Der MTV-Clip war damals einfach nur lustig und ist heute Kult: Drei schräge HipHop-Typen tauchen auf einer lahmen Party auf, lassen ihre nicht minder schrägen Freunde rein und gemeinsam lassen sie die Sau raus bis alles in einer riesigen Tortenschlacht endet und die Wohnung Kleinholz ist.
Im Rheinland nennt man so etwas Karneval, im Süddeutschen Oktoberfest. ,Fight For Your Right‘ hieß der Song, der den Durchbruch für die New Yorker Beastie Boys bedeutete. Mike D (Mike Diamond) und MCA (Adam Yauch) gründeten die Band 1981, die damals noch Punk spielte. Zwei Jahre später kam Ad-Rock (Adam Horovitz) von der Hardcore-Band The Young And The Useless hinzu. Schließlich trafen sie auf Produzent Rick Rubin, der mit seinem Kumpel Russell Simmons gerade Def Jam Recordings ins Leben gerufen hatte. Zu den ersten Veröffentlichungen gehörte 1985 die Beastie-Boys-Single ,Rock Hard‘. Hier kombinierte man das Riff von AC/DCs ,Back In Black‘ mit Scratching und ironischen Rap-Lyrics.
Dies war dann auch das Basisrezept für das Debüt-Album ,Licensed To Ill‘, das im November 1986 erschien. Das startet mit dem Drum-Beat von Led Zeppelins ,When The Levee Breaks‘, in den das Gitarren-Riff des Black-Sabbath-Klassiker ,Sweet Leaf‘ und fettes Scratching gemixt werden. Das programmatische ,Rhymin & Stealin‘ machte genau das, und der Gipfel der Provokation dürfte Mike D sein, der sein Talent u.a. mit Picasso vergleicht und feststellt: „If I played guitar I‘d be Jimmy Page.“ Bei 2:42 min findet sich dann auch noch die Gesangszeile „I fought the law“ aus dem gleichnamigen Song der britischen Punk-Band The Clash; übrigens war dieser wiederum eine Cover-Version des Hits der texanischen 60s-Band The Bobby Fuller Four.
,She’s Crafty‘ kommt ebenfalls heftig daher, denn es basiert auf dem Jimmy-Page-Riff aus ,The Ocean‘. Und natürlich ist da noch das brachiale ,No Sleep Till Brooklyn‘. Der eingängige Refrain wird dem Hörer als erstes entgegengeschmettert, gefolgt von einem Gitarren-Riff mit Anklängen an AC/DCs ,T.N.T.‘ oder Joan Jetts ,I Love Rock ‘n‘ Roll‘. Und letztlich spielt der Song-Name auf das Motörhead-Live-Album ,No Sleep Till Hammersmith‘ an. Das überzogene Gitarrensolo ist tatsächlich ein „echtes“ und wurde von Slayers Kerry King eingespielt. Rubin, der in einem anderen Raum des Studios parallel das Slayer-Opus ,Reign In Blood‘ produzierte, hatte ihn dazu bewegen können. Im Booklet dankt die Band mit folgenden Worten: „Frozen Metal Thanks To: Kerry King for Lead Guitar on ,Brooklyn‘.“ Diese Formulierung lässt m.E. offen, ob King, wie oft zu lesen ist, auch das tragende Riff beigesteuert hat. Übrigens – und damit wären wir wieder beim Anfang der Geschichte – genauso ungeklärt ist, ob Kerry King auch die Gitarren zu ,Fight For Your Right‘ eingespielt hat. Im Booklet ist jedenfalls nichts dazu erwähnt, und außer halbgaren Internet- Einträgen findet man keinen konkreten Beleg dafür.
Doch zurück in die Vergangenheit: Natürlich warf der Einsatz von originalen Aufnahmen damals wie heute die grundsätzliche Frage im HipHop auf: „Dürfen die das eigentlich? Und ist es nicht ganz schön dreist, sich bei anderen Musikern einfach so zu bedienen?“ Viele Künstler vertraten da einen eindeutigen Standpunkt wie AC/DC, die den Beastie Boys nicht erlaubten, die oben erwähnte Single ,Rock Hard‘ auf einer Compilation zu veröffentlichen. Allerdings ist auf ,Licensed To Ill‘ nicht zu überhören, dass die bekannten Riffs und sonstige Klang-Zitate in einen neuen kreativen Zusammenhang gesetzt wurden. In dieser Hinsicht war 1986 ein spannendes Jahr für den HipHop und die Rock-Musik.
Run-DMC präsentierten ihre Version von Aerosmiths ,Walk This Way‘. Frontman Steven Tyler und Gitarrist Joe Perry erkannten die Zeichen der Zeit und traten gemeinsam mit den Rappern im Video-Clip auf – und brachten so ihre Band Mitte der 80er-Jahre wieder ins Gespräch. Auch die Beastie Boys haben Metal/Hardrock im HipHop nachhaltig etabliert. Umgekehrt dürfte dieser Ansatz dem ein oder anderen Heavyrocker HipHop schmackhaft gemacht haben. Wie wegweisend die Beastie Boys mit ,Licensed To Ill‘ waren, zeigen etwa die zahlreichen Live-Cover speziell von ,Fight For Your Right‘, u. a. von Blondie bis zu den Leningrad Cowboys. Auch Coldplay spielten die Partyhymne in einer reduzierten Form mit Piano anlässlich des frühen Todes von Adam Yauch am 4. Mai 2012.
Bei der „Rock And Roll Hall Of Fame 2012 Induction Ceremony“ machten beim Beastie Boys Tribute viele Kollegen mit, wie die großartigen The Roots (mit Drummer/Sänger Questlove und Gitarrist/Sänger „Captain“ Kirk Douglas) und vorne rappten Black Thought, Travie und Kid Rock. Madonna wusste es schon 1985: Damals lud sie die Beastie Boys als Support ihrer „The Virgin Tour“ ein. Niemand wollte die Band sehen oder hören. Madonna kommentierte dies einmal in der Jimmy Fallon Show mit folgenden Worten: „Die Zuschauer riefen mir zu: ,Werde die Beastie Boys los!‘ Ich dachte nur warum, ich mag sie und sie sind so wunderbar – und sie wurden riesig. Gut, dass ich nicht auf sie gehört habe.“ Yepp, bitte unbedingt in dieses grandiose und immer noch inspirierende ,Licensed To Ill‘ reinhören!