Firmenbesuch

Bacci Guitars: Leonardos musikalische Erben

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Bacci Showroom und Bühne

Gibt es einen inspirierenderen Ort, wenn es um kulturelle Erfüllung und um künstlerische Schaffenskraft geht, als die Tokana, als Florenz und Lucca? Man muss gar nicht erst Namen wie Dante, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Boccherini oder Puccini bemühen, um zu wissen: In dieser Landschaft lassen sich Funken der Kreativität schlagen.

Bruno Bacci ist mit seinen Bariton-Electrics ein beeindruckender Wurf gelungen. In recht kurzer Zeit machte er mit diesen speziellen Instrumenten international Furore, konnte Spieler der neuen Generation, wie Mark Lettieri, Cory Wong oder Matteo Mancuso begeistern. Wer ist dieser Mann, den vor zwei Jahren noch kaum jemand kannte? Wo kommt er her und wie hat er es angestellt, sich so schnell in die erste Liga der Boutique-Builder vorzuarbeiten? Grund genug für einen Werkstattbesuch in Uzzano.

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Luthier Bruno Bacci

Und wenn es dann mal läuft, darf auch gerne eine gute Prise Glück dazukommen. Durch eine Eingebung, mehr ahnend als wissend, fragte Bruno auf der Suche nach einer angemessenen Werkstatt den Besitzer der malerisch gelegenen Villa del Castellaccio unweit von Lucca, ob vielleicht geeignete Räumlichkeiten zu mieten seien. Tatsächlich konnte er umgehend Nebengebäude mit Werkstatt, Lager, Showroom und auch Wohnung beziehen. In jener geschichtsträchtigen Villa nebenan, mitten in einem Olivenhain mit Blick ins Tal gelegen, komponierte Giacomo Puccini übrigens einst die Oper ‚La Bohème‘.

VITA

Handwerklich interessiert war Bruno Bacci früh. So schnappte er sich mit 12 Jahren die vorbereitete Lackpistole und lackierte kurzerhand den fertig präparierten, auf den professionellen Autolackierer wartenden Fiat 500 seines Onkels. Den befürchteten Ärger bekam er aber nicht, da er die Arbeit gut gemacht hatte. Mit 15 Jahren verließ er die Schule, um bei einem Kunstschmied den Umgang mit Eisen und Feuer zu lernen. Danach arbeitete er für einen Maschinenbauer, wo er sich im Alter von 18 Jahren die Kuppe des linken Mittelfingers abschnitt. Welch ein Unglück für jemanden, der gerade im Gitarrenspiel eine neue Leidenschaft für sich entdeckt hatte: „Ich heulte fünf Tage lang, als ich realisierte, dass ich nicht mehr Gitarre spielen konnte.“

20 Jahre lang mochte Bruno daraufhin keine besaiteten Instrumente mehr sehen, wandte sich dem Grafikdesign zu, stieg in eine führende Position auf und ging für sieben Jahre nach England, wo er sich ständig von Musik umgeben fühlte. Kaum gegen Ende 2010 nach Italien zurückgekehrt, hatte er um drei Uhr nachts die spontane Eingebung, eine Gitarre bauen zu müssen. Seine Ex-Frau lachte ihn aus. Bruno: „Ich sagte ja schon: Ex-Wife.“

Am Tag darauf fing er an im Internet zu recherchieren, wie man eine Gitarre konstruiert. Als er seine erste komplett von Hand gebaute Gitarre in Form einer Telecaster, Trauminstrument seiner Jugend, fertig gestellt hatte und einstöpselte, kamen ihm bei den ersten Akkorden die Tränen: „Den Klang der Stimme deines ersten Babys zu hören, ist einfach unglaublich.“ Mit dieser im April 2011 fertiggestellten Gitarre ging Bruno zu einem seiner Gitarristenfreunde, der staunte und wollte garnicht glauben, dass er diesen Hals so perfekt hinbekommen hatte. Er schickte ihn zu seinem Gitarrenbauer in Pisa, der Bruno mit der Perfektionierung vom Setup weiter auf die Sprünge half, sein Talent aber sofort bestätigte. Als er Bruno das finegetunete Instrument in die Hand drückte, gab Bruno zu, dass er eigentlich gar nicht spielen könne. Der Mann aus Pisa erinnerte sich nur an einen solchen Gitarrenbauer: Leo Fender.

Bruno hatte seinen Mentor gefunden, der ihm hernach die Liebe zum Holz und die nötige Passion bei der Materialwahl vermittelte, ihm aber auch ansonsten mit Rat und Tat zur Seite stand. Kopien zu fertigen war unserem Protagonisten dann auch bald schon zu wenig und er baute verschiedene Modellversionen, um seine Fähigkeiten zu trainieren. Dann ging er nach Arezzo, um sich zwei Tage die Woche, neun Monate lang im Bau von klassischen Gitarren unterweisen zu lassen. Er wollte den Einfluss von konstruktiven Elementen und verschiedener Hölzern auf den Klang besser verstehen lernen.

