Bassist, Lehrer, Musiker: Achim Seifert im Interview
von Lothar Trampert, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Frank Siemers)
Elf Jahre ist es her, dass ich das Album ,Plans To Wake Up On The Beach‘ in der Post hatte – und einen wirklich beeindruckenden Bassisten entdeckte. Der in Hamburg lebende Achim Seifert gehört heute zu den gefragtesten Studiomusikern, ist inzwischen auch Hochschullehrer und hat vor Kurzem mit ,Dünyalar‘ sein viertes Werk veröffentlicht.
Auf seinem Debüt-Album von 2012 hörte man schon einen kompletten Musiker, der mit einer Interpretation des Bebop-Klassikers ,Cherokee‘ genauso glänzte wie in seiner berührenden Ballade ,Some Words‘, mit eigenem Sound, tief, warm, tragend. Das zweite Album des Achim Seifert Project, ,…Noticed My Heart‘ (2015) konnte dieses Niveau halten und brachte eine Nominierung für den Echo-Jazz-Award in der Kategorie „Bester Bassist national“ ein.
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„Seifert ist ein Bassist & Bandplayer, den man fühlt, der immer präsent ist ohne laut & lickend im Vordergrund zu stehen. … und wenn man einen Track wie ,Declination‘, oder die ersten Töne von ,Overdue‘, oder das Intro des Titel-Tracks erlebt, dann vergisst man Kategorien wie Jazz, Funk, Fusion und genießt einen unglaublich swingenden, groovenden, spielerischen Ansatz mit eigenem ultrawarmen Ton, der wirklich einzigartig ist“, war damals in Gitarre & Bass zu lesen.
2020 folgte mit ,Versus‘ ein weiterer intensiver Trip, oft rau und bedrückend, von knurrigen Basslines durchzogen. Ein vielseitiges Album mit teils sehr gegensätzlichen Stimmungen, die aber trotzdem zusammenpassen wie Tag & Nacht. Und nun erschien Achims viertes Album ,Dünyalar‘: Gemeinsam mit Roman Rofalski (keys), Konrad Ullrich (drums) und Leonard Huhn (sax & clarinet), unterstützt durch Sarpay Özcagatay (flute) und Mona Burger (violin), näherte er sich in acht Stücken seinen kulturellen Wurzeln.
(Bild: Achim Seifert)
DER MUSIKER
Achim Seifert wurde 1985 in Hildesheim als Sohn eines türkischen Schlagzeugers geboren. Sein Vater war es, der ihn früh an die Musik heranführte. Achim war der erste E-Bassist, der die „Künstlerische Ausbildung“ an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover absolvierte. Nach dem Studium bei den Bassisten Lars Hansen und Detlef Beier wechselte Seifert mit 22 Jahren dank eines Stipendiums ans Berklee College of Music nach Boston. Hier studierte er u.a. bei den Bassisten Lincoln Goines und Oscar Stagnaro, außerdem bei Hal Crook (tb), David Fiuczynski (g) und Dave Samuels (vib).
Nach seiner Rückkehr arbeitete er u.a. mit Alvaro Soler, Joy Denalane und Nils Wülker. Achim ist außerdem auf diversen Alben von Udo Lindenberg, Annett Louisan, Max Mutzke, Flo Mega, Nico Suave und Leslie Clio zu hören.
2010 gewann das Achim Seifert Project den „Future Sounds“-Contest der Leverkusener Jazztage, 2014 ging er mit der Band von Percussionist Trilok Gurtu auf Welttournee. Aktuell ist Seifert Lehrbeauftragter für Jazz-E-Bass an der Hochschule Osnabrück und der Hochschule für Musik und Tanz Rostock.
DAS INTERVIEW
Achim, „bass-player / composer / producer / educator / musician“ liest man auf deiner Website. Unterrichten, Spielen für andere, eigene Projekte – wie ist da das Verhältnis?
