Die australische Band AC/DC hatte 1975 bislang zwei Alben veröffentlicht. In Down Under avancierten sie nach und nach zu Rock-Stars, die öfter mit den Ordnungskräften oder den lokalen Behörden in Konflikt gerieten. Dabei pflegten AC/DC das Image der harten, lauten und gegen das Establishment rebellierenden Rock‘n‘Roller.
Anzeige
Im April 1976 erschien in Europa und den USA eine alternative Version des Australien-Debüts ,High Voltage‘. Und bereits im Dezember des Jahres folgte das sehr raue ,Dirty Deeds Done Dirt Cheap‘. Zwar hatten Bon Scott (v), Angus Young (g), Malcolm Young (g), Mark Evans (b) und Phil Rudd (dr) bei ihrer ersten England-Tournee viel Eindruck hinterlassen, doch in den britischen Single- und Album-Charts zeigte sich dies überhaupt nicht. In den USA wurde das Album damals gar nicht veröffentlicht – das passierte erst 1981 – in England konnte man mit ,Let There Be Rock‘ erstmals in die Top-20 vordringen.
Das neue Album war innerhalb von zwei Wochen im Januar und Februar ‘77 entstanden. Die ehemaligen Easybeats-Musiker Harry Vanda und George Young, der ältere Bruder von Angus und Malcolm, produzierten erneut. Tatort war das Alberts Studio in Sydney. Und diesmal war der Sound so heftig wie nie, die Riffs noch knackiger und die Arrangements noch gestraffter als dies ohnehin schon der Fall war.
Der harte Boogie-Rocker ,Go Down‘ und ,Dog Eat Dog‘ rissen von Beginn an mit. Und da war natürlich das epische und schnelle ,Let There Be Rock‘, in dem Scott wie ein Priester über die Geburt der Rock-Musik predigte. Grandios sind bis heute die Wechsel zwischen den nur mit Drums und Bass begleiteten Gesangs-Strophen und den verschiedenen Lead-Parts. Und das finale Solo mit den sich steigernden Double-Stops und den Schluss-Arpeggien zählt wohl mit zum Legendärsten, was Angus Young jemals auf Platte gebannt hat.
Folgendes Angus-Zitat nährt den Mythos des Songs und des Albums: „Gegen Ende der Aufnahme von ,Let There Be Rock‘ rauchte der verdammte Verstärker. Aus dem Scheißding quoll richtig dicker Rauch! Und George brüllte wie wild: ,Nicht aufhören!‘ Ich spielte weiter und sah die ganze Zeit, wie der Qualm sich nach und nach überall im Raum verteilte. Der Verstärker hielt bis zum Ende durch, dann machte dieses blöde Teil ,blaaaaaaah‘ und schmolz weg. ,Let There Be Rock‘ war einfach ein verdammt heißes Album.“
Und es hat 40 Jahre später nichts von seinem Druck verloren. Songs wie ,Overdose‘ oder ,Bad Boy Boogie‘ zählen mit zum Besten, was AC/DC je aufgenommen haben. Einfach grandios, wie sich Ersteres nach und nach aufbaut und die Musiker endlich in einen gemeinsamen Groove finden. Und auch ,Hell Ain‘t A Bad Place To Be‘ ist an Kompaktheit nicht zu überbieten. Aus dem Intro-Riff zimmerten die Youngs zwei Jahre später ihren Hit, Highway To Hell‘.
Und da ist noch der Song, in dem Bon Scott über eine seiner Eroberung erzählt, die vollschlanke Rosemarie. ,Whole Lotta Rosie‘ geht einfach nur schnell bis punkig ab. Mit der Nummer etablierte sich auch ein festes Konzertritual, bei dem das Publikum im Intro im Wechsel mit dem Riff immer wieder „Angus“ schreit.
