Mit ihrer fabelhaften Mixtur aus Southern Rock, Boogie, Blues, Soul und Folk sind Gov’t Mule der perfekte Nachfolger von Legenden wie die Allman Brothers oder Grateful Dead.
Seit 1994 existiert die Band um Gitarrist/Sänger Warren Haynes, einem ungewöhnlich geschmackvollen und vielseitigen Songschreiber und Musiker. Haynes gehört mittlerweile zu den renommiertesten Rock-Gitarristen der Welt, wurde vom Rolling Stone auf Platz 23 der wichtigsten Gitarristen aller Zeiten gewählt und heimste zahlreiche Grammy-Nominierungen ein.
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Neben seiner Arbeit mit Gov’t Mule veröffentlichte der 56-Jährige diverse Soloalben, produzierte befreundete Bands und spielte unter anderem mit Kenny Wayne Shepherd, Little Milton, der Derek Trucks Band, Phil Lesh & Friends und The Dead.
Im Mai führte Haynes seine Gov´t Mule wieder einmal nach Deutschland. Für Fans ein wahrer Ohrenschmaus, für Gitarren-Fans zudem eine prima Gelegenheit, seine kleine aber erlesene Auswahl an Instrumenten zu begutachten. Wir trafen uns mit dem freundlichen Amerikaner am Nachmittag vor der Show in der Hamburger Fabrik und befragten ihn dabei auch zur neuesten Mule-Scheibe ,The Tel-Star Sessions‘, deren bislang unveröffentlichten Aufnahmen aus dem Jahr 1994 stammen und die allererste StudioSession der Gruppe (damals noch mit Allman-Brothers-Bassist Allen Woody, der im August 2000 starb) repräsentieren.
Warren, es ist eher ungewöhnlich, dass eine Band 22 Jahre alte Aufnahmen veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Warren Haynes: Gov’t Mule haben, wie du weißt, vor Kurzem ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. Deshalb haben wir unsere Archive durchforstet, um diesem Anlass gerecht zu werden. So kamen Alben wie ,Dark Side Of The Mule‘, ,Stoned Side Of The Mule‘, ,Dub Side Of The Mule‘ oder ,Sco-Mule‘ auf den Markt. Im Rahmen dieser Veröffentlichungen wurden auch die sogenannten ,Tel-Star Sessions‘ aus dem Jahr 1994 wieder ausgegraben, die allererste Session, die Gov’t Mule jemals gespielt hat.
Wir hatten darüber schon einige Jahre nachgedacht, und als ich dann vor einigen Monaten diese Aufnahmen hörte, war ich von der Qualität, die wir damals bereits ablieferten, total begeistert. Wir waren zwar nur zu dritt, aber es herrschte eine unglaubliche Euphorie. Wir haben die ,Tel-Star Sessions‘ von Gordie Johnson neu mischen lassen, es klingt wunderbar, ich freue mich sehr, dass diese Musik nun tatsächlich erscheint.
Das sollte damals eigentlich euer erstes Album werden …
Warren Haynes: Ja, das stimmt. Wir entschieden uns anschließend, zunächst weitere Songs zu schreiben, bevor wir ein Studio-Album aufnehmen, um als Band noch weiter zu wachsen. Und als wir dann unseren ersten Plattenvertrag unterschrieben, wollten wir nicht auf ältere Aufnahmen zurückgreifen … Nun, wenn ich mir heute die ,Tel-Star Sessions‘ anhöre, muss ich sagen, dass auch sie es verdient gehabt hätte, als unser Debüt veröffentlicht zu werden. Manches aus dieser Session ist sogar besser als das, was auf unserer ersten Scheibe zu finden ist.
Zum Zeitpunkt der Session stand noch nicht fest, ob aus Gov’t Mule mal eine richtige Band werden würde.
Warren Haynes: Auch das ist richtig. Allen Woody und ich waren ja immerhin feste Mitglieder bei den Allman Brothers, deshalb sollte Gov’t Mule nur eine Art Zeitvertreib zwischen den Allman-Tourneen sein. Es sollte nur um den Spaß an der Sache gehen. An ein zweites Album oder an eigene Tourneen dachten wir zu keiner Sekunde. Deswegen durfte die erste Scheibe ja auch kein Geld kosten, es war wirklich eine typische Low-Budget-Produktion, live im Studio, ohne irgendwelche Erwartungen, die daran geknüpft wurden.