Meine musikalischen Tätigkeitsfelder teilen sich je nach Arbeitslage fast gleich auf. Es gibt Phasen, in denen ich mit meiner Band unterwegs bin und Konzerte spiele. Dann habe ich aber auch Anfragen um Künstler:innen zu begleiten, oder Workshops zu geben. Manchmal sind auch ein paar Corporate Gigs dabei, die sind gut fürs Portemonnaie. Dann habe ich meine Hochschul-Jobs, u.a. mit einem festen Tag am Institut für Musik in Osnabrück, an dem ich Bass-Hauptfach-Unterricht gebe und Ensembles leite. Diese Tätigkeit ist schon sehr wichtig für mich, da ich es unglaublich genieße, mit talentierten und motivierten jungen Menschen zu arbeiten. Ich bin jetzt schon zehn Jahre da, und möchte diese Arbeit auch in Zukunft weitermachen, denn dabei lerne ich auch viel über mich selbst. Außerdem verbringe ich aber auch viel Zeit für mich, am Instrument und beim Komponieren. Jeder Tag bereichert mein musikalisches Wissen ein bisschen mehr.
Kannst du dich noch daran erinnern, wann du zum ersten Mal einen E-Bass gehört hast?
Ein Freund meines Vaters war einmal bei uns zu Hause, und er hatte seinen E-Bass dabei. Er kam dann zu mir ins Zimmer und spielte mir einen geslappten Funk-Groove vor. Komischerweise fand ich das Instrument gar nicht so interessant, jedoch muss ich sagen, dass mich der gespielte Rhythmus an sich extrem beeindruckt hat. Rhythmus fasziniert mich bis heute und ist fester Bestandteil, wenn ich übe.
Wie sah der musikalische Einfluss deines Vaters konkret aus?
Mein Vater hatte früher bei uns im Haus einen Übungsraum in dem er mit seiner Band geprobt hat. Sie spielten traditionelle türkische Musik aber auch Rock und ein wenig Funk. Ich erinnere mich, dass ich dort manchmal einfach reingelaufen bin und auf ihren Instrumenten rumgehauen habe. Ich denke, alleine dass Musik bei uns zu Hause einen großen Stellenwert hatte und meine Mutter einen unglaublich schönen und reichhaltigen Musikgeschmack hatte und mir so viele wichtige und prägende Sachen von Klassik zu Jazz zu Pop vorgespielt hat, spielte schon eine tragende Rolle, dass ich mich beruflich dafür entschieden habe. Dafür bin ich ihr, neben vielem anderem, unendlich dankbar.
Welche Musik hast du gehört, als du mit dem Bassspielen und ersten Bands anfingst?
Zu Anfang habe ich viel Metallica gehört, aber auch amerikanischen Skate-Punk – es konnte gar nicht schnell genug sein. In meiner ersten Band haben wir aber auch schon improvisiert. Und wir haben uns, dank der Ausbildung an unserer Musikschule, schon viel mit Harmonien beschäftigt, welche Skalen über welche Akkorde passen, haben auch Opern analysiert und so weiter. Das improvisatorische Element beim Musizieren hat mich also schon recht früh fasziniert. Es war ein schöner und offener Anfang, um mit der Musik intensiv in Kontakt zu kommen. Der damalige Gitarrist unserer Band und ich haben uns dann auch für ein Jazz-Studium entschieden. Kein schlechter Durchschnitt für ein Trio!
Welche Bassistin oder welcher Bassist hat dich zuletzt wirklich beeindruckt?
Da gibt es sehr viele. In letzter Zeit höre ich wieder viel Christian McBride. Als ich ihn entdeckte bin ich aus dem Staunen eigentlich gar nicht mehr rausgekommen. Für mich stellt er die Brücke von der Jazz-Tradition zur Moderne des Kontrabasses dar. Zusätzlich fasziniert mich aber auch seine Persönlichkeit, wie zurückgenommen und dankbar er ist … In den letzten Jahren höre ich aber auch immer mehr Musik, in der der E-Bass seine traditionelle begleitende Rolle erfüllt. Das genieße ich auch sehr.
Wer sind deine Alltime-Heroes?
