Die Liste der Musiker, mit denen der amerikanische Bassist Pete Griffin bereits auf der Bühne gestanden hat, liest sich wie das Who’s Who des Rock-Olymp: Steve Vai, Yngwie Malmsteen, Zakk Wylde, Nuno Bettencourt, Dweezil Zappa, Terry Bozzio, Chick Corea, Mike Portnoy, Stanley Clarke, Edgar Winter, Frank Gambale, Jean-Luc Ponty … und neuerdings auch Racer X/Mr. Big-Saitenakrobat Paul Gilbert.
Zur Überraschung vieler Fans tauchte der 38-jährige Bassist Pete Griffin ohne große Vorankündigung bei der Herbst-Tournee des Paul Gilbert Trios auf. Im November spielte das Trio in Bochum eines von nur zwei Deutschlandkonzerten, natürlich nutzten wir diese Gelegenheit, um den unglaublich versierten und erstklassigen Musiker direkt zu befragen.
Anzeige
Interview
Pete, obwohl du in den vergangenen zehn Jahren eine wirklich beeindruckende Karriere hingelegt hast, kennen dich sicherlich noch nicht alle Leser …
Pete Griffin: Mein Name ist Pete Griffin, ich spiele seit fast 25 Jahren Bass und war bereits im letzten März hier in Bochum, und zwar mit der norwegischen Formation Shining im Vorprogramm der Devin Townsend Band. Bekannt geworden bin ich mit der Band Zappa Plays Zappa, mit der ich einen Grammy gewonnen und die ich vor fünf Jahren verlassen habe. Seither habe ich in unterschiedlichen Formationen gespielt. Mein letztes große Engagement, bevor ich zu Paul Gilbert gekommen bin, war eine Tour unter dem Titel ,Generation X‘ mit Steve Vai, Yngwie Malmsteen, Nuno Bettencourt, Zakk Wylde und Tosin Abasi von der Band Animals As Leaders. Ich war der Bassist für sie alle, was für mich dreieinhalb Stunden Nonstop-Show bedeutete. Aber es war ein riesiger Spaß, weil ich meine unterschiedlichen Fähigkeiten als Bassist präsentieren konnte. Mit Tosin Abasi waren es diese abgedrehten Harmonien und verrückten Rhythmen, außerdem slappt er die Gitarre, wirklich ganz ungewöhnlich. Mit Zakk Wylde war es dagegen Classic Rock auf einem P-Bass mit Plektrum. Bei Yngwie Malmsteen kam es auf superschnelles Spiel an, und Steve Vai ist ja sowieso in seiner eigenen Welt. Nach dieser Tour hatte ich zwei Wochen Pause und schloss mich dann einer Band namens Giraffe Tongue Orchestra an, zu der auch Brent Hinds von Mastodon, Ben Weinman von The Dillinger Escape Plan, William Du- Vall, der neue Sänger von Alice In Chains, und Thomas Pridgen von The Mars Volta gehören. Es ist eine Art Supergroup, für die ich besonders gerne spiele, weil ich auch in die Produktion des aktuellen Albums involviert bin und meine eigenen Basslinien schreiben darf. Deshalb kann ich im Giraffe Tongue Orchestra meinen eigenen Fingerabdruck hinterlassen, während ich bei den anderen Projekten immer nur die jeweiligen Bandleader unterstützt habe. Ich bin natürlich trotzdem froh, dass ich das seit mehr als 15 Jahren machen darf, aber das Giraffe Tongue Orchestra ist für mich eine ganz besondere Sache. Ich freu mich sehr darauf, die Band auf Tournee zu präsentieren, obwohl ich sagen muss, dass ich zurzeit auch durchaus ein wenig Pause vertragen könnte. Doch als Paul Gilbert mich bat, mit ihm auf Tour zu gehen, habe ich natürlich zugesagt.
Kanntest du Paul Gilbert vorher bereits?