Die Fans haben euch dann aber einen gehörigen Strich durch diese Rechnung gemacht.
Warren Haynes: Die Fans waren sofort begeistert, alles wurde zunehmend größer, viel schneller als wir gedacht hätten, und so wurde aus dem Projekt Stück für Stück eine richtige Band.
Kannst du dich noch an die Gitarren und Amps erinnern, die du während der ,Tel-Star-Session‘ gespielt hast?
Warren Haynes: Damals spielte ich den Großteil des Materials mit meiner ersten Les Paul, die ich vorher auch schon mit zu den Allman Brothers gebracht hatte, und einer SG Custom mit drei Pickups. Eine Firebird besaß ich damals noch gar nicht, die besorgte ich mir erst anlässlich der Aufnahmen zum zweiten Album ,Dose‘. Die Idee dazu kam mir, weil ich meine Gitarre bei bestimmten Songs um einen Halbton tiefer stimmen wollte und Les Pauls dazu nicht sonderlich gut geeignet sind. Mit einer Stratocaster funktioniert das einigermaßen, mit Telecasters sogar noch etwas besser, aber mit einer Firebird funktioniert das am besten.
Als Amp kam damals bereits mein Soldano zum Einsatz, den ich auch bei den Allmans spielte, aber zusätzlich gab es da noch einen Gibson Skylark; das ist ein kleiner Combo mit einem 6“-Jensen-Speaker. Man kann ihn bei einigen Songs der ,Tel-Star Sessions‘ gut heraushören. Der kleine Skylark kam übrigens auch auf einigen der späteren Gov’t-Mule-Scheiben zum Einsatz, in Kombination mit anderen Verstärkern. Bei den ,Tel-Star Sessions‘ dagegen kann man ihn bei einigen Stücken ganz allein im Einsatz hören, beispielsweise in ,Just Got Paid‘ . Damals dachte ich übrigens auch zum ersten Mal darüber nach, ein Leslie-Cabinet einzusetzen, denn unser Freund Chris Anderson brachte so eine Box mit einem rotierenden Lautsprecher mit ins Studio, die man auch an einen Gitarrenverstärker anschließen konnte.
Er fragte: „Möchtest du dir das mal ausleihen?“ Und ich: „Ja klar, warum nicht? Ich könnte es ja mal testen.“ Ich hatte kurz zuvor ,World Of Difference‘ komponiert, allerdings auf einem Bass, und wusste daher zunächst noch nicht, was ich dazu auf der Gitarre spielen sollte. Ich verkabelte also meinen Amp mit dem Leslie und probierte ein paar Dinge aus. Und dann wurde dieser Leslie-Sound der Gitarre ein wichtiger Teil des Liedes. Insgesamt war es damals aber ein sehr simples Setup.
Besitzt du das komplette Tel-Star-Equipment noch immer?
Warren Haynes: Ja, komplett.
Du verkaufst nie Teile deiner Sammlung?
Warren Haynes: Nein, ich kann mich nicht von Dingen trennen, es sei denn, sie sind defekt oder haben erkennbare Mängel.
Würdest du dich als Sammler bezeichnen?
Warren Haynes: Na ja, ich suche zwar nie aktiv nach bestimmten Modellen, aber im Laufe der Zeit hat sich bei mir eine Vielzahl an Instrumenten angesammelt.
Interessant an den ,Tel-Star Sessions‘ ist auch, dass man deine privaten musikalischen Vorlieben erkennen kann: Es gibt mit ,Mr Big‘, ,Just Got Paid‘ und ,The Same Thing‘ drei Coverstücke von Free, ZZ Top und Willie Dixon. Wie eng habt ihr euch damals an den Originalen orientiert?
Warren Haynes: Für uns waren Cover-Songs immer schon dazu da, um eine eigene Version davon zu kreieren. ,Just Got Paid‘ ist dennoch nah am Original, lediglich um einiges länger gezogen. Außerdem ist der Gesang etwas höher. ,Mr Big‘ ist meines Erachtens etwas aggressiver als die Version von Free, aber trotzdem sehr ähnlich. Allen Woody hat auch sein Bass-Solo ziemlich genau auf den Stil von Free abgestimmt, um es dann auf seine eigene Spielweise auszudehnen. Was ich an allen drei Songs mag: Sie haben das gewisse Etwas, den zündenden Funken, und sie erinnern mich daran, weshalb wir uns damals entschieden hatten, eine Band zu werden; nämlich weil zwischen uns dreien eine besondere Chemie herrschte. Damals hatten wir noch nicht allzu viele eigene Stücke und kannten überwiegend Cover-Stücke. Speziell das Material von Free und ZZ Top kannten wir aus dem Eff-Eff.