Wenn ich mich für zwei Typen entscheiden müsste, dann wären das Jaco Pastorius und Matthew Garrison. Beide haben den elektrischen Bass in ein neues Licht gestellt. Pastorius war nicht umsonst einer der einflussreichsten Bassisten und Musiker für so viele nachfolgende Bassisten & Bassistinnen. Seine unglaubliche technische Versiertheit und sein Approach bezüglich Harmonik, Melodik und Ton sind für die damalige Zeit beispiellos. Sein Wirken ist bis heute mehr als relevant. Matt Garrison hat dagegen das gitarristische Spiel auf den Bass übertragen: Seine Technik der rechten Hand und sein harmonisch-melodisches Verständnis beim Begleiten und Improvisieren sind einfach herausragend. Beide Musiker haben zudem so viele Kompositionen geschrieben, die noch lange als Standards überdauern werden – und die grooven auch wie Hölle.
Was kannst du zu deiner Spieltechnik sagen?
Ich würde mich schon als traditionellen Fingerstyle-Player beschreiben. Manchmal setze ich auch eine Vier- Finger-Anschlagtechnik ein, manchmal slappe ich auch oder spiele mit Plektrum – je nachdem, was die Musik verlangt, muss man sich anpassen und flexibel bleiben. Für meine eigene Musik belasse ich es normalerweise beim Fingerstyle, denn der Sound gefällt mir am besten. Auch das Spielen von Akkorden ist in meiner eigene Musik sehr wichtig: Der E-Bass kann so viel harmonische Information wiedergeben und Chords haben für mich etwas Magisches.
Bemerkst du Unterschiede zwischen deinen jungen Studenten und deinen eigenen Anfängen?
Oh ja! Es gibt einen großen Unterschied bezüglich musikalischem Wissen im Allgemeinen. Viele haben durch YouTube und durch die Informationen die heutzutage jeder online bekommen kann eine Diskrepanz von Theorie und Praxis, also was das eigentliche Spielen angeht. Das heißt, sie wissen mehr, als sie eigentlich umsetzen können. In meinen Anfängen hatte ich das Glück einen wirklichen Jazz-E-Bass-Lehrer zu haben, der mir auch gleich ein paar sehr wichtige Aufnahmen vorgespielt hat. Ich hatte es einfacher, weil viel weniger Material da war. Und durch die Konzentration darauf war auch eine stärkere emotionale Bindung zu dieser Musik gegeben. Ich habe auch das Gefühl, dass das eigentliche Heraushören und Transkribieren von Musik einen geringeren Stellenwert bei den heutigen Studis einnimmt. Im Hinblick auf Jazz ist das Transkribieren eigentlich essenziell und Teil dieser Musiktradition.
Dein neues Album ,Dünyalar‘ ist für mich ein großartiges Statement, ein emotionales Musikwerk, das eine wirkliche Leichtigkeit hat, verschiedene Kulturen zusammenzubringen.
Ich danke dir! Für mich hat alles damit zu tun, welche Menschen einen beeinflussen, und welche Menschen einem so wichtig sind, dass man zum Beispiel ihrer Musik ein Ohr schenkt, und die dann einen wirklich wichtigen Platz im eigenen Leben finden kann. Bei meinem aktuellen Album musste ich erst mal versuchen, mir die türkische Klangästhetik überhaupt zu erschließen. Ich habe es nach bestem Willen getan, jedoch ist etwas anderes dabei rausgekommen, als ich mir das eigentlich vorgestellt hatte. (lacht) Der Prozess an sich ist der Weg, und manchmal ist das der schwerste – aber in jedem Fall der lehrreichste!
Hast du schon eine Idee, wohin dich und uns das nächste Album des Achim Seifert Project führen wird?
(grinst) Ja, ich habe da was im Kopf, das muss aber noch reifen.
Danke dir für das Interview!
EQUIPMENT
BÄSSE:
Fender Jazz Bass von 1963
Michael Tobias Design MTD 535 USA
Ken Smith Burner
Greco Precision Bass
Fender Jazz Bass Deluxe Fretless
Kontrabass, ca. 100 Jahre alt, gebaut in Deutschland, mit David-Gage-Soundclip