ist es eben wirklich so, dass das Dümmste oder Naheliegendste auch das Beste ist. Ich halte Dummheit ganz allgemein für einen der unterbewertetsten Geisteszustände, die es gibt. (lacht) Im Ernst: richtig blöd ist manchmal einfach nur genial.
Also hat Nu Metal die Baritongitarren gekillt – zumindest für dich?
Ja, und deswegen hatte ich zwischenzeitlich ein richtig schlechtes Gewissen – ich habe mich schuldig dafür gefühlt, dass dieses Instrument mit der Szene assoziiert wird. Dabei ist das nicht meine Schuld – und wenn dem so sein sollte, kann ich mich nur entschuldigen. Es war einfach so, dass ich der erste war, der runtergestimmt hat – lange vor allen anderen. Und damals, als ich noch bei Kyuss war, habe ich wirklich gedacht: „Das ist unser Sound und an den wird sich auch niemand heranwagen.“
Pustekuchen! Wobei ich bei Queens immer noch alles auf C stimme. Das ist einfach mein Ding – also verzeiht mir bitte diesen Nu-Metal-Kram. Das war nicht meine Absicht. (lacht)
Und das hast du zum Anlass genommen, um zu billigen japanischen Gitarren zu wechseln – zu regelrechten Biestern mit Saiten?
Ich hatte eine Phase, in der ich japanische Billig-Gitarren wie Teisco Del Reys oder auch Tempos gespielt habe – bis ich irgendwann den Fehler gemacht habe und von gebrauchten Schrottteilen für 50 Dollar zu einer neuen, etwas teureren Variante wechseln zu wollen. Ich habe sie bei einer sehr bekannten Firma in Fernost bestellt, und wollte sie auch keineswegs umsonst – ich bestand darauf, sie zu bezahlen. Aber was machen die? Sie haben mir eine Gitarre geschickt, die absolut unspielbar war. Eine einzige Katastrophe. Sie ließ sich weder richtig stimmen noch spielen. Ein Haufen Scheiße. Dabei wussten sie genau, für wen sie war – und was ich damit anstellen wollte. Ich habe ihnen das Teil zurückgeschickt und sie haben mir ein anderes Modell als Ersatz zukommen lassen.
Was soll ich sagen: Es war genauso inakzeptabel, weshalb ich echt sauer geworden bin und meinen Ansprechpartner bei der Firma angerufen habe. Ich meinte zu ihm:
„Jemand fährt in einen Wald, um Bäume zu fällen. Sie lassen euch das Ergebnis ihrer Arbeit zukommen – und ihr stellt so etwas damit an? Ihr solltet mit einem Berufsverbot belegt werden! Ihr verschwendet jedermanns Zeit und seid respektlos gegenüber euch selbst.“
Einfach, weil die Gitarren, die ich da erhalten habe, die reinste Beleidigung waren. Nicht nur für mich, sondern auch für alle, die in irgendeiner Weise an der Produktion beteiligt waren. Eben, weil sie Zugang zu den besten Materialien haben und das denkbar Schlechteste daraus machen. Während – und da liegt die Ironie – all diese japanischen Gitarren aus den 70ern, die jetzt so toll klingen, auf den schlechtesten Materialien basieren. Nur: Damit haben sie das Bestmögliche angestellt. Gitarren, die einfach verrückt klingen; die einen unverwechselbaren Sound haben. Ganz abgesehen davon, dass sie geradezu lächerlich aussehen. Ich meine, ich bin ein 1,95-Meter-Kerl, der ein Instrument spielt, das für ein Kind gemacht zu sein scheint. (lacht) Aber das passt natürlich zu Queens of The Stone Age …
Jon Spencer sammelt diese Teile seit Jahrzehnten und spielt nichts anderes …
Er ist ja auch etwas kleiner, als ich – und hat einen ultra-dreckigen Sound. Er könnte auch eine Bratpfanne mit Pickups spielen. (lacht) Aber im Ernst: Vielleicht ist es der Norweger in mir, der sich zu diesen Gitarren hingezogen fühlt – einfach, weil sie so unglaublich billig sind. Nämlich rund 180 Dollar für ein neues Teil. Da kann ich nur sagen: „OK, das ist doch mal ein Angebot. Und wenn sie jeder mag, müssen sie auch gut sein…“
Das war zumindest mein Ausgangspunkt bis ich diese Negativ-Erfahrung gemacht habe. Insofern kann ich nur jedem raten: Lasst die Finger von neuen japanischen Modellen!
(erschienen in Gitarre & Bass 08/2023)