Was hat sich in den folgenden 20 Jahren verändert ?
Warren Haynes: Unsere Mission damals lautete: Wir bringen das Konzept des Power-Trios zurück! Denn damals gab es so etwas nicht mehr. Wir hielten das für eine klaffende Lücke in der modernen Musik, die wir unbedingt füllen wollten. Aber der Plan war nicht, dies 20 Jahre lang zu machen. Unsere Mission sollte eigentlich noch im gleichen Jahr enden. Wenn ich mir heute die Songs von damals anhöre, verstehe ich, was uns damals dazu bewogen hat, so zu arbeiten. Aber wie bei jeder anderen Band entwickelten wir uns weiter, wuchsen, ließen andere Einflüsse zu. Das führte dazu, dass ich mehr und mehr Songs schrieb, die nicht mehr zu einem Trio passten, sondern nach zusätzlichen Instrumenten verlangten.
Der Vorteil eines Trios ist, dass es keine Akkordbegleitung gibt, wenn der Gitarrist zum Solo ansetzt. Also hat der Bassist volle Freiheit, der Gitarrist hat volle Freiheit, was wirklich toll ist. Doch irgendwann möchte man das genaue Gegenteil, nämlich Akkordwechsel, weitere Instrumente, und so weiter. Aus diesem Grund hat sich mit jedem weiteren Album das Songwriting ein wenig verändert, auch weil es wichtig ist, sich nicht zu wiederholen. Jede Band möchte sich weiterentwickeln und mit der Zeit zunehmend mehr von ihren eigenen Einflüssen umsetzen. Interessanterweise klingt die Band heute einerseits völlig anders als damals, andererseits aber doch sehr ähnlich.
Haben deine Solo-Produktionen für dich die gleiche Bedeutung wie die Alben von Gov’t Mule? Oder sind sie reiner Zeitvertreib?
Warren Haynes: Irgendwann liegen bei mir eine Handvoll Songs herum, die nicht zu Gov’t Mule passen. Dann sagt mir eine innere Stimme, dass es Zeit für ein neues Solo-Album ist. Auf ,Man In Motion‘ habe ich alle Soul-Nummern zusammengefasst, die ich über die Jahre geschrieben hatte. Ich hätte sie natürlich auch mit Gov’t Mule aufnehmen können, und es wäre sicherlich ebenfalls ein tolles Ergebnis dabei herausgekommen.
Da sich aktuell auch dein Equipment ein wenig verändert hat, erzähle bitte etwas über die Gitarren und Verstärker, die du diesmal mit nach Europa gebracht hast.
Warren Haynes: Normalerweise spiele ich Diaz Amps, die Cesar Diaz für mich gebaut hat, der vor zehn Jahren leider gestorben ist. Die beiden aktuellen Amps sind denen sehr ähnlich, die ich seit fast 20 Jahren spiele. Dieser rote Amp nennt sich Homestead und wurde von Peter McMahon gebaut, der für Diaz gearbeitet und quasi Cesars Nachfolge angetreten hat. Der Soldano wiederum ist der Gleiche, den ich hatte, als ich 1989 zu den Allman Brothers kam. Ich teste sehr viel, auf dem letzten Album habe ich unter anderem auch Marshall-Amps gespielt, aber diese beiden Topteile sind perfekt für die Sounds, die ich bei Gov’t Mule auf der Bühne brauche … Bei den Gitarren bekommt Europa leider nur eine abgespeckte Auswahl zu sehen. In Amerika nehme ich deutlich mehr Klampfen mit auf Tournee, in Deutschland sind es diesmal nur drei Les Pauls, eine Firebird, eine ES-335 und eine Bariton-Gitarre, die ich bei einigen Stücken spiele.
Keine Zwölfsaitige?
Warren Haynes: Nein. In Amerika habe ich Gitarren mit unterschiedlichen Tunings dabei, allein drei für verschiedene Open-C-Tunings, eine in Open A sowie einige – wie man so sagt – Hybrid-Tunings. Diese Gitarren bleiben permanent in diesen Tunings und sind ausschließlich auf spezielle Songs ausgerichtet. In Europa ist es aus Kostengründen nicht möglich, sämtliche Gitarren mitzubringen.
