Meilenstein 1970

Black Sabbath & Paranoid

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Regengeplätscher, eine Kirchenglocke läutet, Gewittergrollen, und in diese unheimliche, hörspielartige Szenerie knallen aus dem Nichts verzerrte Gitarre, drückender Bass und Drums – ein Einsatz der heftiger nicht sein könnte. Das Ganze vorgetragen in einem mega-langsamen Tempo. Die Stimmung wandelt sich, die Gitarre lässt an Brachialität nach, und eine manische Stimme setzt ein: Der Sänger erzählt von einer Begegnung mit dem Leibhaftigen …

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(Bild: SONY, UNIVERSAL, LANEY, ARCHIV)

Passend hieß die gerade beschriebene Nummer ,Black Sabbath‘, genauso wie das Album und letztlich auch die Band. Und in diesem Stil ging es weiter: fette Gitarren-Riffs, düstere bis okkulte Inhalte und für die damalige Zeit ausgefallene Gitarren- und Bass-Sounds sind zu hören. Selbst heute wirkt der komprimierte WahWah-Bass-Sound im Intro von ,N.I.B.‘ immer noch cool und hip. Das Harmonica-Intro von ,The Wizard‘ weist hingegen subtil auf Blues-Roots hin. ,Sleeping Village‘ beginnt als Akustik-Ballade, durch die Maultrommel im Hintergrund kommt Italo-Western-Flair auf, dass sofort verfliegt,

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Düsteres_Debüt_Black_Sabbath

wenn Gitarrist Tony Iommi mit einem dicken Blues-Rock-Riff einsetzt. Die Nummer entwickelt mit ihren Tempo- und Takt-Wechseln einen ausgesprochenen JamCharakter, der dadurch verstärkt wird, dass man in das folgende ,The Warning‘ lückenlos hinüberwechselt. Iommi tobt sich hier in virtuosen Solo-Parts aus, wobei „Solo“ wörtlich zu nehmen ist. Denn nachdem die Band ausgefadet wurde, ist gut zwei Minuten lang nur noch Gitarre zu hören: Tony wechselt zwischen Singlenote-Lines und Riffs, dann geht es über in gezupfte Parts, bevor nach einem Feedback-Zwischenspiel endlich die komplette Mannschaft wieder einsetzt.

Wer war diese neue, ungewöhnliche englische Band? John „Ozzy“ Osbourne (voc), Tony Iommi (g), Geezer Butler (b) und Bill Ward (dr) kamen aus Aston, in der Nähe von Birmingham. Zunächst als Polka Tulk und später als Earth unterwegs, nannten sie sich ab 1969 „Black Sabbath“. Angeblich wurde Bassist Butler durch ein Buch des englischen Thriller-/Okkult-Roman-Autors Dennis Wheatley (1897-1977) zu dem düsteren Band-Namen inspiriert. Andere Quellen sprechen davon, dass man sich nach dem gleichnamigen Horror-Film (dt. „Die drei Gesichter der Furcht“, 1963) mit Schauspiellegende Boris Karloff so benannt habe. Offensichtlich eine weitere spektakuläre und auch publikumswirksame Idee, denn in England landete Black Sabbath mit dem im Februar 1970 veröffentlichten Debüt immerhin auf Rang 8, in den USA (einige Monate später) auf Platz 23 der Verkaufslisten.

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Deluxe Edition: Paranoid (Bild: universal, sanctuary)

Was nun noch fehlte war ein richtiger Hit, aber den gab’s direkt im Anschluss mit der Single ,Paranoid‘. Das Stück landete in UK auf Rang 4 (in den USA auf Position 61) der Charts. Ein Gitarren-Riff für die Ewigkeit und sowohl für die Band als auch die Zeit eine relativ schnelle Abgeh-Nummer mit strammen Achteln von Gitarre & Bass. Workshops & Transkriptionen von ,Paranoid‘ findet man in G&B 07/2002 und weiter hinten in der vorliegenden Ausgabe.

Im September 1970 erschien dann das ebenfalls ,Paranoid‘ betitelte zweite Black-Sabbath-Album, und erklomm die Spitze der britischen Charts, in Übersee knackte man die Top-20. Dieses Album bietet wirklich die definitiven Klassiker der Band: Neben dem Titel-Track, sind dies etwa der Opener ,War Pigs‘ mit Ozzys sich hochschraubender Gesangsmelodie.

Nach einem Break kommt ein Tempo-Wechsel und die Nummer wird mit dem irgendwie funky Gitarren-Riff und dem flotten Groove sehr lebendig. Dies liegt nicht zuletzt an Drummer Bill Ward, der auf der einen Seite sehr geradeaus nach vorne spielt, andererseits virtuos und geschickt entstehende Räume ausfüllt.