Pete Griffin: Nein. Ein guter Freund von mir, Kevin Chown, hat auf seinem aktuellen Album ,I Can Destroy‘ gespielt. Aber Kevin tourt schon seit einem Jahr mit Tarja Turunen und konnte daher nicht mit Paul auf Tour gehen. Er gab ihm meine E-Mail-Adresse, Paul fragte mich, ob ich Lust und Zeit habe, und ich sagte natürlich zu. Eine Woche vor der ersten Probe trafen wir uns und besprachen die wichtigsten Dinge. Dann probten Paul, Thomas Lang und ich drei Tage lang, und heute, einen Monat später, sind wir dicke Freunde und touren durch ganz Europa, anschließend folgen Israel und Russland. Es macht wirklich einen Riesenspaß, mit dieser Band und dieser Crew auf Tour zu sein. Dieses ist die kleinste Besetzung, mit der ich jemals gespielt habe, das klassische Power-Trio. Es ist wirklich cool und gibt mir viele Freiheiten, um mich zu verwirklichen. Ich spiele einige ungewöhnliche Parts, greife auch schon mal Akkorde, außerdem hatte ich zuvor noch nie Tappings gespielt. Also musste ich es lernen, um ,Scarified‘ und einige andere Klassiker von Paul spielen zu können.
Du lernst also Dinge, die du noch nie vorher gespielt hast?
Pete Griffin: Oh ja, massenhaft. Das Besondere an dieser Band ist, dass Paul als Chef genau weiß, was er will, aber die Spezialisten an den beiden anderen Instrumenten das spielen lässt, was sie für richtig halten. OK, er würde natürlich eingreifen, wenn ihm etwas nicht gefällt. Aber bislang hat er auf alle meine Fragen, ob ich etwas so oder anders spielen soll, geantwortet: „Mach es so, wie du es für richtig hältst.“ Ich mag das, auch wenn es mich nicht stört, wenn mir in anderen Bands exakt vorgeschrieben wird, was ich zu spielen habe. Aber bei Paul Gilbert gibt es viel Raum für jeden von uns, ich muss nicht mit einem Keyboard um die tiefen Frequenzen kämpfen, muss keine Rücksicht auf eine achtsaitige Gitarre nehmen.
Hast du Musik studiert? Bist du ein voll ausgebildeter Bassist?
Pete Griffin: Ja, ich war vier Jahre lang an der Northwestern University in Chicago und habe einen Bachelor Of Arts in Musik.
Musstest du an der Uni im Nebenfach noch weitere Instrumente lernen?
Pete Griffin: Nein, ich habe lediglich zusätzlich Kontrabass gelernt. Ich gehöre nicht zu den Musikern, die nur deshalb zum Bass gekommen sind, weil sie an der Junior Highschool zu den unfähigen Gitarristen gehörten. (lacht) Ich bekam im Alter von 13 von meinen Eltern einen Bass geschenkt, das war vor 25 Jahren, und seitdem habe ich nichts anderes gespielt. Ich glaube, dass der Bass auch meinem Naturell entspricht, denn ich gehe zwar gerne auf die Bühne, möchte aber nicht im Mittelpunkt stehen. Mir genügt, wenn ich einen kurzen Solo-Spot bekomme und ansonsten im Hintergrund agieren darf. Ich bin gerne einer von vielen, anstatt im grellen Fokus zu stehen. Viele Gitarristen sind ja auch exzellente Bassisten, umgekehrt gilt das für mich nicht: Mit meinen Gitarrenfähigkeiten würde ich keinen Blumentopf gewinnen. Ich kann drei Akkorde greifen und kleine Ideen auf der Gitarre entwickeln, aber wirklich spielen kann ich nicht.
Mit welcher Art Musik bist du aufgewachsen? Wer waren die Helden deiner Jugend?