(Bild: Franz Holtmann)

Im Sinn hatte Bruno dabei den Bau einer Archtop-Gitarre. Als er hörte, dass Bob Benedetto im benachbarten Pietrasanta Urlaub machte, besuchte er ihn mit dem Ergebnis, dass Bob mehrere Stunden täglich mit Bruno in einer Garage verbrachte, um zusammen an Gitarren, vor allem an der Ausarbeitung von Tops zu arbeiten. Auf Bobs Empfehlung hin, hobelte er eine Decke mit verbundenen Augen aus, um ohne optische Ablenkung, lediglich über Klopfen und Hören die klanglichen Veränderungen zu erspüren.

Bob schaute sich das Ergebnis an und kommentierte: „Bruno, du bist auf dem richtigen Weg“ und schenkte ihm zum Schluss noch sein Buch über Gitarrenbau. Bruno war aber immer noch nicht glücklich und ging nach Cremona, um sich von einem Geigenbauer in das Zusammenwirken von Fichte, Ahorn und Ebenholz einweihen zu lassen. Nicht nur fertigte er dort eine ordentliche Violine, auch verstand er viel vom Ausgleich der Kräfte, vom Wesen und der „Seele des Holzes“ ganz allgemein. Bruno: „Für meine Karriere war der Cremona-Aufenthalt eine der wichtigsten Stationen überhaupt. Ich schätze, dass so etwa 30 Prozent meines heutigen gitarrenbauerischen Denkens auf diesen Erfahrungen beruhen.“

Nach dieser Phase reparierte Bruno zunächst Gitarren, baute aber auch das ein oder andere Instrument. 2013 sah er dann jenen Kumpel, dem er schon seine erste Telecaster in die Hand gedrückt hatte, eine Baritongitarre von Danelectro spielen. Ein historisch interessantes, aber eher einfaches Instrument. Für ihn baute Bruno seine erste Baritongitarre, aber der Freund wollte, obwohl beeindruckt, lieber am „shitty sound“ seiner Danelectro festhalten. Auch ein bekannter Händler in Florenz, erste Adresse für prominente Musiker, sah für die frühe Bacci-Bariton keine Perspektive.

Dann aber kam es zu jener glücklichen Verbindung, die es bei allem Engagement doch immer braucht, um in die Erfolgsspur zu kommen. Mit dem befreundeten Blues-Musiker Dan Mudd ging Bruno 2018 nach Minneapolis, um dessen neues Album aufzunehmen. Der mit Vulfpeck bekannt gewordene Gitarrist Cory Wong spazierte zufällig ins Studio, sah und probierte die italienische Baritongitarre und wollte sie sofort kaufen. Bruno, verunsichert durch die vorherigen Zurückweisungen, verlangte lediglich 400 $ zur Deckung der groben Materialkosten, bat den ihm nur entfernt bekannten Musiker aber um ein Video mit dem Instrument. Auf dem ersten Clip der Fearless Flyers ‚Ace of Aces‘ kam die Bacci-Bariton dann erstmals öffentlich zum Einsatz.

Tommaso, guter Gitarrist und Brunos rechte Hand

Wenig später rief Mark Lettieri (Snarky Puppy, Fearless Flyers, Mark Lettieri Group) Bruno an, der gerade im Auto unterwegs war. „Hey, hier ist Mark Lettieri.“ Bruno lacht: „Ja klar, und hier ist der Papst“ und legt auf. Das Telefon klingelt aber sofort noch einmal: „Hey Bruno, ich bin wirklich Mark Lettieri.“ „Glaubst du mir etwa nicht, dass ich der Papst bin? Beten soll helfen!“ Bruno legt erneut auf. Mark läßt aber nicht locker und macht einen Video-Anruf. Bruno steigt in die Bremsen, ignoriert das wilde Hupen um sich herum und entschuldigt sich für seinen Unglauben. Kurz darauf baut er eine erste Bariton für Mark, der das Instrument zuvor auf einer Gast-Session für Vulfpeck von Cory Wong in die Hand gedrückt bekam und sofort Feuer und Flamme dafür war. „Kein Vergleich mit den Modellen die auf dem Markt sind, deshalb will ich eine von deinen!“ Nicht sicher, ob die Korpusform die richtige ist, bietet Bruno Mark an, sie auch nach seinen Wünschen modifizieren zu können. Mark: „Bist du verrückt? Die ist doch ganz wunderbar!“

Erst kurz vor der Amerikareise hatte Kumpel Dan Mudd angeregt, den Bassbereich der Bariton zu verstärken, woraufhin Bruno den halben Pickup eines Precision Bass unter die drei tiefen Saiten gebaut und die Gitarre mit einem zweiten Ausgang dafür versehen hatte. Der Rest der Elektrik war Tele-Bridge-Pickup und Tele-, oder P-90 Hals-Pickup – ein Konzept, das sich bewähren sollte. Bei Übergabe der Bariton an Mark auf einem Jazz-Festival in Rom lernte Bruno dann auch noch Michael League kennen.

