„Die Leute beschweren sich immer, sie hätten zu wenig Zeit, sitzen aber täglich drei, vier Stunden lang vor der Glotze.“

Bass für Job For A Cowboy: Nick Schendzielos im Interview

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(Bild: © THE VAGRANT KEY)

Mit seiner virtuosen Slap-Technik und mittenlastigen Präsenz im Klangbild verschiedener Bands gehört Nick Schendzielos (ausgesprochen „shin-jealous“) zu einer neuen Generation von Metal-Bassisten, die nicht im Hintergrund herumdümpeln wollen. Mit der Death-Metal-Combo Job For A Cowboy veröffentlicht der US-Amerikaner in diesem Frühjahr nach zehnjähriger Pause ein weiteres Album; auf ‚Moon Healer‘ hat sich der 41-Jährige auch stark als Songwriter eingebracht. Wir sprechen mit ihm über Übungsgewohnheiten, Mensuren und … Gesang.

INTERVIEW

Nick, ihr habt die Songs fürs neue Job-For-A-Cowboy-Album größtenteils übers Internet komponiert, wie muss man sich das vorstellen?

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Der Grund dafür war zunächst einmal die Tatsache, dass sich in unseren Privatleben viel veränderte. Der eine ging studieren, der andere wurde Vater, und wir haben ja auch alle mehrere musikalische Projekte am Laufen. Dennoch haben wir nie aufgehört, an neuem Material zu arbeiten, die ersten Ideen entstanden bald nach unserem letzten Album ‚Sun Eater‘, das 2013 erschien. Es ging langsam voran, doch schließlich hatten wir acht Songgerüste, die wir dann im Detail ausarbeiteten. Der Onlineaustausch von Dateien erwies sich als vorteilhaft, weil man die jeweiligen Entwicklungsschritte in den Stücken sacken lassen konnte, bevor man entschied, sie beizubehalten oder zu verwerfen. Außerdem wurde ‚Moon Healer‘ dadurch, dass alle Mitglieder etwas dazu beigetragen haben, ein richtiges Gemeinschaftswerk.

Es klingt trotz seiner Komplexität tatsächlich sehr gut durchdacht. Wie gehst du innerhalb der Band und generell beim Komponieren vor? Geschieht es auf dem Bass?

Ich habe manchmal vollständige Songs im Kopf, die ich in ihren Grundzügen notiere, weil ich auch ein bisschen Gitarre spielen kann. Dazu programmiere ich noch Schlagzeugparts, und schon kann man gemeinsam daran weiterarbeiten. Den ersten Impuls bei Job For A Cowboy setzen aber meistens die Gitarristen. Ich beteilige mich an der Ausarbeitung, lege mich aber noch nicht auf bestimmte Basslinien fest, weil sich die Arrangements in der Regel stark verändern, bis wir eine endgültige Fassung des betreffenden Songs haben. Unser Leadgitarrist Tony Sannicandro und unser Drummer Navene Koperweis wissen viel mehr über Musiktheorie als ich, doch meine Stärke ist Spontaneität, glaube ich. Die kommt uns wiederum im Studio zugute, denn unser Stammproduzent Jason Suecof ist ein gnadenloser Kritiker. Er hat diesmal selbst Riffs ausgesondert, die für uns seit zwei, drei Jahren feststanden, weil er sie scheiße fand. Dadurch wurden einige Songs über den Haufen geworfen, doch da meine Parts noch nicht in Stein gemeißelt waren, konnte ich mir aus dem Stegreif etwas einfallen lassen. Tatsächlich habe ich auch keinen einzigen Ton eingespielt, bis die Gitarren und das Schlagzeug vollständig im Kasten waren. Dass ich Linien komponiere und über Monate mit mir herumschleppe, bis wir sie aufnehmen, kommt selten vor. Es ist im Allgemeinen ein offener Prozess.

Und einen fließenden Charakter, was im extremen Metal eher ungewöhnlich ist, wo oft schablonenhaft unveränderliche Bausteine aneinandergehängt werden.

Genau, und deshalb versuche ich immer, die Musik zum Sprechen zu bringen. Das ist auch mein Anspruch ans Bassspielen, wobei ich es cool finde, dass das Instrument in diesem Genre quasi eine Renaissance erlebt oder vielleicht erst jetzt überhaupt richtig ernst genommen wird. Natürlich gab es schon früher Metal-Bassisten, die auffallend melodisch spielten, aber mittlerweile hört man das auch, weil die Produzenten den Wert darin erkannt haben.

Du sollst wirklich nur zwei Stunden Bassunterricht genommen haben – wie bist du dann zu deinem Stil gekommen? Ein solches Vokabular muss man sich doch systematisch erarbeiten.

Zu sagen, ich hätte mir das Instrument nicht ausgesucht, sondern umgekehrt, wäre nicht richtig und klingt auch abgedroschen. Ich habe strenggenommen in der fünften Schulklasse als Gitarrist angefangen und war nicht sonderlich gut. Stundenlang das Intro von Metallicas ‚Enter Sandman‘ und irgendwelche Nirvana-Riffs spielen, das konnte ich, aber meine Fortschritte hielten sich in Grenzen. Mein Bruder war Bassist, bei ihm bekam ich schließlich einen Bass in die Hand; das erste, was ich tat, war auf die Saiten schlagen – wie der Schauspieler Paul Rudd im Film ‚Trauzeuge gesucht!‘. Später hörte ich dann Ryan Martinie auf ‚L.D. 50‘, dem Debütalbum von Mudvayne, und dachte: „Mensch, das will ich auch können.“

Daraufhin verkaufte ich mein Motorrad und legte mir einen Warwick zu, wie Ryan ihn spielte. Ich war in den Klang des Instruments verliebt, was bei der Gitarre nicht der Fall gewesen war, und beschäftigte mich deshalb ständig mit dem Bass, ohne mich dazu zwingen zu müssen. So kam ich sehr schnell voran. Gerade während der Corona-Lockdowns habe ich das Nettozeit-Konzept des Persönlichkeitscoachs Tony Robbins auf meinen Alltag angewandt und auch meinen Bassschülern vermittelt. Die Leute beschweren sich immer, sie hätten zu wenig Zeit, sitzen aber täglich drei, vier Stunden lang vor der Glotze. Das tue ich auch gern, doch was spricht dagegen, mit einem Bass auf der Couch zu sitzen und zu üben? Du brauchst dazu keinen Verstärker, sondern gehst stur bestimmte Bewegungsabläufe durch, zum Beispiel beim Double-Thumbing. Sie schleifen sich mechanisch ein, ohne dass du allzu viel nachdenken musst, nachdem du ein Gefühl dafür bekommen hast, welcher Teil des Daumens wo auf die Saite trifft, wie stark du das Handgelenk versteifen musst und so weiter. Ich bin während der Pandemie manchmal auf über 50 Wochenstunden Üben gekommen und habe gleichzeitig eine ganze Staffel ‚Breaking Bad‘ oder ‚Better Call Saul‘ gesehen.

Vorbilder und Gear-Talk auf Seite 2

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