Pete Griffin: An der Highschool und am College habe ich sehr viel Frank Zappa gehört, insofern war es natürlich toll, zehn Jahre später bei Zappa Plays Zappa spielen zu dürfen. Ich denke, dass meine Begeisterung für Zappa mich zu dem Musiker gemacht hat, der ich heute bin. Es ist ja keine klassische Shred- Musik, aber trotzdem technisch sehr anspruchsvoll. Außerdem gibt es ständige Rhythmus- und Tonartwechsel mit schrägen Harmonien, auf die kein Normalsterblicher kommen würde. Zappa-Songs beinhalten immer Passagen, die stringent arrangiert sind und die man jeden Abend exakt gleich spielen muss. Daneben gibt es aber auch Parts mit improvisierten Gitarrensoli, auf die man als Bassist spontan reagieren muss. Diese Parts basieren oft auf jazzigen Harmonien, was mir sehr entgegenkommt, weil Jazz und Funk und lange Jams mein zweites wichtiges Standbein sind.
Hast du auf der Generation-X-Tour einige Zappa-Parts mit Steve Vai gejammt? Immerhin war er ja damals beim Meister in der Band.
Pete Griffin: Ja. Wegen Steves Zappa-Vergangenheit habe ich ihn ja überhaupt kennengelernt. 2006 waren er und Terry Bozzio als Special Guests auf meiner ersten Tour mit Zappa Plays Zappa. Seither standen wir immer im E-Mail-Kontakt, und zehn Jahre später fragte er mich, ob ich an der Generation- X-Tour teilnehmen möchte. Insofern schloss sich da ein Kreis für mich.
Welches ist deine liebste Zappa- Scheibe?
Pete Griffin:,One Size Fits All‘ mit den Songs ,Inca Roads‘ und ,Andy‘ . Hast du auch eine Lieblings- Zappa-Scheibe?
Oh ja, absolut: ,Roxy & Elsewhere‘ .
Pete Griffin: Interessant, das wäre meine definitive Nummer zwei. Zappa hat einen so unglaublich großen und qualitativ hochwertigen Back-Katalog. Ich weiß noch, als wir 2008 meinen Lieblingssong ,Don’t You Ever Wash That Thing?‘ von ,Roxy & Elsewhere‘ in einer phantastischen Version spielten und ich vor Stolz fast zu platzen drohte. Man sollte sich bei Zappa für eine bestimmte Periode festlegen, also für ,One Size Fits All‘, ,Apostrophe‘, ,Roxy & Elsewhere‘ oder ,Over-Nite Sensation‘, wenn man die Siebziger abdecken will, oder eben ,Freak Out‘, ‘ We’re Only In It For The Money‘ und ,Lumpy Gravy‘ für die psychedelischen Sechziger. Die Sachen unterscheiden sich völlig voneinander. Ich stand auf den Jazz-Rock der Siebziger und plötzlich hörte ich bei ,Lumpy Gravy‘ einen Typen, der aus einem Klavier heraus sprach. Ich dachte: Was zum Teufel ist das denn? Heute liebe ich diese Sachen, aber damals war ich etwas irritiert.
Kannst du mal benennen, was den Pete-Griffin-Anteil in den Paul-Gilbert- Songs ausmacht?
Pete Griffin: Mann, verdammt gute Frage, darüber muss ich kurz nachdenken. Da ich für so viele verschiedene Gitarristen gespielt habe und deren Ideen nachahmen musste, weiß ich nicht einmal so genau, was genau der Charakter meines Spiels ist. Ich versuche, möglichst bei allen Bands mit dem gleichen Equipment zu arbeiten und auch dann meine Vorlieben für Grooves beizubehalten, wenn Metal-mäßig oder schnell gespielt wird, sodass man dazu tanzen kann. Mich hat nie interessiert, so schnell wie möglich spielen zu können, sondern die Leute zum Tanzen zu motivieren. Gefühl war mir immer wichtiger als Technik. Wenn Leute zu Tanzen beginnen, fühle ich mich bestätigt. Ich suche in einem Song immer die Lücke, in der man zusammen mit dem Schlagzeuger einen Groove entwickeln kann.
Hast du speziell für diese Band auch dein Effektboard zusammengestellt?