„Wow, interessant und du baust auch Bässe?“ Die Covid-Pandemie brachte dann erst einmal alles zum Erliegen. Bruno nutzte aber die Gelegenheit, um seine Konzeption zu verfeinern. Nachdem sich die Situation endlich wieder entspannt hatte, nahm Bruno am Boutique Guitar Showcase von Jamie Gale durch Europa teil. Jamie ermutigte ihn daraufhin, zur NAMM Show 2022 zu gehen.

Bruno, nach der Pandemie am Boden, lieh sich Geld von Freunden, um Reise und Standgebühren zu finanzieren. Der Mut wurde belohnt, er erregte Aufmerksamkeit und fand einen Vertrieb für seine Instrumente in Amerika. Auf der folgenden NAMM Show konnte er bereits den virtuosen Spieler Matteo Mancuso zur Präsentation seiner Baritongitarren mitbringen, was für viel Publikumsinteresse und Berichte und Interviews in der Fachpresse sorgte.

Auch zeigte er dort erstmals den Michael League Woodworm Bass. Bruno: „Weißt du, mein Leben änderte sich, als ich anfing Gitarren zu bauen. Ich fand einen Weg glücklich zu werden, etwas wo ich alle Erfahrungen, die ich vorher gemacht hatte, einbringen konnte: das Design, etwas modellieren, Details kreieren, Metall und Mechanik für Bridges, die Arbeit mit Holz etc., aber die wesentliche Philosophie von Bacci Guitars ist, Menschen glücklich zu machen. Mich interessiert eigentlich gar nicht, wer meine Instrumente spielt, Hauptsache er oder sie spielt mit großer Passion.“

Zum Trocknen aufgehängte Bodys

MODELLE & TECHNIK

Hauptlinie ist für Bruno Bacci sein originell und stimmig konstruiertes, vor allem auch ergonomisch rund gestaltetes Bariton-Design, im Prinzip immer eine Schraubhalskonstruktion mit Body aus Erle und Hals aus Ahorn. Als Griffbrettholz kommt geflammter Ahorn, Roasted Maple oder Ebenholz zum Einsatz. Korpus und Hals lässt Bruno extern aus handverlesenen und gut getrockneten Hölzern von einem Spezialisten per CNC-Fräse vorfertigen, die Rohlinge werden dann in der Werkstatt sorgfältig geschliffen und in ihre definitive Form gebracht. Die Korpusform ist gesetzt, als Material kommt immer American Red Alder zum Einsatz.

Halsrohlinge
Hälse nach Feinschliff
Bruno und Lorenzo bei Einlegearbeiten
Letzte Kontrolle vor Lackierung

Den meist aus europäischem Riegelahorn gefertigten und immer mit Nitro lackierten Hälsen gilt Brunos größte Aufmerksamkeit. Sorgfältig abgeglichene 23 Bünde im Griffbrett von 10“ Radius und ein perfekt eingestelltes Setup sind erwartbarer Standard. Die Elektrik der Bariton ist in erster Linie an die Telecaster angelehnt. Also Single Coil am Hals und ein weiterer Einspuler auf eigener Bacci-T-Style-Brass-Bridge mit drei Saitenreitern aus Messing in Stegposition. Als Erweiterung ist mittig dazwischen noch ein von Bruno designter Bass-Pickup mit Kappe aus Kupfer unter die tiefen drei Saiten gesetzt, dessen Signal auf einen zweiten Ausgang gelegt wird.

Bariton-Body in Candy Apple Red
Custom-Cury-Maple-Decke

Diskant- und Basssaiten lassen sich folglich getrennt abgreifen und zu entsprechenden Verstärkern führen. Bruno arbeitet für Pickups nach seinen Vorstellungen mit dem italienischen Hersteller Dreamsongs Pickups zusammen. „So rudimentär das auch sein mag, Draht um einen Magneten zu wickeln, es gibt ja durchaus Gründe, warum Menschen dem Phänomen Tonabnehmer ihr ganzes Leben widmen. Ich bin auf das Holz fokussiert, diesen Job gebe ich gerne an jemanden, der es liebt, Pickups richtig gut zu machen.“ Preamp-Elektronik und Pickups für die Bässe liefert Nordstrand Audio. Sets von Andreas Kloppmann liegen aber auch gerade zum Test vor.