Nach ,Paranoid‘ folgt mit ,Planet Caravan‘ ein abrupter Stimmungswechsel. Arpeggierte, unverzerrte Gitarren, Percussion, eine monotone, tragende Bass-Linie erzeugen tatsächlich die Vorstellung einer Karawane, die sich durch flirrende Wüstenhitze kämpft. Osbournes sirrender Gesang klingt, als hätte man ihn über ein Leslie-Speaker-Cabinet abgenommen. Eine Überraschung ist das Gitarren-Solo: Mit cleanem und leicht verhalltem Sound spielt Iommi über KlavierAkkorde, was dem Part einen lateinamerikanischen bis jazzigen Charakter verleiht. Hier klingen die Väter des Heavy Metals ganz schön hippieesk 😉

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Black Sabbath in den 70ern (Bild: SONY, UNIVERSAL, LANEY, ARCHIV)

Schluss mit der Beschaulichkeit: Mit Bassdrum-Vierteln leitet Drummer Ward ,Iron Man‘ ein, und wieder sorgt die diesmal roboterhaft verfremdete Stimme, („I am Iron Man“) für Aufmerksamkeit, bevor Iommi mit einem Killer-Riff einsetzt. Ganz schön böse und Pflichtstoff für jeden Heavy-Gitarristen! Auffällig wie in vielen Sabbath-Stücken ist die lebendige Bass-Arbeit von Geezer Butler, der wie Jack Bruce von Cream oder John Entwistle von The Who zu den „mitspielenden“ Bassisten gehört. Auf alten Fotos und Videos sieht man Geezer mit verschiedenen Instrumenten, u. a. von Fender und Rickenbacker. Sein druckvoller, breiter Sound legt nahe, dass er in den Anfangstagen von Black Sabbath Röhren-Amps von Ampeg benutzt hat – und die spielt er u. a. auch heute noch.

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Ozzy & Tony (Bild: universal, sanctuary)

Dicke Bass-Sounds gibt’s ebenfalls in ,Electric Funeral‘. Gitarre und Bass spielen wie so oft das Haupt-Riff unisono, in der Strophe dominiert ein für Iommi und Sabbath typischer Harmonie-Trick, nämlich der Einsatz der verminderten Quinte (b5) in den Moll(-Pentatonik-)Riffs.

Sehr funky klingen Black Sabbath in ,Hand Of Doom‘. Getragen wird die Nummer von einem monotonen Bass-Lauf, der plötzlich durchbrochen wird durch einen Groove-Wechsel, und der bis dahin hypnotische Song wandelt sich in einen shuffelnden Blues-Rock-Kracher bevor es wieder langsamer wird. Im kurzen Instrumental ,Rat Salad‘ zeigt dann Bill Ward in einem längeren Drum-Solo was er draufhat. Klassisch ist so etwas für die 70er, Ward spielt allerdings sehr virtuos, sehr frei, fast schon jazzig. Ganz klar die Konkurrenz zu Deep-Purple-Schlagzeuger Ian Paice.

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Gingen gerne raus: Black Sabbath (Bild: universal, sanctuary)

Gitarrist Iommi dürfte den Solo-Eskapaden seines Drummers fasziniert zugehört haben, denn als Teenager wollte auch er nach eigener Aussage Schlagzeug lernen. Es wurde dann doch die Gitarre, und Iommi ist bekannt dafür hauptsächlich eine Gibson SG zu bearbeiten – in schwarz, das versteht sich von selbst! Gezwungenermaßen ging er innovativ an sein Instrument heran:

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Tony Iommi (Bild: universal, sanctuary)

Als Teenager verlor er zwei Fingerkuppen der rechten Hand, also der Greifhand des Linkshänders. Fortan spielte er mit Plastikkappen auf den betroffenen Fingern. Um leichter greifen zu können, stellte sich Tony ein eigenes Set mit für Anfang der 70er-Jahre ungewöhnlich dünnen Saiten zusammen (.008 − .042), und er stimmte seine Gitarre auch noch tiefer, was für ihn eine weitere Verbesserung der Bespielbarkeit bedeutete und dem von der Band angestrebten tiefen, düsteren Sound natürlich entgegenkam. Seit den Anfängen benutzt Iommi Röhren-Verstärker des ebenfalls aus Birmingham stammenden Herstellers Laney. Fast 40 Jahre später sind die ersten beiden Sabbath-Alben zu Meilensteinen der Rock-History avanciert. Zwar hatten Led Zeppelin 1969 mit ihren ersten beiden Alben die Messlatte für Heavy-Rock hochgelegt. Aber Black Sabbath entwickelte mit der Vermischung von hartem Rock und Horror-Elementen, angefangen vom Band-Namen über die LP-Cover-Gestaltung bis zu den Lyrics, das Genre vom Start weg in eine andere Richtung. Vor allem das hitträchtige Album ,Paranoid‘ stellt immer noch eine Inspirationsquelle dar. Black Sabbath und ihr spezielles Düster-Image haben wohl so ziemlich jede Heavy-Spielart geprägt, sicherlich auch textlich. Neben den okkulten und übersinnlichen Aspekten geht es auch um handfestere, gleichsam bedrückende Themen wie Geisteskrankheiten oder Krieg.

Allerdings sollte man erwähnen, dass die Sabbath-Musiker gerade mit den okkulten Themen doch eher spielerisch bis selbstironisch umgegangen sind. Ganz im Gegensatz zu einigen Epigonen aus der Abteilung Death-/Black-Metal, die teilweise wesentlich extremer und ernster zu Werke gehen. Don’t get too evil!

In rein musikalischer Hinsicht findet man den Einfluss von Ozzy & Co bei so unterschiedlichen Heavy-Vertretern wie Iron Maiden, Pantera, Soundgarden, Danzig, Queens Of The Stone Age oder auch den Stoner-Rockern wie Fu Manchu oder Kyuss.

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Bass Sabbath: Geezer Butler (Bild: universal, sanctuary)

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