Daher also auch die unterschiedlichen Setlists.
Warren Haynes: Richtig. Es gibt etwa sechs oder sieben Songs, die ich auf dieser Tour deshalb nicht spielen kann, weil mir die entsprechenden Gitarren fehlen. Ich kann das teilweise durch Umstimmen ausgleichen. Eine der Les Pauls übernimmt zum Beispiel komplett die unterschiedlichen C-Tunings.
Bei deinen Effektpedalen habe ich zu meiner Verwunderung ein Fractal Audio Axe FX II entdeckt. Den hattest du bei unserem letzten Treffen noch nicht dabei.
Warren Haynes: Ja, den habe ich in der Tat noch nicht allzu lange. In Amerika steuere ich meine Sounds über ein Bob-Bradshaw-Switching-System, das die Effekte in meinem Rack schaltet. Aber für den Transport nach Europa ist das Rack zu groß, deswegen nehme ich jetzt das Fractal Audio-Teil, das alle meine Effekte klont.
Bist du damit zufrieden?
Warren Haynes: Insgesamt schon, denn einige Sounds sind wirklich sehr gut. Andere dagegen hängen allerdings den Original-Sounds meiner Effektpedale hinterher. Den Sound meines Rotosphere-Leslie-Simulators von Hughes & Kettner beispielsweise reproduziert das Axe FX nur mäßig, es klingt eher wie ein Chorus-Pedal und nicht wie ein Leslie. Die anderen Effekt-Klons, wie etwa Delay, Octave-Divider, Envelope-Filter, Tremolo oder das Cesar-Diaz-Effektpedal „Texas Ranger“, das auf dem Vox Top Boost basiert und von mir als Midrange-Boost eingesetzt wird, um eine Art Hendrix-Sound à la ,Red House‘ zu erzeugen, sind dagegen ganz OK.
Das Bradshaw-System ist einfach zu schwer, um es kostengünstig im Flugzeug transportieren zu können. Außerdem funktioniert der Großteil meiner Sounds sowieso ohne Effekte, die meiste Zeit spielt nur die Gitarre und der Amp.
Was in der 1994er Trio-Situation sicherlich schwieriger war als heute mit zusätzlichem Keyboarder.
Warren Haynes: Vollkommen richtig. Der Grund, weshalb ich überhaupt anfing mit Effektpedalen zu arbeiten, war die Trio-Konstellation der Anfangsjahre, als ich dem Sound eine weitere Dimension hinzufügen wollte. Bei den Allman Brothers hatte ich zuvor überhaupt keine Effekte benutzt, was mir in einer größeren Band sehr viel Spaß gemacht hat. Im Trio ist es dagegen natürlich ganz schön, ein paar mehr Möglichkeiten zu haben.
Warren, danke dir vielmals, bis zum nächsten Mal.
Warren Haynes: Ja gerne, wir sehen uns hoffentlich wieder!
@ Island Exodus: So klingt es dann wenn ein Blues- und Rockgitarrist sich an 70′ Jahre Fusion Musik versucht. Sorry, aber das wird ihm nicht gerecht. Diese Musikrichtung beherschen andere Gitarristen besser z.B. auch Ex-Kollge Derek Trucks
Als ob irgendein Künstler einem anderen “gerecht” werden muss außer vielleicht sich selber. Was für eine geschmackspolizeiliche Bemerkung. Und irgendwie sind die 70er nun lange vorbei, auch wenn uns die Musik von damals immer noch inspiriert. Mir gefällt es sehr gut und ich habe mich über die unkompliziert wirkende Zusammenarbeit mit dem “Jazzer” John Scofield gefreut.
@ Island Exodus: So klingt es dann wenn ein Blues- und Rockgitarrist sich an 70′ Jahre Fusion Musik versucht. Sorry, aber das wird ihm nicht gerecht. Diese Musikrichtung beherschen andere Gitarristen besser z.B. auch Ex-Kollge Derek Trucks
Als ob irgendein Künstler einem anderen “gerecht” werden muss außer vielleicht sich selber. Was für eine geschmackspolizeiliche Bemerkung. Und irgendwie sind die 70er nun lange vorbei, auch wenn uns die Musik von damals immer noch inspiriert. Mir gefällt es sehr gut und ich habe mich über die unkompliziert wirkende Zusammenarbeit mit dem “Jazzer” John Scofield gefreut.