Bruno lötet die Elektrik selbst.

Das prinzipielle Bacci-Design ist gesetzt, aber in begrenztem Rahmen sind auch Custom-Optionen verfügbar. Farben etwa sind wählbar, aber auch Pickups, etwa P-90, Humbucker oder Gold-Foil-Typen sind in verschiedenen Konfigurationen möglich. Eine andere Bridge oder Locking Tuner lassen sich ebenfalls ordern, selbst über die Mensurlänge (Bariton-Standard ist 75,5 cm) kann man reden. Als Pickguard für seine Baritongitarren verwendet Bruno im Übrigen gerne besondere Vinyl-Platten. Zu den Baritons gesellt sich noch eine Reihe von Marleo V 5-string Basses und der Amrita IV Woodworm Bass in limitierter Auflage von 35 Exemplaren, wegen des schwer zu beschaffenden Materials. Der Korpus des eher konventionell gestalteten Woodworm Bass besteht aus gänzlich vom Holzwurm durchfressener Erle – wenn man so will, eine ganz besondere Art von Semiacoustic.

Vom Holzwurm zerfressene Erlenbodys für Woodworm-Bass

BACCI EXPERIENCE

Als persönlichen Service bietet Bruno Bacci seinen Kunden an, die letzten Phasen des Custom-Crafting-Prozesses vor Ort in Uzzano zu begleiten und sich das Instrument nach persönlichen Vorlieben auf den Leib schneidern zu lassen. Bruno will dem Auftraggeber damit nicht nur eine perfektionierte, an die eigene Spieltechnik angepasste Gitarre in die Hand geben, sondern auch eine intensive Reise ins inspirierende Herz der Toskana ermöglichen. Ein Gastgeber, der nicht nur seine Erfahrungen teilen und Fachwissen vermitteln, sondern als lokaler Experte für die Musik und die Kultur der Toskana seinem Besucher auch die Sehenswürdigkeiten, Klänge und Geschmäcker dieser Region nahebringen will. Bruno glaubt man gern, dass sein Handwerk Wurzeln hat in Kunst und Architektur, Anregung findet durch die bezaubernde Landschaft und in einer handwerklichen Verfeinerung, die sich nicht zuletzt auch in der delikaten toskanischen Küche spiegelt. Florenz oder das nahegelegene Lucca sind zudem höchst attraktive Reiseziele, die eine Bacci Experience mehr als lohnenswert erscheinen lassen.

FUTURO

Zur Zeit werden etwa zwölf Baritongitarren, sechs Marleo-5-string-Bässe und zwei Amrita-IV-Michael-League-Bässe pro Monat fertig, aber für eine Erweiterung der Produktion sind bereits Räume in einer nahgelegenen alten Industrieanlage angemietet, wofür das derzeit fünf Leute umfassende Team ebenfalls wachsen muss. Bruno Bacci ist ein rühriger Mann, der zwar fokussiert seine Bariton-Gitarren auf den Punkt zieht und weiter perfektioniert, aber bereits Pläne für weitere Instrumente im Auge hat. Bässe gehören ja bereits zum Programm und nicht ohne Grund ist Michael League mit dem Woodworm Bass seit Monaten auf Tournee. In naher Zukunft wird Bruno auch seine spezielle Fantasie vom Design einer semiakustischen Gitarre vorantreiben. Bruno: „Ich liebe den natürlichen Klang von Holz, von Violinen und Archtops.

Bruno Bacci mit Partner und Sales Manager Tommaso Sturlini

Ich will einem kleinen Korpus einen großen Akustik-Sound abtrotzen. Eine leichte Gitarre soll es werden mit einem speziellen akustischen Sound, den du nicht erwartest. Da ich kein Fan von nur einer Musikrichtung bin, möchte ich auch keinen zu stark festgelegten Sound. Niemand kann ein Instrument bauen, das sich für alle Genres eignet, aber die Semiacoustic die ich im Sinn habe, soll zumindest verschiedene Gesichter haben.“ Erste Prototypen sind vielversprechend und auch Cory Wong wollte bei einem Besuch sofort einen davon haben, muss aber warten, da Meister Bacci noch nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis ist, denn nur das Beste ist ihm gut genug. Auf der nächsten NAMM im Januar will Bruno aber dann damit herauskommen. Man darf gespannt sein, was aus dieser hell sprudelnden toskanischen Quelle demnächst noch so alles kommen wird! In Deutschland werden die feinen Instrumente von Bacci Guitars ab sofort über Pro Arte Fine Acoustics vertrieben.


(erschienen in Gitarre & Bass 10/2023)

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