Pete Griffin: Ja, ich habe es gezielt für diese Tour konzipiert. Das MRX Bass DI-Plus, das ich mehr als Distortion-Pedal denn als DI verwende, ist allerdings immer dabei. Das Ding funktioniert so ähnlich wie der Sans Amp Bassdriver, klingt für mein Empfinden aber besser und lässt den Amp noch ein wenig härter klingen. Neu in meinem Board ist der EBS Billy Sheehan Driver Deluxe, eine wirklich geniale Stompbox. Hin und wieder setze ich auch das POG 2 ein, das je nach Einstellung wie eine Orgel oder wie ein achtsaitiger Bass klingen kann. Hinzu kommen ein Bass-Chorus von Providence, eines der besten Chorus-Pedale, die ich jemals gehört habe, sowie ein Providence Brick-Drive, das einen EQ beinhaltet, mit dem ich die Dynamikunterschiede meiner beiden Bässe ausgleiche. Der Precision Bass ist lauter als der Jazz Bass, also muss ich da immer etwas eingreifen. Der Brick- Drive hat einen Boost-Schalter, den ich sehr vorsichtig nutze, wenn Paul ein Solo spielt. Ich habe das mal bei Tim Commerford von Rage Against The Machine gesehen, der bei den Soli von Tom Morello den kleinen Knopf drückt und damit seinem Amp ordentlich Dampf macht. Es klingt dann etwas stärker verzerrt, als ob im Hintergrund mehr Band vorhanden ist. Der Brick-Driver hat eine Funktion, die ich Vitalizer nenne und die bei mir immer eingeschaltet ist, um die Übertragungsverluste durch mein langes Kabel auszugleichen. Nebenbei bemerkt: Zu Hause habe ich massenhaft weitere Pedale, die ich fast alle bei meinen unterschiedlichen Jobs nutze. Vor jeder Tour mache ich mir konkrete Gedanken über die optimale Zusammenstellung. Wenn ich in Kürze mit dem Giraffe Tongue Orchestra auf Tournee gehe, muss ich das Pedalboard wieder komplett anders bestücken.
Letzte Frage: Wie sieht für dich der perfekte Bass aus?
Pete Griffin: Um ehrlich zu sein: Ich habe mich noch nie besonders intensiv mit der grundsätzlichen Konstruktion meiner Instrumente befasst. Ich spiele seit langem Fenderorientierte Bässe, zur Zeit den Lakland Bob Glaub Signature Bass und den Bob Glaub Jazz-Bass von D.Lakin, der neuen Firma von Dan Lakin. Ich schätze diese Instrumente wegen ihrer hohen Fertigungsqualität. Wenn man als Bassist zu sehr auf ganz bestimmte Features fixiert ist, kann die Qualität des Instruments darunter leiden. Zumal: Nimm zwei identisch gefertigte Instrumente in die Hand und du merkst, dass sie dennoch total unterschiedlich sind. Manchmal klingen billige Instrumente besser als ihre teureren Variationen. Deswegen muss man jedes Instrument in die Hand nehmen und prüfen, ob es einem gefällt. Bei D.Lakin weiß ich, dass ich der Firma vertrauen kann und sie mir immer tadellose Instrumente schickt. Wenn ich selbst einen Signature Bass bauen dürfte, dann hätte er sowohl PBass- als auch Jazz-Bass-Pickups, um sowohl Rock als auch Jazz mit demselben Instrument spielen zu können. Ursprünglich habe ich jahrelang Jazz-Bässe gespielt, bis ich vor nicht allzu langer Zeit einen alten in Japan gefertigten P-Bass eines Freundes in die Finger bekam und sich dadurch mein ganzes Spiel änderte. Mir gefiel, wie der P-Bass die tiefen Frequenzen kontrolliert und gleichzeitig eine natürliche Verzerrung im Sound hat und dadurch dem Amp mächtig Feuer unter dem Hinterteil macht. Um ehrlich zu sein mag ich diesen Sound zurzeit noch lieber als den des Jazz- Basses. Insofern wäre eine Kombination aus beiden Sounds natürlich das Optimum. Ich weiß, dass es so etwas bereits gibt, aber ich habe noch kein Exemplar in die Hände bekommen, bei dem es richtig gut klingt.
Danke Pete, und alles Gute mit dem Giraffe Tongue Orchestra.