Eine Besonderheit stellt ,Problem Child‘ dar. Der gerade nach vorne gehende Rocker passt gut ins Konzept des Albums, jedoch ist im Vergleich zum Rest der etwas andere, wärmere Gesamtklang der Aufnahme nicht zu überhören. Tatsächlich kannten Fans den Song schon vom Vorgänger ,Dirty Deeds …‘, für die US-Version des neuen Albums entschied man sich dafür, ihn mit draufzunehmen. Dafür fiel das getragene ,Crabsody In Blue‘ weg; dabei ist der melodische wie raue Slow-Blues, in dem Scott ironisch überlästige Filzläuse im Schambereich jammert, schon eine kleine Entdeckung.
Auch dieser Song unterstreicht, dass AC/DC vom Rock & Roll der 50er-Jahre und letztlich vom Blues kamen. Allerdings hatten sie diese Wurzeln diesmal unglaublich heftig interpretiert. Auffällig im Vergleich zu den bisherigen Alben ist der raue Gesamt-Sound, der auch aus dem Aufbau im Studio resultierte. Drums und Gitarren-Amps befanden sich im selben Raum, sodass es zu Übersprechungen kam und eine saubere Trennung der einzelnen Spuren nicht möglich war. Die Young-Brüder hatten zu jener Zeit einen Sponsorenvertrag mit dem englischen Hersteller Marshall abgeschlossen, sodass damals auch ganz neue Verstärker am Start waren. Ansonsten sind die Youngs für die folgenden Gitarren bekannt: Malcolm spielte eine Gretsch Jet Firebird, Angus eine Gibson SG Standard.
Buzz Bidstrup von der australischen Band The Angels war damals im Studio einige Male mit dabei und beschrieb die Arbeitsweise der Band folgendermaßen: „Sie spielten 15 oder 20 Minuten ein bestimmtes Riff oder arbeiteten an einem gewissen Feeling, spielten den Song ein paar Mal, und dann sagte George: ,Jungs, ich glaube, jetzt habt ihr es raus, das klingt jetzt richtig gut.‘ Dann drückten sie auf Record und nahmen den Titel auf. Meistens sang Bon in der kleinen Seitenkabine, während der Rest der Band zusammen im Studio stand. Angus wälzte sich bei seinen Soli am Boden oder kletterte auf die Verstärker. Sie waren ziemlich durchgeknallt.“
Wie durchgeknallt AC/DC tatsächlich waren, eben gerade auch Angus Young, zeigt der Konzertfilm ,Let There Be Rock‘, der Aufnahmen des 1979er Paris-Auftritts zeigt. Während Scott vorne mit großen Gesten den eher coolen Frontman gibt, rennt Angus in seiner Schuluniform im Chuck-Berry-Duckwalk kreuz und quer über die Bühne. Im Hintergrund bearbeiten im Wortsinne Malcolm, Phil Rudd und der damals relativ neue Bassist Cliff Williams ihre Instrumente.
1985 erschien ,Let There Be Rock‘ erstmals als VHS-Videokassette. Es sollte bis 2011 dauern, bis bei Warner Music jemand auf die Idee kam, den Film als DVD zu veröffentlichen, und dies im Fan-unfreundlichen recht lieblosen schwarz-weißen Design ohne Booklet.
Das originale Album hätte fast ein ähnliches optisches Desaster erlebt. In Australien kam ,Let There Be Rock‘ zunächst mit einem eher unscheinbaren Schwarzweiß-Cover heraus. Das wurde jedoch für die internationale Veröffentlichung verworfen. Und in der Tat fängt das bekannte Cover-Live-Bild wesentlich besser die Energie von AC/DC ein. ,Let There Be Rock‘ war schließlich auch das erste Album mit dem bis heute bekannten Band-Logo mit den gebrochenen gotischen Schriftzeichen, die Ende der 70er-Jahre auch im Motörhead-Schriftzug auftauchten. Und das spiegelte eben diesen noch einmal verschärften monumentalen Sound der Band wieder, der vier Jahrzehnte später immer noch ein Ereignis ist.
Das wohl beste Album der besten Band aller Zeiten.